Ein mächtiger Mann, eine junge Frau und ein gefährliches Spiel
Seit Shades of Grey boomt der Markt für erotische Literatur, die mehr oder weniger die Sexualpraktik des Sadomasochismus thematisiert. Es ist regelrecht in, darüber zu lesen und zu schreiben, immer mehr ...
Seit Shades of Grey boomt der Markt für erotische Literatur, die mehr oder weniger die Sexualpraktik des Sadomasochismus thematisiert. Es ist regelrecht in, darüber zu lesen und zu schreiben, immer mehr Einzelbände und Reihen erscheinen derzeit auf dem Buchmarkt.
Die Standartkonstellation der Figuren besteht dabei meist aus einer jungen, mehr oder weniger in der Szene bewanderten Frau und einem reichen, erfahreneren Mann, der sie in die Materie einführt und ihr dann auch emotional immer näher kommt.
Der Plot von Stolz und Demut ist ähnlich gestrickt, aber absolut nicht mit den gängigen Mainstream-Geschichten dieser Art vergleichbar.
Einerseits ist von Romantik rein gar nichts zu spüren, die Beziehung ist zumindest anfangs eine von beiden Seiten so gewollte Affäre. Es wird nichts verklärt oder beschönigt oder heruntergespielt, auch wenn nicht jede Einzelheit aus dem Sexualleben der zwei voyeuristisch ausgewalzt wird. Es werden Szenen herausgepickt, die sehr stimmig im Bezug auf das Ende erscheinen und die Entwicklung, die Sophie und Richard durchmachen, sehr gut veranschaulichen.
Zum anderen wirken die Figuren wesentlich tiefgründiger und realistischer, zumindest die beiden Hauptcharaktere. Das restliche Personal bleibt im Vergleich dazu sehr blass, was aber zu verschmerzen ist, da Richard und Sophie definitiv im Mittelpunkt stehen.
Dabei werden vor allem Antworten dafür gegeben, welche Gründe Menschen haben können, derartige Beziehungen einzugehen. Es geht weniger um das Was, sondern mehr um das Wie und das Warum. Sehr bezeichnend finde ich dem Zusammenhang dieses Zitat: „Endlich konnte ich Regie und Verantwortung abgeben, musste nicht mehr denken, abwägen, versuchen, zweifeln.“ (S. 75)
Es ist nicht immer leicht zu lesen oder gar zu verdauen. Auch die teilweise obszöne Sprache trägt dazu bei, obwohl es sich meiner Meinung nach sehr in Grenzen hält. Die erzeugten Bilder hallen nach, stimmen nachdenklich und geben einen kurzen und trotzdem intensiven Einblick auf das Innenleben der zwei Protagonisten.
Allerdings hätte dieser Einblick ruhig etwas ausführlicher sein können, nicht unbedingt, was die Sexszenen angeht, aber hundertsechzig Seiten geben leider nicht viel her.
Stolz und Demut ist ein interessanter Beitrag zum derzeitigen Trend der BDSM-Literatur. Das Thema wird ganz anders aufgerollt, als man es von den meisten Romanen in diesem Bereich im Moment finden kann. Die Tatsache, dass der Grund des weiblichen Parts, sich auf diese Szene einzulassen, nicht die unwiderstehliche Abziehungskraft eines mysteriösen Mannes ist, ist meiner Ansicht nach ein erheblicher Pluspunkt. Dennoch hätte man hier auch weitaus mehr herausholen können. Über das Ende kann man natürlich geteilter Meinung sein, das ist wahrscheinlich auch so beabsichtigt. Nichtsdestotrotz zeigt es realistisch eine der Schattenseiten einer solchen Beziehung.
Definitiv nicht für alle Gemüter geeignet, doch für die, die sich die Frage nach dem Warum stellen, vorbehaltlos zu empfehlen!