Die rasende Reporterin…
Jordan Walsh stammt aus einer Familie von Zeitungsmenschen. Mutter, Vater, Bruder – alle haben den Weg zur schreibenden Zunft gewählt. Doch als Jordans Bruder Eliot einem Verkehrsunfall zum Opfer fällt, ...
Jordan Walsh stammt aus einer Familie von Zeitungsmenschen. Mutter, Vater, Bruder – alle haben den Weg zur schreibenden Zunft gewählt. Doch als Jordans Bruder Eliot einem Verkehrsunfall zum Opfer fällt, wird die Familie in ihren Grundfesten erschüttert. Die Eltern sprechen dem Alkohol zu, insbesondere der Vater vergräbt sich in seinem Arbeitszimmer und nimmt seine Tochter kaum noch wahr. Und was tut Jordan?
Sie meint umso mehr, dass sie ihre Familie nur retten kann, indem sie den Bruder „ersetzt“. Indem sie genau so erfolgreich bei einer Zeitung wird, wie ihr Bruder es war. Oder noch erfolgreicher. Und das als Frau in der Zeitungsbranche der 1950er…
Sie arbeitet hart daran und versucht bei der „Chicago Tribune“ groß rauszukommen – aber sie darf (zunächst) nur über „Frauenthemen“ schreiben. Mehr traut ihr niemand zu.
Die Leser verfolgen also Jordans Weg vom Neuling (um nicht zu sagen Fußabtreter) bis… nun ja, das wird noch nicht verraten, das muss jede/r selbst lesen.
Aber Jordan ist nicht immer ein einfacher Charakter. Anfangs konnte ich noch mit ihr mitfühlen und mitfiebern, aber zwischendurch wurde sie mir mehr und mehr unsympathisch. Ich weiß nicht, ob die Autorin damit betonen wollte, wie sehr Jordan sich wünscht in die Fußstapfen ihres Bruders zu treten. Aber sie wirkt an vielen Stellen nicht nur zielstrebig, sondern vielmehr verbissen und ihr Urteilsvermögen habe ich leider auch an der einen oder anderen Stelle in Frage stellen müssen. Mitunter macht sie tatsächlich den Eindruck, sie würde über die sprichwörtlichen Leichen gehen, um voranzukommen.
Da es mir so schwer fiel Jordan zu mögen, hat sich das leider auch auf meinen Gesamteindruck von diesem Buch ausgewirkt. Ich konnte viele ihrer Entscheidungen nicht nachvollziehen, sie hat so einige Leute vor den Kopf gestoßen (auch wenn sie es vielleicht nicht bewusst getan hat). Dazu kam noch, dass im gesamten Buch ständig Alkohol präsent war. Nicht nur bei den Eltern, die damit versuchten ihren Kummer zu betäuben – nein, auch in sämtlichen anderen passenden und unpassenden Situationen wurden Cocktails und Shots gekippt. Ist das so ein Amerika-Ding? Gehört es in amerikanischen Romanen zum guten Ton, dass der Alkohol in Strömen fließt? Mir hat das leider eher ein negatives Bild vermittelt…
Und so muss ich sagen, dass ich ein klein wenig enttäuscht war von „Die Stunde der Reporterin“ – denn der Vorgänger „Cosmopolitan“ über die Sternstunden der berühmten Frauenzeitschrift hatte mich richtig begeistern können.
Aber auch unter Berücksichtigung meiner Kritikpunkte muss man sagen, dass man diesem umfangreichen Roman nicht anmerkt, dass er fast 550 Seiten hat. Er liest sich so locker weg, dass man damit schnell die Zeit vergisst und richtiggehend durchrauscht. Nur mein Lesegefühl war halt diesmal nicht ganz so positiv wie beim letzten Buch der Autorin. Trotzdem war es für mich mit 3,5 Sternen ein solider Unterhaltungsroman.