Dieses Buch hat mich wirklich überrascht.
Zum einen ist dieser Titel ein wahres Highlight, denn er macht neugierig. Neugierig auf das was da alles kommen mag.
Aber auch die Überschriften, die jedes neue Kapitel einläuten. Sehr sympathisch, verraten ein wenig über den kommenden Inhalt und sind absolut kreativ. Ich sag nur „hairy styles“…
Was mich komplett abgeholt hat, ist dieser mehr als punktuelle Schreibstil. Anne Freytag beschönigt nichts, sie ist wahnsinnig klar in ihren Worten, auf den Punkt genau und erschafft eine ganz eigene Atmosphäre. Als sein man während des Lesens, gefangen in einer Bubble.
Diese Bubble lässt keine Einflüsse von außen heran, behandelt aber Themen wie Schmerz, Freude, Unsicherheit und Kompromissbereitschaft. Doch dies alles in einem sicheren Raum, einer der nicht urteilt oder wertet, der einfach da ist.
Dadurch hat man das Gefühl alles noch intensiver zu spüren.
Ihre Protagonistin Sally ist eine davon. Sie existiert, aber sie existiert für andere, nicht für sich selbst. Man kann in jeder Zeile den Schmerz lesen, die Einsamkeit aber auch ihre Verletzlichkeit komplett wahrnehmen.
Anne Freytag schafft es einfach, uns in Sallys Kopf hineinzubringen, wo wir alles detailliert miterleben. Dadurch beginnt das Buch auch wahnsinnig langsam. Denn es soll uns erst einmal Sally näherbringen. Wir erleben aus Sallys Augen, die Corona Zeit. Das ewige daheim sein, ihre Familie die manchmal recht skurril ist und natürlich Sally. Wir sind sozusagen ein Beobachter aus der Vogelperspektive.
Dieses stilistische Mittel muss man mögen. Denn es ist langsam, zart, unaufgeregt, mit tiefen Gefühlen und mehr Gesten als Worten. Hier zählt das Kleine, das manchmal Unscheinbare, aber das was da ist. Eine Handbewegung, eine Geste… was mehr sagt als jedes gesprochene Wort.
Im ersten Moment weiß man nicht genau, wohin dieses Buch führt. Denn es gibt viele einzelne Handlungsstränge, manche davon sind sehr komplex, andere wiederum nicht, aber sie alle spiegeln das Leben von Sally wieder.
Jeder von uns, wird sich in einem dieser Stränge wiederfinden. Jeder von uns, wird sich in Sally sehen. Denn Sally ist nicht perfekt, sie ist authentisch…allerdings ist es oftmals etwas frustrierend nur das Negative von ihr zu lesen. Denn Sally hat viel mehr als das zu bieten. Das kann mitunter für den einen oder anderen etwas schwer sein, all dies Seitenweise zu lesen.
Doch die Erlösung, lässt nicht lange auf sich warten. denn die Beziehung zwischen Sally und Leni, wird zauberhaft aufgebaut. Ihre Verbindung, die sie langsam miteinander knüpfen in unterschiedlichen Facetten beleuchtet. Es geht Tief… denn Themen wie Angst und Liebe, Erwartungen von außen und die eigene Identität sind immer wieder präsent und werden aufgearbeitet.
Deswegen entwickelt es sich alles sehr langsam. Keine Spannung, keine unerwarteten Wendungen, alles ganz klar. Dafür ganz viele Zwischenmenschliche Beziehungen, die persönliche Weiterentwicklung, die Erwartung der Familie an einen selbst und immer wieder die Frage nach ob man selbst genug ist.
Muss man mögen, denn hier steht nicht die Handlung im Vordergrund, sondern das drumherum. Corona und die daraus entstehende Isolation, die Familie und wie jeder einzelne mit dieser Situation umgeht.
Ein Buch, welches zum nachdenken anregt, was aber definitiv nicht jeden begeistern wird, da hier keine Action im Vordergrund steht, sondern der Mensch in einer Extremsituation.
Meine Bewertung: 4 Sterne
Ein Buch, mit Tiefgang. Mit vielen wichtigen Elementen, authentischen und ehrlichen Protagonisten, das Zusammenleben einer Familie in der Pandemie, der Frage nach dem ob man genug ist und den Vorstellungen der anderen entspricht. Sehr lange Handlung, viele Stränge mit vielen Entwicklungen und ganz vielen Emotionen. Betrachtet das Ganze aus der Vogelperspektive um einen tieferen Einblick in Sally zu bekommen. Man muss sich darauf einlassen, seine Erwartung dahingehend anpassen und diesem Buch eine Chance geben. Dann wird es gefallen!