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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2024

Eine sehr gelungene Erzählung

Elyssa, Königin von Karthago
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DIe Geschichte basiert auf Virgils "Aeneis" und erzählt die von Aeneas, den es nach dem Sturz Trojas mit einigen Getreuen an die Küste Karthagos verschlägt. Er wird dort von Königin Elyssa zunächst gefangen ...

DIe Geschichte basiert auf Virgils "Aeneis" und erzählt die von Aeneas, den es nach dem Sturz Trojas mit einigen Getreuen an die Küste Karthagos verschlägt. Er wird dort von Königin Elyssa zunächst gefangen genommen, erweist dort jedoch seine Treue, so dass ihm nicht nur jede Hilfe zum Aufbau seiner Schiffe zuteil wird, er und Elyssa verlieben sich zudem ineinander.

Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Die Geschichte liest sich wunderbar, die Sprache ist sehr bildhaft ohne dabei aber ins Kitschige abzudriften. Dazu hat der Stil eine ganz eigene Leichtigkeit, eine ausgewogene Balance zwischen den kriegerischen Handlungen und den ruhigen Momenten. Und obwohl an sich gar nicht so viel passiert, passiert zwischen den Figuren doch jede Menge. Die Darstellung eben jeder Figuren hat mir sehr gefallen. Elyssa ist einerseits eine starke und abhängige Frau. Dies muss sie sein um sich in einer Männerwelt als Königin zu behaupten, um ihren Platz zu verteidigen. Als sie sich in Aeneas verliebt, wird aber gleichzeitig auch sichtbar, wie überbordend ihre Zuneigung sein kann, wie sehr sie damit die geliebte Person auch quasi überrollen kann. Ich mochte es, dass es hier einen ein wenig vorbelasteten Helden gibt. Den der erlebte Krieg und die Gräueltaten noch immer belasten, der sich für getane Dinge seiner Vergangenheit schämt, der von Alpträumen geplagt wird und erkennt, dass Kriege für ein Volk nicht sehr nützlich sind.
Und wenn es schon um Mythologie geht, dann darf es natürlich nicht fehlen, dass sich eine Gottheit einmischt. Eros selbst versucht sich hier daran, das Schicksal der beiden ein wenig zu beeinflussen. Diese Kapital waren für mich die wirklichen Highlights des Buches. Charmant, mit viel Wortwitz und sehr treffsicher beobachtet, schildert der Gott die Eigenheiten der Menschen. Es gibt auch einige Kapitel, die dem Dichter Virgil in den Mund gelegt wurden. Hier fand ich nur sein letztes Kapitel wirklich gelungen, in dem ihm quasi die Erleuchtung für sein Epos kommt. Auch hier wird es sehr sprachgewaltig und philosophisch, es fallen einige wirklich sehr schöne Sätze. Die anderen Kapitel um ihn hätte ich nicht so wirklich gebraucht. Aber sie sind recht kurz und unterhaltsam und passen gut ins Gesamtgefüge.

Es ist nicht das actionreichste Buch, aber diese Entwicklung zwischen den Protagonisten ist so fesselnd und einnehmend, die Sprache für mich so schön, dass mir das Lesen einfach nur sehr viel Spaß gemach hat.

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Veröffentlicht am 01.02.2024

Mehr als erwartet

Trophäe
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Die Hauptfigur heißt passenderweise Hunter White. Der Name ist Klischee und Programm zugleich. Hunter stammt aus einer Familie von Jägern, ist nach einem Jäger benannt und benimmt sich mit jeder Faser ...

Die Hauptfigur heißt passenderweise Hunter White. Der Name ist Klischee und Programm zugleich. Hunter stammt aus einer Familie von Jägern, ist nach einem Jäger benannt und benimmt sich mit jeder Faser seines Wesens wie ein weißer Jäger. Ob beruflich oder privat, für ihn ist alles eine Jagd. Er scheffelt eine Menge Geld mit diversen Investments um sich Lizenzen für den Abschuss seltener Wildtiere in Afrika zu kaufen. Und er beglückt mit diesen Trophäen auch seine Frau, die scheinbar ebenfalls von ausgestopften toten Tieren sehr angetan ist. So ist die aktuelle Trophäe als Geschenk zum Hochzeitstag eingeplant. (Da fragt man sich schon ein bisschen, wann der gute alte Blumenstrauß so sehr aus der Mode gekommen ist...) Und so stampft Hunter durch Afrika und stellt sich als Krone der weißen Schöpfung dar. Klüger, schneller, überlegener. Der sich gerne in inneren Monologen über die Jagd allgemein, Männlichkeit und der guten alten Zeit nachtrauen, als man noch alles wegballern konnte was einem vor die Flinte kam. Und überhaupt Afrika. Kurzum: so ein richtig schön unsympathischer Mensch.
Blöd nur, dass sich Afrika als wesentlich komplexer darstellt, als Hunter sich das vorgestellt hat. Über Themen wie Natur- und Artenschutz, Schutz von Lebensraum für Ethnien, Vertreibung, die Auswirkungen von Kolonialisierung bis heute, Moral - da gehen dem guten Hunter dann doch ganz schön die Augen auf. Gelegentlich blitzen bei ihm Gedankengänge auf, die ihn ein bisschen weniger überheblich erscheinen lassen.

Das Buch hat mich gleichzeitig fasziniert und schockiert. Ich fand den Stil wunderbar. Leise erzählt, ohne Hektik, aber mit sehr viel Spannung und sehr gut platzierten Details. Da gibt es z.B. eine Szene, in der ein Nashorn einfach nur an einem Strauch steht und frisst. Aus dieser an sich banalen Szene hat die Autorin etwas wunderschönes geschaffen, das innehalten lässt, dass einem direkt dieses Tier in all seinen Facetten vor Augen führt. Als betrachte man ein Gemälde. Diese sehr detaillierten Szenen sind nicht überladen und in der gesamten Geschichte genau an den richtigen Stellen positioniert. Ich finde das toll gemacht und es hat dem Buch das gewisse Etwas gegeben.
Die Handlung selbst ist schockierend. Die Aussagen und auch Reaktionen von Hunter sind schockierend, selbiges von seinem Jagdveranstalter. Es verschlägt einem oft einfach nur die Sprache und manchmal musste ich Stellen nochmals lesen, weil ich mir nicht sicher war, ob das wirklich so geschrieben stand, wie ich es gelesen habe. Obwohl das Buch nicht sonderlich umfangreich ist, ist es doch komplexer als man es auf den ersten Blick vermutet.
Mir hat das Buch unheimlich gut gefallen, weil es so viele unterschiedliche Themen behandelt und auch, weil es zu Abwechslung mal einen Hauptcharakter hat, den man so wirklich aus tiefster Seele verabscheuen kann.

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Veröffentlicht am 20.01.2024

Großartig

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Das Buch war eine Empfehlung meiner Lieblingsbuchhändlerin, als ich auf der Suche nach einer schön erzählten Geschichte für die grauen Januartage war. Und es war ein absoluter Volltreffer! Ich habe dieses ...

Das Buch war eine Empfehlung meiner Lieblingsbuchhändlerin, als ich auf der Suche nach einer schön erzählten Geschichte für die grauen Januartage war. Und es war ein absoluter Volltreffer! Ich habe dieses Buch so gerne gelesen. Es ist warmherzig, liebevoll und vor allem charmant geschrieben. Wie eine schöne, warme kuschelige Decke in Buchform.

Jenny und Bernie habe ich sofort ins Herz geschlossen. Zwei Protagonisten, die man einfach gern haben muss und von denen man sich ein bisschen wünscht, sie wären die eigenen Großeltern. Mit hat die Idee, dass Jenny sich mit ihren 77 Jahren zu einer TV-Backshow anmeldet sofort gefallen. Ich schaue solche Sendungen selbst sehr gerne und wie vor dem heimischen TV habe ich auf Jennys Weg durch die Sendung mit gefiebert.
Mit hat vor allem sehr gefallen, mit welchem Verständnis und Fingerspitzengefühl die Autorin Jennys Leben erzählt. Nicht nur die guten und heiteren Momente, sondern auch die dunklen und verzweifelten Zeiten. Es fiel mir sehr leicht mich in ihre Gefühlswelt hineinzuversetzen. Und so habe ich durchaus das ein oder andere Tränchen verdrückt, mich sehr für sie freuen können und habe im Geiste all die gebackenen Leckereien verputzt.

Ein für mich richtig gut gelungenes Buch und ein erstes Highlight in diesem Jahr.

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Veröffentlicht am 28.12.2023

Großartig

Lichtspiel
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Ich bin ja in der Regel immer sehr vorsichtig, wenn Bücher so sehr beworben oder gefeiert werden und sich gefühlt die halbe Welt einig ist, dass es sich um DAS Buch der Stunde handelt. Deshalb bin ich ...

Ich bin ja in der Regel immer sehr vorsichtig, wenn Bücher so sehr beworben oder gefeiert werden und sich gefühlt die halbe Welt einig ist, dass es sich um DAS Buch der Stunde handelt. Deshalb bin ich auch recht lange um das neue Buch von Daniel Kehlmann herumgeschlichen. Am Ende war ich dann aber doch einfach zu neugierig, um es nicht doch zu lesen. Am Ende hat mich das Buch sehr begeistert und es hat sich zu einem meiner Jahreshighlights entwickelt.
Wie genau allerdings die historischen Details sind vermag ich nicht zu beurteilen. Dazu sind meine Kenntnisse über Filmgeschichte einfach zu gering.
Mir haben die verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird, sehr gut gefallen. Dadurch ergaben sich für mich immer wieder neue Blickwinkel. Ein wirklich toller Erzählstil. Prägnante Szenen, die auf den ersten Blick unglaublich leicht erscheinen. Und hinter aufgesetzter und natürlich gekünstelter Heiterkeit verbergen sich menschliche Abgründe, NS-Ideologie, Macht und blanker Hass. Da ist zum Beispiel die schon vorab häufig besprochene Szene in Goebbels Büro. Jeder wird beim Lesen unweigerlich Goebbels' Gesicht vor Augen haben und seine fanatischen Reden. Und dieses skurrile Gespräch, in dem nicht einmal explizit gedroht wird. Und doch spürt man sofort mit welchen Machtbefugnissen Pabst' Gegenüber ausgestattet ist, kleine Machtspielchen werden vor seinen Augen durchgeführt und man weiß als Leser sofort, welche Konsequenzen es jetzt hätte, würde Pabst an dieser Stelle ablehnen.
Szenen wie diese finden sich immer wieder im Buch und ich finde sie unheimlich gut geschrieben, ich musste mehrfach tief durchatmen. Manchmal sind diese Momente auch eher subtil untergebracht und fast überliest man sie. Aber irgendwie bleibt man dann doch dran hängen, hält Inne und wird sich dann erst der ganzen Bedeutung einzelner Sätze bewusst.

Am Ende kann ich die Hauptfigur des G.W. Pabst für mich persönlich noch immer nicht einordnen. Er verlässt Hollywood vordergründig aufgrund seiner Erfolglosigkeit. Aber ist das wirklich alles? Ist die Sorge um seine Mutter wirklich so groß, wie er es überall verlauten lässt? Oder ist nicht doch das angekratzte Ego des großen und genialen Regisseurs ausschlaggebend, der Wunsch als große Persönlichkeit gesehen zu werden? Er ist für mich eine ambivalente Figur, schwer zu erfassen und manchmal auch schwer zu verstehen. Wenn er seine Umgebung in Kameraeinstellungen wahrnimmt, habe ich mich schon gefragt, ob neben seinen Filmen noch Platz ist für andere Dinge oder Menschen. Eine Mischung, die mich immer wieder dazu gebracht hat meine Sicht auf Pabst und sein Handeln zu überdenken.

