Dieses Buch hat schon etwas länger bei mir gelegen und auf den richtigen Moment gewartet, bis er gelesen werden darf. Nun war es soweit.
Dieses Buch hat mich komplett geflasht und in seinen Bann gezogen. Nachdem ich mit dem lesen angefangen hatte, konnte ich es nicht mehr zur Seite legen.
Ich mochte vor allem den Schreibstil. Sehr nüchtern, sehr klar und auf den Punkt. Denn bei diesem Thema darf es nicht hübsch und niedlich sein, es muss die ungeschminkte Wahrheit sein, die einem hier präsentiert wird. Genau das hat Kathleen Glasgow geschafft. Uns mit auf den Weg genommen, den Tiger zu bestreiten hat.
Das Buch wird aus der Sicht von Tiger erzählt. Daher erfahren wir recht viel darüber wie es ihr geht, wobei wir manchmal auch wie ein Vogel über das Szenario fliegen und zu einem stillen Beobachter werden.
Tiger verliert ihre Mutter. Wir sind bei ihr, wenn sie den Weg der Trauerbewältigung einschlägt. Dabei trägt sie ein Kleid, eines was ihre Mutter ihr für einen Ball gekauft hat, welches sich allerdings abscheulich findet. Doch dieses bindet sie ein stückweit an ihre Mutter.
Tiger lässt eine Stoppuhr laufen, eine die ihr immer wieder die Zeit zeigt, wie lange sie ohne ihre Mutter ist.
Denn sie gerät in einen Strudel aus Ereignissen die sie zuvor noch nie in Angriff nehmen musste. Sie muss ihre Mutter identifizieren, eine Beerdigung organisieren, entscheiden was mit der Leiche passieren soll, Rechnungen bezahlen und das erste Mal in eine Pflegeeinrichtung zu müssen. Sie hat zwar noch ihre beste Freundin, aber diese hat ganz eigene Sorgen und Probleme.
Wir bestreiten mit ihr einen Weg, von Pflegefamilie zu Pflegefamilie. Von strikter Ordnung mit vielen Verbotstafeln bis hin zu einer liebevollen Pflegemama. Vor allem aber Pflegekindern, die Tiger Ratschläge geben, ihr immer wieder sagen, es würde noch schlimmer gehen. Denn Tiger ist nun Teil des Systems. Dieses ist aber auf der Suche nach nahen Verwandten von ihr, doch bis dahin muss sie bei einer Pflegefamilie bleiben.
Hier wird ganz deutlich gezeigt, wie perfide dieses System ist. Was es bedeutet von jetzt auf gleich ohne Eltern da zu stehen und wie der Unterschied in den einzelnen Pflegefamilien ist. Keines der Kinder hat ein richtiges zu Hause keines davon eine Konstante. Die einzelnen Geschichten der Kinder, was sie erlebt haben, welches Schicksal sie bereits in jungen Jahren erleiden mussten und wie dies sie für ihr Leben prägt.
Tiger im Gegensatz zu anderen hat Glück, denn es findet sich ein Familienmitglied, welches auch noch bereit ist, für sie die Vormundschaft zu übernehmen. Aber was, wenn diese Person eigentlich noch gar nicht in der Lage dazu ist und die gesamte Situation sie überfordert? Tiger gerät in genauso eine Situation, in der sie sich manchmal wünschen würde, es wäre alles anders.
Trost und Zuspruch findet sie in ihre Trauergruppe in der Schule und ist überrascht, wenn sie dort alles antrifft, Personen mit denen die niemals gerechnet hätte. Doch diese Gruppe gibt ihr Halt und Zuversicht.
Manchmal kommt schlussendlich alles noch einmal ganz anders und es wie dramatischer als zuerst gedacht.
Dieses Buch geht absolut unter die Haut und lässt einen nicht mehr los. Wir durchleben zusammen mit Tiger die schlimmsten Wochen ihres Lebens, ihre Antriebslosigkeit, ihre Beständigkeit in Kleidung, ihre Mutlosigkeit und die immer wiederkehrenden Wendungen und Twists.
Ein Buch, was kein Blatt vor den Mund nimmt und ganz eindeutig zeigt, wie es ist zu trauern, welche Emotionen man durchmacht, es ist düster, tragisch, herzzerreißend ehrlich und absolut schonungslos.
Man muss ganz klar sagen, nur wer sich wirklich emotional stark fühlt, sollte dieses Buch lesen. Da man sich mit einem Thema auseinandersetzt, welches hart ist, emotional belastend und somit nicht für jeden geeignet.
Mich hat es geerdet, mich hat es demütig gemacht und komplett getouched. Etwas, womit ich zu Beginn niemals gerechnet hätte.
Meine Bewertung: 5 Sterne
Dieses Buch lässt mich sprachlos zurück. Es erdet einen, öffnet einem die Augen und zeigt viele Facetten des Systems, in dem man unverschuldet landen kann. Dieses Buch zeigt die Schritte der Trauerbewältigung aber auch ganz klar, was es heißt funktionieren zu müssen. Egal wie alt man ist. Emotional, schonungslos, düster und süchtig machend. Man will es lesen, will wissen wie es Tiger geht, ob sie eine Chance hat und wie es ist, neu zu leben. Absolute Leseempfehlung!