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mari_liest

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2024

Clever konstruierte Lektüre

Ich bin Anna
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„Bedauerlicherweise weiß niemand, ob das Glückhaben eine konstante Eigenschaft des Menschen ist.“ (S. 70)

1917, der 1. Weltkrieg tobt und Sigmund Freud behandelt den blinden Patienten Ludwig Stadlober. ...

„Bedauerlicherweise weiß niemand, ob das Glückhaben eine konstante Eigenschaft des Menschen ist.“ (S. 70)

1917, der 1. Weltkrieg tobt und Sigmund Freud behandelt den blinden Patienten Ludwig Stadlober. Stadlober, der nach einem Senfgasangriff erblindet ist, zeigt keine organischen Ursachen für seine Blindheit, was ihn zu einem interessanten Fall für die Psychoanalyse macht. Anna, fasziniert von der Arbeit ihres Vaters, nimmt inoffiziell Kontakt zu Stadlober auf und entwickelt eine tiefe Verbindung zu ihm. Diese Begegnungen sind prägend für Annas weitere Entwicklung.
Im Laufe der Jahre entwickelt sich die Beziehung zwischen Anna und ihrem Vater weiter, wobei auch Annas eigene psychoanalytische Fähigkeiten und innere Konflikte eine zentrale Rolle spielen. Als die Nazis 1938 in Wien einmarschieren, steht die Familie Freud vor existenziellen Herausforderungen. Anna und Stadlober begegnen sich erneut, und ihre einst freundschaftliche Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt.

Anna, die jüngste Tochter des berühmten Psychoanalytikers, steht im Mittelpunkt des Romans. Sie wird als eine vielschichtige und facettenreiche Persönlichkeit dargestellt, die in der Schattenwelt ihres übermächtigen Vaters und ihrer starken Schwester nach ihrer eigenen Identität sucht. Ihr Weg zur Selbstverwirklichung und ihre Entwicklung von der schüchternen Tochter zur eigenständigen Frau und Psychoanalytikerin bilden das Herzstück der Erzählung.

Saller thematisiert nicht nur die Beziehung zwischen Vater und Tochter, sondern auch die inneren Kämpfe und die Suche nach Selbstbestimmung in einer von patriarchalen Strukturen dominierten Welt. Anna ringt mit den Erwartungen ihres Vaters und der Gesellschaft, während sie gleichzeitig ihre eigene Identität und ihren Platz in der Welt finden muss. Die Integration von psychoanalytischen Konzepten und Analyse der Persönlichkeitsmuster verleiht den Figuren im Roman Lebendigkeit und Tiefe.

Die abwechselnden Erzählperspektiven aus der Sicht von Sigmund und Anna Freud zeigen, wie unterschiedlich ein und derselbe Sachverhalt verstanden und interpretiert werden kann. Saller gelingt es, diese verschiedenen Stränge und Sichtweisen präzise und mit sprachlicher Finesse zu verbinden und er verwebt historische Fakten gekonnt mit erzählerischer Freiheit.

"Ich bin Anna" ist auch als feministischer Roman zu verstehen, der Annas Emanzipation von familiären und gesellschaftlichen Zwängen thematisiert. Ein atmosphärischer und erfrischender Roman, der in die Welt der Psychoanalyse und die komplexen Dynamiken der Familie Freud entführt. Zeitgleich aber auch die „Befreiung“ von Anna Freud erzählt. Saller zeichnet ein fesselndes Psychogramm einer jungen Frau, die zwischen der Loyalität zu ihrem Vater und ihrem eigenen Streben nach Freiheit hin- und hergerissen ist. Eine clever konstruierte Lektüre, die zum Nachdenken anregt und einen Blick auf die berühmte Familie Freud bietet. Mit hat das sehr gefallen! #leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Wir haben definitiv noch viel zu "unlearnen"

Unlearn Patriarchy 2
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Beim Lesen von "Unlearn Patriarchy 2" begab ich mich auf eine persönliche Reise durch das Dickicht des modernen Patriarchats. Dieses Buch ist ein Sammelwerk von dreizehn Essays, die eine Vielzahl von Themen ...