Es wimmelt nur so von Namen anderer Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspielern. Und ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß dabei, nebenher Personen und deren historische Einordnung nachzuschlagen. Für mich ist "Lichtspiel" ein rundum gelungenes Buch.

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Veröffentlicht am 21.10.2023

Fantastisch

Das Gemälde
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Das Buch hat mir unglaublich gut gefallen. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich eine glatte 20 dafür vergeben. Es gehört in diesem Jahr definitiv zum einen Jahreshighlights. Und das nicht nur, weil der ...

Das Buch hat mir unglaublich gut gefallen. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich eine glatte 20 dafür vergeben. Es gehört in diesem Jahr definitiv zum einen Jahreshighlights. Und das nicht nur, weil der Grundstock für das Buch die Geschichte eines der berühmtesten Rennpferde aller Zeiten ist.

Geraldine Brooks verflicht in ihrem Buch verschiedene Handlungsstränge aus verschiedenen Zeiten zu einem ganz wunderbaren Roman. Dabei verarbeitet sie Themen wie Sklaverei und (Alltags-)Rassismus und betrachtet sie aus dem jeweiligen zeitlichen Kontext. Das tut sie äußerst geschickt, jede Episode ist enthält dieses Thema und seine Auswirkungen in unterschiedlichem Maße, mal verdeckter, mal offensichtlicher. Aber immer so, dass es dem Leser sehr bewusst ist. Den Stil dabei finde ich wunderbar. Toll erzählend, mitfühlend, filigran, mitziehend, Bilder erzeugend. Ich hatte beim Lesen sehr häufig das Gefühl, in diesem Pferdestall zu stehen, auf dieser Rennbahn zu sein oder die Angst selbst zu spüren. Und obwohl die Geschichte komplex und facettenreich ist, hatte ich nie das Gefühl mich durch die Menge der Figuren und Handlungsstränge überfordert zu fühlen.
Die Autorin verblüfft dabei mit sehr profundem Wissen über Pferdezucht, Anatomie und die Geschichte der Rennpferde, ebenso über Kunst und die historische Einordnung von Sklaven in der Renngeschichte. Sie legt ihren Figuren dieses Wissen so passend in den Mund, dass selbst diese wissenschaftliche Aspekte nahtlos in die Geschichte eingebunden werden.

Die Figurengestaltung gefällt mir sehr. Jess und Theo sind ein bemerkenswertes Figuren-Duo. Beide sind dynamisch, klug und auf ihren Fachgebieten absolute Kenner. Die größte Unterschied ist ihre Hautfarbe. Jess ist weiß, Theo eine Person of Colour, aufgewachsen mit den Privilegien der weißen britischen Oberschicht. Dieser Umstand wird noch eine gewichtige Rolle in der Geschichte spielen.
Es treten zwischen beiden viele alltägliche, kleine Situationen auf, die für stumme Momente, Innehalten, Wut und Ärger sorgen. Unbeabsichtigte, schnell gesprochene Sätze, die wie Nadelstiche wirken. Diese Situationen machen den Leser nachdenklich, man überlegt unwillkürlich, was man selbst gesagt hätte.
Beim Ende bin ich mir nicht ganz so sicher, ob es nicht letztlich doch etwas zu viel war. Bei nochmaligem darüber Nachdenken finde ich es dennoch passend und auch nur konsequent, die Gegenwart so aktuell mit einzubeziehen.

Die Autorin verpackt ernste Themen in eine unterhaltsame Geschichte, lässt sie dadurch für den Leser leichter erscheinen, als sie es wirklich sind und regt zum Nachdenken und auch zu Diskussionen an. Die ganze Geschichte hat mich sehr bewegt und nachdenklich über meinen eigenen Umgang mit Sprache gemacht.

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