Cover-Bild Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
(8)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
20,95
inkl. MwSt
  • Verlag: Argon Digital
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 23.02.2022
  • ISBN: 9783732419456
Maxim Leo

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße

Roman
Peter Kurth (Sprecher)

Eine rasante und ungemein vergnügliche Hochstaplergeschichte

Im September 2019 bekommt Michael Hartung, erfolgloser Videothekenbesitzer, Besuch von einem Journalisten. Der recherchiert über eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR, bei der 127 Menschen in einem S-Bahnzug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen gelangten. Der Journalist hat Stasi-Akten entdeckt, aus denen hervorgeht, dass Hartung, der früher als Stellwerksmeister am Bahnhof Friedrichstraße gearbeitet hat, die Flucht eingefädelt haben soll. Hartung dementiert zunächst, ist aber nach Zahlung eines ordentlichen Honorars und ein paar Bieren bereit, die Geschichte zu bestätigen. Schließlich war er noch nie bedeutend, noch nie ein Held, und wenn es nun mal so in den Akten steht … 
Nur wenig später reißen sich die Medien um ihn, Hartung wird vom Bundespräsidenten empfangen, seine Geschichte soll Vorlage für ein Buch und einen Kinofilm werden. Hartungs Leben fühlt sich plötzlich traumhaft und leicht an. 
Doch dann trifft er Paula, sie war als Kind in jenem S-Bahnzug, der in den Westen umgeleitet wurde. Die beiden verlieben sich – und Hartung spürt, dass er einen Ausweg aus dem Dickicht der Lügen finden muss. Obwohl es dafür eigentlich schon zu spät ist.

Weitere Formate

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2022

Held wider Willen?

0


Held wider Willen?
"Glücklich das Land, das Helden hat!", ruft Andrea, Schüler von Galileo Galilei, in dem gleichnamigen Schauspiel von Bertolt Brecht aus.
"Glücklich das Land, das keine Helden nötig ...


