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Veröffentlicht am 11.12.2023

Schwächen auf privater Ebene

Tief im Schatten
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Nachdem Viveca Sten im vergangenen Jahr mit „Kalt und still“ eine neue Krimireihe am Polarkreis angefangen hat, war ich schon sehr gespannt, wie es in „Tief im Schatten“ nun weitergeht und ob ich insgesamt ...

Nachdem Viveca Sten im vergangenen Jahr mit „Kalt und still“ eine neue Krimireihe am Polarkreis angefangen hat, war ich schon sehr gespannt, wie es in „Tief im Schatten“ nun weitergeht und ob ich insgesamt eine ähnliche Verbundenheit zu dem Geschehen aufbauen kann, wie es schon in der ersten Reihe rund um Sandhamn der Fall war, selbst wenn es dort einige Aufs und Abs gab.

Gut ist auf jeden Fall, dass Hanna und Daniel nun direkte Kollegen sind und so auch immer eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich ist, wo dennoch jeder seinen Anteil und seine Perspektive hat. In der anderen Reihe von Sten war es doch oft der Fall, dass Nora nur auf einer privaten Ebene beteiligt war, das wurde erst in den späteren Bänden richtig gut. Hier haben wir jetzt aber wirklich einen Kollegenkreis, klar abgegrenzt nach den zentralen Hauptfiguren und größeren Nebenrollen. Die Stilistik erinnert mich sehr an Nele Neuhaus und der gelingt das schließlich auch gut. Positiv kann ich auf jeden Fall sagen, dass „Tief im Schatten“ von Anfang an gut einfängt. Es ist ein brutaler Fall, es gibt Rückblenden zu einer Rebecka, die weiter zurückreichen, aber immer mehr zur Gegenwart aufholen und es gibt noch weitere Perspektiven, wobei manche eher verwirren, manche dagegen zur Lösung des Rätsels beitragen. Es ist auf jeden Fall ein breites Bild, was viel zum Spekulieren einlädt und was mit den sehr kurzen Kapiteln dafür sorgt, dass man immer weiterliest und liest und liest. Das war immer schon Stens Stärke und ich finde es immer wieder toll, dass sie das so abrufen kann.

Dennoch stellt der zweite Teil eher einen Dämpfer für mich da. Das liegt zum einen daran, dass ich auf der privaten Ebene von Hanna und Daniel keine große Weiterentwicklung gesehen habe. Es ist zwischen dem ersten und dem zweiten Teil zwar wirklich wenig Zeit vergangen, was Sten sonst eher anders handhabt, aber trotzdem hätte man andere Schwerpunkte setzen können, bei denen dennoch alte Themen reinfließen. Stattdessen war es wirklich eher das Alte wieder neu aufgewärmt und vor allem bei Daniel auch ohne große Bewegung. Hanna ist immer noch im Haus ihrer Schwester untergekommen, die mit der Familie auch zum Wintersport anreist. Die Schwesternszenen waren hier eindeutig das Beste, denn ansonsten waren die Gedanken über den Ex und die Auseinandersetzung mit der Mutter nicht neu. Aber Hanna hat dank Schwester Lydia einen wichtigen Sieg errungen, der vielleicht hilft, dieses Kapitel ein für allemal abzuhaken. Bei Daniel wiederum stecken wir immer noch mitten in der anstrengenden Elternzeit, was die Beziehung zu Kindsmutter Ida sehr belastet. Dazu sind auch seine Wutprobleme wieder sehr präsent. Idas Kapitel waren stellenweise echt unerträglich für mich und dann war es auch einfach daneben, dass so viel zwischen Hanna und Daniel befeuert wird. Ich habe wahrlich kein Problem mit Liebesgeschichten zwischen Ermittlern, aber ich finde es hier ziemlich aus dem Nichts geholt. Gerade wenn nun nicht viel Zeit vergangen ist, hätte es sich umso mehr angeboten, wenn es einfach langsam und nachvollziehbar aufgebaut wird. Alles in allem hat mich die private Ebene diesmal mehr gefrustet als unterhalten, auch wenn ich Potenzial genug sehe.

