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Veröffentlicht am 18.03.2024

Tatsachenbasierter Krimi, der in großen Bögen erzählt wird

Zeit der Schuldigen
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Mit „Zeit der Schuldigen“ verarbeitet Autor Markus Thiele einen wahren Kriminalfall und stellt die Frage, ob vor Gericht tatsächlich immer Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Während diese zugrunde ...

Mit „Zeit der Schuldigen“ verarbeitet Autor Markus Thiele einen wahren Kriminalfall und stellt die Frage, ob vor Gericht tatsächlich immer Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Während diese zugrunde liegenden Überlegungen durchaus interessant sind und zum Nachdenken anregen, kann die Krimihandlung nicht ganz auf demselben Niveau mithalten.

Auf verschiedenen Zeitebenen und durch die Perspektiven vieler beteiligter Figuren erzählt Markus Thiele die Geschichte der 17-jährigen Nina, die 1981 mutmaßlich von ihrem deutlich älteren Verehrer vergewaltigt und ermordet wurde. Der Verdächtige ist rasch ausgemacht, doch vor Gericht reichen die Beweise nicht. Jahrzehntelang kämpft Ninas zuvor abwesender, nun jedoch reuevoller Vater für eine Wiederaufnahme des Verfahrens und eine Verurteilung des Schuldigen. Dabei stehen ihm ein Polizeikommissar und seine Nachfolgerin sowie eine Journalistin zur Seite.

Die Grundidee von „Zeit der Schuldigen“ ist eine ebenso packende wie aktuelle: Das Buch stellt unser Rechtssystem infrage und zwingt uns Lesende zu einer Auseinandersetzung mit Themen wie Rache und Vergeltung im Lichte der deutschen Justiz. Während Ninas Perspektive, die Perspektive des Opfers, durchaus zum Tragen kommt, wird das Verbrechen selbst zunächst nicht auserzählt, sodass Unsicherheit über die Täterschaft des Verdächtigen besteht. Ist es da gerechtfertigt, dass nicht nur Ninas Angehörige, sondern auch wir Lesenden ihn bereits verurteilt haben? Umgekehrt liegen so viele Beweise gegen ihn vor, dass man sich fragen muss, wie dies nicht für eine Verurteilung ausreichen kann. Diese Frage tritt im Roman stärker zutage als die Suche nach der Wahrheit und die Aufdröselung des Verbrechens selbst, was eine interessante Abwechslung im Genre darstellt. Trotzdem kann der Roman nicht ganz überzeugen: Zu viele Stimmen kommen zu Wort, zu weit holt das Buch aus – eine Spannungskurve über mehrere Jahrzehnte hinweg zu halten, ist vielleicht per se ein hoffnungsloses Unterfangen. Der Roman bemüht sich um eine so vollständige Darstellung, dass das Pointierte fehlt. Gerade dadurch liest er sich häufiger wie ein aufgepeppter Tatsachenbericht als ein Roman. Diese dokumentarische, distanzierte Erzählweise lässt keinen echten Zugang zu den Figuren und ihren Emotionen zu.

Trotz dieser Schwächen stellt der Roman durchaus eine anregende Lektüre dar und lädt vor allem dazu ein, sich mit dem echten Fall, auf dem er basiert, näher zu befassen und in die deutsche Rechtsgeschichte abzutauchen. Eingeschränkte Empfehlung für Lesende, die diese Thematik zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 15.12.2023

Humorvoller Krimi mit Schwächen

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
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Es gibt solche Bücher, an die hat man ab Seite 1 ganz bestimmte Erwartungen – und ist umso enttäuschter, wenn sie nicht voll erfüllt werden. Ein solches Buch ist „Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen ...

Es gibt solche Bücher, an die hat man ab Seite 1 ganz bestimmte Erwartungen – und ist umso enttäuschter, wenn sie nicht voll erfüllt werden. Ein solches Buch ist „Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen“ von Benjamin Stevenson. Ein Kriminalroman, der sich viel auf der Metaebene aufhält und einige gelungene Pointen vorzuweisen hat, insgesamt aber doch nicht so 100-prozentig funktioniert.

