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Veröffentlicht am 30.09.2017

Die Staatsanwältin

Engelsschuld
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Die Rettungssanitäter Sandra und Philip sind ein gutes Team. Doch in letzter Zeit hat sich Philip verändert. Er wirkt fahrig und beginnt Fehler zu machen. Während eines Einsatzes stirbt eine Herzinfarktpatientin ...

Die Rettungssanitäter Sandra und Philip sind ein gutes Team. Doch in letzter Zeit hat sich Philip verändert. Er wirkt fahrig und beginnt Fehler zu machen. Während eines Einsatzes stirbt eine Herzinfarktpatientin und es scheint so als hätte sie eigentlich gerettet werden können. Nur wenige Zeit nach diesem Ereignis werden Philip und Sandra zu einer Verletzten gerufen. Ihnen bietet sich ein fürchterliches Bild. Der Frau wurden beide Hände abgehackt und sie ist kurz vor dem verbluten. Fieberhaft beginnt die Polizei mit den Untersuchungen. Verantwortliche Staatsanwältin ist Jana Berzelius, die unnahbare Schöne mit einer Wohnung für Solisten.

Dies ist bereits der dritte Fall für die Staatsanwältin mit der kühlen Persönlichkeit, die mehr in petto hat als man nach den ersten Sätzen vermuten würde. Zwar gibt es etliche Bezüge zu den vorigen Fällen und die Handlung scheint ziemlich nahtlos an Band zwei anzuschließen, aber zwingend ist die Kenntnis der Vorbände für das Verständnis zu diesem dritten Band nicht. Allerdings erwischt man sich schon hin und wieder bei dem Gedanken, es wäre vielleicht doch besser.

Unabhängig davon fasziniert Jana Berzelius mit ihrem ungewöhnlichen Charakter und ihrem Hintergrund, der sich so schnell mit nichts vergleichen lässt. Die Handlung wird aus der Perspektive verschiedener Personen, der Ermittler, der Sanitäter, der Staatsanwältin geschildert. Die Szenenwechsel erfolgen dabei manchmal recht schnell, was der Handlung Drive vermittelt und was zu mehreren fiesen Cliffhangern führt, die man unbedingt aufgelöst haben muss.

Die Taten sind an Grausamkeit kaum zu überbieten und man kann sich weder ein Motiv vorstellen noch wie überhaupt jemand auf diese Art handeln kann. Wo ist das Verbindungsstück, der Hinweis, der schließlich alles an seinen Platz fallen lässt. Gemeinsam mit den Beamten tappt man im Dunkeln. Gemeinsam mit der Staatsanwältin geht man eigene Wege, gerät man auf Abwege. Gegen Gemeinsamkeiten mit dem Killer sträubt man sich, auch wenn man vielleicht verstehen kann, dass dessen Kindheit auch nicht so leicht war. Insgesamt packt es einen und man wundert sich wie schnell die Zeit beim Auffinden einer Lösung zu diesem Fall vergeht. Hier kann man eintauchen und sich gruseln ob der menschlichen Abgründe, die sich auftun, Abgründe, in die man keinesfalls allzu intensiv schauen möchte, die einen aber den Alltag vergessen lassen. Man will am Ball bleiben bis der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen wurde. Grundsätzlich tritt das schon ein, gäbe es da nicht den einen oder anderen Punkt, der an an den Ermittlern nagt und darauf hindeutet, dass noch Stoff für einen sicher ebenso empfehlenswerten vierten Fall für die toughe Staatsanwältin im Köcher der Autorin steckt.

Veröffentlicht am 23.09.2017

Pfauenworte

Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr
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Prinzessin Dylia aus Zamonien leidet an Schlaflosigkeit. Leiden will sie aber so wenig wie möglich, man leidet ja am ehesten dann, wenn man sich unterkriegen lässt. Dylia nennt sich der Einfachheit halber ...

Prinzessin Dylia aus Zamonien leidet an Schlaflosigkeit. Leiden will sie aber so wenig wie möglich, man leidet ja am ehesten dann, wenn man sich unterkriegen lässt. Dylia nennt sich der Einfachheit halber Prinzessin Insomnia und begibt sich in ihren Gedanken auf ungewohnte Pfade, auf denen sie die Schlaflosigkeit mit ihrer Phantasie ausfüllt und sich ablenkt. Doch eines Abends als sie mal wieder besonders schlaflos ist erscheint ihr der Nachtmahr Havarius Opal. Er verspricht ihr eine außergewöhnliche Reise in die Tiefen ihres Gehirn, die für sie allerdings im Wahnsinn enden wird.

