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Veröffentlicht am 02.02.2024

Eine fesselnde Mischung aus Krimi, Familiensaga, Liebesgeschichte und Magischem Realismus

Die Bibliothek im Nebel
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Inhalt: Côte d’Azur, 1928. Die junge Liette verbringt die Sommerferien im Hotel ihres Onkels. Ganz in der Nähe des Hotels befindet sich eine verlassene Villa, die – vor über 10 Jahren, unmittelbar vor ...

Inhalt: Côte d’Azur, 1928. Die junge Liette verbringt die Sommerferien im Hotel ihres Onkels. Ganz in der Nähe des Hotels befindet sich eine verlassene Villa, die – vor über 10 Jahren, unmittelbar vor dem Großen Krieg – von einem Leipziger Verleger gebaut worden ist. Auf ihren Streifzügen um die Villa entdeckt Liette durch ein Fenster einen geheimnisvollen Raum: Eine reich bestückte Bibliothek, die im Nebel zu liegen scheint – und außerdem nicht so verlassen ist, wie sie eigentlich sein müsste. Dreißig Jahre später möchte Liette, die nun Direktorin des Familienhotels ist, die verlassene Villa kaufen. Allerdings sind die Besitzverhältnisse nicht eindeutig, sodass sie den Journalisten Thomas Jansen beauftragt, die zuletzt bekannte Besitzerin ausfindig zu machen. Die Ermittlungen führen die beiden auf eine Zeitreise, die ihren Ausgang im Sankt Petersburg um 1917 nimmt, wo sie auf eine besondere Liebesgeschichte stoßen...

Persönliche Meinung: „Die Bibliothek im Nebel“ ist ein Roman von Kai Meyer. Erzählt wird die Handlung in drei verschiedenen Zeitsträngen. Der chronologisch erste Zeitstrang spielt im Jahr 1917: In diesem begleiten wir Artur, einen jungen Bibliothekar, auf seiner Flucht vor der Ochrana (der zaristischen Geheimpolizei) von Sankt Petersburg nach Leipzig. Der zweite Strang findet rund 10 Jahre später (1928) statt. Hier entdeckt die elfjährige Liette im Hotel ihres Onkels ein geheimnisvolles Buch, das sie besser nicht berühren sollte. Im dritten Handlungsstrang, der 1957 spielt, begeben wir uns mit Thomas und der erwachsenen Liette auf eine Suche, die beider Leben verändern wird. Während der erste Erzählstrang aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist der PoV der anderen beiden Stränge eine personale Erzählweise. Man merkt es schon an meiner kurzen Vorstellung der Handlungsstränge: In dem Roman passiert sehr viel, wobei unterschiedliche Genres berührt werden. Die Handlung changiert zwischen Kriminalroman, Liebesgeschichte, Familiensaga und Magischem Realismus, wodurch sie nie an Spannung oder Reiz verliert. Gewissermaßen das übergeordnete Thema, das die drei Handlungsstränge eint, ist das Medium „Buch“ (und alles, was dazugehört). Während der Lektüre besuchen wir unterschiedliche Bibliotheken, streifen durch die Gassen des Graphischen Viertels in Leipzig und entdecken mysteriöse Bücher. Trotz der Fülle und der Unterschiedlichkeit des Inhalts wirkt der Roman nicht disparat: Alles wird stimmig aufeinander bezogen, sodass eine schön runde Handlung entsteht. Besonders haben mir die Verweisstrukturen innerhalb der einzelnen Erzählstränge gefallen: Mehrfach trifft man Figuren und Gegenstände wieder, die man bereits aus einem anderen Handlungsstrang kennt (wodurch auch einige überraschende „Aha“-Momente aufkommen). Sehr gut gefallen hat mir auch die Ausgestaltung der Figuren (besonders der drei Hauptfiguren) gefallen, die allesamt sehr lebendig und stark gezeichnet werden. Der Schreibstil von Kai Meyer ist gewohnt bildreich und detailliert: Ein Fabulieren im allerbesten Sinne, das einen sofort in den Bann zieht. Ich könnte noch vieles mehr anführen, was mir an „Die Bibliothek im Nebel“ gefallen hat, werde hier aber einen Punkt setzen, um den Rahmen nicht zu sprengen. Zum Schluss bleibt mir nur nochmal zu bekräftigen: Kai Meyer hat wieder abgeliefert und einen spannenden, fesselnden Roman mit phantastischen Elementen geschrieben, den besonders Buchliebhaberinnen mögen werden.

