Klytämnestra, Helena und Penelope – die Geschichten dreier Frauen.
Die Geschichten der schönen Helena und des schlauen Odysseus’ sind vielen zumindest dem Namen nach bekannt. Der trojanische Krieg und seine Helden. Auch an die Geschichte von Iphigenie erinnert sich vielleicht ...
Die Geschichten der schönen Helena und des schlauen Odysseus’ sind vielen zumindest dem Namen nach bekannt. Der trojanische Krieg und seine Helden. Auch an die Geschichte von Iphigenie erinnert sich vielleicht noch manch einer aus dem Schulunterricht.
Und Klytämnestra? Die starke Schwester der schönen Helena, die mächtige Mutter der sanften Iphigenie, von Elektra, Orestes und Chrysothemis?
Zumindest mir waren ihr Name und ihre Geschichte unbekannt, bis ich Casatis ›Klytämnestra‹ in die Hände bekommen habe. Mit ihr erzählt Casati gleichzeitig die Geschichte einer besonderen Frau – eine Kämpferin aus Sparta, mutig und unerschrocken – und die Geschichte vieler Frauen – unterdrückt, Männern zum Gehorsam gezwungen, der Gewalt ausgeliefert.
»Klytämnestra späht in den Abgrund. Sie hält Ausschau nach Schädeln, Knochen, Leichen, an denen sich wilde Hunde und Geier gütlich tun, entdeckt aber keine Kadaver. Nur ein paar tapfere Blumen, die weiß leuchtend aus Felsspalten wachsen in diesem düsteren Schlund, der in Sparta den Namen ›Keadas‹ trägt.«
›Klytämnestra‹ erzählt nicht die Geschichte griechischer Helden. Weder von Paris, Odysseus noch Achille. Es erzählt die Geschichte einer Frau, die ihr Königreich und ihre Familie zusammenhalten muss, während ihr Mann im Krieg ist. Und so viel mehr.
Dabei fürchtet Klytämnestra nicht, dass ihrem Mann im Krieg etwas zustoßen konnte – im Gegenteil. Und so erzählt ›Klytämnestra‹ nicht nur von einer Mutter und Monarchin, sondern von einer Frau, die zur Mörderin wird.
»›Ehrgeiz, Mut, Misstrauen‹, fuhr Gorgophone fort. ›Das braucht ihr, wenn ihr bald Königinnen sein werdet. Nur damit könnt ihr die Männer überleben, die euch beseitigen wollen.‹«
Obwohl ›Klytämnestra‹ auch von der Zeit des trojanischen Krieges berichtet, bekommen die Lesenden wenig von diesem direkt mit. Ähnlich wie in Atwoods ›Penelope und die zwölf Mägde‹ bleibt ›Klytämnestra‹ an die Perspektive der zurückgelassenen Frauen gebunden.
Casatis ›Klytämnestra‹ ist nicht nur absolut mitreißend und spannend geschrieben, der Schreibstil ist ebenso klar und präzise wie bildgewaltig und atmosphärisch. Das umwerfende Cover macht dieses Buch nicht nur optisch zu einem Hingucker, der Inhalt steht diesem in nichts nach.
»›Ich meine damit, dass es schwer ist, einen Mann zu finden, der wahrhaft stark ist‹, antwortet Leda. ›Stark genug, um nicht stärker als du sein zu wollen.‹«
›Klytämnestra‹ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gepackt. Die Themen darin sind ebenso zeitlos wie aktuell – und lassen die Lesenden auch nach dem Beenden des Buches lange nicht los.