Held wider Willen?
"Glücklich das Land, das Helden hat!", ruft Andrea, Schüler von Galileo Galilei, in dem gleichnamigen Schauspiel von Bertolt Brecht aus.
"Glücklich das Land, das keine Helden nötig hat!", erwidert Galilei.
Damit ist das Thema von Maxim Leos neuem Roman "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" umrissen: Braucht das Land Helden, und wenn ja, welche?
Die Geschichte beginnt im Jahr 1983. Michael Hartung arbeitet bei der Reichsbahn in Ostberlin. Bei der Wartung einer Weiche bricht er versehentlich einen Sicherheitsbolzen ab, verschiebt die Reparatur aber zunächst einmal und geht nach Hause. Die Weiche ist damit blockiert und lässt sich nicht mehr verstellen. Es ist allerdings eine ganz besondere Weiche: Sie öffnet den Weg für die Fahrt nach West-Berlin (in der Tat gehörte das S-Bahn-System von ganz Berlin zur Ostberliner Reichsbahn - Zügen in West-Berlin, die repariert werden mussten, wurden über den Bahnhof Friedrichstraße nach Ost-Berlin geleitet und wieder zurück). Und tatsächlich fährt - so die Fiktion - am Abend eine S-Bahn mit 127 Passagieren nach West-Berlin. 127 Passagieren begehen also unfreiwillig Republikflucht. Die Mehrheit kehrt wieder freiwillig nach Ost-Berlin zurück, einige aber bleiben im Westen.
Michael Hartung wird von der Stasi verhaftet und mehrere Tage verhört, dann aber wieder freigelassen weil deutlich wurde, dass er sich nicht als Fluchthelfer betätigt hat. Seinen Job verliert er, weil ein neues Weichensystem eingeführt und er somit überflüssig wird. Wegrationalisiert wird er dann auch in den folgenden Jahren in verschiedenen anderen Berufen, bis er sich im Jahr 2017 eine Videothek aufschwätzen lässt, die zunächst gut läuft, jetzt aber auch vor dem Aus statt, da Streaming-Dienste sie überflüssig machen.
Michael Hartung ist also der geborene Looser.
Dieses Schicksal droht auch dem Journalisten Axel Landmann. Das Magazin mit dem sprechenden Namen "Fakt", für das er arbeitet, verliert ständig Leser, Arbeitsplätze sind massiv bedroht, wenn nicht ein Sensationscoup gelingt. Da stößt Landmann auf die Stasi-Akte von Michael Hartung und wittert die Chance für eine Story: Einfacher Arbeiter ermöglicht selbstlos 127 Menschen die Flucht aus der Diktatur der DDR.
Landmann besucht Hartung, der zunächst abstreitet, willentlich als Fluchthelfer agiert zu haben. Dann aber lässt er sich von Landmann mittels eines für ihn hohen Geldbetrages überreden, die Ereignisse so darzustellen, dass er die Weiche absichtlich blockiert hat, um die S-Bahn in den Westen zu leiten.
Ab hier nimmt die Geschichte Fahrt auf: Landmann baut systematisch Hartung zu einem Medien- und Politik-Star auf: Alle Zeitungen berichten über ihn, er wird in Talkshows eingeladen, der Bundespräsident empfängt ihn und schlägt ihn vor, die Gedenkrede im Bundestag zum 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls zu halten. Und mit jeder Frage, die ihm gestellt wird, verstrickt sich Michael Hartung in das Netz seiner Lügen.
Es wird deutlich: Der Roman ist eine Satire. Er nimmt den Medienbetrieb, den politischen Betrieb, die Jubiläumsfeier zum Gedenken an den Mauerfall, in die Jahre gekommene Bürgerrechtler und selbst die Stasi aufs Korn. Maxim Leo tut das sachkundig und gekonnt, immerhin ist er selbst Journalist. Und er tut das auf sehr amüsante Weise, sodass seine Satire zwar nicht sehr bissig ist, aber äußerst unterhaltsam.
Köstlich die Parodie der Talk-Show, in der neben Hartung auch Katharina Witt auftritt mit ihrer "Prinzessinnen-Frisur", eine subtile Anspielung auf ihr unrühmliches Verhalten während der DDR-Diktatur. Amüsant auch die Selbstironie: Landmann schreibt ein Buch über das Leben von Michael Hartung und hofft, mit seinem Buch in die Bestsellerlisten zu kommen. Und auch Los schreibt ein Buch über Hartung....
Anrührend gestaltet ist die Begegnung von Hartung mit Michail Gorbatschow. Dieser legt seine riesigen Hände auf die Unterarme von Hartung und begrüßt ihn mit den Worten "Dobryy den',Gospodin Hartung".
Allerdings gibt es einen zweiten Handlungsstrang, der sich der Satire entzieht: Hartung lernt eine Frau kennen und lieben, die als 14-Jährige mit ihren Eltern in der S-Bahn gesessen hat und deren Eltern entschieden haben, im Westen zu bleiben. Auf sehr ernsthafte Weise geht es hier um traumatische Erlebnisse der Vergangenheit, um Vertrauensverlust und den Versuch, Vertrauen wiederzugewinnen.
Maxim Los gelingt es, die Figuren lebensnah und für die Leserin/den Leser völlig nachvollziehbar zu gestalten. Der Erzähler kann in das Innere der Personen blicken, gibt aber nicht zu viel vor, sodass genügend Spielraum für die Leserin/den Leser bleibt, sich selbst in die Figuren einzuführen. Die Sprache des Romans ist frei von Pathos und präzise in den Beschreibungen von Figuren und Örtlichkeiten.
Und der Roman bietet Stoff, sich über eine Reihe von Problemen Gedanken zu machen: Wie funktioniert unsere Medienlandschaft? Wie gehen wir mit dem Gedenken an den Fall der Diktatur in der DDR um, wie mit den "Helden" der Bürgerrechtsbewegung? Wie hoch ist der Stellenwert der Wahrheit? Kann man verspieltes Vertrauen wiedergewinnen?
Das alles macht den Roman sehr lesenswert bzw. auch hörenswert: Eingesprochen von dem großartigen Schauspieler Peter Kurth bietet er sieben Stunden wahren Hörgenuss. Kurth liest mit viel Understatement und erweckt doch die Figuren zum Leben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.03.2022

Kann ein Loser auch zum Helden werden?

0

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Maxim Leo
Sprecher: Peter Kurt

Michael Hartung ist ein Loser, ambitionslos und ein Nichtstuer, aber er geniesst das herrliche Nichts, indem er stundenlang in seiner ...