Dylias Forscherdrang ist groß, die Bedrohung, den Verstand zu verlieren, schreckt sie nicht genug, um auf das Abenteuer zu verzichten. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, denkt sie. Den Schlaf kann sie schließlich nicht mehr verlieren. Und so begibt sie sich mit dem Nachtmahr, der ihr bald nicht mehr so schrecklich vorkommt, auf den Weg. So wie ihre Regenbogenerfindungen, sind auch Teile ihres Gehirns. Schillernd und farbenfroh, doch auch mit Tücken und Fallstricken. Und dieser Nachtmahr scheint manchmal arg wenig im Köcher zu haben. Oder lügt er etwa? Und wann? Und wann spricht er die Wahrheit?

Eine beeindruckende Persönlichkeit ist Prinzessin Dylia auf jeden Fall. Gäbe es sie in der wirklichen Welt, würde man sie bewundern. Mit nur wenig erholsamen Schlaf auszukommen fällt sicher schwer. Nichts scheint zu helfen, keine Wanderungen durch das Schloss, keine Duftkerzen, keine Massagen, keine langweiliges Geschwätz. Doch Dylia hat in ihrer Gedankenwelt Phantasiegebäude errichtet, die sie begehen kann; Wörter erdacht, die sie erinnert; Regenbogenerfindungen getätigt, die ihr Freude bereiten. Sie gibt sich nicht der Krankheit hin. Sie lässt sich nicht beherrschen, nicht schrecken. Mutig versucht sie das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Diese Reise durch Dylias Gehirn nimmt einen gefangen. In immer neue Tiefen begleitet man Dylia und Opal. Mal stürzt man ins Nichts und hofft, doch wieder aufgefangen zu werden. Dichte leuchtende Gedanken wechseln sich mit undurchdringlicher Leere. Und doch ist die Kraft der Gedanken immer da, die Zuversicht eine Lösung zu finden. So eine starke Persönlichkeit wie Dylia wäre man selbst gerne.

Ein Mut machendes Buch in bester Zamonien-Tradition, das herausragend und phantasievoll illustriert ist von Lydia Rode.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Palmgren

Verfolgung
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Für kurze Zeit muss Lisbeth Salander ins Gefängnis. Da man befürchtet, sie könnte in Gefahr sein, bringt man sie im Sicherheitstrakt unter. Schnell durchschaut sie die Vorgänge dort und was sie sieht, ...

Für kurze Zeit muss Lisbeth Salander ins Gefängnis. Da man befürchtet, sie könnte in Gefahr sein, bringt man sie im Sicherheitstrakt unter. Schnell durchschaut sie die Vorgänge dort und was sie sieht, gefällt ihr nicht. Eine junge Mitgefangene scheint unterdrückt und misshandelt zu werden. Eine andere dagegen scheint sogar die Wärter in der Hand zu haben. Da muss man doch etwas unternehmen können. Während ihrer Gefangenschaft bekommt Lisbeth auch Besuch von ihrem ehemaligen Vormund Holger Palmgren. Ihn hatte sie gebeten, noch einmal nachzuforschen, ob es in Lisbeths Vergangenheit nicht noch neue Informationen gibt, mit denen sie ihren damaligen Folterknechten auf die Spur kommen kann.

Aus dem Gefängnis heraus kann Lisbeth nicht alles selbst machen und so bittet sie ihren befreundeten Journalisten Mikael Blomkvist ihr bei der Suche nach weiteren Informationen behilflich zu sein. Sie hat nur ein ungutes Gefühl und dieses deutet darauf hin, dass der Hintergrund des reichen Geschäftsmannes Leo Mannheimer genauer untersucht werden sollte. Eine Maschinerie aus Ermittlungen und Nachforschungen beginnt zu laufen, durch die etwas zutage gefördert wird, aus dem für Mikael und seine Zeitschrift „Milleninum“ eine ganz heiße Story werden könnte. Anscheinend ist Lisbeth mit ihrem Schicksal nicht so alleine wie sie immer gedacht hat.