Beim Lesen von "Unlearn Patriarchy 2" begab ich mich auf eine persönliche Reise durch das Dickicht des modernen Patriarchats. Dieses Buch ist ein Sammelwerk von dreizehn Essays, die eine Vielzahl von Themen abdecken, von der Religion über Architektur bis hin zu spezifischeren Bereichen wie Mental Health, Krieg & Genozid sowie Medizin.

Jeder Beitrag im Buch bringt uns als Leserinnen dazu, über die vielfältigen Formen der Ungerechtigkeit und Diskriminierung nachzudenken, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind. Die Diversität der Stimmen und Schreibstile – von sachlich bis emotional – spiegelt die Breite und Tiefe der feministischen Bewegung wider und bereichert mein Verständnis dafür, wie vielschichtig der Kampf gegen das Patriarchat ist und was wir in unserem Alltag eigentlich alles so gar nicht wahrnehmen (können) oder nicht wissen.

Besonders bewegend fand ich die Kapitel, die sich mit den Auswirkungen des Patriarchats auf Krieg und Genozid auseinandersetzen. Diese Teile des Buches konfrontierten mich mit der erschreckenden Realität der Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind, und zeigten auf, wie patriarchalische Ideologien diese Verhaltensweisen untermauern oder gar versuchen diese zu legitimieren. Die Aufklärung in diesem Kapitel des Buches war für mich wohl das schlimmste. Über den menschenverachten Umgang der Uigur
innen hatte ich mich bereits befasst, das Buch von Ghulbahar war hier vernichten augenöffnend – denn ich hatte bis zu dem Buch noch nie was darüber gehört. Und wenn man denkt schlimmer kann es nicht werden, dann wird HIV als Kriegswaffe eingesetzt. Ich möchte schreien, ganz laut und wissen: was zum Teufel ist nur mit Euch los!!!

"Unlearn Patriarchy 2" ist mehr als nur ein Buch; es ist eine Einladung, die Welt um uns herum und die Rolle, die wir selbst in ihr spielen, kritisch zu hinterfragen. Die Essays zu Mental Health, Architektur, Kirche, Medizin, Krieg und Genozid waren für mich von besonderem Interesse, da sie nicht nur wertvolle Einsichten boten, sondern auch konkrete Anregungen lieferten, wie wir das Patriarchat in diesen Bereichen hinterfragen und bekämpfen können.

Diese Lektüre ermutigt mich, internalisierte Muster zu erkennen und zu hinterfragen (wobei der Weg definitiv noch weit ist). Es war an einigen Stellen sehr herausfordernd, gleichzeitig ist es eine Bereicherung diesen Hammer zu bekommen, denn es macht Situationen bewusst, die ich so vielleicht nicht erkennen würde. "UP 2" ist somit nicht nur für Feministinnen ein Muss, sondern für jeden, derdie sich für eine tiefgründige Analyse und Überwindung patriarchalischer Strukturen interessiert. Und natürlich stelle ich mir auch Fragen …

Inwiefern trage ich selbst zu patriarchalen Strukturen bei?
Welche Auswirkungen hat dies alles auf mein Leben, meine Karriere oder mein Arbeitsleben?
Wie beeinflusst das Patriarchat meine psychische und physische Gesundheit?
* Wie kann ich Kinder in meinem Umfeld positiv „beeinflussen“, um patriarchale Dinge nicht weiter zu fördern?

„Unlearn Patriarchy 2" ist ein kraftvolles Werk, das zum Nachdenken anregt und dazu ermutigt, für eine bessere Welt zu kämpfen. Ich empfehle dieses Buch wärmstens allen, die bereit sind, sich mit den komplexen Wahrheiten, mit versteckten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen und aus diesen Erkenntnissen zu lernen. Es ist ein lehrreiches, provokatives und letztlich inspirierendes Buch, das einen festen Platz in meiner Sammlung gefunden hat und mich sicher noch eine Zeit lang umtreiben wird, denn es ist definitiv noch viel zu tun!

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Veröffentlicht am 25.11.2023

Eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte

Die Formel der Hoffnung
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„Ich habe einmal eine Frau eingestellt. Vor drei Jahren. […] Sie hat sich in einen Studenten verliebt und meine Abteilung blamiert. Ich bin nicht geneigt, noch einmal das Risiko einzugehen, eine Frau einzustellen. ...

„Ich habe einmal eine Frau eingestellt. Vor drei Jahren. […] Sie hat sich in einen Studenten verliebt und meine Abteilung blamiert. Ich bin nicht geneigt, noch einmal das Risiko einzugehen, eine Frau einzustellen. […] Und wenn ein Mann einen ähnlichen Fehler macht? […] Würden Sie nicht davon ausgehen, dass es ein Fehler dieses speziellen Mannes war, und zur Tagesordnung übergehen? Doch wenn eine Frau etwas falsch macht, wird es 50 Jahre lang nicht vergessen. […].“ (S. 67)

M.D. Horstmann, eine Frau, die sich in einer Männerdomäne behaupten musste und trotz der ständigen Unterbewertung unbeirrt ihren Forschungen nachging. Cullens Roman ist nicht nur eine Hommage an Horstmanns außergewöhnliche Leistungen im Kampf gegen Kinderlähmung, sondern auch ein lebendiges Zeitdokument der Herausforderungen, mit denen Frauen in der Wissenschaft konfrontiert waren und leider immer noch sind.

Horstmann ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Ihre Zurückhaltung und Bescheidenheit machen sie zu einer umso faszinierenderen Figur. Cullen schildert eindrücklich, wie Horstmann trotz der ständigen Geringschätzung ihrer Arbeit durch männliche Kollegen, die stetige Kämpferin bleibt. Sie zeigt uns eine Frau, die in einer Zeit großer sozialer und geschlechtsspezifischer Ungerechtigkeiten lebte, aber niemals ihre Vision aus den Augen verlor.

Dieses Buch ist nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit, sondern auch ein Spiegel unserer Zeit. Es zeigt uns wie weit wir noch gehen müssen, besonders in der Wissenschaftswelt. Es ist auch ein kraftvolles Plädoyer für mehr Gleichberechtigung und Anerkennung der Leistungen von Frauen in allen Bereichen.

Diese Geschichte ist eine sehr besondere. Eine, die wirklich über zwei Jahrzehnte stattfand, die viele Kinder sterben lies! Eine vergessene Person, die maßgeblich an der Forschung beteiligt war, wird vor den Vorhang geholt! Cullens Werk feiert die Errungenschaften einer bemerkenswerten Frau und hinterfragt auch kritisch die gesellschaftlichen Strukturen ihrer Zeit.

Eine Steilvorlage zur COVID-Pandemie – hatten wir doch gerade erst; war vor ca. 80 Jahren nicht anders (was sich die Menschen da so lieferten).

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Die Geschichte eines halben Lebens

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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„Solitude ist kein Schicksal, wie Einsamkeit, sie ist eine Entscheidung. […] Eine Lebensform, die Rückzug erlaubt an einen Ort, an dem keine andere Person deinen Platz beansprucht, Rechte hat, Stille zerredet, ...

