Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2023

Todesurteil

VITA
0

Gegen die Todesstrafe setzt sich Staatsanwältin Justine Callaghan (welch bezeichnender Name!) in jungen Jahren ein. In einer Phase persönlicher Belastung spricht sie allerdings später selbst ein einziges ...

Gegen die Todesstrafe setzt sich Staatsanwältin Justine Callaghan (welch bezeichnender Name!) in jungen Jahren ein. In einer Phase persönlicher Belastung spricht sie allerdings später selbst ein einziges Mal ein Todesurteil aus, obwohl sie weiß, dass sie persönlich mit ihrem Tod bezahlen muss, sollte sich das Urteil als falsch herausstellen. Und tatsächlich taucht Jahre später ein Beweismittel auf, das die Unschuld des Getöteten beweisen könnte. Justine steckt in einer Zwickmühle.

Vom Schreibstil eher nüchtern gehalten, präsentiert sich dieser Roman rund um das Thema Justiz und Bestrafung von Schwerverbrechern, Justine berichtet aus ihrer Sicht der Dinge in der Ich-Form, dazwischen spricht Insasse 39384 aus dem Todestrakt zum Leser. Einige Rückblenden und Gedanken an Justines Studentenzeit erklären, warum diese zu ihrer Überzeugung gelangt ist, dass die Todesstrafe, wenn schon nicht verboten, dann zumindest so selten wie möglich verhängt werden soll, der Rest der Handlung spielt in der Gegenwart und wird entsprechend in der Zeitform der Präsens geschildert. Trotz der sachlichen Erzählweise kann Christina Dalcher den Leser fesseln und dessen Gefühlsebene gut erreichen, bei manchen Szenen spürt man die sprichwörtliche Gänsehaut über den Körper laufen.

Auf faszinierende Weise entwickelt die Autorin ein juristisches Szenario vor dem Hintergrund der Rechtsprechung im US-Bundesstaat Virginia, wo die Todesstrafe zwar sehr selten, aber dennoch bisweilen ausgesprochen wird, allerdings unter dem Aspekt, dass derjenige selbst auf dem elektrischen Stuhl landet, der ein Fehlurteil verkündet hat. Nun könnte unsere Hauptfigur genau in dieses Dilemma schlittern, das sie selbst einige Jahre zuvor noch mitentwickelt hat. Großartig zeigt Dalcher, wie die erfahrene Staatsanwältin mit diesem Fall umgeht, wie sie dieses Problem lösen möchte. Auch wenn dem Leser vielleicht nicht jeder einzelne Handlungsschritt logisch erscheint, so muss man sich doch diese ganz spezielle Situation vor Augen halten, ich jedenfalls wüsste nicht, wie mit solch einer Zwangslage umzugehen wäre. In diesem Sinne kann ich Justines Vorgehensweise voll und ganz verstehen, das Ende, das nicht jede einzelne Frage abschließend beantwortet, passt perfekt zu diesem wunderbaren Gedankenspiel.

Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit - beste Unterhaltung mit einem eher ungewöhnlichen Thema bietet dieser Roman, berührende und erschütternde Szenen bleiben nicht aus, sodass man schnell mit verschiedenen Figuren mitfiebern muss. Ich spreche jedenfalls eine Leseempfehlung aus, insbesondere für jene, die sich für Rechtsprechung und deren Tücken interessieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.12.2023

Adventmarkt mit Leiche

Ausgstochen
0

Ein weiteres Mal geht es mit dem Klub der Grünen Daumen ins Burgenland. Am hiesigen Adventmarkt liegt bei der Eröffnung ein Mensch zwischen den Kufen des Pferdeschlittens, ein Mensch, der aber nicht mehr ...

Ein weiteres Mal geht es mit dem Klub der Grünen Daumen ins Burgenland. Am hiesigen Adventmarkt liegt bei der Eröffnung ein Mensch zwischen den Kufen des Pferdeschlittens, ein Mensch, der aber nicht mehr aufstehen wird, denn der Mann ist tot. Auf die beiden Polizisten Marlies und Franz warten turbulente Ermittlungen zwischen Punschstand und Weihnachtskeksen.

Verliebte Internet-Nachrichten von Patrick eröffnen den Prolog, dann wird auch schon das Weihnachtsdorf aufgebaut und die Leiche eines wichtigen Mannes im Ort präsentiert. Das Rätselraten von Polizei und gar nicht so amateurhaftem Gartenklub kann beginnen. Locker und humorvoll, mit einem gerüttelt Maß an südburgenländischen Redewendungen und mundartlichen Sätzen, geht es mit Marlies und Franz, Johanna und Vera und vielen anderen (aus früheren Bänden) liebgewonnenen Figuren durch die verschneite Vorweihnachtszeit. Hier scheint die Zeit stillzustehen, da ist die Angetraute des Bürgermeisters noch die „Frau Bürgermeister“, Homosexuelle werden enterbt und beim Wort Plattform denkt man an einen Aussichtspunkt am Csaterberg und nicht an eine Partnervermittlung. Auch wenn bisweilen gar nicht so viel passiert, so unterhält dieser Kriminalroman den Leser durchgehend kurzweilig und strapaziert nicht nur einmal dessen Lachmuskeln. Martina Parker gelingt es prächtig, das bodenständige Flair von Österreichs östlichstem Bundesland einzufangen und das Geschehen höchst lebendig darzustellen. Ihre Figuren sind ausgezeichnet charakterisiert, zuweilen fühlt man sich selbst in eine Runde am Punschstand oder in den Gartentreff hineinversetzt. Allerlei Bräuche rund um Weihnachten lassen die richtige Stimmung aufkommen und der Mörder wird schlussendlich auch noch entlarvt.

