Konnte mich weder erzählerisch noch atmosphärisch überzeugen
Der Garten über dem MeerDie Prämisse des Buches hat mich gereizt: ein Sommerhaus am Meer, ein Einblick in das Leben in Spanien vor dem Bürgerkrieg und der Diktatur, das Ganze berichtet durch einen eher unbeteiligten Beobachter. ...
Die Prämisse des Buches hat mich gereizt: ein Sommerhaus am Meer, ein Einblick in das Leben in Spanien vor dem Bürgerkrieg und der Diktatur, das Ganze berichtet durch einen eher unbeteiligten Beobachter. Ich dachte ein wenig an "The Enchanted April" - eine atmosphärische Geschichte, die uns die Schicksale und Hintergründe der Personen allmählich aufdeckt. Leider hat mich der vielbeschworene Zauber nicht erreicht.
Erzähler ist hier der Gärtner des Sommerhauses, der den üppigen Garten mit Hingabe und Können pflegt, in Trauer um seine früh verstorbene Frau gefangen ist und die Geschehnisse recht lakonisch berichtet. Das Haus gehört einem jungen wohlhabenden Paar, das die Sommermonate dort mit einem Kreis von Freunden verbringt. Über sechs Jahre hinweg berichtet uns der Gärtner von diesen Freunden, aber auch ihrem Umkreis.
Zu Beginn ist alles denkbar heiter, eine Gruppe Leute mit zu viel Geld und zu viel Zeit amüsiert sich recht oberflächlich und teils recht albern. Das Personal hat seine eigenen Querelen und der Gärtner beobachtet und berichtet uns. Es sind viele Personen, es werden auch immer mehr und die meisten davon blieben mir völlig fremd. Das war für mich der eine große Nachteil der Geschichte - wir erfahren die Charaktere aus der Distanz, manche tauchen Jahr für Jahr nur als vorbeischwebende Namen auf. Nur vereinzelt konnten sie mich etwas anrühren, die meisten blieben mir so weit entfernt, daß auch die Geschehnisse mich nicht berühren konnten.
Die Methode, alles über den Gärtner zu erfahren führt zudem zu für mich etwas seltsamen Konstrukten. Er beobachtet einiges, aber das meiste wird ihm zugetragen, vom Hauspersonal, von Nachbarn, von Dorfbewohnern, von anderen Angestellten usw. Das führt dazu, daß sich alle möglichen Leute umgehend zum Gärtner hingezogen fühlen und ständig bei seinem Häuschen auftauchen, um ihm ihre Seele zu entblößen oder ihm alles Mögliche über andere Menschen zu erzählen. Das ist unglaubwürdig und ging mir auch ein wenig auf die Nerven. Einmal sagt auch jemand: "Und wie kommt es, dass ich Ihnen das alles erzähle?" - Ja, genau das habe ich mich beim Lesen auch immer gefragt. Das Konstrukt hakt für mich schlichtweg.
Im Nachwort wird erwähnt: "Das eigentliche Element dieses Romans, das ist die Luft zwischen den Informationen, das ist seine Atmosphäre voller Schwingungen und Halbtöne." Ja, vieles wird nicht gesagt, vieles ergibt sich aus dem Zusammenhang, was an sich ganz interessant ist. Leider führt dies in Zusammenhang mit der o.e. Distanz zu den Figuren dazu, daß die Geschehnisse an mir vorbeiflossen. Von der Atmosphäre hatte ich mir ebenfalls mehr erwartet, auch wenn Haus und Garten durchaus reizvoll vor dem geistigen Auge auferstehen und die sich verändernde Stimmung über die Jahre gut eingefangen wird. Die "Luft zwischen den Informationen" führt an vielen Stellen zu nichtssagenden banalen Dialogen. Banal fand ich hier vieles. Auch stilistisch war dies nicht mein Buch. Ich habe es inspiriert vom sprachlich fulminanten "Nada" gelesen. Hier ist der Schreibstil aber leider so gar nicht bemerkenswert, oft nahezu flach und auch wieder: banal.
Insofern kann ich mich dem Lob für dieses Buch nicht anschließen. Die vielversprechenden Elemente waren für mich nicht gelungen umgesetzt, ich war nicht sonderlich berührt und auch nicht sehr beeindruckt.