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kerstin_aus_obernbeck

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.12.2023

eine genial schräge Geschichte

Klabauternächte
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27. November (okay, im Buch ein Samstag, aber das geht nun mal nicht immer):
Nico (28) nimmt uns mit in sein Leben. Den Kontakt zu seinen Eltern hat er auf Eis gelegt, sein auf Leistung fixierter Vater ...

27. November (okay, im Buch ein Samstag, aber das geht nun mal nicht immer):
Nico (28) nimmt uns mit in sein Leben. Den Kontakt zu seinen Eltern hat er auf Eis gelegt, sein auf Leistung fixierter Vater kommt mit dem eher chilligen Leben seines Sohnes nicht klar, seine Mutter bedauert, bemüht und betäubt die Situation und hat sich mit ihrem Dasein arrangiert.

„Ich habe mich ausgeklinkt aus dem gesellschaftlichen Weltbild und dessen Sichtweisen, wie etwas sein sollte und wie man zu leben hat. Wenn man nicht akzeptiert wird, wie man ist, dann eben nicht.“ (S. 8)

Nun lebt Nico irgendwo in einer netten Dachwohnung und verdient seinen Lebensunterhalt mit Grafikkram und Mediengedöns. Wenn er damit nicht beschäftigt ist, zieht es ihn zum KCK, dem Kulturcafé Klabautermann. Inhaber Eddy, die Bedienung Dani und Zapfer Floyd sind Freunde und Ersatzfamilie (im Fall von Dani vielleicht auch ein bisschen mehr).

Eigentlich ist alles okay, wobei … auch wenn Nico es noch nicht so 100% zugeben will, ist das mit der familiären Situation für ihn nur so halboptimal; zurückliegender und gegenwärtiger Substanzenkonsum in fester und/oder flüssiger Art sind auch nicht völlig spurlos an ihm vorübergezogen – und genau in diesem Moment erhält er einen anonymen Brief, mit einem Hinweis auf seine Vergangenheit.

Zunächst glaubt Nico an einen Scherz, aber Floyd, ebenfalls kein Kostverächter für allerlei Bewusstseinserweiterungssubstanzen, bekommt ebenfalls Post. Kurz danach begegnen ihnen eine Frau mit Beehive-Frisur, ein Typ mit Kavalleriehut und ein anderer mit Lederjacke und in Nicos leerstehende Nachbarwohnung zieht ein Typ mit strähnigen Haaren und Strickjacke ein. Die Vier haben eine Mission und das Leben von Nico Rawencke wird weird und spooky.
Er muss sich den Geistern der Vergangenheit stellen, um die Geister der Gegenwart loszuwerden.

Die Geschichte hat mich begeistert. In dem überschaubaren Zeitraum vom 27.11. bis 23.12. passiert eine Menge im Leben vom Nico und seinem Umfeld und die knapp 200 Seiten lesen sich ruckzuck.
Dirk Karl beschreibt die Charaktere fabelhaft - und auch wenn der Lebenswandel von Floyd sicher fragwürdig ist, ist mir dieser Freak doch irgendwie sympathisch. Ich liebe die Stelle, in der er in der Nacht bei Nico anruft, weil er sich auf eine freie Wohnung in der Lindenstraße bewerben will.
Aber das Buch erzählt nicht nur lirumlarum von ein paar Tagen einer leicht gestrandeten, von der Vergangenheit heimgesuchten Seele, es ist ein Buch über Freundschaft und eine Geschichte mit Aussagen, die ich absolut teile.

„Urteile nie über jemanden, deren oder dessen Geschichte du nicht kennst.“ (S. 183)

Musik ist für mich ein großes Thema. Davon hat das Buch eine ganze Menge.
Und Popkultur, von einem aus der Kanalisation grinsenden Clown über die Allwissende Müllhalde bis hin zu Bewohnern aus Springfield. Ich mag diese vielen kleinen Hinweise.

„Klabauternächte“ ist weird, speziell und anders im allerbesten Sinne. Ein tolles Buch und absolut lesenswert, wenn man etwas abgedreht und schräg man.

Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 26.12.2023

Phantasievoll und voller magischer Momente

Der Spurenfinder
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Elos von Bergen ist ein berühmter Spurenfinder, der viele entscheidende Spuren zum Auffinden verlorener Schätze und Prinzessinnen gefunden hat. Aber so ein Leben voller Abenteuer hat auch seine Schattenseiten, ...

Elos von Bergen ist ein berühmter Spurenfinder, der viele entscheidende Spuren zum Auffinden verlorener Schätze und Prinzessinnen gefunden hat. Aber so ein Leben voller Abenteuer hat auch seine Schattenseiten, ein Nachtmagier trachtet nach seinem Leben und nach einem beinahe tödlichen Zwischenfall beschließt er, es ruhiger angehen zu lassen und zieht mit seinen Kindern Ada und Naru in das verschlafene Nest Friedhofen.
Die Zwillinge sind weniger glücklich, sie langweilen sich, aber Elos ist froh, gefahrlos zu leben und nutzt die Zeit, um seine Memoiren zu schreiben.