Perfekt für die Adventzeit, sowie als wunderbares Weihnachtsgeschenk eignet sich dieser mitreißende Gartenkrimi Numero Vier, den ich allen Freuden von Regionalkrimis und schrägem Humor nur wärmstens mit einem Glaserl Uhudlerglühwein empfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.12.2023

Stillleben

Reichenburg
0

In der schweizerischen March im Kanton Schwyz werden vier bestialisch zugerichtete männliche Leichen in einer abgelegenen Villa aufgefunden, zurückgelassen wie ein Stillleben. Worauf könnte dieses Arrangement ...

In der schweizerischen March im Kanton Schwyz werden vier bestialisch zugerichtete männliche Leichen in einer abgelegenen Villa aufgefunden, zurückgelassen wie ein Stillleben. Worauf könnte dieses Arrangement hinweisen? Gibt es gar eine Verbindung zur griechischen Mythologie?

Mit einem beklemmenden Prolog beginnt dieser Kriminalroman, dessen Handlung streckenweise recht brutale Bilder zutage bringt. Die weiteren Kapitel geben einen sehr detailliert und ausgezeichnet konzipierten Einblick in die Abgründe menschlicher Wesen, welche man kaum zu glauben vermag. Das Ermittlerteam stellt Überlegungen in verschiedenste Richtungen an, kommt allerdings kaum vorwärts. Da verschwinden auch noch drei Personen aus derselben Gegend. Zufall? Valerie kann es kaum glauben, denn die statistische Häufung ist für dieses Gebiet signifikant.

Stilistisch überaus ansprechend, mit regionalen Begriffen, welche mir als Ostösterreicherin fremd sind, fesselt Götschi den Leser vom ersten bis zum letzten Satz. Das Geschehen ist außergewöhnlich, mögliche Motive und Täter müssen genau hinterfragt werden, unter den Verdächtigen herrscht Stillschweigen. Lange Zeit sieht es so aus, als könnte dieser Fall nicht gelöst werden, die Wendung am Ende kommt – natürlich – überraschend.

Ich denke, dass das Ganze noch ein klein wenig spannender ist, wenn man Valerie Lehmanns Vergangenheit kennt, aber auch so gibt es genug Hinweise, um ihrer persönlichen Geschichte folgen zu können. Der Kriminalfall ist abgeschlossen, die letzte Szene weckt jedoch Neugierde auf die Fortsetzung. Da bin ich gerne wieder dabei!


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.11.2023

Ein hervorragender (Kinder)Buchautor

Otfried Preußler
0

Eine vollständige und vor allem vergnügliche Biografie über das Leben von Otfried Preußler und sein beachtliches Werk präsentiert Tilman Spreckelsen mit diesem übersichtlichen und kurzweiligen Buch.

Geboren ...

Eine vollständige und vor allem vergnügliche Biografie über das Leben von Otfried Preußler und sein beachtliches Werk präsentiert Tilman Spreckelsen mit diesem übersichtlichen und kurzweiligen Buch.

Geboren am 20. Oktober 1923 als Otfried Syrowatka in Reichenberg, heute Liberec in Tschechien, erlebt Preußler eine unbeschwerte Kindheit, geht bei einem sympathischen Lehrer in die Volksschule und wird im März 1942 zum Wehrdienst einberufen. Nach Jahren in russischer Gefangenschaft muss er sich erst neu orientieren. Er heiratet seine Verlobte Annelies, lässt sich zum Lehrer ausbilden und schreibt Texte für Zeitungen und Verlage. Spreckelsen schafft es, sachlich zu bleiben und dennoch den Leser an seine Zeilen zu fesseln. In größeren, detailliert geschriebenen Kapiteln setzt er Schwerpunkte, die allesamt sehr interessant sind und voller Lebendigkeit von Preußlers vielfältigem Schaffen erzählen. Vom kleinen Lausbuben, der sich in der freien Natur austoben darf entwickelt sich das Kind über einen gewissenhaften Schüler zum stolzen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Mit zahlreichen genau beleuchteten Beispielen aus Preußlers Kinder- und Jugendbüchern erfährt der Leser, dass Otfried nicht nur Talent gehabt hat zum Schreiben, sondern auch zum Illustrieren. Welche Beweggründe ihn zu seinen Geschichten geführt haben, weiß Spreckelsen ebenso wie Hintergründe zu Personen, welche für so manche Romanfigur Pate gestanden hat. Daneben gibt es auch viel Wissenswertes über die Literatur für Erwachsene, über seine Theaterprojekte und seine Weggefährten. Preußler war sicher nicht immer ein einfacher Mensch, aber großherzig und gütig, wenn es um Hilfsprojekte geht, um Bedürftige, denen man unter die Arme greifen kann. Über Preußlers Tod am 18. Februar 2013 hinaus findet Spreckelsen Worte, die dem phantastischen Schriftsteller in wunderbarer Weise gerecht werden.

