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Veröffentlicht am 01.12.2023

Ohne Kitsch und Pathos

Der Buchclub – Ein Licht in dunklen Zeiten
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Bingham Books, eine Buchhandlung in Beechwood, einem Londoner Vorort im Zweiten Weltkrieg.. Der Tod ihres Mannes hat Gertie so sehr getroffen, dass sie sogar mit dem Gedanken spielt, das gemeinsame Lebenswerk ...

Bingham Books, eine Buchhandlung in Beechwood, einem Londoner Vorort im Zweiten Weltkrieg.. Der Tod ihres Mannes hat Gertie so sehr getroffen, dass sie sogar mit dem Gedanken spielt, das gemeinsame Lebenswerk zu verkaufen. Doch das Schicksal hat andere Pläne mit ihr. Ein Freund kümmert sich aktiv um die Evakuierung deutscher Kinder jüdischen Glaubens und deren sichere Unterbringung in England und bittet sie, eines dieser Kinder bei sich aufzunehmen. Nach kurzem Zögern erklärt sich die kinderlose Gertie dazu bereit, nicht ahnend, dass Hedy, das Mädchen aus Deutschland, ihrem Leben einen neuen Sinn verleihen wird.

Unterhaltungsromane, in deren Zentrum eine Buchhandlung steht, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Allerdings läuft deren Handlung meist nach Schema F ab. Eine Buchhandlung (Erbe oder zum Verkauf stehend), die neue Besitzerin (natürlich von außerirdischer Schönheit), ein gutaussehender, aber unausstehlicher Kunde, und…Schwupps, beide werden von Amors Pfeil getroffen und alle Probleme gehören plötzlich der Vergangenheit an. Soweit das Übliche.

Anders in Annie Lyons „Der Buchclub: Ein Licht in dunklen Zeiten“ @rowohltverlag. Die Autorin, gelernte Buchhändlerin, vermeidet diese Klischees durch das Einbetten ihres Romans in den historischen Kontext, der wie in Kate Thompsons „Die Bibliothek der Hoffnung“ breiten Raum einnimmt. Die Entbehrungen der Kriegsjahre, der Blitzkrieg über London, der Tod naher Freunde, die Sorgen um das Schicksal der Angehörigen (in Hedys Fall besonders tragisch, da die Deportationen in vollem Gang sind). Die einzige Konstante in dieser schrecklichen Zeit sind die Bücher, die wenigsten für kurze Zeit die Sorgen des Alltags vergessen lassen, denn selbst in den dunkelsten Stunden gibt es Hoffnung.

Ein warmherziger Roman ohne Kitsch und Pathos über Zusammenhalt und Mitgefühl in schweren Zeiten, in dem die Charaktere bis in die Nebenrollen mit feinem Strich gezeichnet sind. Lesen!

Veröffentlicht am 28.11.2023

Vom Sterben in der Stille

Kant und das Leben nach dem Tod
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Leichenteile in Müllsäcken, entsorgt nahe der Autobahn im Hofoldinger Forst. Die Obduktion offenbart neben der Identität des Toten ein überraschendes Ergebnis, denn offenbar waren die Körperteile über ...

Leichenteile in Müllsäcken, entsorgt nahe der Autobahn im Hofoldinger Forst. Die Obduktion offenbart neben der Identität des Toten ein überraschendes Ergebnis, denn offenbar waren die Körperteile über einen längeren Zeitraum tiefgefroren. Die Spur führt nach Hasenbergl, Hochhaussiedlung im Münchner Norden und sozialer Brennpunkt. Ein neuer Fall für das Team um Joachim Kant von der Münchner Kripo.

Parallel dazu lernen wir Antonia kennen, eine junge Frau, die nach dem Tod ihrer Mutter in München einen Neuanfang wagen will. Als ihre Pläne durch unglückliche Umstände durchkreuzt werden, sucht sie den Kontakt zu ihrem Großvater, der in Hasenbergl, der anonymen Hochhaussiedlung im Münchner Norden lebt und dort von seiner übergriffigen Lebensgefährtin betreut wird. Die Trostlosigkeit der Umgebung und das Desinteresse der Bewohner erschweren die Ermittlungen. Niemand kennt das Opfer oder interessiert sich auch nur im Geringsten für die Umstände, die zu dessen Tod geführt haben. Die ideale Umgebung, in der einsame Senioren zur leichten Beute für Kriminelle werden können.