Mal wieder eines der Bücher, bei denen man gebannt an den Seiten klebt und sich mehr als einmal fragt, wie so etwas zustande kommen kann. Forschung ist ja schön und gut, aber eine Forschung, die das Wohl vieler Beteiligter völlig außer acht lässt? Eine Forschung, bei der es mehr um Stromlinienförmigkeit geht als um eine gesunde Entwicklung? Nicht zum ersten Mal möchte man an gewissen Forschenden verzweifeln, die ihrem Namen überhaupt keine Ehre machen. Und wie so oft bleibt der Gedanke, ob nicht etwas dran sein könnte. Schließlich kennt man Geschichten von Experimenten, die man aus der Nachschau betrachtet, besser nicht erst gestartet hätte. Wo bleiben manchmal Moral und Ethik, wenn es um vermeintlichen Fortschritt geht? David Lagercrantz hat mit seinem zweiten Buch um Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist einen packenden Thriller geschaffen, der unterschiedlichste Personen und ihre Themen zusammenführt. Ein Buch, das Denkanstöße geben kann und möglicherweise den Wunsch weckt, wenigstens zu versuchen, es besser zu machen.

Veröffentlicht am 07.09.2017

Weg in die Freiheit

Underground Railroad
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Schon ihre Mutter Mabel hat die Flucht ergriffen als Cora noch ein Kind war. Sie hat Cora einfach zurückgelassen. Doch Cora hat sich einen Platz unter den anderen Sklaven erkämpft. Und als Ceasar sie zum ...

Schon ihre Mutter Mabel hat die Flucht ergriffen als Cora noch ein Kind war. Sie hat Cora einfach zurückgelassen. Doch Cora hat sich einen Platz unter den anderen Sklaven erkämpft. Und als Ceasar sie zum ersten Mal fragt, ob sie sich mit ihm auf den Weg in die Freiheit machen will, sagt sie: Nein!. Schließlich ist er neu auf der Plantage und was kann er ihr schon versprechen. Doch nur kurze Zeit später kommt es zu einem Zwischenfall, der für Cora in einer üblen und ungerechtfertigten Bestrafung endet. Ceasars zweiter Anlauf wird daher positiv beschieden und eines Abends verlassen die beiden Sklaven die Plantage.

Amerika in den Jahren vor dem Bürgerkrieg, die Südstaaten mit ihren großen Baumwollplantagen halten an der Sklaverei fest, während die mehr industrialisierten Nordstaaten bereits zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Beschäftigung von schlecht bezahlten aber freien Arbeitern wirtschaftlicher ist. Das Wohl der Menschen hat vermutlich keiner im Sinn, dennoch zieht es Sklaven in die Freiheit und nach Norden. Auf ihrem beschwerlichen Weg, der keinesfalls immer mit einer glücklichen Ankunft im gelobten Land endet, benutzen sie die sogenannte „Underground Railroad“ - ein System von Helfern und Treffpunkten, deren Begrifflichkeiten an die der aufkommenden Eisenbahn angelehnt sind. Wenn man sich die Berichte im Internet betrachtet gab es tatsächliche Bahnlinien wohl nicht, aber die Fluchtrouten und deren Organisation kann durchaus Ähnlichkeiten mit dem System der Eisenbahn aufgewiesen haben.

Vor diesem Hintergrund entspinnt sich Coras spannende und schreckliche Geschichte. Misshandelt und verletzt, aber ungebrochen, will Cora mehr. Die Farm ist nicht ihr Platz, sie will frei sein, sie will eine Familie, sie will lesen und schreiben können, für ihr Ziel will sie hart arbeiten. Auf der Farm erlebt sie Unbeschreibliches. Doch auch während ihrer Flucht gerät sie in Situationen, in denen sie verächtlich behandelt wird. Immer wieder gibt es Rückschläge und Schicksalsschläge. Kaum ein Fünkchen Hoffnung verbleibt. Jedoch, Cora gibt nicht auf.