Die allseits unbeliebte und in so manches Verbrechen verstrickte Familie Cunningham veranstaltet ein Familientreffen in einem abgelegenen Hotel in den verschneiten Bergen. Protagonist Ernest Cunningham ist aufgrund einer alten Geschichte in Ungnade gefallen und möchte das Ganze schnell hinter sich bringen. Jedoch treten sogleich einige unvorhergesehene Hindernisse auf. Wie könnte es anders sein, taucht gleich zu Beginn des eher ungemütlichen Get-Togethers eine Leiche auf – und die Gemüter laufen heiß, ebenso wie die Verdächtigungen. Ab jetzt schaut jeder misstrauisch über die Schulter, und alle graben nach den Skeletten in den Kellern der anderen – von denen es so einige gibt.

Der Erzähler, Ernest Cunningham, leitet ein mit den Regeln des klassischen Kriminalromans à la Agatha Christie und hält nicht hinter dem Berg damit, dass er genau diese Art Krimi nun zum Besten geben wird. Seine direkte Ansprache der Leserschaft nebst haufenweise Metareferenzen zur Struktur des Buchs oder dem Lektorat schaffen ein aufmerksamkeiterregendes Setting. Der selbstironische Tonfall des Erzählers, der kaum ein gutes Haar an seiner Familie lässt, tut sein Übriges, dem Buch einen humorvoll-subversiven Tonfall zu verleihen. Leider bleibt hinter den cleveren Ausdrucksweisen und den sorgfältig geplanten Pointen die Krimihandlung deutlich zurück. Spätestens ab der Mitte des Buchs verlaufen die Entwicklungen eher zäh und die Spannung kann nicht mehr mit den Erwartungen mithalten. Zudem sind zuletzt die Verhältnisse deutlich weniger skurril, als man zu Beginn annehmen würde, sondern eher traditionell. Streckenweise verstrickt der Erzähler sich in Details, die vielmehr umständlich als erhellend wirken, sodass ein eigenes Mitermitteln und Mitdenken langsam unmöglich wird.

„Die mörderischen Cunninghams“ ist ein humorvoller Kriminalroman mit originellen Ideen, viel Witz und großem Potenzial, das er jedoch nicht ausschöpft. Während Stil und Ausdruck des Buchs für sich genommen eine wahre Freude sind, so können doch der Kriminalfall und seine Auflösung weder so recht überzeugen noch mitreißen. Als Krimi also wenig empfehlenswert, als humoristischer Roman schon eher.

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Veröffentlicht am 15.12.2023

Kriminalroman mit ungewöhnlichem Setting, der auf Distanz bleibt

Der sonderbare Fall der Rosi Brucker
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Das Setting, das Tina Seel für ihren neuesten Kriminalroman „Der sonderbare Fall der Rosi Brucker“ gewählt hat, mutet fast wie eine andere Welt an: ein kleines pfälzisches Dorf in den Siebzigerjahren, ...

Das Setting, das Tina Seel für ihren neuesten Kriminalroman „Der sonderbare Fall der Rosi Brucker“ gewählt hat, mutet fast wie eine andere Welt an: ein kleines pfälzisches Dorf in den Siebzigerjahren, in dem Nächstenliebe, Gemeinschaftssinn und Toleranz Fremdwörter zu sein scheinen. Diese überzogen negative Darstellung mutet bisweilen bizarr an, sorgt aber zugleich für ein durchaus interessantes Leseerlebnis.