Eines Tages herrscht große Aufregung. Ein Jahrmarkt wird in das Nachbardorf Rabenfurt kommen und nach einiger Überredung gibt Elos nach und geht mit Ada und Naru dort hin. Sie werden von der Familie Arden und dem Dorfvorsteher Emmett Freling begleitet. Der Jahrmarkt bedeutet eine große Abwechslung, sie haben viel Spaß, trinken die Stimme verändernde Stimmonade, sehen Ursa, die stärkste Frau der Welt, erleben einen Windflüsterer und eine Feuerläuferin.

Es wird ein unvergesslicher Abend, doch zuhause wartet am nächsten Tag eine böse Überraschung: der Dorfvorsteher wird tot aufgefunden.
Elos von Bergen und seine Kinder sind plötzlich mitten in den Ermittlungen – und es wird das Abenteuer ihres Lebens.

Die Geschichte vom Spurenfinder ist fabelhaft. Der Krimi entführt den Lesenden in eine Fantasiewelt und die Klings haben diese zauberhafte Welt mit viel Liebe gestaltet, von den Göttern über die Währung, den Ortsnamen und den magischen Gestalten – alles wird lebhaft beschrieben, die Geschichte ist spannend und auf die Lösung wäre ich nie gekommen. Mir gefällt, wie viel Vertrauen Elos in seine Kinder hat und wie er Ihnen Mut macht.

Wenn du nicht weißt, was ein Schdip und ein Glotzoskop sind, dann solltest du das Buch lesen. Und falls du es weißt, dann auch.

Ganz große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 12.11.2023

wunderbar und EI_nzigartig

Isaac und das Ei
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Isaac Addy steht auf einer Brücke. Unter ihm das Wasser, in ihm ganz viel Traurigkeit, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Mary, seine Frau, ist nicht mehr da. Von einer Minute auf die andere hat ...

Isaac Addy steht auf einer Brücke. Unter ihm das Wasser, in ihm ganz viel Traurigkeit, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Mary, seine Frau, ist nicht mehr da. Von einer Minute auf die andere hat sich alles geändert - sein bisheriges Leben gibt es nicht mehr.

All dies ist noch nicht lange her, sein Schmerz ist unbeschreiblich groß, er kapselt sich ab, ignoriert Familie und Freunde. Isaac lässt sich gehen und sein Dasein besteht ausschließlich aus Trauer und Schmerz; ein Schmerz, der so groß ist, dass ihm Sinn und Kraft fehlen, um weiterzuleben.

Er sitzt bereits auf dem Geländer der Brücke und ist zum Absprung bereit, da entdeckt er etwas zwischen den Bäumen am Ufer: weiß, groß … ein Ei ?¿ Was auch immer es ist: es schreit.
Isaac fühlt sich gestört, er ist abgelenkt und irritiert, aber gleichzeitig auch neugierig.
Also klettert er von dem Brückengeländer und macht sich auf den Weg zu dem Ei. Näherkommend sieht er, dass es flauschig ist, Arme und Beine hat.
Einer spontanen Eingebung folgend nimmt er das Wesen mit nach Hause.

So beginnt eine außergewöhnliche Wohngemeinschaft. Isaac und das Ei schauen Filme, essen Toast mit Bohnen – und sie passen aufeinander auf und sind füreinander da. Ganz langsam wird Isaacs Schmerz weniger. Ist es nun an der Zeit, sich von dem Ei zu verabschieden? Und was ist in dem verschlossenen Zimmer im Dachgeschoss?

Der Roman „Isaac und das Ei“ ist eine traurig-schöne Geschichte. Noch nie habe ich ein Buch gelesen, in dem Trauer so berührend und nachvollziehbar beschrieben wird. Gleichzeitig gibt es lustige Momente, das Ei ist so liebenswert, absolut „wawuu“. Ich habe beim Lesen geweint und gelacht, ganz viel mit Isaac gehofft und (das liest sich jetzt vermutlich eigentümlich) das Ei in mein Herz geschlossen. Bobby Palmer ist ein besonderer Roman gelungen, der bei aller Unwahrscheinlichkeit, bei aller Phantasie, real und greifbar erscheint.

Warmherzig und wunderbar, sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 30.10.2023

Tausende liebevolle Kalorien

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Wenn man alt wird, hat man manchmal das Gefühl, ein einfacheres, ruhigeres Leben würde besser zu einem passen, aber Jenny hat bewiesen, dass man in jeder Phase seines Lebens Träume haben kann … und dass ...

