Komplexes Seelenpanorama
Das Cover dieses Buches hat mich auf Anhieb angesprochen. Ich finde es außergewöhnlich schön und auch die Haptik des Schutzumschlags ist ganz besonders. Aber: Never judge a book by its cover … wobei das ...
Das Cover dieses Buches hat mich auf Anhieb angesprochen. Ich finde es außergewöhnlich schön und auch die Haptik des Schutzumschlags ist ganz besonders. Aber: Never judge a book by its cover … wobei das Cover gar keine falschen Erwartungen weckt. Es zeigt eine Frau, die erst noch entspannt im Wasser zu liegen scheint und dann langsam, sang- und klanglos untergeht.
Und eine Art Untergang hat auch die 28-jährige Hauptfigur Elyria bereits hinter sich. Sie hat sich irgendwie verloren, findet keinen Anschluss mehr an ihr Leben und verlässt still und heimlich ihren Ehemann, in dem sie sich ohne irgendeine Art von Abschied davonstiehlt. Mit kleinem Gepäck und nur wenig Geld reist sie von New York nach Neuseeland, wo ihr eine Zufallsbekanntschaft ein Gästezimmer angeboten hat, falls sie mal in der Nähe sein sollte. Elyria will weg von ihrem alten Leben, in dem sie viele unschöne Erfahrungen gemacht hat, als Tochter einer alkoholkranken, egomanen Mutter und Schwester der adoptierten und hochbegabten Ruby, die sich im Alter von 22 Jahren umgebracht hat.
Elyria ist auf ihrer Reise sehr in ihre eigene Seele versunken. Sie lässt sich treiben und nimmt die Wünsche und Bedürfnisse anderer kaum noch wahr. Die Kommunikation mit ihren Mitmenschen fällt ihr schwer, ihre Gedanken kreisen weniger um Konkretes, als um Alltagsbeobachtungen, die sie abdriften lassen. Man muss die Protagonistin wohl als depressiv bezeichnen und die sporadischen Enthüllungen aus ihrer Vergangenheit tragen dazu bei, dass sich dieses Bild verfestigt. Dennoch muss Elyria im Laufe ihres Roadtrips erkennen, dass sich die Vergangenheit nicht abschütteln lässt. Diese Erkenntnis hilft ihr jedoch nicht, sich ihrem alten Leben zu stellen.
Elyrias Gedankengänge sind unkonkret, aber poetisch. Sprachlich ist „Niemand verschwindet einfach so“ sehr gelungen – wenn einem der karge Inhalt nichts ausmacht. Mir ist allerdings zu wenig passiert. Die Erlebnisse der Protagonistin rauschen nicht nur an ihr, sondern auch am Leser größtenteils spurenlos vorbei; sie haben keine Bedeutung. Das Buch besteht in erster Linie aus inneren Monologen, doch dieses Stilmittel wird nicht dazu genutzt, um eine Entwicklung der Figur aufzuzeigen. Und so las sich das Ganze für mich zunehmend zäh. Ich blieb unzufrieden zurück. Unzufrieden macht es mich nun auch, diesem Buch nur drei Sterne geben zu können, denn Sprache und Gedankengänge der Autorin Catherine Lacey sind durchaus kunstvoll. Ich hatte das Gefühl, mich einfach nicht genug auf den Roman einlassen zu können; mir blieben Elyria und ihr Handeln zu fremd. Dadurch haben mich ihre Gedankengänge wohl einfach kalt gelassen und meine Lust, ihren tristen Beobachtungen weiter zu folgen, hielt sich immer mehr in Grenzen. Ich kann verstehen, was man an diesem Buch mögen kann, aber in meinem Fall passten Buch und Leserin einfach nicht zusammen.