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Maxim Leo
Sprecher: Peter Kurt

Michael Hartung ist ein Loser, ambitionslos und ein Nichtstuer, aber er geniesst das herrliche Nichts, indem er stundenlang in seiner Videothek sitzt und in die Gegend starrt. Kundschaft bleibt seit langem aus, aber auch das würde ihn nicht stören, wenn das Geld nicht auch gleichzeitig ausbliebe.
Er hatte kein Glück im Leben: Nach dem Mauerfall ist er in den Westen gezogen, Frau und Tochter haben ihn verlassen und beruflich hat er mit der Videothek auch aufs falsche Pferd gesetzt.
Wovon jetzt also die Ladenmiete bezahlen?

Sein Leben verändert sich schlagartig, als der Journalist Alexander Landmannn seinen Laden betritt.
Dieser recherchiert über eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR, bei der 127 Menschen in einem S-Bahnzug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen gelangten. Landmann hat Stasi-Akten entdeckt, aus denen hervorgeht, dass Hartung, der früher Stellwerksmeister am Bahnhof Friedrichstraße war, die Weiche so umstellte, das der Zug in den Westen gelangte.

Hartung ist jedoch alles andere als ein Held und die Weiche hat er damals versehentlich zerbrochen und nicht absichtlich umgestellt.
Das große Geld lockt und Landmann braucht dringend eine gute Story - warum also nicht die Geschichte ein wenig verändern und ausschmücken?
Hartung wird über Nacht zum Held. Tritt in Shows auf und erzählt jedem, der es hören möchte, seine erfundene Geschichte.
Das geht genau so lange gut, bis er Paula, die damals mit ihren Eltern in dem besagten Zug saß, trifft.
Frage: Bleibt der Loser am Ende der Loser oder kann ein Loser auch zum Helden werden?

Maxim Leo hat hier ein wunderbares, humorvolles Buch mit Tiefgang geschrieben. Er weist auf die noch immer komplizierte Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschland hin.
Den einsamen Protagonisten Hartung kann man mit seiner bescheidenen Art einfach nur ins Herz schliessen und ihm deshalb die eine oder andere „Umgestaltung der Wahrheit“ verzeihen.

Auf jeden Fall muss auch der Sprecher des Hörbuchs hier erwähnt werden: Peter Kurt mit seiner unverwechselbaren Stimme wusste dieses großartige Buch zu verfeinern.
Grosse Lese/Hörempfehlung von mir.
4½ Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.12.2023

ein ungewollter Held

0

" Der Held vom Bahnhof Friedrichstrasse" von Maxim Leo ist der beste Beweis dafür, dass aus jedem etwas werden kann.

Michael Hartung ist an sich ein Looser. Bei jeder beruflichen Entscheidung hatte er ...

" Der Held vom Bahnhof Friedrichstrasse" von Maxim Leo ist der beste Beweis dafür, dass aus jedem etwas werden kann.

Michael Hartung ist an sich ein Looser. Bei jeder beruflichen Entscheidung hatte er eigentlich Pech., ob als Eisenbahner, als Baggerfahrer oder Videothekenbesitzrer , die Zeit und der Fortschritt waren immer schneller als er.

Doch plötzlich steht er im Mittelpunkt. Der Journalist Alexander Landsmann braucht eine gute Story und hat in den Archiven der ehmaligen DDR recherchiert und ist dabei auf eine spektakuläre Massenflucht in die BRD gestossen, hervorgerufen durch eine defekte Weiche. Somit konnte die Bahn ungehindert in den Westen fahren und genau diese Weiche soll Hartung manipuliert haben. Eigentlich war es ein Missgeschick, nicht gewollt und einfach nur Pech, das Hartung mal wieder gehabt hat, denn er wird entlassen und ins Gefängnis gesteckt, aber als der Journalist ihm eine gute Story in Aussicht stellt, für die Geld fliessen soll, dementiert Hartung nicht . Durch diese Geschichte wird er zum unfreiwilligen Held, der seine geschichte immer mehr ausschmückt.

Die Geschichte wird von Anfang an mit einem Augenzwinkern erzählt und man gewinnt den Helden Michael Hartung einfach lieb.Neben lustigen Begebenheiten, die immer wieder Anlass zum Schmunzeln geben, wir dviel über die Unterschiede von Ost,- und West berichten, humorvoll, aber manchmal auch mit kleinen Spitzen.
Die Geschichte wird von einigen kleinen Längen abgesehen, flüssig erzählt und macht einfach Spaß.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere