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Veröffentlicht am 25.11.2023

Feelgood mit ernsten Themen

Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan
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Annie hatte Brustkrebs und hat diesen überwunden. Das ist nur eines der vielen durchaus schwerwiegenden Themen, die Karin Janson in ihrem Debütroman anspricht. Annie fühlt sich in ihrer Ehe nicht mehr ...

Annie hatte Brustkrebs und hat diesen überwunden. Das ist nur eines der vielen durchaus schwerwiegenden Themen, die Karin Janson in ihrem Debütroman anspricht. Annie fühlt sich in ihrer Ehe nicht mehr wohl, verliert ihren Job und startet neu durch in einem Oldtimer-Postbus aus dem Jahr 1963. Sie fährt über Land und verkauft Damenunterwäsche. Es ist eine Art Road Novel, in der uns auf 345 Seiten allerlei Menschen mit ihren ganz eigenen Problemen begegnen. So wie im wirklichen Leben. Kaum ein Thema, das in diesem Buch nicht angesprochen wird. Vielleicht ist genau das die Botschaft des Buches: Hej, das Leben ist nicht einfach und wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Aber lasst uns bitte nicht den Mut verlieren.

Ich habe das Buch sehr schnell durchgelesen. Es war unterhaltsam und keineswegs deprimierend, ganz im Gegenteil. Aber es war zugleich nicht sehr tiefgründig, fast schon oberflächlich. Eben ein Feelgood-Roman.

Der deutsche (!) Titel hat mich etwas an Filmtitel aus den frühen 1990ern erinnert, was in mir wahrscheinlich eine falsche Erwartungshaltung geweckt hat. Insgesamt finde ich das Zusammenspiel von Titel , Cover und Inhalt nach Lektüre des Buches nicht sehr stimmig. Annie hat keinen Plan, sie macht sich einfach auf die Reise. Und der Bus, der dabei eine wichtige Rolle spielt, ist auf dem Cover leider nicht zu sehen.

Fazit: Ein nettes Buch zum Abschalten, aber nichts, was mir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Tarantino am Chiemsee

CHIEMSEEJAZZ
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Was habe ich erwartet? Einen Regionlkrimi mit Jazz wahrscheinlich, stilvoll genossen zum Sonnenuntergang am Chiemsee. Und da ich Krimireihen am liebsten von vorne bis hinten lese, habe ich mit Buch Nr. ...

Was habe ich erwartet? Einen Regionlkrimi mit Jazz wahrscheinlich, stilvoll genossen zum Sonnenuntergang am Chiemsee. Und da ich Krimireihen am liebsten von vorne bis hinten lese, habe ich mit Buch Nr. 1 angefangen, auch wenn der Band bereits 2011 erschienen ist.

Was habe ich bekommen? Ein Buch, dass meine Bauchmuskeln trainiert hat, denn ich musste immer wieder so laut lachen, dass der Göttergatte das Buch nun auch unbedingt lesen möchte.

Ja, es ist definitiv ein Regionlkrimi. Man bekommt hervorragende Ausflugs- und Restauranttipps, die sicherlich nicht nur für Urlauber von Interesse sind. Ich hätte sie mir anstreichen sollen, um für den nächsten Urlaub gerüstet zu sein. Diese Aufgabe muss nun der Göttergatte übernehmen. Ich habe aber im Museumsladen auf der Fraueninsel mittlerweile sogar einen etwas anderen Reiseführer des Autors erworben.

Doch wer nun kuchenbackende Rentnerinnen mit Häkeldeckchen erwartet, der liegt völlig falsch. Chiemseejazz ist garantiert kein Cozy Crime, denn hier geht es zur Sache. Mal mit derbem und zotigen Stammtisch-Humor, mal mit Szenen, die aus einem Tarantino-Film stammen könnten. Political Correctness ist dem Autor fremd, und das ist hier tatsächlich herrlich erfrischend. Aber manchmal ist es doch einen Ticken zuviel. Manche Zote hat schon mein Großvater zum besten gegeben. Dafür gibt es leider einen Punkt Abzug.

Hervorragend gefallen haben mir die in den Handlungsverlauf integrierten Kochrezepte. Das erinnert an die kulinarischen Krimis von Carsten Sebastian Henn.

Einen weiteren Punktabzug gibt es für das schlampige Lektorat. Da Folgebände dann bei emons erschienen sind, hoffe ich auf Besserung.

Fazit: Eine nette Urlaubslektüre, zu der besser eine Halbe passt, als Champagner und Jazz.

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Veröffentlicht am 17.09.2023

Zürich als Lifestyle

Tiefes, dunkles Blau
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Ich habe Seraina Kobler auf der Ladies Crime Night 2022 im Rahmen der Crime Cologne erlebt und war sehr neugierig auf ihren Zürich-Krimi. Mir hat ihr Auftreten gefallen und ebenso ihre Sprachgewandtheit, ...

Ich habe Seraina Kobler auf der Ladies Crime Night 2022 im Rahmen der Crime Cologne erlebt und war sehr neugierig auf ihren Zürich-Krimi. Mir hat ihr Auftreten gefallen und ebenso ihre Sprachgewandtheit, die während der kurzen Lesung zum Vorschein kam. Nun hat es fast ein Jahr gedauert, bis ich das Buch aus meinem Bücherstapel gezogen und gelesen habe. Leider hat mich die Lektüre dann nicht so überzeugt. "Tiefes, dunkles Blau" ist sicherlich kein schlechtes Buch. Meine Erwartungshaltung war aber eine andere.

Seraina Kobler schreibt und schreibt und beschreibt - sie beschreibt Zürich und das hippe Leben in der Altstadt, sie beschreibt die Landschaft und den Schwarzen Garten, in dem die Seepolizistin ihr Gemüse züchtet und noch so vieles mehr. Doch leider bleibt es beim Beschreiben; sie dringt nicht ein ins tiefe dunkle Blau, sondern bleibt an der Oberfläche. Die Protagonisten bleiben schwach, die Hauptfigur kommt vor lauter Hochglanz-Lifestyle gar nicht wirklich zum Ermitteln, viele Themen werden nur kurz angerissen, aber nicht ausgearbeitet, und selbst die Prostituierten wirken wie feministische Hetären. Lädt Rosa Zambrano zum Essen ein, dann können ihre Kochkünste mit jedem Sternekoch mithalten, und einzig der Uringeruch nach der Street Parade will nicht so ganz in dieses Bild passen, welches auch das Tourismus-Büro von der Stadt hätte entwerfen können.

Nun ist "Tiefes, dunkles Blau" ein Debüt-Roman, und ich wünsche Seraina Kobler, dass es ihr gelingt in weiteren Romanen auch unter die schillernde Oberfläche des Zürich-Sees zu blicken.

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Veröffentlicht am 24.11.2024

Magischer Realismus aus den Südstaaten - Ein Buch, das sich in der Geisterwelt verliert

So gehn wir denn hinab
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Braucht es einen altitalienischen Philosophen, um die Hölle der Plantagen in den amerikanischen Südstaaten zu beschreiben? “So gehen wir denn hinab” von Jesmin Ward sucht bereits im Titel eine Analogie ...

Braucht es einen altitalienischen Philosophen, um die Hölle der Plantagen in den amerikanischen Südstaaten zu beschreiben? “So gehen wir denn hinab” von Jesmin Ward sucht bereits im Titel eine Analogie zur göttlichen Komödie von Dante Alighieri. Unzweifelhaft ist es die Hölle auf Erden, in die Annis hineingeboren wird. Sie ist das Ergebnis einer Vergewaltigung. Ihre Mutter - eine Sklavin in South Carolina, ihr Erzeuger - ein Plantagenbesitzer und Sklavenhalter. Jesmin Ward beschreibt schonungslos die Grausamkeit und Brutalität der damaligen Sklavenhaltergesellschaft. Die junge Annis muss früh erkennen, was es heißt, vollkommen rechtlos zu sein. Aufrecht hält sie die Liebe ihrer Mutter, die ihr vom Leben ihrer Großmutter Aza erzählt, einst unfreie Kriegerin im Königreich Dahomey, ebenso wie ihre Neigung, mit der Natur zu kommunizieren. Annis Leid spitzt sich immer weiter zu. Sie wird gewaltsam getrennt von Menschen, die sie liebt und geht im wahrsten Sinne des Wortes immer weiter durch die Hölle. Slave Chain und Sklavenmarkt, verschleppt von South Carolina nach New Orleans, verkauft auf eine Zuckerrohr-Plantage mit einer erbarmungslosen “Lady”. Alles ist infernalisch, überall herrscht Schmerz und Leid, Hunger und Gewalt. Oft ist es kaum auszuhalten, was Ward beschreibt, und doch ist all dies millionenfach passiert. Gerade deshalb sind Bücher, die dieses Leid beschreiben, so wichtig für die heutige Zeit. Die Ereignisse dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Das ist der Grund, aus dem ich dieses Buch lesen wollte.

Daneben existiert für Annis eine animistische Geisterwelt. Bereits ihre geliebten Bienen scheinen übernatürliche Wesen zu sein:

"Zu spüren, wie die Bienen, die ich inzwischen als meine Bienen betrachte, nachts herunterkommen, auf meinen Handgelenken und Füßen landen und sich dann wieder erheben, in ihren Stock zurückkehren. Ich frage mich, welchen bitteren Nektar sie wohl bei mir sammeln. Frage mich, wohin sie meinen Kummer tragen. Frage mich, ob mein Schluchzen für sie ein beruhigendes Rufen ist, und warum sie die einzigen Zeugen meiner Trauer sind." (S. 32)

Bald kommt ein Sturmgeist hinzu, der die Gestalt ihrer Großmutter angenommen hat, und in der zweiten Hälfte des Buches wimmelt es geradezu von Naturgeistern - zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Diese Geister sind heimtückisch, sie nähren sich von der Aufmerksamkeit der Sterblichen, die an sie glauben. Vielleicht wird das Leid für Annis dadurch etwas erträglicher, doch am Ende sind diese Geistwesen genauso tyrannisch und grausam wie die realen weißen Herrschenden.

