Profilbild von Edda22761

Edda22761

Lesejury Profi
offline

Edda22761 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Edda22761 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.12.2023

Beeindruckender komplexer Roman!

Die sieben Monde des Maali Almeida
0

Shehan Karunatilaka hat einen Roman geschrieben, der sehr intensiv, komplex ist und ein rasantes Abenteuer verspricht.
Maali, ein Kriegsfotograf, findet sich Anfang der 1990ger Jahre in Colombo im Zwischenreich ...

Shehan Karunatilaka hat einen Roman geschrieben, der sehr intensiv, komplex ist und ein rasantes Abenteuer verspricht.
Maali, ein Kriegsfotograf, findet sich Anfang der 1990ger Jahre in Colombo im Zwischenreich wieder, offensichtlich gestorben, ermordet. Er hat 7 Monde, d.h. Sieben Tage Zeit seinen Tod aufzuklären. Ebenso will er seine bedeutsame und versteckten Fotografien der lebenden Welt zeigen, um die Gräueltaten und die Mittäter vor aller Welt aufzudecken. Doch wie bewerkstelligen? Hierfür wird er alles aufs Spiel setzen. Maali ist ein Fotograf und auch ein Kartenspieler, auch ein heimlicher Homosexueller. Jetzt im Zwischenreich muss er sich erinnern, wer ihn ermordet hat.

Die Geschichte wechselt vom Zwischenreich zur Realität, Maalis persönlichen und im Kontext der politischen und religiösen seines Heimatlandes. In Rückblicken bekommt man Einblicke über die damalige komplexe politische Situation, der Gesellschaft, der Religion und dem Leben Maalis. Er ist ein Kriegsfotograf bzw ein Fixer, jemand, der Reporter und Journalisten aus aller Welt in einheimische Kriegsschauplätze führt, übersetzt und verbindende Gespräche mit dem Militär in die Wege leitet. Währenddessen schießt er Fotos, die hochbrisant sind, verkauft sie an Organisationen oder versteckt die brisanten.

Sri Lanka: Für mich eine fremde noch unbekannte Kultur und Gesellschaft. Kaum wusste ich etwas von dem Bürgerkrieg seit Mitte der 80ger in Sri Lanka, das ich als Ceylon erinnere, als Teelieferant, heutzutage als Urlaubsparadies. Sri Lanka war britisch besetzt und erhielt nach der Unabhängigkeit 1972 den jetzigen Namen („ehrenwerte Insel“). Man wird mit diesem Buch regelrecht, so wie Maali, in etwas hineingeworfen, das vorerst verwirrend ist und zu entdecken gilt, wie Politiker, Organisationen, Religionen, Bezeichnungen für Geister, damalige Gesellschaft mit deren Regeln und Moralvorstellungen. Die Bedeutungen muss man sich geduldig erschließen ebenso die Frage, wer die Guten sind und wer nicht. Hinten im Buch findet sich zur Erklärung ein Glossar für Namen und Abkürzungen und ein Stadtplanausschnitt von Colombo.

Der Einstieg ist dadurch nicht einfach. Eine neue fremde Welt eröffnet sich dem Leser.
Die Aufmerksamkeit wird voll gefordert, erschwerend kommt hinzu, dass Protagonist Maali Erinnerungslücken hat. Trotz meiner anfänglichen Leseschwierigkeiten wurde ich aber belohnt mit einer Erzählung, die von Seite zu Seite interessanter und spannender wird und rasant voranschreitet. Viele historische Informationen runden den Roman ab.