Dass die geistig behinderte Rosi Brucker ermordet wurde, erfährt der kleine Ort Allweiler erst mit einiger Verzögerung. Der Finder der Leiche, Bäckerlehrling Hasel, ergreift nämlich die Gelegenheit beim Schopf und fordert von den begüterten Eltern der jungen Frau ein Lösegeld, anstatt ihren Tod zu vermelden. Damit setzt er die Polizei, die insgesamt nicht so auf Zack ist, auf eine völlig falsche Spur, sodass sie erfolglos durchs Dorf ermittelt und mit nahezu allen Bewohnern spricht, von denen sich einer unsympathischer und empathieloser erweist als der nächste. Beim Lesen fällt es bisweilen schwer, aus diesem Wust an menschlichen Abgründen noch eine Identifikation mit irgendeiner Figur zustande zu bringen. Die Polyphonie der vielen Stimmen, die zu Wort kommen, lässt sowieso nur wenig Zeit für individuelle Figurenzeichnung. Obendrein bedient sich die Autorin einer äußerst indirekten Erzählweise mit vielen Rückblenden und indirekter Rede, die eine deutliche Distanz zum Geschehen aufbaut. Kurz gesagt: Man bleibt immer außen stehen. Wenn man das vor dem Hintergrund der abgeschotteten Dorfgemeinschaft liest, kein ungeschickter Kniff, jedoch teils etwas anstrengend zu lesen.

Was Tina Seel hingegen meisterhaft gelingt, ist, einen sehr konkreten Eindruck eines bestimmten Milieus heraufzubeschwören. Von der Ausdrucksweise über die Auswahl der Figuren mit ihren diversen Hintergründen und Geheimnissen – alles lässt das Bild dieses (aus moderner Sicht) rückständigen Dörfchens lebendig und präsent erscheinen. Die Kriminalhandlung ist zudem durchaus solide, wenn auch nicht gerade geprägt von überraschenden Wendungen. Insbesondere die Figur Hasels, der sich disruptiv auf die Ermittlungen auswirkt, sorgt für Spannung.

Insgesamt ist „Der sonderbare Fall der Rosi Brucker“ ein durchaus lesenswerter Kriminalroman mit starken Elementen einer Milieustudie, der jedoch nicht immer angenehm zu lesen ist und mit extrem unsympathischen Figuren und einer deutlichen Distanz zur Leserschaft daherkommt.

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Veröffentlicht am 24.01.2023

Kunst trifft auf Science Fiction

A.R.T. - Coup zwischen den Sternen
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Kunst ist im Science-Fiction-Genre meist wenig mehr als eine Randerscheinung. Kaum jemand scheint sich Gedanken darüber zu machen, wie Kunst und Kunstmarkt in der Zukunft funktionieren. Diese Lücke füllt ...

Kunst ist im Science-Fiction-Genre meist wenig mehr als eine Randerscheinung. Kaum jemand scheint sich Gedanken darüber zu machen, wie Kunst und Kunstmarkt in der Zukunft funktionieren. Diese Lücke füllt jetzt „A.R.T. – Coup zwischen den Sternen“ von Kris Brynn. Mit vielen interessanten Ideen, aber leider keiner ganz überzeugenden Handlung entführt die Autorin uns in den Weltraum, wo ein brisantes Kunstwerk versteigert werden soll – aber so einige Parteien haben es darauf abgesehen …

Ein Security-Team rund um die toughe, aber in ihrer Rolle noch unsichere Savoy Midthunder soll das ganz besondere Kunstwerk „Noli me tangere“ vor Raub und Zerstörung beschützen. Dafür reist die Truppe auf ein Luxus-Raumschiff, auf dem das Objekt der Begierde für eine Menge Geld versteigert werden soll. Schon bald wird klar, dass es sich um ein Werk mit beträchtlichen politischen, religiösen und nicht zuletzt finanziellen Implikationen handelt und nicht nur die stinkreichen Bietenden vor Ort ein Auge darauf geworfen haben. Savoy und ihr Team stolpern von einer gefährlichen Situation in die nächste, während der Countdown bis zur Versteigerung unablässig läuft und unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Interessen ihre Schachzüge planen.

