Profilbild von Magdas_buecherwelt

Magdas_buecherwelt

Lesejury Profi
offline

Magdas_buecherwelt ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magdas_buecherwelt über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2024

Rückblick auf ein Leben in der DDR

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
0

Von Michael Tsokos habe ich noch kein Buch gelesen und war sehr auf das Buch gespannt, das er gemeinsam mit seiner Frau Anja geschrieben hat.
Das Cover gefällt mir sehr gut, insbesondere die türkis-gelbe ...

Von Michael Tsokos habe ich noch kein Buch gelesen und war sehr auf das Buch gespannt, das er gemeinsam mit seiner Frau Anja geschrieben hat.
Das Cover gefällt mir sehr gut, insbesondere die türkis-gelbe Farbzusammenstellung ist ganz nach meinem Geschmack.
Heinz Labensky ist knapp achtzig. Er lebt in einem sogenannten Feierabendheim und bekommt eines Tages einen Brief, geschrieben von Rosa, der Tochter seiner einzigen großen Liebe, Rita Warnitzke. Rosa glaubt, dass die menschlichen Knochen, die kürzlich in Berlin-Pankow gefunden wurden, von ihrer Mutter sein könnten, die seit den 1970er Jahren als vermisst gilt.
Heinz steigt in einen Flixbus und macht sich auf den Weg zu Rosa nach Warnemünde. Die Fahrt dauert mehrere Stunden, er fährt über Berlin bis Rostock und schwelgt in Erinnerungen an sein Leben, seine Jugend in der DDR und seine Liebe zu Rita.
Heinz wurde als förderungsunwürdig aus der Grundschule entlassen. Die zwei Jahre jüngere Rita wird im Dorf als Russenkind bezeichnet. Die beiden Außenseiter freunden sich an, Rita bringt Heinz das Lesen bei, er sieht sich als ihr Beschützer. Mit siebzehn verlässt Rita das kleine brandenburgische Dorf und geht nach Berlin. Heinz macht sie in Ostberlin ausfindig und ist der festen Überzeugung, sie nach wie vor beschützen zu müssen.
Im Bus erzählt Heinz diversen Mitreisenden Geschichten aus seinem Leben. Historische Begebenheiten und Persönlichkeiten werden mit fiktiven verknüpft: Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953, die Weltfestspiele in Ostberlin im Sommer 1973, der erste Besuch von Willy Brandt in der DDR, die Suche nach dem legendären Bernsteinzimmer. Erwähnt werden auch der Todesstreifen an der Berliner Mauer, der sog. „Tränenpalast“ am Bahnhof Friedrichstraße und das Stasi-Hotel Neptun in Warnemünde. Am Müggelsee verbringt er einige Stunden in Gesellschaft von drei RAF-Terroristen.
Das Konzept mit der Busfahrt und den Gesprächen mit Mitreisenden finde ich sehr gelungen, aber leider streckenweise langatmig. Die Sicht des Heinz Labensky fand ich etwas zu naiv und weltfremd, die Verknüpfung seines Lebens mit historischen Ereignissen dagegen hat mir sehr gut gefallen. Das Ende hat mich emotional sehr berührt und mit den langwierigen Passagen versöhnt.
Den Roman empfehle ich insbesondere Leser*Innen ist, die in der DDR gelebt haben. Sie werden sicherlich einiges aus ihrer Kindheit/Jugend wiedererkennen. Von mir eine Leseempfehlung für alle, die sich für die deutsch-deutsche Geschichte interessieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.01.2024

Spannende Einblicke in die Welt der Ultraorthodoxen

Die Hoffnung der Chani Kaufman
0

Der Roman ist die Fortsetzung von „Die Hochzeit der Chani Kaufman“, der bereits im Jahre 2015 erschienen ist, und den ich damals gelesen habe.
Die Handlung spielt im Jahr 2009 und 2010 in London und Jerusalem. ...