Das Buch bringt Spaß und macht nachdenklich. Den Abstand zu den damaligen Gräueltaten – die Sri Lankische Regierung soll sich hierfür nicht entschuldigt haben - und auch deren Deutlichmachung bekommt man durch den Blick von oben aus dem Zwischenreich. Hier findet der große Teil des Romans statt. Die 544 Seiten erzeugen eine vielschichtige Lektüre, von der man belohnt wird; anschaulich, informativ mit Humor und Menschlichkeit in Szene gesetzt! Shehan Karunatilaka hat diese ganze Komplexität mit großer Intensität bewältigt. Zwei Jahre lang hat er seinen Roman überarbeitet und gestrafft, bevor es den westlichen Lesern zugänglich gemacht wurde (wiki). Das Buch ist 2022 mit dem britischen Booker Prize ausgezeichnet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.11.2023

Hochspannende Zeitgeschichte - ein Highlight!

Der Spion und der Verräter
0

Ben Mcintyre erzählt die wahre Geschichte eines russischen Spions, der während des Kalten Krieges nach Großbritannien überläuft: KGB Oberst Oleg Gordijewski.

Oleg Gordijewski aus Moskau liebte klassische ...

Ben Mcintyre erzählt die wahre Geschichte eines russischen Spions, der während des Kalten Krieges nach Großbritannien überläuft: KGB Oberst Oleg Gordijewski.

Oleg Gordijewski aus Moskau liebte klassische Musik und Literatur. Durch seine Versetzung in die Botschaft nach Dänemark schon als ausgebildeter Spion, erlangte er Zugang zu der westlichen Kultur, die er in seiner Heimat so umfangreich nicht vorfand. Ein Ausgangspunkt des Zweifels am totalitären System in Russland.
Mcintyre schildert Jahrzehnte der Spionage bis hin zu Gordijewskis Enttarnung 1985. Das umfangreiche Buch erzählt die Geschichte des Kalten Krieges, schneidet u.a.den Bau der Berliner Mauer 1961 an, den Prager Frühling 1968, die Stationierung von Cruise Missiles Raketen in der BRD 1983 bis hin zur Perestroika.
Diese Zeitgeschichte ist anschaulich gemacht anhand des Protagonisten Gordijewski und den umfangreichen Recherchen zu ihm und dem geschichtlichen Hintergrund dieser Zeitspanne und wird ergänzt durch die eingebundenen Fotografien der Personen.

Den Leser erwartet eine unglaublich spannende Zeitreise. Die Ereignisse werden rückblickend aus Sicht des KGB sowie des britischen Geheimdienstes MI6 und des CIA geschildert.
Man bekommt umfangreiche Einblicke in Spionagetätigkeiten mit Ausdrücken wie: Köder, Hühnerfutter, Signalorte, tote Briefkästen...
Ein informatives Nachwort und eine Aufstellung der Decknamen und Aliasse am Ende des Buches runden diesen rasanten Thriller ab.
Nie langweilig, jede Seite informativ und spannend! Detailgetreue Zeitgeschichte gepaart mit Hochspannung – ein absolutes Lesevergnügen und Empfehlung - Ein Highlight!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.10.2023

Großartig und hochspannend erzählter deutscher Zeitabschnitt

Wie Sterben geht
0

Zur Zeit des Kalten Krieges 1983 wird Nina Winter, Analystin, vom BND rekrutiert. Sie soll einen Spion in Moskau führen. Völlig unvorbereitet erwartet sie in eine harte Schulung zur Agentin bzw. Verbindungsführerin. ...