Was kann ein Mensch an Verlusten, Misshandlungen, Gewalt und Verachtung ertragen? Was riskieren Menschen um Flüchtlingen wie Cora zu helfen? Wie konnten Menschen dazu kommen andere Menschen als Sache anzusehen? Aufs Eindringlichste schildert Colson Whitehead die zwar fiktiven, aber doch auf viel Wahrheit beruhenden Ereignisse um Coras Flucht. Manchmal scheint es fast unglaublich wie hier Menschen mit Menschen umgehen. Doch leider gibt es auch in jüngerer Vergangenheit Beispiele ähnlich menschenverachteten Verhaltens, so dass man zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen muss, dass nichts in diesem Roman allzu weit hergeholt ist. Ein wenig Hoffnung gibt die Underground Railroad, auf deren Linien wenigstens ein kleiner Silberstreif am Horizont aufglimmt. Dennoch wirkt dieser Roman wie eine Tour de Force, von der man allerdings keine Sekunde, kein Wort und keinen Satz missen möchte.

Veröffentlicht am 03.09.2017

Fadenkreuz

Wolfsspinne
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Die bekannte Düsseldorfer Wirtin Melli Franck wird in ihrem Lokal tot aufgefunden. Der Leiter der Mordkommission Vincent Che Veih übernimmt die Ermittlungen. Völlig unklar ist zunächst ein Mordmotiv. Melli ...

Die bekannte Düsseldorfer Wirtin Melli Franck wird in ihrem Lokal tot aufgefunden. Der Leiter der Mordkommission Vincent Che Veih übernimmt die Ermittlungen. Völlig unklar ist zunächst ein Mordmotiv. Melli Franck war ein eher unbeschriebenes Blatt und so liegt zunächst die Vermutung nahe, es könnte es um eine Zufallstat gehandelt haben. Schnell jedoch ergeben sich Hinweise, die doch eher auf einen geplanten Mord hindeuten. Spuren führen sowohl ins Drogenmilieu als auch in die rechte Szene. Und so gewinnt der Fall eine ungeahnte Brisanz. Gegen Vincent, der im Rahmen einer Demo gegen Rechts, an der er als Privatmensch teilgenommen hatte, in eine Rangelei geraten war, wird ebenfalls ermittelt.

Was mit einem relativ harmlos anmutenden Mord beginnt, wächst sich in Vincent Che Veihs drittem Fall zu einer komplizierten und vielschichtigen Ermittlung aus. Drogen, Politik, die Diskussion, wie sich Beamte in der Öffentlichkeit zu verhalten haben vor dem Hintergrund einer Mordserie, die bereits aufgeklärt schien. Für die Ermittler geht es hart zur Sache und für Vincent wird klar, welche seiner Kollegen wirklich hinter ihm stehen und welche eigene Ziele verfolgen. Die Situation ist vertrackt. Doch der Kommissar lässt sich nicht beirren und fährt mit seinen Nachforschungen zur Aufklärung des Mordes und der weiteren Umstände fort. Je tiefer er dabei vordringt, desto unglaublicher und gerade deswegen glaubhafter wird das, was er herausfindet.

Puh, man zweifelt ja schon so manches Mal an den Vorgängen in diesem Staat. Hin und wieder kommt sogar der Gedanke, mit den Machenschaften des Staates ist es ähnlich wie mit den Packungsbeilagen der Medikamente. Je weniger man liest, desto besser, schließlich soll es ja helfen. Und so ist man hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis zu wissen und dem Wunsch, den Kopf in den Sand zu stecken. Schließlich enden viele Dinge, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, mit strengeren Gesetzen und mehr Einfluss für den Staat. Da sollte es aber irgendwann eine Grenze geben. Gerade gegen den Rechtsextremismus müsste viel stärker vorgegangen werden. Natürlich sind auch andere Krawalle zu verfolgen, doch wirken diese im Vergleich harmloser. Beinahe könnte man befürchten, wir seien sie nie richtig losgeworden. Und so kann es nur eine Aufgabe sein, immer wieder zu mahnen, zu verfolgen und gewissen Entwicklungen möglichst früh entgegen zu treten. Gerade in der heutigen Zeit, in der Wahlen oder Abstimmungen mitunter sehr eigenartig ausgehen, wollen wir unsere Freiheit und Demokratie behalten, vielleicht sogar den Glauben an den Staat. Wenn dann im Rahmen einer einfachen Mordermittlung ordentlich aufgerüttelt wird und etliche Fragezeichen im Denkapparat erzeugt wurden, kann das Fazit nur lauten: äußerst lesenswert.