Häußler beschränkt sich in seinem Roman auf das Wesentliche ohne Drumherumgerede oder überflüssiges Aufblähen der Story. Wie bereit die beiden Vorgänger überzeugt auch dieser dritte Band der Kant-Reihe einmal mehr durch die realistischen Schilderungen der Polizeiarbeit. Hervorzuheben sind aber auch die punktgenauen, deprimierenden Beschreibungen des Umfelds/Milieus. Aufgelockert wird diese depressive Grundstimmung durch feingezeichnete Einschübe zum Privatleben der Ermittler: Kant, der mit dem Auszug seiner Tochter klarkommen muss, Rademacher, der nach seiner schweren Erkrankung seinem Leben eine neue Richtung geben will und Hanna, die Perfektionistin, deren Privatleben neue Herausforderungen für sie bereit hält.

Ein Kriminalroman mit gesellschaftskritischen Untertönen, der ohne charismatische Superhelden und spektakuläre Action-Sequenzen auskommt, sondern sich an der Realität orientiert. Lesen!

Veröffentlicht am 03.11.2023

Neues aus Oldcastle

Das Blut der Opfer
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In „Das Blut der Opfer“ nimmt uns Stuart MacBride wieder mit nach Oldcastle. Allerdings schauen wir weder Logan McRae und Roberta Steel noch Ash Henderson bei ihren Ermittlungen über die Schulter, denn ...

In „Das Blut der Opfer“ nimmt uns Stuart MacBride wieder mit nach Oldcastle. Allerdings schauen wir weder Logan McRae und Roberta Steel noch Ash Henderson bei ihren Ermittlungen über die Schulter, denn mit DS Lucy McVeigh und ihrem Sidekick DS Duncan „Dunk“ Fraser erweitert MacBride einmal mehr den Kreis seiner Protagonisten.

Die beiden werden auf einen Fall angesetzt, in dem seit Monaten ergebnislos ermittelt wird. Die Hütte brennt, die Oberen machen Druck, die Medien werfen der Polizei Inkompetenz vor. Ein Serienmörder, dessen Vorgehensweise an Jack the Ripper erinnert, treibt seit eineinhalb Jahren in Oldcastle sein Unwesen und muss schnellstmöglich gefasst und hinter Gitter gebracht werden.

Gar nicht so einfach, denn da gibt es noch einen anderen Fall, der Lucy Kopfzerbrechen bereitet. Vor sechzehn Jahren wurde ein damals Elfjähriger für den Mord an einem Obdachlosen verurteilt. Mittlerweile hat er seine Strafe verbüßt, ist zwar wieder in Freiheit, aber total verängstigt. Offenbar wird er verfolgt und soll für den Mord mit dem Leben bezahlen. In seiner Verzweiflung wendet er sich an Lucy und bittet um Hilfe.

Einmal mehr hat MacBride einen Thriller geschrieben, der zwar eine bedrohlich düstere Atmosphäre verbreitet, diese aber wie gewohnt mit sarkastischen, schwarzhumorigen Passagen bricht. Üblicherweise passt das, aber hier wäre ein ernsthafter Ton angemessener gewesen, insbesondere, da der persönliche Hintergrund von Lucy, der gerade im letzten Viertel im Vordergrund steht, sich sehr eindringlich liest.

Nichtsdestotrotz liefert der Schotte das ab, was man von ihm erwartet, wenn man mit seinem Storytelling vertraut ist: Eine spannende Handlung mit überraschenden Wendungen, interessante Protagonisten, die sich nicht in ein Schema pressen lassen, atmosphärische Beschreibungen und eine gehörige Portion Zynismus (mit gewissen Einschränkungen s.o.).

Veröffentlicht am 01.11.2023

Alte Wunden

Endstation Malma
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Eine Zugfahrt. Drei Menschen. Harriet, Oscar und Yana. Eine trügerische Ausgangssituation. Außen die idyllische, schwedische Sommerlandschaft, innen jedoch die schmerzhaften Erinnerungsfragmente der Passagiere, ...

Eine Zugfahrt. Drei Menschen. Harriet, Oscar und Yana. Eine trügerische Ausgangssituation. Außen die idyllische, schwedische Sommerlandschaft, innen jedoch die schmerzhaften Erinnerungsfragmente der Passagiere, verbunden durch eine gemeinsame Geschichte. Jede/r für sich auf einer Reise durch die Zeit zur „Endstation Malma“, Dreh- und Angelpunkt für die toxischen Beziehungen innerhalb einer Familie. Der Ort, an dem Geheimnisse vergraben und wieder ans Licht geholt werden. Im Gepäck Ungesagtes, Verdrängtes, aber auch der Wunsch nach Verstehen und im besten Fall Heilung.