Zur Zeit des Kalten Krieges 1983 wird Nina Winter, Analystin, vom BND rekrutiert. Sie soll einen Spion in Moskau führen. Völlig unvorbereitet erwartet sie in eine harte Schulung zur Agentin bzw. Verbindungsführerin. Hart und gefährlich erfährt sie jegliche Tücken der Beschattung und Verteidigung. Geheime Briefkästen und lange raffinierte Fluchtwege gehören dazu. Sie wird sich in Moskau bewähren müssen. Dort bekämpft sie einen Todfeind und erfährt eine große Liebe.
Wieder wählt Andreas Pflüger für seine Hauptfigur eine taffe junge Frau, sportlich, intelligent. Großartig recherchiert ist die damalige politische Situation und Stimmung.
Oft habe ich selbst nachgeschlagen. Wie war das doch noch mit Helmut Kohls Schweigen oder dem Spion Guillaume, der Willy Brandt stürzte. Andreas Pflügers Einblicke in die internationalen Geheimdienste sind ungewöhnlich und entführen den Leser in ungeahnte Welten und Wahrheiten. Das allein wäre schon hochspannend. Die taffe Protagonistin Nina, jedem immer einen Schritt voraus, überaus intelligent, entführt in einen Wirbel von Ereignissen, die unglaublich überraschend und mit rasender Geschwindigkeit vonstatten gehen, sodass der Leser, wie Nina selbst, sogar Marathonläuferin, atemlos bleibt. Andreas Pflüger schreibt gekonnt mit ausgeklügeltem Humor, in seiner typischen Manier, die dem Leser volle Konzentration abverlangt. Man wird belohnt! Ich habe das Buch verschlungen. Es ist für mich mein Buch des Jahres, ein absoluter Hit!. Lediglich ein Glossar für die nochmalige Erklärung der üblichen Kürzel der dargestellten Abteilungen der jeweiligen Geheimdienste wäre von Nutzen gewesen. Ansonsten: Top! Ein deutsches Kapitel, das dank Andreas Pflüger noch einmal inszeniert und dadurch nicht vergessen wird. - Großartig!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.08.2023

Erstklassige Unterhaltung!

Bei euch ist es immer so unheimlich still
0

Silvia Borowski kehrt überstürzt mit ihrer Tochter Hannah 1989 in ihr Heimatdorf zurück. Jahrelang in der Hauptstadt Berlin in einer WG lebend, konfrontiert sie sich jetzt mit ihrer Mutter Evelyn und ihrer ...

Silvia Borowski kehrt überstürzt mit ihrer Tochter Hannah 1989 in ihr Heimatdorf zurück. Jahrelang in der Hauptstadt Berlin in einer WG lebend, konfrontiert sie sich jetzt mit ihrer Mutter Evelyn und ihrer Herkunft. Auch Evelyn war einmal jung und ihre eigene Geschichte wird ab dem Jahr 1950 in Abschnitten bis 1989 erzählt. Die Perspektive von Silvia ist das Jahr 1989. Die Vergangenheit wird erzählt, aufgearbeitet, nähert sich.

Spießbürgertum, Schuld, Verpflichtungen, sozialer Zwang, Entscheidungen, die passend zur damaligen Zeit geschehen sind und die man jetzt so erfrischend mit empathischem Abstand genießen kann. Jede der 318 Seiten dieses Romans habe ich als spannendes Eintauchen in die Zeit empfunden, den „Kleinstadtmief“ mit heutigen Augen zu betrachten, betroffen und dennoch betrachtend. Doch sie geben auch Anregung darüber, wie der Mensch tickt und die Frage, welche Verkleidung die jetzige Zeit auswirft. Auch wie das Leben prägt durch angenommene Schuld und getroffene Entscheidungen. Beide Erzählstränge, der von Silvia sowie der von Evelyn sind vergangene, was das Zeitlose an dem Buch bewirkt – ein Stück Geschichte, nicht nur die der beiden, sondern auch die der deutschen Ereignisse. Die deutsche Mauer wird fallen, auch Evelyn und Silvia werden neue Wege einschlagen.

Die humorvolle und präzise Beobachtung der unterschiedlichen Milieus, hat mich beeindruckt. Es werden in diesem Roman Teilstücke erzählt, die sich erst zum Ende hin zusammenfügen und aufschlussreichen Sinn ergeben. Nebendarsteller werden zu maßgebenden Wendepunkten in Silvias sowie Evelyns Lebensweg. Der Roman ist raffiniert geschrieben, die Sprache entspringt der Jetztzeit und führt dadurch in die betrachtende, unbefangene Gegenwartsperspektive. Attribute, die ein kluges unterhaltsames Buch erfüllen: Zeitkolorit, Milieubetrachtungen, glaubhafte lebendige Protagonisten und Nebendarsteller, die zu eigenen Erinnerungen anregen. Alena Schröder trifft den Punkt und fesselt. Sie schildert ohne zu urteilen. Kinder nehmen die Eltern als eigene Persönlichkeit nicht wahr während sie Kind sind. Hier wird dies angeregt und aufgearbeitet.