„Solitude ist kein Schicksal, wie Einsamkeit, sie ist eine Entscheidung. […] Eine Lebensform, die Rückzug erlaubt an einen Ort, an dem keine andere Person deinen Platz beansprucht, Rechte hat, Stille zerredet, Abläufe stört, Bedürfnisse und Ansprüche artikuliert. Gewohnheiten etabliert, die nicht deine sind. (S. 19)

Das Buch gibt sich anfangs als banale Bestandsaufnahme, doch schnell wird klar, dass es weit mehr zu bieten hat. Die Protagonistin, Mitte 50, alleinerziehend, steht vor der Herausforderung, ihr Leben neu zu definieren, als ihre Zwillinge ausziehen. Während sie praktische Überlegungen anstellt und sich auf einen Umzug vorbereiten muss, nimmt sie uns mit klarem Blick mit auf eine Reise durch ihr Leben. Eine Reise, in der sie nicht nur pragmatische Überlegungen anstellt, sondern auch ihre Lebensentscheidungen im Licht ihrer eigenen Hoffnungen und Träume, elterlicher Erwartungen und im Vergleich zu den Lebensentwürfen der beiden Zwillingsschwesternpaare Revue passieren lässt.

Dies ist kein gewöhnlicher Roman über den Abschied der Kinder und den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. Vielmehr ist es eine intensive Auseinandersetzung mit den Fragen nach Identität, Vergangenheit bzw. Zukunft sowie Freiheit und Selbstfindung.

Die Geschichte liest sich wie ein intimes Tagebuch, das uns die Heimtücke von Erinnerungen zeigt und zugleich die Chance auf Neuanfang und Selbstentdeckung offenbart.

Die einfühlsame und unaufgeregte Erzählweise hat mir wieder sehr gefallen und hat den Ton für die Geschichte genau getroffen. Ich habe es sehr gerne gelesen. #leseempfehlung

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Eine entspannende Geschichte für zwischendurch

Sommerschwestern
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Die vier Schwestern Amelie, Helen, Doro und Jella haben ihre Sommerferien mit ihren Eltern fürher immer in Holland in Bergen verbracht. Doch eines Tages stirbt der Vater bei einem Autounfall und es ist ...

Die vier Schwestern Amelie, Helen, Doro und Jella haben ihre Sommerferien mit ihren Eltern fürher immer in Holland in Bergen verbracht. Doch eines Tages stirbt der Vater bei einem Autounfall und es ist nichts mehr wie es war.

Jetzt, 20 Jahre später erhalten die Schwestern eine ominöse Einladung ihrer Mutter, Henriette Thalberg, zum alten Familienort. Eine wichtige Kunde stehe an.

Vorrangig befinden wir uns in den Gedanken von Jella, die ihres Gefühls nach, die Vorgaben ihrer Mutter nie erreichen kann und konnte. Sowohl persönlich nicht, als auch mit der Partnerwahl nicht. Henriette Thalberg, würde ich als egozentrischen Menschen wahrnehmen, würde die Geschichte nicht einiges von ihrem Leben preisgeben. Doro, die älteste der Schwestern, scheint den Stein im Brett der Mutter zu haben, war sie sogar in das Vorhaben der Mutter eingeweiht und benötigt immer einen Platz im Mittelpunkt. Die beiden Zwillinge Amelie und Helen sind ebenfalls wie Tag und Nacht, was ihre Persönlichkeit angeht.

Im Laufe der Geschichte lernen wir die Schwestern jede individuell, dennoch nicht sonderlich in die Tiefe kennen. Wir haben teil an Streitigkeiten unter Schwestern, Konfliktgesprächen von Kindern und Müttern, persönlichen Animositäten in Beziehungen. Als plötzlich die besagte „Kunde“ der Mutter ins Spiel kommt, nimmt alles eine gefühlsbetonte und tragische Wendung.

Ich habe das Buch als Hörbuch auf Bookbeat entdeckt und mich in die Geschichte fallen lassen. Es war angenehm für zwischendurch, nicht besonders tiefgreifend, dennoch spannend auf seine Art. Die Handlung plätschert bis zum Schluss gleichbleibend vor sich hin. Es ist kein Buch, welches einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen wird, dennoch habe ich es sehr gerne gehört und ich möchte es für zwischendurch, als entspannende, feine Lektüre jedenfalls empfehlen.

Inka Teichmüller hat das Buch gelesen und ich fand ihre Stimme sehr angenehm.

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