Wie bereits in „Die Überlebenden“ und „Verbrenn all meine Briefe“ arbeitet sich Alex Schulman auch in seinem neuen Roman an toxischen Familienbeziehungen ab. Die dysfunktionale Familie, das Thema, das sein künstlerisches Schaffen bestimmt, ist omnipräsent. Sprach- und Lieblosigkeit, emotionale Kälte, Zurückweisungen, Enttäuschung und Wut. Über Generationen weitergegebene Traumata, unausgesprochene Gefühle und die sich daraus ergebende Hilflosigkeit. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.

Wieder einmal ist es harte Kost, die uns Schulman hier serviert, und da dieses Thema offenbar der nie versiegende Quell der Inspiration für ihn ist, bin ich mir nicht sicher, ob ich zukünftig noch mehr davon lesen möchte. Auch in diesem Roman verbindet er gekonnt Vergangenes und Gegenwärtiges und jongliert souverän mit den Zeitebenen. Aber wenn ich bereits nach den ersten Seiten mehr als eine Ahnung davon habe, wohin die Reise gehen wird, fehlt mir die Weiterentwicklung, überwiegt das Unbehagen. Die Akteure wechseln zwar, aber es sind doch immer die gleichen alten Wunden, die wieder aufbrechen.

Veröffentlicht am 29.09.2023

Innenansichten

Die tiefste Nacht
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Ein Schneesturm in dunkler Winternacht. Vera Stanhope ist auf dem Weg nach Hause, als sie ein verlassenes Auto mit offener Tür am Wegesrand entdeckt. Sie stoppt, schaut nach, findet ein verlassenes Baby ...

Ein Schneesturm in dunkler Winternacht. Vera Stanhope ist auf dem Weg nach Hause, als sie ein verlassenes Auto mit offener Tür am Wegesrand entdeckt. Sie stoppt, schaut nach, findet ein verlassenes Baby auf dem Rücksitz. Im ländlichen Northumberland ist das mit dem Handyempfang so eine Sache, kein Netz eher die Regel als die Ausnahme, vor allem bei diesen Wetterbedingungen. Sie benötigt Hilfe, fährt los und macht sich auf die Suche nach jemandem, der ihr helfen könnte. Und so landet sie auf dem Anwesen ihrer Verwandten, die in der Vergangenheit jeglichen Kontakt mit Hector, ihrem Vater und schwarzes Schaf der Familie, vermieden haben. Als kurz nach ihrer Ankunft ein Nachbar die Leiche einer jungen Frau im Schnee findet, offenbar die Mutter des Säuglings, tut Vera das, was sie am besten kann. Sie informiert ihr Team und startet die Ermittlungen.

Aus dieser Ausgangssituation entwickelt sich ein Geflecht aus verborgenen Familiengeheimnissen und gestörten Beziehungen, die es aufzudröseln gilt. Sie fühlt sich zwischen den Fronten platziert, ist hin und her gerissen zwischen Loyalität und professioneller Pflicht. Gleichzeitig bewirkt diese Konfrontation mit ihren familiären Wurzeln bei Vera ein intensives Auseinandersetzen mit ihrer Vergangenheit, eine Rückschau auf ein Leben, das neben ihrer Karriere keinen Raum für persönliche Wünsche und Träume gelassen hat.

„Die tiefste Nacht“ (die Zeile stammt aus Robert Frosts Gedicht „Stopping by woods on a snowy evening“) ist ein stimmungsvoller Roman, der uns erstmals interessante Innenansichten auf die Protagonisten dieser mittlerweile neunbändigen Reihe bietet. Obwohl es gewaltsame Todesfälle gibt, taugt er als Kriminalroman eher weniger, denn dafür ist die Handlung zu konventionell geplottet, hält kaum Überraschungen bereit und bietet einen recht eingeschränkten Kreis von Verdächtigen. Aber dennoch empfehle ihn und erwarte die Fortsetzung der Reihe mit Ungeduld, erweitert er doch den Blick auf Vera und ihr Team, insbesondere, was ihre Beziehung zu DC Holly Jackman angeht.