Der Roman ist die Fortsetzung von „Die Hochzeit der Chani Kaufman“, der bereits im Jahre 2015 erschienen ist, und den ich damals gelesen habe.
Die Handlung spielt im Jahr 2009 und 2010 in London und Jerusalem. Es geht um zwei Frauen und deren Familien, Chani Kaufman und Rivka Zilberman.
Chani ist seit knapp einem Jahr mit Baruch verheiratet. Die beiden leben in Jerusalem, wo Baruch eine Ausbildung zum Rabbi absolviert. Das junge Paar ist totunglücklich darüber, dass Chani noch nicht schwanger ist. Baruchs Mutter Mrs. Levy frohlockt, da sie mit der Brautwahl ihres Sohnes schon immer gehadert hatte. Die Kaufmans sind arm, die Levys reich. Da Baruch Mrs. Levy‘s Lieblingssohn ist, schlägt sie vor, Chani eine Untersuchung in einer renommierten Kinderwunschklinik in London zu bezahlen.
Als die Londoner Gynäkologin feststellt, dass Chani bereits am fünften Zyklustag ihren Eisprung hat, bricht für Chani und Baruch eine Welt zusammen. Nach einem jüdischen Gebot dürfen sie erst am zwölften Zyklustag miteinander schlafen, bis zum Tag 12 ist die Frau „nidda“, also unrein. Baruch als zukünftiger Rabbi hält sich streng an die Gesetze, die vor vielen Jahren von Rabbis erlassen wurden.
Rivka hat Mann und Kinder verlassen, da sie nicht mehr Teil der „Kehilla“, der jüdischen Gemeinde, sein will. Auch ihr Mann ist Rabbi, seine strenggläubigen Gemeindemitglieder haben kein Verständnis für Rivkas Verhalten hat. Ihr ältester Sohn Avromi lebt in Jerusalem und studiert an der Talmudschule „Jeshiwa“. Auch er ist nicht sicher, ob ein Leben als ultraorthodoxer Jude wirklich das ist, was er sich für seine Zukunft wünscht. Die Erfahrungen, die er bei einem spontanen Ausflug nach Tel Aviv macht, führen dazu, dass er sein Leben ändert.
Der Roman hat mir gut gefallen, ich bin gedanklich komplett in die ultraorthodoxe Welt in Jerusalem und London eingetaucht. Über die von Rabbis gemachten veralteten und frauenfeindlichen Gesetze kann ich nur den Kopf schütteln und mich wundern, dass sich Frauen im 21. Jahrhundert noch immer so von Männern und den von ihnen gemachten Gesetzen dominieren lassen.
Der Roman hat einige Längen, insbesondere den Teil der Kinderwunschbehandlung fand ich recht langatmig. Etwas gestört habe ich mich an den häufig eingestreuten hebräischen Begriffen, von denen ich nur diejenigen im Glossar nachgeschlagen habe, die mir für die Handlung relevant erschienen. Auf den Teil mit dem „Schidduch“, der Brautsuche, mit Hilfe von Mrs. Gelbmann hätte ich gänzlich verzichten können.
Am meisten gefiel mir Chanis Geschichte und die Art und Weise, wie sie ihr Problem gelöst hatte. Bei Rivka wiederum bin ich mir nicht sicher, ob ihre Entscheidung richtig war. Das Ende ist offen mit einem Cliffhanger, ich hoffe, dass es eine Fortsetzung geben wird und würde diese sehr gern lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2023

Ruhiges Wohlfühlbuch

Der Schacherzähler
0

Optik und Haptik des Buches finde ich wunderschön, das Cover ist umwerfend. Ich habe noch kein Buch von Judith Pinnow gelesen und habe mich nach der Leseprobe sehr auf das Buch gefreut.
Zum Inhalt: Walter ...

