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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.01.2024

Durchs wilde Kurdistan

Zweistromland
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Aufgewachsen in Deutschland, lebt Dilan nach dem Tod ihrer Mutter als Erwachsene mit ihrem Mann in Instanbul. Eines Tages bricht die Schwangere ohne Vorankündigung und ohne Ziel auf, um sich schließlich ...

Aufgewachsen in Deutschland, lebt Dilan nach dem Tod ihrer Mutter als Erwachsene mit ihrem Mann in Instanbul. Eines Tages bricht die Schwangere ohne Vorankündigung und ohne Ziel auf, um sich schließlich im Osten der Türkei wiederzufinden, wo ihre Familie ihre Wurzeln hat.
Die Rahmenhandlung mit der erwachsenen Protagonistin spielt im Jahr 2016, während mit einem Abstecher ins Jahr 1999 ihre Jugend beleuchtet wird. Dieser Zeitsprung macht klar, warum es für Dilan so wichtig ist, Nachforschungen nach den Aktivitäten ihrer Eltern anzustellen, die der kurdischen Minderheit in der Türkei angehörten. Die vorherrschenden Themen des Romans, Identität und Familie, werden eingebettet in die türkische Geschichte.
Obwohl wir uns in der seltsamen Situation vorfinden, in der die Hauptfigur scheinbar irrational und wenig nachvollziehbar agiert, fiel es mir leicht, Vertrauen in sie und ihre Entscheidungen zu setzen. „Dass die Stille alles andere zwischen uns verdrängt hatte, merkte ich zu spät. Die Stille war schon ausgelegen, die Mulden darin perfekt an unsere Körper angepasst.“ Mit einfühlsamer Sprache zeigt die Autorin, dass es nicht nur schwarz oder weiß, sondern viele Nuancen in den Gefühlen und Handlungen der Familienmitglieder gibt. Die Geschichte einer selbstbewussten Frau in einem schwierigen Umfeld hat mich begeistert und hallt nach.

Veröffentlicht am 20.12.2023

Als Kind in der DDR

Ein Halstuch voller Lügen
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Als die 12-jährige Susanne 1984 mit Mutter und Bruder von Thüringen nach Berlin zieht, heißt es erstmal Wohnung besetzen und Freunde finden. Bevor sie Vertrauen fassen kann, kommen auch ein paar Notlügen ...

Als die 12-jährige Susanne 1984 mit Mutter und Bruder von Thüringen nach Berlin zieht, heißt es erstmal Wohnung besetzen und Freunde finden. Bevor sie Vertrauen fassen kann, kommen auch ein paar Notlügen über ihre Lippen.
„Ein Halstuch voller Lügen“ ist ein Kinderbuch, geschrieben von Annette Herzog und illustriert von Maja Bohn, die das Leben in der DDR kennen und sowohl verständlich als auch authentisch darstellen. So gehört es zum Alltag eines Kindes, an Pionierveranstaltungen teilzunehmen oder Altstoffe zu sammeln. Verweise auf das vorherrschende System werden dezent eingesetzt oder kindgerecht erklärt. „Siehst du, Sanne, man darf nicht aufgeben. Das ist das Gute in diesem Land: Man freut sich über jede Kleinigkeit.“
Neben der Vermittlung der Werte von Freundschaft und Zusammenhalt ist die Ansiedlung der Handlung in der DDR besonders erwähnenswert, da sich das Buch gut eignet, Kindern quasi nebenbei die Geschichte unseres Landes zu erzählen. Für mich als Erwachsene hatte die Lektüre den Effekt einer Zeitreise, die manches Detail sogar mit einem Bild wieder in Erinnerung gerufen hat.

Veröffentlicht am 16.12.2023

Winterliche Ausflüge

Reisehandbuch Deutschland im Winter - Reiseführer
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„Der Winter möchte uns einladen: auf fantastische Ausflüge und zu einzigartigen Events. … Wir sollten ihm folgen, um Deutschland von einer ganz besonderen Seite kennenzulernen.“ Ein Reiseführer für den ...

„Der Winter möchte uns einladen: auf fantastische Ausflüge und zu einzigartigen Events. … Wir sollten ihm folgen, um Deutschland von einer ganz besonderen Seite kennenzulernen.“ Ein Reiseführer für den Winter bietet neben zu erwartenden Aktivitäten, wie Skilanglauf oder Weihnachtsmarktbesuch, immer auch eine Option, ins Warme auszuweichen, wie mit dem Besuch einer besonderen Therme.
Dieser versammelt die Geheimtipps von Menschen, die sich in den verschiedenen Gegenden Deutschlands auskennen und meist auch anderswo darüber schreiben. Anders als bei typischen Reiseführern, wo ein Ort von A bis Z abgeschritten wird, finden sich hier eher Impulse dafür, die Augen für die Schönheiten der Jahreszeit zu öffnen. Natürlich muss ich mich nicht gleich auf den ersten Vorschlag des Anbadens im Meer am Neujahrstag einlassen, aber den Strandspaziergang abseits der Saison stelle ich mir durchaus idyllisch vor.
Für mich war die Lektüre wertvoll, einerseits, weil die Texte sehr persönlich und ansprechend geschrieben waren, andererseits, weil ich mir durch die besonderen Beobachtungen bereits vom Sessel aus etwas von der winterlichen Schönheit vorstellen kann und Lust auf eigene Erkundungen bekommen habe.

Veröffentlicht am 10.12.2023

Die Faszination der Bücher

Die Bibliothek im Nebel
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1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der ...

1917 flieht der Bibliothekar Artur aus Russland nach Leipzig. 1928 findet das Mädchen Liette an der Côte d‘Azur im Hotel ihrer Familie die Besitztümer russischer Gäste der Vergangenheit. 1957 wird der Journalist Thomas mit der Suche nach der Russin Mara beauftragt.
Künstlerisch werden in diesem Roman die Geschichten der Orte und Figuren zu verschiedenen Zeiten miteinander verwoben. Gefahren lauern mal in politischen Umständen, wie der russischen Februarrevolution, oder in vertrauten Personen, die zu Morden fähig sind.
Auch wenn Bücher und Bibliotheken eine große Rolle spielen, haben Cover und Titel meine Erwartungen in die Irre geführt. „Da drinnen ist eine Bibliothek. In meiner Erinnerung ist sie voller Nebel, auch wenn die Luft draußen klar war.“
Statt um besagte Bibliothek ging es vielmehr um die Verstrickungen der Figuren, die Macht ausüben, gegeneinander kämpfen, sich verlieben und aus dem ein oder anderen Grund durch halb Europa reisen. Das ist spannend, herzerwärmend und manchmal auch ein bisschen mystisch - ein guter Schmöker für die kalte Jahreszeit.

Veröffentlicht am 26.11.2023

Aus eigenem Antrieb

Ehrgeiz
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In der Reihe „übermorgen“ veröffentlicht der Kremayr & Scheriau Verlag Essays unter jeweils einem plakativen Oberbegriff, in diesem Fall „Ehrgeiz“. Es handelt sich also weder um einen Ratgeber zur Selbsthilfe ...

In der Reihe „übermorgen“ veröffentlicht der Kremayr & Scheriau Verlag Essays unter jeweils einem plakativen Oberbegriff, in diesem Fall „Ehrgeiz“. Es handelt sich also weder um einen Ratgeber zur Selbsthilfe noch um ein psychologisches Sachbuch, sondern um die freie Auseinandersetzung mit dem Thema.
Andrea Stift-Laube geht es aus ihrer Sicht als Schriftstellerin an, zeigt beispielsweise, wie die Herangehensweise an ein neues Buchprojekt ist. Ihre persönliche Darstellung wirkt authentisch und selbstreflektiert. An einer Stelle gibt sie sogar „offen zu, dass das unwissenschaftliche Polemik ist. Aber das hier ist ein Essay, der darf auch ein wenig polemisch sein.“
Darüber hinaus finden sich zahlreiche allgemeingültige Aufhänger, wie Selbstoptimierung oder Leistungsdruck, die dazu einladen, die Gedanken schweifen zu lassen. Mir gefiel es sehr gut, wie die Autorin ernste Beobachtungen auf eine locker-leichte Art vermittelt.