Während die Grundidee von „A.R.T.“ fraglos spannend ist und die Autorin schriftstellerisch einiges auf dem Kasten hat, was sich vor allem in der oft subtil humorvollen Ausdrucksweise niederschlägt, krankt der Roman ein wenig an seinen vielen Schauplätzen. Den vielen an „Noli me tangere“ interessierten Figuren und Parteien wird jeweils recht viel Raum gegeben, während Savoy gleichzeitig als Hauptfigur mit persönlicher Hintergrundgeschichte aufgezogen wird. Dazu kommen noch eine ganze Reihe von nur mäßig mit der Handlung zusammenhängenden Dialogen zu Grundsatzfragen rund um das Thema Kunst, was zwar philosophisch interessant ist und den Hintergrund der Autorin in der Kunstgeschichte zum Ausdruck bringt, aber eben noch zusätzlich um die Aufmerksamkeit der Lesenden buhlt. Kurzum: Es ist zu viel, um sich auf jeden Handlungsstrang und jede Figur wirklich einzulassen, sodass dem Roman ein wenig die klare Linie fehlt.

Trotz dieser Schwächen ist „A.R.T.“ ein durchaus lohnenswertes Buch, das mal ein neues Thema ins Science-Fiction-Genre bringt und anregt, über die Zukunft der Kunst nachzudenken.

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Veröffentlicht am 31.12.2022

Hochinteressantes Setting, jedoch eher schleppend erzählt

Die dunklen Sommer
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„Die dunklen Sommer“ von Miranda Beverly-Whittemore als psychologischen Thriller zu bezeichnen, ist nicht ganz passend, denn das Buch bedient sich einer eher langsamen Erzählweise ohne starken Spannungsaufbau. ...

„Die dunklen Sommer“ von Miranda Beverly-Whittemore als psychologischen Thriller zu bezeichnen, ist nicht ganz passend, denn das Buch bedient sich einer eher langsamen Erzählweise ohne starken Spannungsaufbau. Die Thematik bietet allerdings durchaus Zündstoff: eine Gruppe Kinder und Jugendlicher, die in einer scheinbar harmlosen Kommune nach und nach in eine ungute Richtung abdriften, und ein mysteriöser Sektenführer mit gefährlichen Ideen.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Zum einen erfahren wir, wie die junge Saskia zusammen mit Ziehvater und -bruder in der Kommune ‚Zuhause‘ landet und sich vom charismatischen Anführer Abraham sofort in seinen Bann ziehen lässt. Zum anderen nimmt der Roman vorweg, dass es mit ‚Zuhause‘ kein gutes Ende nahm, denn Jahre später, als Erwachsene, lebt Saskia zurückgezogen und allein. Sie wird von ihren ehemaligen Freundinnen aus ‚Zuhause‘ aufgesucht und zur Rückkehr dorthin überredet, obwohl sich die Kommune längst aufgelöst hat. Was genau geschehen ist und warum diese Rückkehr notwendig ist, wird nach und nach im Wechsel der Zeitebenen erzählt.

Diese Erzählweise könnte durchaus Spannung aufbauen, denn die Neugier, was damals passiert ist, ist ein stetiger Begleiter während der Lektüre. Allerdings schafft Beverly-Whittemore leider nicht ganz, diese Spannung aufrechtzuerhalten, denn auf dem Weg vom Anfang zur Lösung passiert einfach zu wenig. Auf sehr langsame Weise wird geschildert, wie Saskia nach und nach in ein gefährliches Weltbild abrutscht und wie sich dieses Trauma auf ihre Gegenwart auswirkt. Gefährliche Situationen ereignen sich sowohl in der Vergangenheit als auch im Jetzt, aber ihre Signifikanz im Gesamtgeschehen wird nicht so recht deutlich. Als psychologische Charakterstudie hat der Roman durchaus beeindruckende und bedrückende Momente, als Spannungsroman bleibt er eher hinter den Erwartungen zurück.

Wer sich für die menschliche Psyche, Manipulation und Sekten als Thema interessiert, wird in „Die dunklen Sommer“ sicher auf seine Kosten kommen. Das Buch bietet überaus interessante Einblicke in solche Strukturen und kann auch seine Charaktere überzeugend gestalten. Einzig an Spannung mangelt es dem Roman, sodass sich trotz interessanter Prämisse beim Lesen nicht wirklich ein Sog einstellen will. Das Buch sei also eher Leser
innen empfohlen, die eine langsame Entwicklung schätzen.

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