Wenn man alt wird, hat man manchmal das Gefühl, ein einfacheres, ruhigeres Leben würde besser zu einem passen, aber Jenny hat bewiesen, dass man in jeder Phase seines Lebens Träume haben kann … und dass sie gerade wegen und nicht trotz unseres Alters wahr werden können (S. 306)

Jennifer Quinn ist 77 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Bernhard (82) in Kittlesham. Sie haben es gemütlich in ihrem kleinen Haus und genießen den Ruhestand. Schon 59 Jahre sind sie verheiratet, im kommenden Jahr feiern sie ihren 60 Hochzeitstag und auch nach all den Jahren sind sie einander immer noch sehr zugetan, achten aufeinander und tun sich gegenseitig gut und Gutes. Jenny backt für ihr Leben gern, immer schon. Sie kommt aus einer Familie, in der das Backen eine wichtige Rolle gespielt hat und während Bernie und sie im Fernsehen „Das Backduell“ schauen, kommt ihr die Idee, sich als Kandidatin für die Sendung zu bewerben. Aus Angst, dass sie nicht angenommen oder es eine Enttäuschung wird, hält sie ihre Bewerbung geheim – und es ist nicht Jennys einzige Geheimnis, denn schon seit 60 Jahren gibt es etwas, dass niemand erfahren darf.

„Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ erzählt von der fabelhaften, patenten Jenny Quinn. Mit ihrem Mann Bernhard erlebt sie intensiv „den Herbst des Lebens“, beide sind sich der Endlichkeit bewusst, gehen liebevoll und zugewandt miteinander um und aufeinander ein. Bernie ist ruhig, besonnen und liebt seinen Garten und Jenny stürzt sich mutig in das Abenteuer, an der TV-Show teilzunehmen. Diese Teilnahme wirbelt ihr ruhiges Leben durcheinander – und ist für Jenny auch auf andere Weise eine Herausforderung, da es Erinnerungen an früher heraufruft, an die Zeit, bevor sie mit Bernhard verheiratet war und aus der sie noch immer ein Geheimnis mit sich herumträgt. Diese Zeit wird in dem Roman in Rückblenden erzählt und so wird nicht nur nachvollziehbar, warum Jenny das Backen so sehr liebt.

Die einzelnen Kapitel sind mit Backwaren betitelt und in dem Buch wimmelt es nur so von Schwarzwälder Kirsch und Co;
1 Millionen liebevolle Kalorien auf 400 Seiten.

Jennys Rezeptesammlung beinhaltet Rezepte von ihrer Oma und Mutter und mit diesen Rezepten sind Erinnerungen an geliebte Menschen und besondere Momente verbunden. Es sind auch Jennys Erinnerungen und ihre Geschichte, die mich berührt haben und sie zeigen, dass es gut ist, dass sich die Zeiten in mancher Hinsicht geändert haben.

Ein Wohlfühlroman, der warmherzig eine wunderbare Geschichte von Liebe, Träumen und Mut erzählt.
Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Ein grandioser Krimi

Mord auf der Insel Gokumon
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Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi ...

Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi Yokomizo, in denen Kosuke Kindaichi ermittelt.

September 1946, „Die rätselhaften Honjin-Morde“, der erste Fall von Kosuke Kindaichi liegen 9 Jahre zurück und kehrt aus dem Krieg zurück.
Auf dem Rückweg hat ihn sein Kriegskamerad und Freud Chimata Kito im Sterben liegend gebeten in seine Heimat, auf die Insel Gokumon zu reisen, um dort zu verhindern, dass seine 3 Halbschwestern ermordet werden.
Mit einem Empfehlungsschreiben an den Bürgermeister, den Arzt und den Priester der Insel reist Kosuke nach Gokumon, nicht wissend, was ihn dort erwartet.

Gokumon ist eine abgelegene Insel, die nur per Boot zu erreichen ist. Die Bewohner leben von der Fischerei und die Familie Kito betreibt den größten Fischereibetrieb, dessen Erbe Chimata gewesen wäre. Die Familienverhältnisse sind etwas wirr, neben seinem Cousin, der noch nicht aus dem Krieg zurück ist, sind die 3 Halbschwestern erbberechtigt. Ferner gibt es noch einen Seitenzweig der Familie Kito, der ebenfalls Anspruch auf eine Vormachtstellung auf Gokumon erhebt.

Bereits auf der Überfahrt trifft Kosuke den Priester und erhält die Möglichkeit, für die Zeit des Aufenthaltes bei ihm zu wohnen.
Auch wenn sich manche Bewohner ein wenig merkwürdig verhalten, Gokumon etwas weltfremd und realitätsfern erscheint, ist die Welt dort doch überwiegend in Ordnung und es scheint keine Gefahr für die Halbschwestern zu bestehen. Aber der Schein trügt, denn bald schon wird Hanako, die älteste Halbschwester, tot aufgefunden.

Ich habe bereits den 1. Fall von Kosuche Kindaichi gelesen und bin erneut total begeistert - dies ist ein richtig guter Krimi der allerbesten Sorte.
Ruhig und ausführlich wird der Lesende mit auf die Insel genommen, mit der Umgebung und den Menschen vertraut gemacht. Seishi Yokomizo erzählt wunderbar, spricht immer wieder die Leser*innen an und beschreibt lebhaft Land, Leute und Lebensart.
Die Lösung dieses Krimis ist raffiniert und absolut christie-like!

In dem Buch findet sich ein Personenregister, welches für mich recht hilfreich war. Ferner gibt es auch ein interessantes Glossar, dass dem Lesenden interessante Informationen gibt.

Große Leseempfehlung!

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