Alena Schröder arbeitet als Journalistin und Autorin in Berlin. Schon ihr erstes bekanntes Buch „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ überzeugte. Auch dieser Roman mit dem“ vielsagenden Titel „ Bei euch ist es immer so unheimlich still“ ist eine absolute Empfehlung.
Ein großer Wurf, eine erstklassige Unterhaltung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2023

Aktueller und bemerkenswerter Ratgeber!

What the Fake!
0

Dieser Ratgeber ist bereichernd für jeden, der im Internet unterwegs ist, über soziale Netzwerke oder per Email.

Etrit Asllani zeigt auf, wie man Falschmeldungen erkennt und von tatsächlich passierten ...

Dieser Ratgeber ist bereichernd für jeden, der im Internet unterwegs ist, über soziale Netzwerke oder per Email.

Etrit Asllani zeigt auf, wie man Falschmeldungen erkennt und von tatsächlich passierten und belegten Informationen unterscheidet. Er, der Psychologe stellt dar, was ihn zu diesem Buch bewegt hat, welche Erfahrungen ihn zu dieser Recherche geführt haben.
Wie fallen wir auf falsche Informationen herein, wie werden wir manipuliert, was ist das Anliegen von denen, die Falschmeldungen verbreiten.
Worauf sollte man achten.

Das Buch ist verständlich erklärt und durch das Hinzuziehen von Ereignissen der Geschichte, die durch Unwahrheiten und Manipulationen ihr Ziel erreichten, sehr spannend!

Ist die gelesene Meldung tatsächlich informativ und mit Fakten belegt oder dient sie einem fremden Eigennutz?
Körpersprache Ausdruck des Gegenüber, Sprache und Gesamteindruck fallen bei Informationen über das Internet weg – es gibt kein Gegenüber, den wir mit sozusagen noch gesundem Menschenverstand beurteilen können.
So müssen wir auf andere Tricks zurückgreifen. Hierbei ist Etrit Asllani überaus hilfreich.

Meine Großmutter kannte nur Brot vom Bäcker oder selbstgebackenes, bei dem sich die Frische mit einem Daumendruck ins Brot erkennbar machte. Als dann Konservierungsstoffe und andere Zutaten das Brot länger weich und haltbar machten, war der Urinstinkt irritiert, so dass man sich informieren musste, warum – um in Kenntnis gesetzt zu werden, um entscheiden zu können, ob man weiterhin die althergebrachte Richtung einschlägt oder ob man sich auch mit der Zeit auseinandersetzt, die diese Abarten auswirft.
Und das ist das Anliegen des Psychologen Asllani, die Manipulationen dieser jetzigen Zeit erkennbar zu machen, leider das Nebenprodukt der umfangreichen und bereichernden Informationen, die wir durch das Internet erhalten. Die Sprache Asllanis berührt und nimmt einen sofort mit in diese komplexe Thematik.

Ein kompakter Ratgeber für jede Altersstufe, der mit verständlichen Worten erklärt und auch Hinweise auf weiterführenden Seiten gibt. Gut aufgebaut in 8 Kapiteln, lehrreich mit umfangreichem Quellenverzeichnis. Nach dem Lesen dieses Buches sollte man gewappnet sein, zu hinterfragen, was mit im Internet gelesenen Meldungen bezweckt wird, wie man selber darauf anspringt, was es in einem auslöst und zu welcher Meinungsbildung es führt.

Sehr empfehlenswert, humorvoll, mit vielen Aha – Erlebnissen und umfangreichen helfenden Hinweisen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere