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Veröffentlicht am 08.02.2024

Zwischen Wokeness und bürgerlichem Idyll

Weiße Wolken
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Die beiden Schwestern Dieo und Zazie sind altersmäßig sieben Jahre auseinander, doch trotz schwesterlicher Liebe trennen sie Welten: Psychologin Dieo ist verheiratet mit drei Kindern, Zazie hat gerade ...

Die beiden Schwestern Dieo und Zazie sind altersmäßig sieben Jahre auseinander, doch trotz schwesterlicher Liebe trennen sie Welten: Psychologin Dieo ist verheiratet mit drei Kindern, Zazie hat gerade ihren Master gemacht und jobbt in einem Jugendzentrum. Dieo lebt mit ihrer Familie im bürgerlichen Frankfurter Nordend, Zazie ist aus dem Bahnhofsviertel nach Offenbach gezogen und ein Inbegriff von Wokeness. Muss sie sich als Schwarze Frau schuldig fühlen, weil sie einen weißen Freund hat (der von ihren Freundinnen und Freunden denn auch nur als "white boy" belächelt wird)? Sie hat sogat gegoogelt, welche Schwarzen Frauen weiße Männer daten, sozusagen um sicher zu gehen, dass sie das machen kann.

Die Schwestern haben eine weiße deutsche Mutter und einen senegalesischen Vater, der in der Kindheit der Schwestern keine große Rolle gespielt haben zu scheint. Was Zazie nicht daran hindert, ihre afrikanische Identität stets heraushängen zu lassen und völlig zu verdrängen, dass sie biodeutsch-weiß sozialisiert ist. Einige ihrer Freunde, offenbar "echte" Afrikaner, nennen sie denn auch Bounty - außen braun, innen weiß.

Wie die beiden Schwestern mit Identität, Zugehörigkeit und Lebensidealen umgehen, das steht im Mittelpunkt von Yandé Secks Roman "Weiße Wolken", der im Frankfurt der Gegenwart spielt. Für alle aus Rhein-Main gibt es ordentlich Lokalkolorit, was beim Lesen einen zusätzlichen Reiz ausmacht. Allerdings habe ich mich mit den Charakteren schwer getan, weder mit Dieos Ablehnung, einmal ihre senegalesische Großmutter zu besuchen noch mit Zazies Dauerempörung und ständigen Inszenierung von Seelenschmerz konnte ich mich identifizieren.

Für mich ist Zazie eine nicht unprivilegierte Akademikertochter, die sich gerne als Ghettokind sehen möchte und mit ihrer Clique Menschen grundsätzlich nach dem Melaningehalt ihrer Haut und ihrer ethnischen Zugehörigkeit einordnet, beurteilt, verurteilt. Da frage ich mich: wer ist hier rassistisch? Als eine, die sieben Jahre im Frankfurter Gallus gewohnt hat, wo ethnische Vielfalt selbstverständlich ist und Zugehörigkeitsdebatten ziemlich weit von der Lebenswirklichkeit entfernt sind, finde ich Zazie ziemlich nervig.

So richtig entscheiden konnte ich mich nicht - hat Seck eine Persiflage geschrieben, oder geht es ihr um eine Auseinandersetzung mit afrodeutschen Identitäten? Sollte letzteres der Fall sein, hat mich das Buch nicht überzeugt. Im Sinne eines ironischen Auseinanderpflückens von über-wokeness ähnlich wie bei Identitty ist es schon eher gelungen. Die Reise der beiden Schwestern in die Heimat ihres Vaters blieb letztlich blass und zeigte lediglich: Auch Braids machen aus Afrodeutschen noch keine Afrikanerinnen, Senegal und seine Menschen bleiben ähnlich wie das Nordend-Biotop Klischee. Schade.

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Veröffentlicht am 24.01.2024

Die Erbin muss ermitteln

Das Mörderarchiv
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Mit diesem Satz des Klappentextes war meine Neugier auf Kristen Perrins Cozy-Krimi "Das Mörderarchiv" geweckt: "Tante Francis dachte immer, dass sie eines Tages umgebracht wird. Sie hatte recht." Ein Verstoß ...

Mit diesem Satz des Klappentextes war meine Neugier auf Kristen Perrins Cozy-Krimi "Das Mörderarchiv" geweckt: "Tante Francis dachte immer, dass sie eines Tages umgebracht wird. Sie hatte recht." Ein Verstoß gegen alle Krimi-Regeln und Spoiler-Verbote? Keineswegs, denn es bleibt genügend Rätselstoff übrig, nicht zuletzt dank Tante Francis, die ihre Großnichte Annie auf Mörderjagd schickt.

Kleines Problem für Annie, eine bisher gescheiterte Autorin von Kriminalromanen: Sie ist zwar mit ihrer Boheme-Mutter im Londoner Stadthaus von Frances aufgewachsen, hat die alte Dame aber nie persönlich betroffen. Eigentlich wollte Annie auf Einladung von Tante Frances´ Anwalt nur für einen Tag ins lauschige Dörfchen Castle Noll in der Grafschaft Dorset fahren, um dort über eine Testamentsänderung in Kenntnis gesetzt zu werden. Doch dann wird die Verlesung des Testaments schneller nötig als gedacht, denn der Besuch bei der Tante führt zur Entdeckung der Leiche....

Annie hat die Tante zwar nie lebend getroffen, kennt jedoch die Familiengeschichte: Im Alter von 17 Jahren erfuhr Frances bei einem Jahrmarktbesuch von einer Wahrsagerin, dass sie ermordet werde. Anders als ihre beiden besten Freundinnen nahm sie die Prophezeiung sehr ernst und ermittelte gewissermaßen in eigener Sache: Verdächtige, Motive, Gelegenheiten?

Der Besuch in Castle Knoll führt nicht nur zu Begegnungen mit bislang unbekannter angeheirateter Verwandtschaft, sondern auch auf die Spuren von Francis´ Vergangenheit. Denn Annie entdeckt das Tagebuch der Großtante und stellt fest, dass es nicht nur die Prophezeiung war, die die Tante recherchieren ließ. Auch Annie muss ermitteln - nicht nur, um an eine großzügige Erbschaft zu gelangen, sondern auch, weil sie zunehmend fasziniert von der Geschichte der Großtante ist. Plötzlich ist auch ihre eigene Familiengeschichte in einem völlig neuen Licht zu sehen.

Viel mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, nur dies: "Das Mörderarchiv" ist ein klassischer Cozy-Krimi in britischer Tradition, auch wenn die Autorin aus den USA stammt (aber offenbar dem Charme des ländlichen Englands erlegen ist). Es gibt schrullige Charaktere, Klassenunterschiede, eine Zeitreise in die späten 1960-er Jahre und spannend-humorvolle Unterhaltung. Ein nicht sonderlich blutiges Lesevergnügen für alle, die Krimis eher gemütlich mögen.

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Veröffentlicht am 12.01.2024

Mit Punktesystem zu weniger Kilos

Weight Watchers - der neue 4 Wochen Powerplan
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Mein Schwager hat mit Hilfe von Weight Watchers ordentlich an Gewicht verloren - insofern war ich neugierig auf den neuen "vier Wochen Powerplan", denn das Prinzip scheint ja zu funktionieren, so lange ...

Mein Schwager hat mit Hilfe von Weight Watchers ordentlich an Gewicht verloren - insofern war ich neugierig auf den neuen "vier Wochen Powerplan", denn das Prinzip scheint ja zu funktionieren, so lange man sich daran hält. Das Punktesystem von Weight Watchers wurde allerdings nicht näher erklärt - da wird wohl auf Anmeldung und Mitgliedschaft gerechnet. Die Botschaft, dass für schmelzende Pfunde einerseits die Kalorien, andererseits die richtigen Nährstoffe beachtet werden müssen und obendrein Bewegung empfohlen wird - das war nicht gerade überraschend.

Neugierig war ich auf die Rezepte und inwieweit sie sich von anderen Kochbüchern unterscheiden, die auf eher leichte Küche setzen. Das Buch ist aufgeteilt in Frühstück und Zwischenmahlzeiten, die sowohl süß als auch herzhaft sind - es dürfte also für jeden Geschmack etwas dabei sein. Einige der Rezepte, etwa Ofenpfannkuchen und Energieriegel, ergeben gleich einen Vorrat für mehrere Tage und dürften sich auch einfrieren lassen - das finde ich schon mal eine gute, zeitsparende Lösung.

Die Mittags-/Abendgerichte sind teilweise auch als to go fürs Büro geeignet, etwa Bowls und Salate. Ein wenig gestört hat mich, dass hier teilweise Fertigprodukte vorgeschlagen wurden. Allerdings könnte hier auch die Zeitersparnis eine Rolle gespielt haben. Insgesamt sind die Rezepte nicht sonderlich kompliziert, es gibt zahlreiche Gemüsegerichte, aber Fleisch ist nicht tabu. Auch optisch machen die Gerichte einen guten Eindruck. Gut gefällt mir, dass kein Einerlei auf dem Teller herrscht, sondern meist mehrere Gemüse-Zutaten kombiniert werden. Ich peile zwar keine Diät an, lege aber Wert auf bewusste Ernährung und habe hier ein paar neue Anregungen gefunden, mit denen ich gerne experimentiere.

Veröffentlicht am 29.12.2023

Sicherheitsexpertin unter Verdacht

Zero Days
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Sie sind schon ein besonderes Paar, Jack und ihr Ehemann Gabe: Sie kennt sich mit Einbruchswerkzeugen aller Art aus, er weiß, wie man sich in fremden IT-Anlagen unsichtbar bewegt. Doch sie sind keine Kriminellen, ...

Sie sind schon ein besonderes Paar, Jack und ihr Ehemann Gabe: Sie kennt sich mit Einbruchswerkzeugen aller Art aus, er weiß, wie man sich in fremden IT-Anlagen unsichtbar bewegt. Doch sie sind keine Kriminellen, sondern testen im Auftrag von Unternehmen Lücken in deren Sicherheitsbereich, in dem sie dort eindringen. Jack wird im schlimmsten Fall zwar durchaus mit einer Einbrecherin verwechselt, doch man darf sich halt nicht erwischen lassen,

Zu Beginn von Ruth Wares Thriller "Zero Days" hat Jack allerdings wieder einmal Pech und muss ein paar unangenehme Stunden auf einem Polizeirevier verbringen. Der größte Schock wartet allerdings bei der Heimkehr auf sie: Sie findet Gabe mit durchgeschnittener Kehle an seinem Schreibtisch. Für Trauer bleibt Jack jedoch kaum Zeit, denn schnell stellt sie fest, dass die Polizei sie für die Hauptverdächtige hält. Sie muss von der Bildfläche verschwinden, buchstäblich off the grid sein. Gabes bester Freund gibt ihr Tipps für unüberwachte Kommunikation, doch trotzdem kommen die Ermittler Jack immer schneller immer näher.

Die Wahrheit über die Hintergründe von Gabes Tod herauszufinden, wird eine zunehmend gefährliche Aufgabe, denn Jack erkennt, dass ihr Mann hinter ein gefährliches Geheimnis gekommen sein muss. Dessen Entschlüsselung sieht sie nun als ihre Mission - ebenso wie ihr Überleben.

Da ich bereits ein paar Thriller von Ruth Ware gelesen habe, gingen meine Überlegungen schon früh in die Richtung, die sich am Ende als die richtige entpuppte, aber das tat der Spannung keinen Abbruch. Ware hat einmal mehr einen soliden Thriller geschrieben, mit einer Protagonistin, die keinen Einsatz und keine Gefahren scheut, um hinter die Wahrheit um den Tod ihres Mannes zu kommen. Klar, dass das im modernen England mit seinem dichten Netz an Überwachungskameras eine ganz besondere Herausforderung ist und Jack ohne Spuren hinterlassende Kreditkarten auch schnell an finanzielle Grenzen stößt. Die toughe Heldin zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit ist eine vielleicht nicht immer realistische, aber sympathische Frauenfigur, der ich gerne durch das Buch gefolgt bin.

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Von wegen Sabbatical

Einer muss den Job ja machen
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Udo Lindenberg-Fans und Leute aus der Medienbranche haben bei "Einer muss den Job ja machen" von Lars Haider einen klaren Vorteil: Nicht nur der Titel ist einem Lindenberg-Song entliehen, auch der Protagonist, ...

Udo Lindenberg-Fans und Leute aus der Medienbranche haben bei "Einer muss den Job ja machen" von Lars Haider einen klaren Vorteil: Nicht nur der Titel ist einem Lindenberg-Song entliehen, auch der Protagonist, der Hamburger Lokaljournalist Lukas Hammerstein, ist mit dem Sänger befreundet. Um Deutschrock geht es allerdings weniger, viel mehr dreht sich dieser unterhaltsame Hamburg-Roman um die Nachwehen des G7-Gipfels, die Krise in der Medienbranche und den Tod zweier renommierter Journalisten.

Hammerstein sollte all das eigentlich kalt lassen, denn er hat ein dreimonatiges Sabbatical genommen, um sich seiner mittlerweile hochschwangeren Frau zu widmen, das Kinderzimmer herzurichten und sich um den neurotischen Dackel der Schwiegereltern kümmern. Doch wie kann ein Reporter wegschauen, wenn er eine große Geschichte wittert und irgendwie auch einer seiner besten Freunde in die mediale Schusslinie gerät? Bei diesem Freund handelt es sich denn auch noch um den regierenden Bürgermeister mit Träumen vom Kanzleramt.

Auch sonst enthält der launig geschriebene Roman so manche Anspielung an das Mediengeschehen der letzten Jahre: sei es die Erwähnung des großen jungen Talents, das Journalistenpreise abräumt für Reportagen, die fast zu schön sind, um wahr zu sein. Oder ein Chefredakteur, der sehr intimen Zugang zu jungen Mitarbeiterinnen pflegt. Auch dass ältere Kolleginnen und Kollegen mit gut dotierten Verträgen von sparwütigen Verlagschefs regelrecht in den Vorruhestand gemobbt werden - alles klingt recht vertraut.

Hammerstein ist bei seinen als ausgiebiges Gassi-Gehen getarnten Recherchen nicht allein - seine Kollegin, die Polizeireporterin Kaja, arbeitet mit ihm zusammen und versucht unverdrossen, Hammerstein vom Sinn gegenderter Sprache zu überzeugen. Ansonsten beschränkt sich ihr Kontakt zur Polizei nicht streng auf das Berufliche, was im Fall des Chefs der "SoKo Pressefreiheit" eine ideale Verbindung von Beruflichem und Privaten ist.

Die Action hält sich in diesem Hanseaten-Krimi zwischen Elbphilharmonie und Schanze in Grenzen, dafür gibt es Lokalkolorit und einen ironischen Blick auch die Mechanismen medialer Aufgeregtheiten.

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