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Veröffentlicht am 29.11.2023

Mordermittlungen im nostalgischen Traminer Fasching

Commissario Tasso treibt den Winter aus
2

Gianna Milanis dritter Kriminalroman um Commissario Tasso ist wieder im schönen Südtiroler Retro-Flair der 60-er Jahre angesiedelt. Mit einem sehr nostalgisch anmutenden Cover in herrlichen Farben, das ...

Gianna Milanis dritter Kriminalroman um Commissario Tasso ist wieder im schönen Südtiroler Retro-Flair der 60-er Jahre angesiedelt. Mit einem sehr nostalgisch anmutenden Cover in herrlichen Farben, das den Ermittler und andere Personen im typischen Look dieser Zeit zeigt, wird das Interesse für das Buch „Commissario Tasso treibt den Winter aus“ durchaus schnell geweckt, mancherorts vielleicht auch eine schöne Erinnerung an die alte Zeit.
Neben den drei Hauptprotagonisten Commissario Tasso, einem suspendierten Mordermittler, seinem bereits in Ruhestand befindlichen Kollegen Johann und der eifrigen Praktikantin Mara kommen noch sehr viele andere Personen vor, zu deren Einordnung jedoch ein Verzeichnis vorhanden ist, das auch immer wieder bemüht wurde, da diese Menschen eher etwas farblos im Hintergrund bleiben. Auch ohne Kenntnis von Tassos Vorgeschichte der ersten beiden Bände wird der Leser gut mitgenommen. Besonders schön finde ich die einzelnen Kapitelüberschriften, die mit dem immer gleichen Satz „…Kapitel, in welchem….“ beginnen und den Leser irgendwie umarmen und weitertreiben.
Als von den Menschenmengen eher genervter Besucher des Traminer Egetmann-Umzugs von 1963 findet sich Commissario Tasso plötzlich direkt neben einem schrecklichen Blutbad mit Todesfolge wieder. Zusammen mit dem Ex-Kollegen und Ruheständler Josef sowie der Praktikantin Mara ermittelt Tasso auf einmal, obwohl er sich ja eigentlich der Anhörung wegen einer Schießerei in einem vorausgegangenen Mordfall unterziehen muss. Es gibt eine Vielzahl von Ungereimtheiten und polizeiliche Rivalitäten, doch die drei Protagonisten leisten bodenständige und analoge Ermittlungsarbeit, unaufgeregt, aber pflichtbewusst.
Dank detailreicher, bildlicher Beschreibungen taucht man unwillkürlich in die damalige Zeit, ihre Gesellschaft, Kultur, ihre Ansichten und auch Anfeindungen gegen Fremde ein. Die Autorin gestaltet hier anschaulich und zeigt neben der Kriminalgeschichte auch die Bedeutung von Heimat, Akzeptanz und Freundschaft auf.
Nach der fulminanten ersten Hälfte hätte ich mir jedoch für den zweiten Teil, obwohl noch immer keinerlei Klarheit über den Täter besteht, doch etwas mehr Spritzigkeit erwartet, um den Spannungsbogen komplett aufrecht zu erhalten. Dank des sehr offenen Endes verirrt sich der Leser aber immer wieder in diversen falschen Verdachtsfallen und bleibt doch dabei, bevor das Ende mit einer Überraschung garniert wird. Ich zumindest war dauernd auf der völlig falschen Fährte und hätte nicht damit gerechnet.
Alles in allem ein Kriminalroman, entschleunigt, entspannend, leicht und flüssig zu lesen und ohne große kriminalistische Schauermomente. Für Fans regionaler Kriminalkost mit Südtiroler Flair und einem Faible für Retro-Geschichten sehr empfehlenswert.

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  • Handlung
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  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 30.08.2023

Hinfallen - Aufstehen - Krone richten - Zuhören und neu beginnen

Hör auf dein Herz, auch wenn es stolpert
3

Hör auf dein Herz, auch wenn es stolpert
- ein Liebesroman von Heike Abidi

Manchmal müssen auch solide Erfolgsfrauen heftige Niederlagen in Kauf nehmen. So auch die Protagonistin des Romans, Floriane.
Als ...

Hör auf dein Herz, auch wenn es stolpert
- ein Liebesroman von Heike Abidi

Manchmal müssen auch solide Erfolgsfrauen heftige Niederlagen in Kauf nehmen. So auch die Protagonistin des Romans, Floriane.
Als Hotelmanagerin mit gutem Job, außerdem seit 25 Jahren mit einem liebendem Ehemann verheiratet und mit einer eben ohne Krise stattgefundenen, rauschenden Feier zu ihrem 50. Geburtstag glücklich in die Zukunft blickend, bricht binnen zwei Tagen dieses Gerüst ihres Lebens wie ein Kartenhaus in sich ein. Sowohl vom Gatten als auch vom pubertierenden Neu-Chef wird sie mit sofortiger Wirkung gnadenlos gefeuert, bzw. ausgetauscht.

Sie steht vor einem Scherbenhaufen, es riecht nach Weltuntergang, aber da treten die alte, schrullige und liebenswürdige Tante Ilse sowie ihre ebenfalls gekündigten Hotelfreunde helfend in den Ring.
Statt Drama beginnt ein äußerst unterhaltsame Geschichte.

Der Autorin, dem Alter ihrer Protagonistin sicher nahestehend, gelingt es, Mut zu machen und mit lockerem, sehr flüssigem und detailliertem Schreibstil ein schwungvolles Lesevergnügen zu bereiten, bei dem man sofort passende Bilder im Kopf hat und mittendrin ist. Eingefahrene Gewohnheiten, Klischees und Ehemänner, seltsam "denglische" Businesssprache werden auf die Schippe genommen und führen Floriane in ihr neues Leben. Dabei wirkt die Autorin nie belehrend, sondern entlockt dem Leser oftmals ein Schmunzeln oder Lachen.

Dank Tante Ilse findet Floriane zufällig sehr schnell eine neue Bleibe in deren Wohnung, einen tollen, begabten und interessierten Nachbarn, dessen knorrige Jobbezeichnung für herrliches Kopfkino sorgt, gibt es gleich gratis dazu.
Dank der Freunde hat sie binnen Sekunden einen neuen, rasch florierenden und aufschlussreichen Job als Zuhörerin und findet selbst neue Freunde. Die alten Freunde spielen bis auf Rena weiterhin keine große Rolle, doch Rena sorgt mit ihrern Kochkünsten und ihrer Offenheit für Freundinnenevents. Man ahnt schon bald, wohin die Reise gehen wird.

Im neuen Job liefert das Zuhören an sich nicht nur ihren erzählenden Kunden, sondern auch Floriane selbst wichtige Erkenntnisse. Sie hilft anderen und lernt dabei auch, in sich hinein zu fühlen und auf ihr Herz zu hören. Jetzt versteht sie, was ihr Tante Ilse bei ihrer Abreise mit blumigen Worten mit auf den Weg geben wollte.

Als zu Beginn der Handlung gestolperte Frau mit 50 ist sie wieder aufgestanden, hat sich die Krone gerichtet und bricht in ein neues Leben auf. Die Stützpfeiler Freunde, Beruf, Liebe und ein bisschen Verrücktheit sind ähnlich. jedoch nun offener angelegt. Ein herrliches Buch, ein Mut machendes Lesevergnügen!

Allerdings finde ich es phasenweise etwas zu märchenhaft und dadurch auch kritisch zu betrachten, dass in dieser Geschichte alles megaschnell gelingt:
Wohnung, Renovierung, Job, neuer Mann, alles voller glücklicher Zufälle und ratzfatz erledigt!

Floriane muss sich nicht, wie viele Frauen in ihrer Lage ewig mit Anwälten, Versicherungen, Ämtern, Besitzstand, finanziellen Sorgen. aussichtsloser Wohnungs- und Jobsuche, mit durchheulten Nächten und Ängsten herumschlagen. Kleine auftretende Probleme kann sie schnell abschütteln und es gibt immer jemand, der ihr eine Lösung bietet.

In diesem Zusammenhang finde ich auch das letzte Kapitel als zu dick aufgetragen. Die Geschichte hätte auch ohne Alfreds Hotel enden können und dem Leser somit mehr Freiraum zum Weiterdenken gegeben.

Die rein positiv emotional aufgebaute Story könnte also möglicherweise für Menschen, die sich gerade in einem schmerzhaften Verlust-Prozess wie Floriane zu Beginn des Buches befinden, nicht unbedingt empfehlenswert sein!

Passend zum farbenfrohen Geschehen ist auch das Cover mit prallen, bunten Blüten gestaltet. Diese überdecken abgestorbene, schwarze Gräser und Blumen. Das ganzee auf beigem Hintergrund ist mir persönlich etwas zu brav und omamäßig.
Hallo, Frau um 50 wie Floriane verträgt durchaus mehr input und power!







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