Giacomo ist Mitte 30, lebt in einer norditalienischen Stadt und hat seinen festen Tagesablauf: Arbeit, Fitness, Pizza, Kino, schlafen gehen und das am besten nicht allein (ja das hab ich vom Klappentext abgekupfert, es trifft es einfach so schön…) Frauen sind für ihn austauschbar, er lässt keine Frau nahe an sich heran, wenn es ihm zu viel wird, sucht er das Weite. Natürlich kommt dieses Verhalten aus früheren Erfahrungen, Giacomo hat – wie alle – sein Päckchen zu tragen.
Auf der Straßenbahnfahrt in die Arbeit ist da plötzlich eine junge Frau, bildhübsch, aber nicht nur deswegen unglaublich interessant. Giacomo ist fasziniert von ihr. Sie tauschen Blicke, Lächeln, aber keiner traut sich den anderen anzusprechen. Er rätselt wer sie sein könnte, wie ihr Leben aussehen könnte, wie sie wohl ist. Bis sie eines Tages ihn anspricht und ihm sagt, dass sie ans andere Ende der Welt ziehen wird.
Es war mein erster Roman von Fabio Volo, aber nach diesem Buch hab ich das Gefühl der Autor MUSS mich kennen!
Die Protagonisten in diesem Buch sind der absolute Wahnsinn. Ich habe mich noch nie zuvor so sehr in Charakteren wiederfinden können, wie in diesem Buch. Giacomo ist charakterlich eine Mischung aus den beiden (bisher) wichtigsten Männern meines Lebens und mir selbst… ich glaube das trifft es am ehesten. Gerade die erste Hälfte des Buches, in der der Leser den Protagonisten und seine Eigenheiten kennenlernt, war diesbezüglich schon fast etwas gruselig.
Auch in Michela habe ich viele Gedankengänge von mir selbst wiederfinden können. Deswegen nochmal: noch nie habe ich mich derart mit den Protagonisten identifizieren können, wie in diesem Buch.
Vordergründig ist es ein Liebesroman, dementsprechend geht die Handlung auch nicht Schlag auf Schlag, die Geschichte entwickelt sich langsam. Aber für mich hat sie sich absolut nicht gezogen, im Gegenteil: ich finde es wichtig sich Zeit zu nehmen, um den Protagonisten kennen zu lernen.
Auf den zweiten Blick ist es aber so viel mehr. Die Geschichte beschäftigt sich mit der Frage: wie sieht die Generation Y ihre Welt, ihre Beziehungen, ihre Zukunft? Es zeigt ganz klar, dass jede Form von Beziehungen, aber vor allem Liebesbeziehungen, nicht in die Schemata passen müssen, die wir von früheren Generationen vorgelebt bekommen haben. Dass nicht jede Entscheidung vernünftig oder rational getroffen werden muss, sondern dass man sich auch einfach ausprobieren sollte. Dass das Konzept ‚bis dass der Tod uns scheidet‘ einfach veraltet ist. Dass jeder mehr Offenheit gegenüber den wichtigsten Menschen in seinem Leben haben sollte und auch, dass Spielchen spielen in der Liebe nichts verloren hat.
Hach ich verlier mich in meiner Philosophiererei…
Das letzte Drittel hatte dann Entwicklungen, die mir nicht mehr ganz so gut gefallen haben. Manche Sichtweisen und Aussagen waren mir dann doch etwas zu schräg. Ich hab mir überlegt, deswegen auch etwas von meiner Bewertung abzuziehen, aber gerade, dass es anders und schräg ist, macht dieses Buch so perfekt.
Unterm Strich: absolut eines meiner neuen Lieblingsbücher, es wird einen Ehrenplatz im Regal bekommen, es hat sich in mein Herz geschlichen. Auch wenn ich es derart feiere, würde ich es nicht jedem sofort weiterempfehlen. Leser dieses Buches sollten auf alle Fälle offen sein für schräge Geschichten, Liebesromane mögen und sich gern aufs Philosophieren einlassen.