Auch der Krimianteil ist nicht ideal gelungen. Auch wenn die Spannung bis zum Ende da war, weil Sten den Fall sehr breit aufgebaut hat und sich so alle Möglichkeiten offen gehalten hat, so war es gleichzeitig auch ein Fluch, denn manche Perspektiven wirkten zwischendurch so unwichtig für den spannenderen Teil rund um Rebecka beispielsweise, dass klar war, sie werden am Ende noch ein Thema. Deswegen war eine Lösung irgendwann doch früh zu erkennen. Aber das fällt eben noch halb so schlimm ins Gewicht, weil es die andere Schwerpunkte gibt. Die Geschichte rund um Rebecka und die Glaubensgemeinschaft war für mich das Highlight und hier hätte zum Showdown auch noch mehr rausgeholt werden können.

Fazit: „Tief im Schatten“ ist einer der schwächeren Krimis von Sten. Das ist so früh in einer neuen Reihe natürlich eher ungünstig, aber ich kenne die Autorin ja und weiß bestens, dass man sie nie aufgeben darf, denn sie ist immer in der Lage, wieder einen rauszuhauen. Hier war der Fall zwar breit aufgefächert, aber in einigen Punkten zu offensichtlich und das Privatleben war mir zu wiederholend und in einer Entwicklung zu überstürzt. Ich drücke die Daumen für einen besseren dritten Band!

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Ungewöhnlicher Handlungsverlauf

A Whisper Around Your Name
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„A Whisper Around Your Name“ von Emma Scott ist bereits sieben Jahre alt und wurde nun im Rahmen der Dreamcatcher-Dilogie in Deutschland veröffentlicht. Ich habe inzwischen wirklich schon viele, viele ...

„A Whisper Around Your Name“ von Emma Scott ist bereits sieben Jahre alt und wurde nun im Rahmen der Dreamcatcher-Dilogie in Deutschland veröffentlicht. Ich habe inzwischen wirklich schon viele, viele Bücher von ihr gelesen und wattebäuschige Liebesgeschichten waren noch nie ihr Fall. Dennoch würde ich diesem Buch eine spezielle Note einräumen, denn die Handlung ist auf jeden Fall höchst ungewöhnlich.

Ich hadere öfters schon mal mit den Triggerwarnungen, da sie in der Masse manchmal übertrieben sind. In diesem Buch finde ich die Warnung aber sehr wichtig, denn es ist wirklich ein düsteres und melancholisches Werk. Es war schwer, unbeschwerte Momente des Glücks zu fühlen, denn Jo und Evan haben wirklich traurige Schicksale. Zunächst geht der Roman für New Adult recht typisch los. Jo ist neu in der Stadt und lernt Evan kennen, der als der Freak der Stadt gilt. Es erfolgt ein langsames Annähern, das von allen in der Kleinstadt kritisch beäugt wird. Dennoch ist es kein süßes Annähern, denn man merkt deutlich, dass die beiden Figuren schon genug erlebt haben. Jo hat eine recht harte Attitüde, obwohl man ihr die ganze Zeit anmerkt, dass sie das Herz auf dem richtigen Fleck hat. Dennoch lässt sie an der neuen Schule nicht alles mit sich machen. Sie sucht aus sich heraus Kontakte, sie konfrontiert die Lehrer und mit ihrer Sexualität geht sie sehr offen und selbstbewusst um. Bei ihr hat man wirklich schnell gemerkt, dass das Leben sie geschliffen hat und sie eine gewisse Nachlässigkeit in Bezug auf die Gesellschaft entwickelt hat. Evan ist immer eine gewisse Sanftheit anzumerken, besonders eben seinem jüngsten Adoptivbruder gegenüber und dann Jo. Es ist schön für die beiden, dass sie etwas Besonderes füreinander sind, weil man schnell merkt, dass sie sich gegenseitig heilen können.

Halten wir fest: Bislang ein recht typischer Beginn mit potentiell interessanten Figuren. Dann erfolgt aber ein Bruch nach dem ersten Teil, der diesem Buch eine überraschende Wendung beschert. Zeitsprünge nach einer längeren Trennung sind zwar nicht ungewöhnlich für das Genre, aber die ganzen Inhalte, die deswegen folgten, damit habe ich nicht mal ansatzweise gerechnet und mir fällt es auch jetzt noch schwer, dies richtig einzuordnen. Die größte Herausforderung ist sicherlich für mich die Entwicklung von Evan. Er war wie gesagt immer schon eine sanfte Seele und bei ihm wurde eben angedeutet, dass er übersinnliche Fähigkeiten hat. Das will ich erstmal nicht kritisieren, weil ich es auch nicht für unmöglich halte. Dennoch ist sowas natürlich ein Wagnis und ich hatte den Eindruck, das mit zunehmendem Fortgang der Handlung es Evan mysteriöser und unnahbarer werden ließ. Wäre ich an Jos Stelle gewesen, ich hätte seine ganze Art irgendwann suspekt gefunden. Ich fand, dass Evans Persönlichkeit nicht mehr richtig ausgearbeitet wurde, stattdessen hat er nur noch nach den Bruchstücken seiner Bilder im Kopf gehandelt und das wirkte zunehmend so, als wäre er von einer anderen Macht übernommen worden. Ich habe wirklich kein Gefühl mehr für ihn bekommen, was wenig überraschend dann auch der Liebesgeschichte geschadet hat.