Es bleibt den Lesenden überlassen, ob es sich dabei um die Manifestation eines schweren psychischen Traumas handelt, oder um einen tradierten afrikanischen Volksglauben. Und leider verliert sich Ward in dieser Geisterwelt. Die reale Welt gerät darüber zunehmend in den Hintergrund. Auch die Sprache verändert sich, wird immer abgehobener, schwülstiger und nervtötend repetitiv. So wird das Buch quälend langweilig, fast schon unlesbar. Anstelle eines historischen Romans halte ich ein Buch in den Händen, was ich dem magischen Realismus zurechnen würde.

Die anfangs nach Hoffnung und Selbstermächtigung klingenden Kampfszenen in der Tradition der Dahomey-Amazonen verkümmern zu einem Narrativ. Auch die Maroons im Marschland der Südstaaten werden nur am Rande erwähnt. Annis kämpft nicht gegen ihre realen Unterdrücker, sie kämpft gegen die Geisterwelt. So mag ich das Ende des Buches auch nicht als Akt der Befreiung betrachten, sondern als weitere Flucht vor der Realität.

Fazit: befreiend war für mich am Ende nur noch das Wissen, dass dieses Buch doch noch zum Ende gekommen ist, und ich keine weitere Seite davon lesen muss.

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Veröffentlicht am 16.11.2024

Kein Therapieerfolg

Mordscoach
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Sophie Stach ist Psychotherapeutin und Coach. Sie hat eine Privatpraxis in Köln, ist verheiratet mit Jakob und ist eigentlich sehr zufrieden mit ihrem Leben. Bis Amelie ihre Praxis betritt und sich herausstellt, ...

Sophie Stach ist Psychotherapeutin und Coach. Sie hat eine Privatpraxis in Köln, ist verheiratet mit Jakob und ist eigentlich sehr zufrieden mit ihrem Leben. Bis Amelie ihre Praxis betritt und sich herausstellt, dass Sophies Ehemann Jakob sie mit Amelie betrügt. Plötzlich ist Amelie tot, was so nebenbei passiert, dass man eher von einem Unglück sprechen kann. Doch damit öffnet sich bei Sophie eine Schleuse, und sie mutiert zur mordenden Therapeutin. Was anfangs noch einen humorvollen cosy crime verspricht, wandelt sich schnell zu einer immer absurderen Geschichte, die auch vor exzessiver Gewalt nicht zurückschreckt. Die Hauptprotagonistin Sophie trägt ein Trauma aus ihrer Kindheit mit sich herum und bräuchte offenbar dringend selbst therapeutische Unterstützung. Ihre Haltung gegenüber ihren Patientinnen ist geprägt von Verachtung, von professioneller Distanz keine Spur. Umso irritierender ist es, dass die dennoch ständig psychologisches Fachwissen einstreut. Sie analysiert über den Tod hinaus. Und siehe da, laut Klappentext ist Lilli Pabst das Pseudonym einer Autorin, die im wahren Leben selbst als Psychotherapeutin praktiziert. Man wünscht ihren Patient*innen, dass sie das besser kann als Krimis schreiben.

Mich konnte „Mordscoach“ überhaupt nicht überzeugen. Die Hauptprotagonistin empfinde ich als unsympathisch. Die Story konnte mich nicht überzeugen und auch stilistisch gefällt mir nicht, was Frau Pabst auf 283 Seiten zusammengeschrieben hat. Während der Humor, der anfangs noch aufblitzte, sehr schnell verschwunden ist, nehmen Schimpfwörter zu und die Sprache wird vulgärer. Polizeiliche Ermittlungen werden eher unprofessionell geführt. Auch das Lektorat hätte noch nachbessern müssen, z.B. wenn Namen vertauscht werden. Zudem ist dieser Band in sich nicht abgeschlossen. Die Geschichte hört vielmehr plötzlich auf. Wenn man also wissen will, ob Sophie am Ende zur Rechenschaft gezogen wird, muss man sich mindestens auf noch einen Band einstellen. Dabei ist der weitere Plot vorhersehbar, es kündigen sich bereits die nächsten Opfer an.

Die weiteren Bände werden allerdings ohne mich als Leserin auskommen müssen. Ich kann leider keine Leseempfehlung aussprechen. Schade, denn die Grundidee und das Cover fand ich interessant.

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