Erschütternd klare Literatur
Anne Frank TagebuchKlappentext
Zwei voneinander unabhängige Linien verschlingen sich in diesem ergreifenden Lebensdokument zu einer Einheit: das Schicksal einer verfolgten Familie und das Seelenleben eines ungewöhnlich begabten ...
Klappentext
Zwei voneinander unabhängige Linien verschlingen sich in diesem ergreifenden Lebensdokument zu einer Einheit: das Schicksal einer verfolgten Familie und das Seelenleben eines ungewöhnlich begabten und empfindsamen Kindes. Es scheint, als habe die bedrängte Existenz und der stets drohende Tod die Erlebnisfähigkeit und den Verstand dieses Mädchens vertieft und ihm eine Aussagekraft verliehen, die sein Tagebuch für immer in die kleine Zahl der unvergänglichen und unvergesslichen Zeugnisse Frühvollendeter einreiht. Denn wer könnte je dieses Kind vergessen, das heimlich auf den Speicher des hässlichen Hinterhauses, in dem sich seine Familie verborgen hält, schlüpfen muss, um den sternbesäten Nachthimmel zu sehen. In diesem Gefängnis, in das sie von ihren Mitmenschen getrieben worden ist, schreibt Anne Frank: "Wenn man an seine Nächsten denkt, müsste man weinen. Eigentlich müsste man den ganzen Tag weinen. So bleibt nur das Gebet und die Bitte zu Gott, dass er ein Wunder geschehen lasse und einige von Ihnen am Leben erhalte! Und ich bete aus tiefstem Herzen."
Einstieg ins Buch
Samstag, 14. Juni 1942
Am Freitag wurde ich schon um 6 Uhr wach. ...
Meine Meinung
Anne Frank flieht frühzeitig mit ihrer Familie nach Amsterdam, als sich 1933 in Deutschland der Hass auf Juden herauskristallisiert. Annes Vater Otto Frank hat bereits seit Monaten das alte Hinterhaus in der Prinsengracht in Amsterdam als Versteck herrichten lassen, nur für den Fall, dass das Verstecken notwendig werden sollte. Nach und nach brachte er Kleidung und Möbel in das Hinterhaus, baute den Dachboden aus und erschuf einen wohnlichen Unterschlupf. Im Juli 1942 war es dann soweit. Die Ereignisse spitzten sich zu. Juden mussten den Judenstern als Erkennungsmerkmal tragen, sie durften weder Bahn, Auto noch Fahrrad fahren, Juden durften nur noch in jüdischen Geschäften einkaufen und das auch nur zwischen 15 und 17 Uhr, sie durften nicht mehr ins Theater oder Kino gehen, sportliche Aktivitäten wie schwimmen oder Tennis spielen waren tabu, Christen durften keinen Besuch mehr von Juden empfangen und jüdische Kinder mussten auf jüdische Schulen gehen. Nach und nach wurden sie schließlich einfach weggebracht.
In dem Hinterhaus verschanzt sich die Familie Frank, bestehend aus Anne und ihrer zwei Jahre älteren Schwester Margot, Mutter Edith und Vater Otto. Zusätzlich sind in dem Hinterhaus noch die Familie v. Daans und Herr Dussel untergebracht. Alle müssen auf engsten Raum über zwei Jahre miteinander auskommen, in der ständigen Angst entdeckt zu werden. Und keiner von ihnen scheint ein einfacher Charakter zu sein. Es gibt genaue Regeln, wann was gemacht werden darf und wie lange, denn unter dem Dachboden arbeiten noch Menschen im Büro, die auf gar keinen Fall mitbekommen dürfen, dass sich hier oben Menschen verstecken. Unterstützt werden sie durch verschiedene Leute, wie beispielsweise die liebe Miep. Sie bringen den Untergetauchten Nahrungsmittel, Bücher und Anziehsachen. Als der Krieg voranschreitet werden die Lebensmittel knapp. Manchmal gibt es tagelang nur Brei, Brot oder Sauerkraut.
Das Buch hat mich nicht nur nachdenklich gestimmt, sondern auch äußerst demütig gemacht. Heute haben wir alles und doch nicht genug. Vieles ist für uns selbstverständlich geworden und wir denken gar nicht darüber nach wenn wir z. B. einfach in den Supermarkt gehen und uns das kaufen worauf wir gerade Lust haben. Im Krieg aufzuwachsen ist bestimmt schlimm, doch als Mensch verfolgt zu werden, weil man einer bestimmten Religion angehört, weil man einfach ist wer man ist, muss besonders schlimm sein. Das Tagebuch macht sehr deutlich, dass Anne oft verzweifelt war und nicht verstanden hat, warum sie dieses Leben im Versteck führen muss, wo doch andere ihr Leben ganz normal weiterleben. Warum sie weniger wert ist als die Menschen dort draußen. Warum sie sterben soll nur weil sie Jüdin ist und an Gott glaubt.
Mit der Zeit entwickelt sich Anne weiter, sie wird erwachsener und versucht auf ihre Art und Weise sich mit der Situation zu arrangieren. Sie ist oft an der Grenze zur Depression, was für mich auch keine Überraschung ist, wenn man bedenkt, dass sie 24/7/365 mit den selben Menschen auf engstem Raum zusammenleben muss. Es gibt keinen Rückzugsort und auch oft keine Privatsphäre. Sie vermisst es draußen in der Natur zu sein und einfach nur den Wind zu spüren, wie er durch ihre Haare weht. Solche Kleinigkeiten werden extrem wichtig und die Sehnsucht wächst. Sie verliebt sich in den Sohn der v. Daans. Er versteht sie wie niemand sonst. Aber was viel wichtiger ist: Er hört ihr zu. Anne ist ein Hitzkopf und ihrer Zeit voraus. Sie denkt viel, lernt unglaublich viel auf verschiedensten Wissensgebieten - Sprachen wie Französisch, Englisch und Holländisch sind für sie kein Problem, die Königshäuser der Welt kennt sie auswendig, ebenso jede Kritik und jeden Schauspieler zu jedem Film. Sie ist schlau und eigenständig und weiß auch schon in diesen jungen Jahren und dieser extremen Situation ihren Kopf durchzusetzen. Der Preis jedoch ist hoch dafür: Mit ihrer Mutter hat sie nie ein gutes Verhältnis, obwohl ihre Mutter alles für ihre Kinder gegeben hat und auch ihr Vater entfremdet sich immer mehr von Anne. Sie fühlt sich einsam und unverstanden.
Besonders schwer war es für mich, die Passagen zu lesen, in denen sie ihre Träume erzählt, wie bei dem von mir gewählten Zitat. Es war schwer weil ich wusste, wie ihr Leben enden wird. Sie stirbt mit ihrer Schwester in einem Vernichtungslager und alle ihre Träume mit ihr. Doch etwas Bedeutendes hat sie der Welt hinterlassen. Als Schriftstellerin. Jeder von uns sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen, denn wie Otto Frank ganz richtig sagte: "Wir können nicht ändern was geschehen ist. Das Einzige, was wir tun können ist, von der Vergangenheit zu lernen und zu begreifen was Diskriminierung und Verfolgung unschuldiger Menschen bedeutet. Ich glaube, dass es in der Verantwortung jeden einzelnen liegt, Vorurteile zu bekämpfen."
Zitat
Aber, und das ist die große Frage, werde ich jemals etwas Bedeutendes schreiben, werde ich Journalistin oder Schriftstellerin werden können? Ich hoffe es, ich hoffe es von ganzem Herzen! (Seite 150)
Fazit
"Das Tagebuch der Anne Frank"zeigt mit erschütternder Klarheit, wie die Familie und vor allem Anne die Zeit des Krieges erlebten. Für jeden, der verstehen möchte, was Verfolgung und Diskriminierung wirklich bedeutet. Von mir eine absolute Leseempfehlung.
Bewertung
5/5
Der Autor
Anne Frank wurde am 12. Juni 1929 als Kind deutscher jüdischer Eltern geboren. Sie musste schon in ihrer frühen Jugend die Schrecken der Verfolgung und die Ängste des Lebens in der Verborgenheit erfahren. Die Familie, die nach Holland emigriert war, wurde im August 1944 in ihrem Versteck in Amsterdam entdeckt und in Konzentrationslager gebracht. Im März 1945 starb Anne Frank im Vernichtungslager Bergen-Belsen. Nach der Verhaftung der Familie fand man zwischen alten Büchern und Zeitungen das Tagebuch, das Anne seit ihrem 13. Lebensjahr in holländischer Sprache geführt hatte. Es wurde in mehreren Sprachen veröffentlicht und erregte auf der ganzen Welt als ein erschütterndes menschliches Dokument größtes Aufsehen.
Titel der Originalausgabe: Het Achterhuis (1947)
Seitenanzahl: 202
ISBN:3-436-00088-4
Verlag: Fischer