Natürlich finde ich es schön, dass mit einer solchen Geschichte bedingungsloses Vertrauen, innige Liebe und Schicksal miteinander verwoben werden, aber dann muss ich das auch wirklich fühlen können. Jo hat mit Evan die schönste Zeit ihres Lebens gehabt und es ist durchaus verständlich, dass er für etwas steht, wo sie alle Hoffnungen drin setzen kann. Dennoch gab es einige Stellen, wo selbst sie eine gewisse Skepsis hatte, die ich ihr nicht verdenken konnte, denn Evan wirkte wie aus einem anderen Universum. Zum Rest der Handlung fällt es mir nun schwer, meine Gedanken dazu richtig auszuschreiben, denn es wäre wohl ein großer Spoiler. Andeuten kann ich aber, dass ich in New Adult so eine Geschichte noch nie gelesen habe. Das ist erstmal mutig, ja, aber ich habe für mich auch schnell feststellen können, dass es bitte kein Trend werden soll. Es hatte sicherlich etwas, aber nichts, was mich emotional vollkommen abholen konnte.

Fazit: „A Whisper Around Your Name“ ist von Emma Scott schon vor einigen Jahren geschrieben worden. Da sie ohnehin immer recht eigenwillige Wege geht, passt eine solche Geschichte wohl ganz gut zu ihr, aber ich habe mich mit dem Handlungsverlauf sowie Evan als Figur doch schwerer getan, weswegen ich dieses Buch nicht als Highlight bezeichnen kann.

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Veröffentlicht am 09.08.2023

The Perfect-Ordinary

The Perfect Fit
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Während ich von Kara Atkin die Trilogie an der San Teresa sehr gut fand und mich von den unterschiedlichen Liebesgeschichten auch eingefangen fühlte, habe ich das Seoul-Duett beispielsweise abgebrochen, ...

Während ich von Kara Atkin die Trilogie an der San Teresa sehr gut fand und mich von den unterschiedlichen Liebesgeschichten auch eingefangen fühlte, habe ich das Seoul-Duett beispielsweise abgebrochen, weil es mir trotz viel Gefühl einfach zu zäh war. Dementsprechend war ich gespannt auf ihre neue Reihe, die mit der Mode- und Musikwelt ein ganz anderes Setting bietet und auch Figuren jenseits der Universität in den Fokus nimmt. Mit „The Perfect Fit“ hat sich aber ein anderer Kritikpunkt eingeschlichen: aus einer vielversprechenden Geschichte eine leider eher lahme Geschichte zu machen.

Grundsätzlich will ich aber erstmal festhalten, dass ich das Setting und das ganze Potenzial der Welt für sehr, sehr gut halte. Es ist was anderes im Genre New Adult, es fühlt sich frisch an. Oft kritisiere ich bei interessanten Themen auch, dass die Protagonisten tolle Hobbys oder Jobs haben, aber dann geht es viel zu sehr um die Liebesgeschichte und das eigentliche Nebenthema ist nur ein Haken auf einer Liste, dafür aber nicht ausgearbeitet. Das kann ich hier nicht kritisieren. Es ist zwar auch nicht perfekt, aber im sonstigen Vergleich wirklich gut ausgearbeitet. Speziell bei Ellie. Am Ende hatte ich wirklich das Gefühl, ja, sie ist eine Stylistin. Ich habe auch einen guten Eindruck bekommen, wie sie dabei tickt. Sie geht nach Bauchgefühl vor. Sie will die Essenz des Menschen begreifen, den sie ausstattet und ihn dementsprechend kleiden. Das fand ich sehr sympathisch und nachvollziehbar. Dass mir die beschriebenen Outfits von Roan jetzt leider keine Bilder in meinen Kopf zaubern, da kann Kara Atkins nichts für, aber ich hatte dennoch löblich die Überzeugung, dass sie eine gute Grundlage für andere und ihr Kopfkino geschaffen hat. Bei Caleb kann ich das auch nicht groß anders sehen, weil man von seinem Alltag als Manager von Parallel einen Eindruck bekommt und da ebenso abgeholt wird.

Was mir nun aber gefehlt hat, das war wirklich eine Einbettung und eine schöne Entwicklung. Wir erfahren bei Caleb ein wenig von seinen vergangenen Träumen, die wegen eines Unfalls dann begraben werden mussten, bei Ellie scheint durch, warum sie im strengen Haushalt Mode als Zufluchtsort gesucht und gefunden hat, aber ich fand, das war wenig, gerade dann eben im Kontext, dass sich Ellie und Caleb begegnen und es im Grunde Liebe auf den ersten Blick ist. Nicht, dass ich nicht an Liebe auf den ersten Blick glaube, aber es muss auch bei mir ankommen. Es stand in den Zeilen, aber ich habe es nicht gefühlt. Vielleicht auch, weil die Geschichte danach zu einfach erzählt wurde. Wenn der Klappentext normalerweise Fake-Beziehungen verspricht, dann lebt das für mich davon, dass sich zwei Menschen begegnen, die erstmal mehr Vorbehalte als Interesse haben, so dass es richtig schön knallt und dann mehr und mehr unterschwellig prickelt. Eigentlich ist es ja sogar löblich, dass sich Atkins hier an einer kleinen Neuerfindung versucht hat, doch die Geschichte hat dadurch an manchen Stellen etwas Vielversprechendes eingebüßt. Die beiden haben sich erstmals geküsst, dann platzt diese Klausel mit der Beziehung rein und sie gehen eine Fake-Beziehung ein. Auch wenn sie noch gar nicht bereit für eine Beziehung sind, eigentlich wollen sie es als Endziel sicherlich, weswegen ich keine Kontraste wahrgenommen habe. Stattdessen ging es mehr darum, dass beide die Zuneigungen genießen, die sie nach außen zeigen, aber sich jeweils einbilden, dass es der jeweils andere nicht tut und hmmm ja, das war leider schnell etwas nervig.

Vielleicht wäre es an dieser Stelle dann hilfreich gewesen, wenn mehr die Figuren und warum sie sind, wer sie sind, noch mehr ergründet worden wäre. Das hätten nur hier und dort mal ein Gespräch in den Abendstunden sein müssen, weil dann wäre etwas aufgefangen worden und die Beziehung der beiden auch nachvollziehbar vertieft worden. Der Antagonist war auch eher nicht mein Fall. Das wirkte alles etwas konstruiert. Auch wenn es diese machtgeilen Manager überall gibt, meistens sind sie doch ziemlich gewieft und hier war der gute Mann eigentlich so impulsiv, dass er sich selbst ein Bein gestellt hat. Gut hat mir wiederum gefallen, dass es am Ende zwar logischerweise ein Happyend gibt, aber es dennoch auch einen Umbruch gibt, der auch den folgenden Band stark beeinflusst. Das macht auf jeden Fall Lust.

Fazit: „The Perfect Fit“ hat für den Inhalt einen ganz wunderbaren Titel und bietet vom Korsett her auch alles, was mich nur wünschen kann. Ich finde dann leider nur, dass Kara Atkin auf der inhaltlichen Ebene nicht überall die passenden Entscheidungen getroffen hat. Es liest sich flott und flüssig, aber es ist wenig begeisternde Aufregung bei mir entstanden.

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Sehr authentisch, aber emotional distanziert

Vom Ende der Nacht
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Auf „Vom Ende der Nacht“ von Claire Daverley bin ich durch die Lesechallenge bei NetGalley aufmerksam geworden, denn das Cover ist mit dem Farbverlauf wirklich wunderschön geworden. Inhaltlich fühlte ich ...

Auf „Vom Ende der Nacht“ von Claire Daverley bin ich durch die Lesechallenge bei NetGalley aufmerksam geworden, denn das Cover ist mit dem Farbverlauf wirklich wunderschön geworden. Inhaltlich fühlte ich mich gleich an „Zwei an einem Tag“ erinnert, ein Buch, das meine Jugend sehr geprägt hat, so dass ich ganz gespannt reingelesen habe.

Vielleicht fange ich gleich mit einem Aspekt an, der mir die ganze Lektüre etwas erschwert hat. Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten. Ich bin zwar wahrlich kein Fan von verschachtelten Sätzen und ellenlangen Umschreibungen, aber ich hatte den Eindruck, dass die Stilistik und die mögliche inhaltliche Tiefe von „Vom Ende der Nacht“ nicht ideal zusammenpassten. Gerade weil es eine Liebesgeschichte ist, die sich über zwei Jahrzehnte hinwegzieht und dann erzählt, wie Will und Rosie immer wieder zueinander finden, hätte ich mir einfach etwas anderes erwartet. Ich kann auch nicht genau auf den Punkt bringen, was die Geschichte speziell gebraucht hätte. Nur ein Aspekt war für mich offensichtlich und das ist die Art und Weise, wie das Innenleben dargestellt worden ist. Es hat sich im Grunde wie ein roter Faden durch das Buch gezogen, dass kaum wirklich miteinander geredet wurde. Ehrliche Gespräche waren Fehlanzeige, weil sich alle Figuren lieber selbst belogen haben. Nun erleben wir die Geschichte ja jeweils durch Wills als auch durch Rosies Augen, aber auch hier fand ich es bedauerlich, dass das Innenleben von beiden nur bedingt erklärt hat, was sie fühlen. Vermutlich ist es diese Kombination aus einfachem Stil und zu wenig Innenleben, der mich viel an Emotionalität für diese Geschichte gekostet hat.

Diese fehlende Anschauung der Innenperspektive hat natürlich auch dafür gesorgt, dass die Verbindung zu den Figuren etwas schwierig ist. Ich bin selbst niemand, der sprudelnd sein Inneres nach außen kehrt, aber sprudeln tut es genug, Potenzial ist da und das war bei kaum einer Figur, selbst die Nebenfiguren in den Blick nehmend, der Fall. Im Kern sind Rosie und Will gute Menschen. Beide haben völlig unterschiedliche Voraussetzungen von ihrem Leben her, beide haben dennoch gleichermaßen ihr Päckchen zu schultern, aber das Päckchen wird immer lieber noch weiter vergrößert als es miteinander zu teilen und gemeinsam auf den Schultern zu tragen. Natürlich kann ich nicht leugnen, dass die Geschichte damit auch etwas sehr Authentisches hat, denn es ist augenscheinlich, wie viele von uns Menschen genau so ein Leben führen, wo wir uns lieber unserem vermeintlichen Schicksal ergeben, als aktiver um unser Glück zu kämpfen und vor allem auch überzeugt sind, dass wir es verdient haben. Aber egal, wie sich die Geschichte letztlich entwickelt hat, man kann sich auch dem Glück verwehren und trotzdem für die Leserschaft charakterlich mehr greifbar sein. Ich habe jedenfalls oft genug bemerkt, dass meine Gedanken weggedriftet sind, was immer ein gefährliches Zeichen ist. Ich fand die Handlungsentwicklung zwar in der Gesamtsicht gut, aber wegen der emotionalen Bindung habe ich nicht an den Seiten geklebt.

Fazit: „Vom Ende der Nacht“ erzählt von einer insgesamt authentischen Liebesgeschichte, da wir perfekt darin sind, uns selbst im Weg zu stehen, doch richtig mitfiebern und mitleiden war wegen der fehlenden emotionalen Bindung nicht möglich.

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Veröffentlicht am 10.07.2023

Mit Schwächen zum Happyend geführt

Zerbrich uns. Nicht.
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Nachdem ich „Vergiss uns. Nicht.“ nach der langen Wartezeit wirklich sehr genossen habe, war ich natürlich gespannt, wie das Happyend von Gavin und April nun über die Bühne geht. Eine gewisse Skepsis war ...

Nachdem ich „Vergiss uns. Nicht.“ nach der langen Wartezeit wirklich sehr genossen habe, war ich natürlich gespannt, wie das Happyend von Gavin und April nun über die Bühne geht. Eine gewisse Skepsis war schon angebracht, denn dieser Konflikt, auf dem Band 1 endete, war jetzt nicht unbedingt mein Highlight, weswegen ich mir vorstellen konnte, dass der Umgang damit schwierig werden könnte.

Zunächst aber mein Highlight: Gavin hat seine eigene Stimme bekommen! Laura Kneidl hat es mit der männlichen Perspektive bislang nicht so gehabt, aber sie ist für „Zerbrich uns. Nicht“ absolut die richtige Wahl, denn April und Gavin reden zunächst so wenig miteinander, aber bei ihm passiert parallel so viel, dass es wichtig war, das aufzufangen und nicht nur aus einer dritten Perspektive zu erleben. Zumal durch Gavin auch ein wichtiges Thema repräsentiert wurde und seine eigenen Gedanken so hautnah zu erleben, hat die Darstellung wertvoller gemacht. Er ist also der Gewinner des Abschlussbands, während April für mich eher die Verliererin ist. Leider. Nachdem sie am Ende des ersten Teils so ausgeflippt war, war zu erahnen, dass der Konflikt zwischen ihr und Gavin nicht mal eben aus dem Weg geschafft wird. Wie partout April aber darauf bestanden hat, dass er sich ihr gegenüber nicht erklären darf, unverständlich. Es wird noch lächerlicher, als sie dann Luca aber losschickt, weil es widersinnig ist. Denn je mehr Gavins Perspektive kennen, desto wahrscheinlicher ist es doch, dass es irgendwann an sie herangetragen wird. Zudem ist eine solche Verdrängung nie gesund und ich fand auch nicht, dass es in April Leben ein bestimmtes Muster gab, dass das auch gerechtfertigt hätte. Später regt sie sich auch auf, wie viel Zeit ihre Mutter ihr mit Gavin genommen hat, dabei hat sie sich den wichtigsten Teil selbst genommen.

Das war aber nicht alles in Bezug auf April, was mich etwas mehr beschäftigt hat. Zunächst löblich, Kneidl wagt sich an das Thema Asexualität. Doch mich konnte die Umsetzung nicht überzeugen. Das mag nun daran liegen, dass ich erst im vergangenen Jahr „Loveless“ von Alice Oseman gelesen haben und so automatisch ein Vergleich entsteht. Oseman hat quasi eine Bibel für Asexualität an die Hand gegeben und ich habe unfassbar viel gelernt. Auch bei Kneidl lernt man viel, keine Frage, denn wir begleiten April schließlich bei ihren Recherchen. Schaue ich mir aber die Dilogie im Gesamten an, dann finde ich, dass in Band 1 zu wenig dafür getan wurde. Gavins Geschichte ist konsequent aufgebaut worden, während es bei April eher aus dem Nichts kam. Selbst wenn sie sich sonst für keinen Jungen/Mann interessiert hat, aber warum auch nicht, sie liebt eben Gavin. So muss ich einfach sagen, dass es wirkte, dass das Thema eingebaut wurde, gute Recherche, dann zweimal ein Outing, aber mehr Auswirkungen habe ich nicht gemerkt. Es war mir einfach zu wenig und ich kann jetzt auch nicht zu sehr ins Detail gehen, weil es dann völlige Spoiler sind, aber in dem Kontext fand ich auch einige nachfolgende Szenen nicht in Ordnung.

Man merkt also, Kneidl hat „Zerbrich uns. Nicht“ für mich etwas komplizierter gemacht, indem sie gewisse inhaltliche Entscheidungen getroffen hat, die ich sehr kritisch sehe. Das ändert aber nichts daran, dass ich dennoch eine einnehmende Liebesgeschichte erlebt habe, die konsequent und auch immer wieder mit Highlights gepickt aufwarten konnte. Beispielsweise ein wichtiges Freundinnengespräch zwischen April und Sage, ganz großartig. Aber auch das Projekt SHS, eine tolle Sache. Dass auch im Freundeskreis noch einiges vorangetrieben wurde, ebenfalls sehr löblich und mitreißend. Vielleicht fehlte mir immer noch ein bisschen, dass man für die Figuren eine Zukunftsperspektive sieht, weil das Geschehen zu sehr im Hier und Jetzt verankert war, aber dennoch konnte ich in diesem Jetzt auch gut mitleiden und mitfühlen und das ist immer wichtig.

Fazit: „Zerbrich uns. Nicht“ bringt eine schöne Liebesgeschichte zu einem Ende, dennoch gab es vor allem in Bezug auf April einige Handlungsweisen, aber auch persönliche Ergründungen, die mir nicht zugesagt haben. Da mag ich Band 1 also wirklich lieber. Dennoch bin ich insgesamt froh, dass Laura Kneidl nach all den Jahren die Inspiration hatte, die Geschichte von April und Gavin zu erzählen!

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