Besonders gefallen haben mir die vielfältigen Informationen zu den Kinderbüchern, welche ich selbst und später gemeinsam mit meinen Kindern gelesen habe. Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit voller Märchen und Sagen, Hexen und Wasserwesen werden wach und entführen den Leser erneut in eine fabelhafte Welt von Geschichten, die das Gute in sich tragen. Übersichtlich gestaltete Kapitel mit hübschen Zeichnungen und etlichen Fotos aus Otfried Preußlers Leben bilden ein großartiges Portrait über einen Menschen, der auch Generationen später noch seine Leser begeistern wird. Spreckelsens Biografie über Otfried Preußler empfehle ich gerne weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.11.2023

Lina

Der Milchhof – Das Rauschen der Brandung
0

Linas Vater sieht in Thees Bleeker den idealen Mann für Lina: als zweiter Sohn des Ziegeleibesitzers wird er den Familienbetrieb nicht übernehmen, aber eine gute Partie für Lina sein und gemeinsam mit ...

Linas Vater sieht in Thees Bleeker den idealen Mann für Lina: als zweiter Sohn des Ziegeleibesitzers wird er den Familienbetrieb nicht übernehmen, aber eine gute Partie für Lina sein und gemeinsam mit ihrem Vater den bäuerlichen Milchhof in eine moderne Molkerei umwandeln. Während Thees sich jedoch kaum für Milch, Butter und Käse interessiert, schlägt Linas Herz für das traditionelle Handwerk – und bald auch schon für den frisch eingestellten Obermeier Dirk Voigt. Als verheirateter Frau bleibt Lina nur die fachliche Zusammenarbeit mit Dirk, aber selbst das wird zur Jahrhundertwende nicht gern gesehen. „Een Frau gehört in de Kök“ und nicht in einen Betrieb, der sollte den schlauen Köpfen der Männer überlassen werden.

Der Auftakt zu dieser wundervollen Milchhof-Saga umfasst die Jahre 1890 bis 1914, schildert die Zeit des aufstrebenden Hofs bis hin zum Ersten Weltkrieg. Schauplatz ist der Hafenort Ellenserdammersiel in der Friesische Wehde, einer idyllischen Landschaft an der Küste des Jadebusens. Schnell freundet sich der Leser mit der warmherzigen und lebenslustigen Lina an und fiebert mit ihr mit, wenn das Schicksal es wieder einmal nicht so gut meint mit ihr. Neider jedoch sehen in Lina ein Glückskind, welches immer auf der Sonnenseite des Lebens steht und andere nicht aus dem Schatten treten lässt. So wirbeln die Gefühle durcheinander, welche einen großen Raum einnehmen in diesem sehr stimmungsvollen Roman. Gesellschaftliche Konventionen, wirtschaftliche Überlegungen und nicht zuletzt eine unmögliche Liebe spielen hier die Hauptrollen und lassen einen atemlos durch die Kapitel gleiten, um noch schnell ein wenig mehr vom Milchhof zu erfahren.

Regine Kölpins angenehmer und bildhafter Schreibstil lädt ein zum Verweilen in der Käserei, wo Lina mit schmackhaften Kräutern und stärkendem Bockshornklee experimentiert, lässt Gänsehaut aufkommen, wenn Thees seine Angetraute wie ein Kleinkind aufs Zimmer verweist, weil es sich nicht schickt, dass sie sich in der Fertigungshalle der Molkerei aufhält. Lieber solle sie den Haushalt führen, Wohltätigkeitsveranstaltungen planen oder sticken. Wunderbare Einblicke in den Milchbetrieb erhält der Leser ebenso wie lebendig charakterisierte Figuren, die genau so am Milchhof Bleeker gelebt haben könnten. Machtspiele und Intrigen prägen das Geschehen, stets stellt sich die Frage, ob die Liebe zwischen Lina und Derk eine Chance haben kann.

Abgerundet wird dieses bezaubernde Buch von einem übersichtlichen Personenregister zu Beginn und einer persönlichen Anmerkung der Autorin samt umfassendem Literaturnachweis zu den detaillierten Recherchen am Ende dieses Bandes.
Der Auftakt zur Milchhof-Saga hat mich vollends in seinen Bann gezogen, schön, dass bald die Fortsetzung zu lesen sein wird. Ich empfehle dieses Buch jedenfalls sehr gerne weiter und bin schon gespannt, welche Spuren der Krieg hinterlassen wird.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere