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Veröffentlicht am 11.12.2023

Was ist Fiktion, was Wahrheit?

Die schützende Hand
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Der NSU-Krimi Die schützende Hand mit dem Privatermittler Dengler (Typ: anständiger Ex-Polizist, eigenwillig und kantig, man muss ihm Anerkennung zollen) Gerechtigkeit und Ehrlichkeit gehen ihm über alles, ...

Der NSU-Krimi Die schützende Hand mit dem Privatermittler Dengler (Typ: anständiger Ex-Polizist, eigenwillig und kantig, man muss ihm Anerkennung zollen) Gerechtigkeit und Ehrlichkeit gehen ihm über alles, sogar über seine Karriere. Nach einem Vertuschungsvorfall beim BKA („er war der Beste“) zieht er selbst die Konsequenzen, quittiert den Dienst und macht sich als Privatermittler in Stuttgart (!) selbstständig.
Von einem unbekannten Auftraggeber bekommt er den Auftrag, die Vorfälle über die mysteriösen Todesfälle der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in ihrem Camper in Erfurt-Stregda 2011. Es gibt viele Ungereimtheiten und ungeklärte Fragen. Wurden etwa Spuren zum NSU absichtlich vernichtet? Und wer will diese Spuren verwischen? Ist es der amerikanische Geheimnis oder etwa der thüringische Verfassungsschutz? Wer hat von den Morden des NSU gewusst? Wie weit reicht das Netzwerk von Neonazis, bis in welche politischen Ebenen? Wer ist die schützende Hand, die über das Morden des NSU über Jahre Bescheid wusste? Gab es beim NSU einen Spitzel
Kann Dengler diesem Staat noch vertrauen? Er bekommt über Kontakte (Ehemalige Kollegin, verliebt in Dengler, unerwidert) Zugang zu vertraulichen Ermittlungsakten, die ihm die Haare zu Berge stehen lassen. Mit an Bord ist seine attraktive Freundin Olga, die ihm als IT-Spezialistin und zusammen mit den gemeinsamen Kumpels mit ihrem gesunden Menschenverstand unterstützt Im Text sind immer wieder in xy-Schrift Ermittlungsakten eingestreut, die auch beim Leser große Zweifel über den Tod der Neonazis aufkommen lassen. Am Anfang noch ganz interessant, habe ich das Buch zuletzt nur mit wenig Begeisterung zu Ende gebracht. Zu sehr in die Länge gezogen, die Figuren Dengler, Olga und seine Freund nervig klischeeartig. Am Ende: Was ist Fiktion, was Wahrheit? In Zeiten wie heute halte ich solche Verschwörungstheorien, wo sich Realität und Fiktion vernetzen, für sehr fragwürdig und umstritten.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Eine etwas unglaubwürdige Geschichte

Der Markisenmann
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Die Menschen und der Pott (Stichworte: Ruhrgebiet mit harten, aber im Innersten herzlichen Menschen) werden in dem Buch etwas glorifiziert, so meine Wahrnehmung. Einfache Menschen, die auf Schrottplätzen ...

Die Menschen und der Pott (Stichworte: Ruhrgebiet mit harten, aber im Innersten herzlichen Menschen) werden in dem Buch etwas glorifiziert, so meine Wahrnehmung. Einfache Menschen, die auf Schrottplätzen abhängen, aber das Herz am richtigen Platz haben, so in etwa.
Die verwöhnte, schwierige Kim aus Hahnwald (reiches Wohnviertel) hat überraschenderweise damit so gar keine Annäherungsprobleme. Die Begegnung zwischen Vater und Tochter stellt deren Beziehung auf den Kopf und führt zu einer Reise der Selbstreflexion und des Verständnisses. Das Buch thematisiert die Kluft zwischen den sozialen Schichten und die Bedeutung von Familie und Zusammenhalt. Es bietet einen Einblick in das Leben im Ruhrpott und zeigt, wie Menschen unterschiedlicher Hintergründe miteinander interagieren. Auch das Rätsel, warum der Vater sich auf das mehr als bescheidene Leben auf dem Schrottplatz zurückgezogen hat, wird am Ende gelöst
Mir erschien es etwa unglaubwürdig und unrealistisch: Kim ist wie geläutert, fügt sich ein, hilft ihrem Vater, freundet sich mit einem Jungen vom Schrottplatz an. Also nein. Aus meiner Sicht sind die Figuren zu wenig komplex und vielschichtig, haben zu wenige Dimensionen.
Später kommt eine lose Aneinanderreihung von mehr oder weniger amüsanten Geschichten von den Vertreterbesuchen. So kann man auch ein Buch füllen. Ich fand eigentlich keine Szene lustig, sie zeigen Kim und ihren Vater auch nicht gerade von der besten Seite, sondern es gibt auch nicht nichtsoziales bzw. unsympathisches Verhalten und sie machen sich auf Kosten anderer lustig.
Persönlich gefällt mir das Buch nicht so gut, da es nicht meinen Geschmack trifft. Allerdings kann es für andere Leser, die sich für Geschichten über Familienzusammenfinden und das Ruhrgebiet interessieren, durchaus ansprechend sein. Es ist immer empfehlenswert, verschiedene Meinungen und Rezensionen zu lesen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.


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Veröffentlicht am 07.02.2022

Holzschnittartige Charaktere

Henry
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Die zwölfjährige Hauptfigur Henriette, genannt Henry, ist ein ungewöhnliches, willensstarkes Mädchen aus Berlin-Wilmersdorf. Diese Beschreibung ließ mich auf eine spannende, dramatische Story hoffen, aber ...

Die zwölfjährige Hauptfigur Henriette, genannt Henry, ist ein ungewöhnliches, willensstarkes Mädchen aus Berlin-Wilmersdorf. Diese Beschreibung ließ mich auf eine spannende, dramatische Story hoffen, aber am Ende kommt es stattdessen zu einem versöhnlichen und arg braven Happy End für alle beteiligten Figuren, die mitunter doch arg holzschnittartig daherkommen.
Dass Henry mit ihren Eltern in Wilmersdorf wohnt, soll wohl ein allzu deutlicher Hinweis darauf sein, dass sie aus dem wohlhabenden Westen Berlins kommt; ihre zur Überbehütung neigenden Eltern bzw. die Mutter fahren einen nagelneuen BMW. Geld ist also da und selbstverständlich besitzt die Familie ein wunderschönes, renoviertes Landhaus außerhalb Berlins, in dem sie ihre Wochenenden verbringen. Noch mehr Klischees gefällig?
Beladen mit Einkäufen will die Mutter Marion, mit Henry in Berlin wieder angekommen, abends vor ihrer Wohnung im strömenden Regen, zunächst die schweren Lebensmitteltaschen nach oben bringen, und lässt die schlafende Tochter im Auto an der Straße zurück. Kurze Zeit später: Es ist kaum zu glauben, aber tatsächlich versucht ein junger Mann im Kapuzenpulli, das Auto zu kapern. Marion rennt und schreit los, zu spät, der Mann fährt los, ohne zu wissen, was oder wer sich noch auf dem Rücksitz befindet. Der Beginn einer ungewöhnlichen Entführung aus Versehen.
Sven, der Autodieb, ist ein junger und gutaussehender, aber zielloser und instabiler Mann. Er hat zuvor seine Freundin Nadja und seinen Job verloren. Total erschrocken, will er Henry am besten an der nächsten Stelle aus dem Auto rauslassen, doch Henry, erstaunlicherweise völlig ohne Angst, überredet ihn, in ein gemeinsames Abenteuer zu starten. Dabei sammeln sie noch die Ex-Freundin Nadja auf, die selbstverständlich wie Sven nicht aus dem hippen Westteil der Stadt kommt, sondern aus dem Osten, wo Frauen sich gerne mal rosa Strähnen in die Haare und Strasssteinchen auf ihre Fingernägel machen lassen. Nun ja.
Zwischen den drei Protagonisten entwickelt sich eine enge Verbundenheit durch gemeinsame Abenteuer, etwa bei den man auf Kürbisse schießt oder bei der ersten, wilden Autofahrt der völlig unerfahrenen zwölfjährigen Henry ein Reh über den Haufen fährt, das, noch lebend am Straßenrand mit einem Gewehr von Henry erschossen wird. Das scheint keine großen Schuldgefühle auszulösen. „Bambi“ wird erschossen und vergraben. Lebe deine Träume und werde erwachsen. Nun ja.
Das Ende des Romans will ich natürlich nicht verraten, aber es ist einfach ein weiteres klischeehaftes Bild einer zu schönen als wahren Familiengeschichte.

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