War ok, aber etwas hinter meinen Erwartungen
"Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla ist ein anspruchsvoller und ungewöhnlicher Roman, der sich mit dem NSU-Prozess und seinen Begleiterscheinungen auseinandersetzt. Die Autorin wählt einen Schreibstil ...
"Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla ist ein anspruchsvoller und ungewöhnlicher Roman, der sich mit dem NSU-Prozess und seinen Begleiterscheinungen auseinandersetzt. Die Autorin wählt einen Schreibstil im Futur II, der sicherlich gewöhnungsbedürftig ist. Dieser stilistische Ansatz verleiht dem Buch eine einzigartige Atmosphäre, die die "langweilige" Routine von Strafprozessen einfängt. Die Handlung konzentriert sich auf Befangenheitsanträge, Gutachten und andere bürokratische Aspekte, was dem Leser die träge und komplexe Natur eines Gerichtsverfahrens verdeutlicht. Es ist wichtig zu beachten, dass dieses Buch nicht darauf abzielt, ein spannungsgeladener Roman zu sein, sondern vielmehr eine detaillierte Analyse eines Gerichtsprozesses darstellt.
Die fehlende Konzentration auf konkrete Fakten aus dem NSU-Prozess war enttäuschend. Stattdessen fokussiert sich das Buch (leider) auf die kleinen Begebenheiten und Gedanken der Erzähler sowie auf das Geschehen unter den Zuschauern. Dies kann die Erwartungen derjenigen, die detaillierte Einblicke in den Prozess erwarten, enttäuschen. Die Autorin nimmt die bewusste Perspektive eines "Wir" ein, das die Geschehnisse von den Zuschauerrängen aus betrachtet und somit die Unsicherheit und Ambiguität, die mit diesem Prozess verbunden sind, unterstreicht.
Dieser literarische Ansatz ist definitiv nicht jedermanns Sache. Der Schreibstil und die Erzählweise können es schwierig machen, in den Text einzusteigen und ihn durchgehend zu lesen. Dennoch lohnt es sich, das Buch mit Geduld und offenem Geist anzugehen. Kathrin Röggla bietet eine einzigartige Perspektive auf das Thema und fordert den Leser heraus, den Gerichtsprozess aus einer anderen, unkonventionellen Sichtweise zu betrachten.
"Laufendes Verfahren" mag zwar nicht das Buch für alle sein, aber es ist ein bemerkenswerter literarischer Beitrag zur Aufklärung und zur Rolle der Öffentlichkeit in einem laufenden Gerichtsverfahren. Es bietet eine ungewöhnliche und reflektierte Herangehensweise an ein brisantes gesellschaftliches Thema und regt dazu an, über die Grenzen des konventionellen Erzählens hinauszudenken