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caro_phie

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.12.2023

Eine junge Frau auf der Suche nach ihrer Identität

Wovon wir träumen
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Es ist schwierig für dieses Buch die passenden Worte zu finden. Schwierig, weil sich dieses Buch bewusst verwehrt in die Schublade gesteckt zu werden, in die man es so gerne stecken will.

Es ist nicht ...

Es ist schwierig für dieses Buch die passenden Worte zu finden. Schwierig, weil sich dieses Buch bewusst verwehrt in die Schublade gesteckt zu werden, in die man es so gerne stecken will.

Es ist nicht nur ein Buch über die Suche nach einer Identität als in Deutschland aufwachsendes Mädchen mit chinesischer Mutter. Es ist nicht nur ein Buch über eine Beziehung zwischen Mutter und Tochter, geprägt durch eine tiefe Liebe und gleichzeitig dem verzweifelten Wunsch der Tochter in ihren Gedanken und ihrem Handeln Distanz zu ihrer Mutter zu schaffen.

‘Sie werden unsere Geschichten immer anders erzählen. Als gehörte sie mehr ihnen als uns. Es ist dann eine Geschichte von Wurzeln und keine von Händen und Füßen. Eine von der Suche nach dem besseren Leben, von Zerrissenheit, von einer ewig unvollständigen Existenz. Eine Geschichte von Fehlen statt Fülle, von Traumata und nicht von Träumen. Ich hasse diese Erzählungen. Und ich liebe die, in denen es einfach um das gute Leben geht. Die Geschichten, in denen wir im Einzelnen ganz sind.’

‘Es ist einfach meine Geschichte’, scheint die Erzählerin zu schreien. Aber sie schreit es leise, in einer wahnsinnig zarten und natürlichen Sprache, die mich sehr berührt hat. Ein sehr schönes Buch, das noch lange nachhallen wird.

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Veröffentlicht am 28.11.2023

Für mich ein absolutes Überraschungsherzensbuch!

Morgen, morgen und wieder morgen
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Letzten Frühling ist mir dieses Buch immer wieder über den Weg gelaufen. In zahlreichen Rezensionen habe ich es gesehen und doch kam es nicht auf meine Leseliste, war mir die Gamingwelt doch zu fremd. ...

Letzten Frühling ist mir dieses Buch immer wieder über den Weg gelaufen. In zahlreichen Rezensionen habe ich es gesehen und doch kam es nicht auf meine Leseliste, war mir die Gamingwelt doch zu fremd. Und dann fiel es mir durch Zufall doch in die Hände durch eine Bekannte, die es mir in die Hände drückte.

Ich bin im Nachhinein wahnsinnig froh, dass ich es gelesen habe. Ja, Videospiele sind das Thema des Buches und des Lebens von Sam, Sadie und Marx, die als Studierende anfangen Videospiele zu entwickeln eine Gaming-Firma gründen und damit berühmt werden. Videospiele sind Thema in der Sprache des Buches und dem Titel (warum, muss man sich selbst erlesen ;)). Es ist aber auch die Geschichte von drei jungen Erwachsenen, die eine gemeinsame Zukunft beginnen, deren Leben sich emotional auseinanderentwickeln und mit voller Wucht wieder aufeinanderprallen.

Für mich eine absolute Überraschungsentdeckung, und auch wenn es in meinem eigenen Leben nicht nachhallt, erinnere ich mich doch gerne an diese wunderbare, warmherzige Geschichte über so viel mehr als Videospielen. Eine absolute Leseempfehlung für Gamerinnen und Nicht-Gamerinnen.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

Ich hätte es so gerne geliebt

Und alle so still
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Sie liegen da vor dem Krankenhaus. Viele Frauen. Wie Blumen, denen das letzte Wasser entzogen, die letzten Nährstoffe genommen wurden, eingeknickt ohne einen Laut. Sie rufen nichts, sie erklären sich nicht. ...

Sie liegen da vor dem Krankenhaus. Viele Frauen. Wie Blumen, denen das letzte Wasser entzogen, die letzten Nährstoffe genommen wurden, eingeknickt ohne einen Laut. Sie rufen nichts, sie erklären sich nicht. Denn was gibt es denn da noch zu erklären, wo alles schon so viele Male gesagt wurde?

Ein stiller Protest, eine solidarische Aktion vieler Frauen, die wie ein Lauffeuer um sich greift. Sie legen die Arbeit nieder und innerhalb weniger Tage beginnt das System zu wanken, denn baut es nicht auf der unter- und unbezahlten Arbeit so vieler Frauen? Voller Wut und gleichzeitig Hoffnung verfolgt Mareike Fallwickl dieses Gedankenexperiment.

Es ist ein erstaunliches, schockierendes Buch. Ein Buch, das mich auf wenigen Seiten so viel gelehrt hat, so viele Perspektiven vereint und denen eine Stimme gibt, die insbesondere durch Mehrfachmarginalsierung oft keine haben. Es ist ein wichtiges Buch und so gerne würde ich es uneingeschränkt empfehlen.

Aber leider konnte mich Mareike Fallwickl weder von der Sprache noch mit ihren Charakteren ganz abholen. Viele Konversationen kamen mir unnatürlich vor, viele der Szenen zu konstruiert. Vielleicht ist es Absicht? Vielleicht soll das Buch wie eine Traumsequenz wirken, denke ich, als ich es zuklappe. Doch für mich hat es eher bewirkt, dass eine Distanz zwischen mir und den Hauptcharakteren blieb, die es schwerer machte mit ihnen zu fühlen.

Und so schwingt in all den Momenten, in denen ich in den darauffolgenden Tagen an das Buch zurückdenken muss - denn losgelassen hat es mich bisher nicht und wird es auch so schnell nicht - immer auch ein leichtes Gefühl der Enttäuschung mit.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Aus dem Leben gegriffen

Sieben Sekunden Luft
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Wer ist Selah? Das habe ich mich oft gefragt während ich Luca Mael Milschs Debütroman “Sieben Sekunden Luft” gelesen habe. Wer ist Selah? Das scheint sich auch Selah selbst zu fragen:

In der Kindheit, ...

Wer ist Selah? Das habe ich mich oft gefragt während ich Luca Mael Milschs Debütroman “Sieben Sekunden Luft” gelesen habe. Wer ist Selah? Das scheint sich auch Selah selbst zu fragen:

In der Kindheit, in der Selah versucht der Mutter gerecht zu werden. Ihren Stimmungsschwankungen, die das Kind versucht abzuschätzen sobald die Mutter durch die Tür kommt, ihrer Idee wer Selah wirklich ist, ihren Erwartungen.

In der Studierendenzeit, in der Selah sich zunehmend abkapselt von der Mutter, den Einfluss dieser auf das eigene Leben versucht zu minimieren und doch jedes Treffen mit der Mutter zu einem Rückschlag, einem Gefühl des Versagens wird, denn plötzlich hat die Mutter wieder so viel Macht, beherrscht Gedanken und Gefühle.

Als Erwachsene - überarbeitet und weiterhin verzweifelt auf der Suche nach sich selbst bis zur fast vollständigen Selbstauflösung führen.

Es ist immer Selah und doch wirkt es durch Luca Mael Milschs kunstvoll komponierten Aufbau des Buches fast wie drei unterschiedliche Personen. So wenig wie Selah sich selbst kennt, kann man auch als Leser
in greifen, wer Selah ist. Man spürt förmlich Selahs Verzweiflung über den immer wieder scheiternden Versuch sich von der Mutter zu lösen, die Deutungshoheit über die eigene Identität zu erringen und sich dann vor die Mutter zu stellen und zu sagen “Schau Mama! Das bin ich.”

Doch da ist das langjährige Schweigen über Dinge, die unsagbar schienen und ungesagt geblieben sind, über Dinge die damals noch nicht in Worte zu fassen waren, keine Worte hatten, für die es keine Worte gab. Worte die Selah erst langsam findet.

“Ich will dir davon erzählen, was passiert ist, worüber ich nie sprechen konnte und wer ich heute bin. Fertig. Doch jedes Mal blicke ich in die Augen einer Mutter, die das nicht aushalten kann. Jedes Mal schaue ich in ein Gesicht, in dessen Spiegel sich das Bild von mir nicht erneuern lässt, höre Erinnerungen, die ich nur aus deinen Erzählungen kenne, die dir alles bedeuten, die ich dir glauben müsste.” (S. 191)

Es ist ein Buch über Mutter-Kind-Beziehung, über Identitätssuche. Es ist ein queeres Buch, aber nicht vordergründig, nicht nur. Vielmehr zeichnet es das komplexe Bild einer ganzen Person, das durch vielmehr bestimmt wird als ihre Queerness. Gerade das hat mir so gut gefallen. Dass Queer-sein ein Teil von einer Person ist und als solches im Buch behandelt wird, vielmehr als ein alleinstellendes Merkmal.

Ich wurde hineingezogen in das Buch, konnte so viele der Gedanken Selahs nachvollziehen, wurde emotional mitgenommen, getragen über viele Seiten, auf denen ich ganz bei Selah war. Und dann plötzlich fallen gelassen, in einen unendlich langen Gedankenstrom Selahs angesichts der plötzlich todkranken Mutter. Ein Gedankenstrom, der sich zu wiederholen schien, kein Ventil fand, sich über fast 100 Seiten erstreckte, künstlerisch beeindruckend und doch ließ bei mir an dieser Stelle die Aufmerksamkeit nach. Die einzelnen Gedanken schienen weniger wichtig zu sein, denn sie würden sich ja zwangsläufig wiederholen. Und so habe ich am Ende das Buch mit gemischten Gefühlen zugeklappt, irgendwie unbefriedigt weil mir gerade das Ende nicht greifbar wurde.

Dennoch war es ein unglaublich intensives Leseerlebnis, das mich während des Lesens sehr berührt hat.

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Mit- und weiterdenken

Unlearn Patriarchy 2
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Es gibt viele Aspekte in unserem Leben, die vom Patriarchat geprägt sind, die wir hinnehmen, nach keiner Alternative suchen, uns teilweise ihres Diskriminierungspotentials nicht bewusst sind. Unlearn Patriarchy ...

Es gibt viele Aspekte in unserem Leben, die vom Patriarchat geprägt sind, die wir hinnehmen, nach keiner Alternative suchen, uns teilweise ihres Diskriminierungspotentials nicht bewusst sind. Unlearn Patriarchy 2 greift in Essays von unterschiedlichen Autor*innen 13 dieser Aspekte auf.

Ich war wahnsinnig überrascht von den vielen Dimensionen des Patriarchats, die sich auftaten und die ich vorher gar nicht oder nicht in der Tiefe mitgedacht habe. Immer wieder musste ich zum Stift greifen mir ganze Passagen unterstreichen, weitere Leseempfehlungen rausschreiben. Es ist ein Buch das zum Mitdenken anregt, sowohl während der Lektüre als auch danach, denn dass man danach genauso auf die Gesellschaft schaut wie vorher ist unwahrscheinlich.

Leider muss ich dennoch mein Lob für dieses wichtige Buch ein wenig einschränken, denn so wie sich die Themen unterscheiden, unterscheiden sich auch die Stimmen in diesem Buch. Während Schreibstil (von sachlich bis wütend) sicherlich Geschmackssache ist und ich es auch sehr schön fand, dass so viele verschiedene Stimmen in einem Buch versammelt sind, hat die Aufarbeitung mancher Themen meines Erachtens manche Argumente schwächer gemacht als nötig - Argumente, denen ich in 99% der Fälle folgen konnte, bei denen mir aber, wenn sie als generelles Statement und nicht als eigene Erfahrung dargestellt wurden, oft die Referenzen gefehlt haben.

Dennoch eine klare Leseempfehlung für dieses wichtige Buch, aus dem ich viel mitgenommen habe!

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