Was wäre wenn...?
Das SiebteWas wäre, wenn du dein Leben noch einmal leben könntest. Mit allen Erinnerungen an den ersten Durchgang? Eine Frage, die sich sicherlich schon jeder einmal gestellt hat. Meist verbindet man damit, Fehler ...
Was wäre, wenn du dein Leben noch einmal leben könntest. Mit allen Erinnerungen an den ersten Durchgang? Eine Frage, die sich sicherlich schon jeder einmal gestellt hat. Meist verbindet man damit, Fehler ausbügeln zu können, einen anderen Abzweig im Leben zu nehmen. Aber was ist, wenn man in einem Loop gefangen ist und immer und immer wieder bei der Geburt auf Start zurückgesetzt wird? Wenn man Gedächtnis und Erfahrungen von mehreren hundert Jahren Lebenszeit ansammelt und trotzdem wieder bei Start beginnen muss? Diesem Schicksal sieht sich plötzlich der Ich-Erzähler dieses Romans ausgesetzt. Er versucht in den verschiedenen aufeinanderfolgenden immer selben - nämlich seinen eigenen - Leben mal die Politik zu beeinflussen, mal die Naturwissenschaften, mal als religiöser Guru zu agieren. Doch schon bei dieser Schilderung sollte klar werden, wie zermürbend allein schon die Vorstellung an dieses sinnlose Unterfangen ist, geschweige denn die Umsetzung.
So schildert Tristan Garcia in einer hochklassigen sprachlichen Umsetzung verschiedene philosophische Problemstellungen, die mit der Prämisse des Romans und damit mit der Prämisse des Protagonisten einhergehen. Mitreißend webt er eine schicksalhafte Liebesgeschichte ein, die nicht zwingend zu Happy Ends (ja Plural, da ja mehrere Leben) führt. Auch die Frage nach dem Sinn und Zweck von Freundschaft wird thematisiert. Es geht aber viel mehr um das große Gedankenexperiment dieses Romans. Dieses besticht in seiner Durchdachtheit und Konsequenz. Allein gegen Ende geht mir die Geschichte nicht weit genug und verpasst es, den Kreis zu schließen.
Da der Roman in Frankreich eigentlich in einem Romanzyklus, welcher sieben Bände umfasst, veröffentlicht wurde, hier aber nur die Übersetzung des siebten und letzten Romans erscheint, fehlt der Blick auf das Gesamtwerk. In Frankreich ist das Buch "7 romans" erschienen, von welchem "La septième" (Das Siebte) nur den letzten Teil des Zyklus darstellt. Die sieben Romane, so erfährt man aus den Anmerkungen der Übersetzerin, weisen Querverweise untereinander auf. Auch wenn der Autor ausdrücklich unterstreicht, dass die Romane durchaus getrennt voneinander rezipiert werden können, glaube ich, dass sich erst durch das Gesamtwerk das Große Ganze für die Leser*innen eröffnet. Ich hätte sehr gern "Das Siebte" im Kontext der anderen Romanteile gelesen. Schade, dass es nur zu einer Übersetzung dieses Teils gekommen ist.
So bleibt der Roman für mich zuletzt zu offen gestaltet. Durchaus etwas, was einem philosophischen Prosawerk guttun kann, mir hier aber eher ein unbefriedigendes Gefühl und einen ganz zum Schluss zu lahmen Abgang aus dem gut durchdachten Gedankenkonstrukt des Autors beschert hat.
Insgesamt halte ich diesen Roman - auch als Einzelwerk - wirklich äußerst lesenswert, über weite Strecken sogar großartig. Wer sich also schon einmal gewünscht hat, sein eigenes Leben noch einmal leben zu können, sollte zuvor dieses Buch lesen, um sich zweimal zu überlegen, was man sich da wünscht.