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Veröffentlicht am 17.01.2024

Eine eindrückliche Novelle in schöner Geschenkausgabe

Mario und der Zauberer
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Der Inhalt von Thomas Manns „Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis“ ist schnell erzählt: Der namenlos bleibende Ich-Erzähler verbringt – irgendwann in den 1920er Jahren – mit seiner Familie ...

Der Inhalt von Thomas Manns „Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis“ ist schnell erzählt: Der namenlos bleibende Ich-Erzähler verbringt – irgendwann in den 1920er Jahren – mit seiner Familie den Spätsommer am Tyrrhenischen Meer. Die Stimmung dort ist sichtlich aufgeheizt (was nicht nur an den sommerlichen Temperaturen liegt): Der Faschismus herrscht bereits in Italien; die Menschen sind nationalistisch gesinnt – ein Umstand, den auch die Familie des Ich-Erzählers zu spüren bekommt. Kernstück der Novelle ist eine Vorstellung des Zauberers Cavaliere Cipolla, die der Ich-Erzähler mit seiner Familie besucht – und diese hat es in sich. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Thematisiert werden hier auf eine eindrückliche Art und Weise die hypnotischen Verführungskünste Cipollas, der immer wieder den Willen der Zuschauenden bricht (daher kann man „Mario und der Zauberer“ auch als Parabel für den (italienischen) Faschismus (und daran anschließend aus der Retrospektive: als Parabel für den Nationalsozialismus) lesen). Wer Mann kennt, weiß, dass er gerne verschachtelte Sätze nutzt. Dies ist auch in „Mario und der Zaubrer“ der Fall. Man braucht ein, zwei Seiten, um sich an diesen Schreibstil (neu) zu gewöhnen – danach ist er aber äußerst reizvoll und man kann das Buch kaum aus der Hand legen. Auch optisch hat mir die Geschenkausgabe des Fischer-Verlags sehr gut gefallen: Sie ist gebunden in Leinen, ausgestattet mit einer stimmigen Umschlaggestaltung und gedruckt mit kompakter, aber angenehm zu lesender Schrifttype (Die Aufmachung reiht sich perfekt in die bereits erschienenen Mann-Schmuckausgaben ein). Abgerundet wird die Neuausgabe außerdem durch eine Zeitleiste zu Leben und Werk von Thomas Mann und ein Nachwort des Germanisten Hans Rudolf Vaget, in dem dieser der Entstehungsgeschichte der Novelle nachspürt. Insgesamt ist „Mario und der Zauberer“ eine sprachgewaltige Novelle mit einer eindrücklichen politischen Botschaft, die auch heute noch eine Relevanz besitzt – gerade jetzt.

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Veröffentlicht am 16.12.2023

Eine bittersüße Weihnachtsgeschichte

Kein guter Mann
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Inhalt: Walter, von Beruf Postbote, ist ein Mann der Prinzipien. Dementsprechend konsequent reagiert er, als ihn auf seiner Postrunde ein ungestümer Autofahrer mit dem Inhalt einer Pfütze überschwemmt. ...

Inhalt: Walter, von Beruf Postbote, ist ein Mann der Prinzipien. Dementsprechend konsequent reagiert er, als ihn auf seiner Postrunde ein ungestümer Autofahrer mit dem Inhalt einer Pfütze überschwemmt. Allerdings: Mit seiner Aktion macht Walter sich nicht überall Freunde; seine Vorgesetzten befürchten einen Imageschaden für die Post – und wollen den kurz vor der Rente stehenden und damit (nahezu) unkündbaren Walter aufs Abstellgleis befördern. Ehe Walter es sich versieht, findet er sich in der Engelskirchener Christkindpostfiliale wieder, wo er sich mit Wunschzetteln herumschlagen muss, die wenig mit dem Geist der Weihnacht zu tun haben. Doch dann fällt ihm der Brief des zehnjährigen Ben in die Hände, der scheinbar dringend Hilfe benötigt. Walter antwortet ihm – wodurch eine ungewöhnliche Brieffreundschaft entsteht…

Persönliche Meinung: „Kein guter Mann“ ist ein Roman von Andreas Izquierdo. Erzählt wird die Handlung des Romans von einem allwissenden Erzähler, der häufig in die Perspektive von Walter schlüpft. Eine große Stärke von „Kein guter Mann“ ist die Zeichnung des Protagonisten, der insgesamt sowohl lebendig als auch vielschichtig dargestellt wird. Walter hatte es in seinem Leben nicht immer einfach: Von seiner Frau lebt er getrennt, mit seinen Kindern hat er nur sporadisch Kontakt. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein Stinkstiefel, allerdings zeigt sich im Laufe der Handlung, dass er sein Herz auf dem rechten Fleck trägt. Die Handlung des Romans setzt sich aus zwei Erzählsträngen zusammen: Der erste Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, dreht sich um Walters Beziehung zu seinen Kindern, dem Briefwechsel zwischen Ben und Walter und den Hilfsaktionen, die Walter durchführt, um Ben zu unterstützen. Dieser Gegenwartsstrang wird mehrfach durch Rückblicke in die Vergangenheit Walters unterbrochen, in denen sich schrittweise offenbart, wie Walter zu der Person wurde, die er heute ist (Spannung, Tempo und Dramatik dieser Rückblicke sind wirklich perfekt!). Ohne zu viel verraten zu wollen: Walters Geschichte ist nicht zwangsläufig fröhlich, sondern oftmals bittersüß bis tragisch. Ebenfalls sehr gut gelungen ist die authentische Schilderung der Handlungsorte des Romans (Engelskirchen, die Christkindpostfiliale und Ründeroth im Bergischen Land). Wie der Handlungsort „Christkindpostfiliale“ schon nahelegt, spielt der Roman in der Weihnachtszeit, sodass sich die Lektüre besonders (aber nicht nur) im Advent lohnt. Der Schreibstil von Andreas Izquierdo ist anschaulich, ungemein eingängig und immer mit einer Prise Humor gewürzt. Insgesamt ist „Kein guter Mann“ eine bittersüße Weihnachtsgeschichte, die mit einem vielschichtigen Protagonisten auftrumpft.

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Veröffentlicht am 05.11.2023

Ein spannender, feinfühliger Familienroman

Am Tisch sitzt ein Soldat
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Inhalt: Die 1960er. Jón hat für sein Medizinstudium den elterlichen Bauernhof in Island verlassen und ist in die Millionenstadt Hamburg gezogen. Doch als ihn ein Brief aus der Heimat erreicht, kehrt er ...

Inhalt: Die 1960er. Jón hat für sein Medizinstudium den elterlichen Bauernhof in Island verlassen und ist in die Millionenstadt Hamburg gezogen. Doch als ihn ein Brief aus der Heimat erreicht, kehrt er umgehend auf den Hof zurück. Dort erwarten ihn nicht nur eine im Sterben liegende Mutter, eine sturköpfige Tante und ein Bruder, den er seit Jahren versucht, zu vergessen – zugleich beherbergt der Hof ein Geheimnis, für dessen Lösung Jón seine Kindheit aus einem neuen Blickwinkel betrachten muss…

Persönliche Meinung: „Am Tisch sitzt ein Soldat“ ist ein Roman von Joachim B. Schmidt. Vorweg: Auch wenn der Titel des Romans vielleicht Erwartungen an eine martialische Handlung weckt: Krieg, Gewalt oder das Soldatentum spielen in „Am Tisch sitzt ein Soldat“ keine Rolle (natürlich ist der Titel des Romans nicht von ungefähr gewählt: Die Figur „Soldat“ ist wichtig für die Handlung; wie genau sie eingeflochten ist, soll hier aber nicht verraten werden). Die Handlung des Romans ähnelt eher einem Familienroman – Mitglieder von drei unterschiedlichen Generationen treten auf –, der – durch das Familiengeheimnis, dem Jón auf die Spur kommen möchte – Elemente einer Krimihandlung in sich birgt. Auch spielt die Gefühlswelt von Jón in „Am Tisch sitzt ein Soldat“ eine vergleichsweise große Rolle: Jón fühlt sich auf dem elterlichen Hof mit seiner Kindheit konfrontiert, trifft Personen, mit denen er ewig keinen Kontakt mehr hatte, und verfällt durch die Rückkehr in die Heimat in eine Identitätskrise. Weiterhin versucht Jón, irgendwie mit dem Tod seiner Mutter klarzukommen; er macht sich Vorwürfe, längere Zeit nicht am Hof gewesen zu sein, was ihn zusätzlich belastet. Zum konkreten Handlungsverlauf möchte ich nur einzelne Stichworte geben, da die Spoiler-Gefahr recht groß ist: Die Handlung entfaltet sich – auf eine feine Art und Weise – behutsam und ist – trotz ihrer ernsten Themen – immer mit einer Prise leichtem Humor gewürzt. Strukturell sorgt innerhalb des Romans für Spannung, dass Jón teilweise mehr zu wissen scheint, als er (den Lesenden) preisgeben möchte. Daneben hält der Roman einige Wendungen bereit, mit denen man nicht unbedingt rechnet, und endet stimmig. Sehr gut hat mir auch die atmosphärische Darstellung Islands gefallen: Es wirkt hier eher karg und rau, besitzt aber zugleich auch idyllische Fleckchen. Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt ist angenehm und flüssig zu lesen. Insgesamt ist „Am Tisch sitzt ein Soldat“ ein einfühlsamer Familienroman mit Krimielementen, der mit schönen Wendungen auftrumpft.

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Veröffentlicht am 16.10.2023

Ein anschaulich geschriebenes Sachbüchlein mit interessanten Einblicken in die Lebenspartnerschaft zwischen Goethe und Vulpius

Goethes Ehe
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„Goethes Ehe“ ist ein Sachbuch von Wolfgang Frühwald, das sich mit der Lebensgemeinschaft zwischen Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe beschäftigt. Dabei setzt Frühwald verschiedene Schwerpunkte. ...

„Goethes Ehe“ ist ein Sachbuch von Wolfgang Frühwald, das sich mit der Lebensgemeinschaft zwischen Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe beschäftigt. Dabei setzt Frühwald verschiedene Schwerpunkte. Zunächst zeichnet er differenziert den Charakter der Christiane Vulpius nach, wobei er verschiedene Zeitgenossen zu Wort kommen lässt und deren Äußerungen bilanziert (neben Vulpius selbst u. a. Goethe, dessen Mutter sowie die Weimarer Damen der höheren Stände). Darauf aufbauend beleuchtet Frühwald ausführlich die Meilensteine der Beziehung zwischen Vulpius und Goethe: das erste Treffen, das Leben im Gartenhaus sowie am Frauenplan, die Hochzeit 1806 nach 18-jähriger Beziehung, die Geburten der gemeinsamen Kinder sowie letztlich der Tod Christiane Vulpius‘ 1816. Dabei fokussiert Frühwald drei übergreifende Aspekte. Einerseits versucht er zu eruieren, warum Goethe sich in Christiane Vulpius verliebte bzw. was er an ihr liebte. Andererseits diskutiert er, welche Gründe dazu geführt haben könnten, dass Goethe und Vulpius 1806 ihre „Gewissensehe“ in einen kirchlich/bürgerlich legitimierten Bund aktualisierten. Der dritte übergreifende Aspekt, mit dem sich Frühwald beschäftigt, ist die Art und Weise, wie die Partnerschaft zwischen Goethe und Vulpius im zeitgenössischen Weimar gesehen wurde: So zeichnet Frühwald eindrücklich die Mauscheleien, Beleidigungen und Verleumdungsaktionen nach, die die Weimarer Damen der höheren Stände gegen Vulpius richteten. Diese bezogen sich u. a. auf die Herkunft, das Aussehen sowie das Verhalten Christiane Vulpius‘. Während seiner Ausführungen blickt Frühwald zudem mehrfach über den Tellerrand des Themenbereiches „Goethes Ehe“ hinaus und lässt kulturgeschichtliche Hintergrundinformationen in seine Darstellung einfließen (z. B. zur Kindersterblichkeit, zu der zeitgenössischen Eltern-Kind-Beziehung sowie zu dem aufkommenden Konzept der „Gewissensehe“). Abgerundet wird „Goethes Ehe“ durch zahlreiche Abbildungen (u. a. Porträts von Christiane Vulpius und anderen Zeitgenossen sowie Faksimile-Drucke von Dokumenten). Insgesamt ist „Goethes Ehe“ ein anschaulich geschriebenes Sachbüchlein, das interessante Einblicke in die Lebenspartnerschaft zwischen Goethe und Vulpius gibt. Ein großes Verdienst dieser kleinen Studie ist es, mit dem Bild der „tumben“ Vulpius aufzuräumen, dem Generationen von Literaturhistorikern – den Damen der Weimarer Oberschicht unhinterfragt folgend – aufgesessen sind.

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