Optik und Haptik des Buches finde ich wunderschön, das Cover ist umwerfend. Ich habe noch kein Buch von Judith Pinnow gelesen und habe mich nach der Leseprobe sehr auf das Buch gefreut.
Zum Inhalt: Walter ist verwitwet und verbringt seine Tage allein mit Schachspielen im Park, seine verstorbene Frau ist seine imaginäre Schachgegnerin.
Malu ist alleinerziehende Mutter des 9jährigen Janne. Sie arbeitet im Blue Hour, dem einzigen Coffee Shop in dem kleinen Ort Bad Altbach. Mit Hinnerk, dem Inhaber des Cafés, ist sie gut befreundet.
Malu und Janne gehen fast täglich in den Park, wo Janne sich auf der Rampe mit seinem Scooter auspowert. Eines Tages spricht Janne Walter an, der sich als Oldman vorstellt. Oldman bringt Janne das Schachspielen bei, Janne erweist sich als Naturtalent. Malu ist angesichts der Bekanntschaft des ungleichen Paares erst skeptisch, nach und nach lernt sie Walter aber näher kennen, und die drei verbringen immer mehr Zeit miteinander.
Neben der sich allmählich entwickelnden Freundschaft der drei gibt es einen weiteren Handlungsstrang, in dem es um die Zukunft des Blue Hour geht. Das Café ist in den roten Zahlen und Malu überlegt, wie es gerettet werden kann.
Dann gibt es da noch Liv, Malus beste Freundin. Sie ist Künstlerin und lebt mit ihrem Mann Alex und Tochter Allegra zusammen, Sohn Vincent ist bereits ausgezogen, um zu studieren.
Alle Handlungsstränge drehen sich um das Thema Vaterschaft und die Frage, welche Rolle der biologische Vater im Leben eines Kindes spielt.
Den Aufbau und den Schreibstil fand ich etwas gewöhnungsbedürftig. Die kurzen Kapitel sind aus der Sicht der wichtigsten Charaktere geschrieben, wobei oft innerhalb des Kapitels die Personen wechseln, und auf einmal die Sicht eines anderen Charakters folgt. Beim Hörbuch würde ich durcheinanderkommen, es sei denn, es würden mehrere SprecherInnen vorlesen: Malu, Janne, Oldman, Liv und Hinnerk. Verwirrend fand ich, dass bei allen außer Oldman die Ich-Perspektive verwendet wird.
Sehr gut gefallen haben mir die kleinen Skizzen, von denen hätte es gerne noch mehr geben können. Berührt haben mich die Rückblenden aus Walters Vergangenheit, das Kennenlernen von Walter und Lieschen, ihre lange und glückliche Ehe. Malus und Jannes Beziehung wird als sehr liebevoll beschrieben, Malu ist eine tolle Mutter, die sich oft über Jannes Lehrerin aufregen muss, die kein Verständnis für den lebhaften Jungen aufbringt und ihn sogar für eine Zeit lang von der Schule suspendiert.
Das Ende ist schön, aber nicht sehr überraschend. Es kommt wenig bis gar keine Spannung auf, die Handlung ist vorhersehbar.
Bis auf die von mir erwähnten Kritikpunkte hat mir das Buch gut gefallen, ich empfehle es allen, die gerne ruhige Wohlfühlbücher lesen

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2023

Unterdrückung durch das DDR-Regime

Die Freiheit so nah
0

Lange habe ich gezögert, ob ich wieder ein Buch lesen soll, das in der ehemaligen DDR spielt. Die DDR ist Teil der deutschen Geschichte, und sie existierte über vierzig Jahre lang. Die meisten Bücher, ...

Lange habe ich gezögert, ob ich wieder ein Buch lesen soll, das in der ehemaligen DDR spielt. Die DDR ist Teil der deutschen Geschichte, und sie existierte über vierzig Jahre lang. Die meisten Bücher, die ich über die Zeit der deutsch-deutschen Teilung gelesen habe, spielen zur Zeit des Mauerbaus. „Die Freiheit so nah“ spielt Mitte/Ende der 1980er Jahre, also nur wenige Jahre vor dem Mauerfall.
Die Autorin erzählt die Geschichte ihres Ehemannes Andreas, der im Buch Kay genannt wird. Kay ist Teil einer Jungen-Clique, die acht Freunde, das sind neben Kay Sascha, Juri, der Prof, Oliver, die Zwillinge Alexander und Ricksen und Hannes. Sie sind seit der ersten Klasse befreundet und leben in Rostock. Alle, aber ganz besonders Kay, träumen von der großen weiten Welt. Kays Vater war Seemann und hat in ihm die Liebe zum Meer und die Sehnsucht nach fremden Ländern geweckt. Kay schafft es und schließt erfolgreich eine Ausbildung zum Seemann ab, doch bereits nach seiner ersten Reise nach Lateinamerika wird ihm sein Seefahrtsbuch entzogen und sein Berufsleben findet ein jähes Ende. Dann wird er auch noch von seiner Freundin und dem Prof tief enttäuscht.
Von da an geht es in seinem Leben bergab, die einzigen Lichtblicke sind die Treffen mit seinen Freunden in der Kneipe, die Saschas Vater gehört. Kay grübelt tage- und nächtelang darüber nach, warum ihm das Seefahrtsbuch entzogen wurde, und wer ihn bei der Stasi denunziert hat. In der Clique wird oft über eine Flucht in den Westen gesprochen, manch einer überlegt, die Stasi herauszufordern, um ins Gefängnis zu kommen und anschließend von der Bundesrepublik freigekauft zu werden.
Die Geschichte wird aus Kays Perspektive erzählt, der Schreibstil ist angenehm und flüssig, ich hatte anfangs Schwierigkeiten, die acht Jungs zuzuordnen und auseinanderzuhalten. Im Großen und Ganzen mochte ich das Buch und empfehle es allen, die sich für das Leben in der DDR in den 1980ern interessieren. Besonders interessant ist es sicherlich für Zeitzeugen, die wie Kay und seine Freunde unter dem DDR-Regime gelitten haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2024

Der Leidensweg eines jungen Mädchens auf dem Weg zur Erblindung

Die Nacht der Schildkröten
0

An dem Buch Die Nacht der Schildkröten von Greta Olivo hat mich alles gereizt: der Titel, Livias Geschichte, das wunderschöne Cover und die begeisterten Leseeindrücke, die ich zu dem Buch gelesen habe. ...

An dem Buch Die Nacht der Schildkröten von Greta Olivo hat mich alles gereizt: der Titel, Livias Geschichte, das wunderschöne Cover und die begeisterten Leseeindrücke, die ich zu dem Buch gelesen habe. Leider kann ich mich diesen nicht anschließen.
Greta Olivo erzählt Livias Geschichte im Alter zwischen elf und fünfzehn Jahren.
Ich fange mit dem Titel an. Schildkröten kamen nur in einer Szene vor, als die elfjährige Livia im Ferienlager ist und mit anderen Jugendlichen eines Nachts Schildkröten am Strand beobachtet. Sie ist zu eitel, um ihre Brille mit den dicken Gläsern zu tragen und trägt Kontaktlinsen, die sie der Mutter ihrer Freundin entwendet hat. Ich weiß, wie schwer es ist, Kontaktlinsen einzusetzen und Livia schafft es auf Anhieb? Sie vergisst, sie vor dem Einschlafen herauszunehmen und am nächsten Morgen sind ihre Augen zusammengeklebt. Die Betreuerin aus dem Jugendlager bringt sie in die Notaufnahme der Augenklinik.
Livia hat eine Augenerkrankung, die zur Erblindung führt, bei ihr schreitet die Krankheit sehr schnell voran. Sie schämt sich für die dicke Brille, die sie tragen muss. Kontaktlinsen darf sie täglich nur fünf Stunden tragen, sie trägt sie viel länger. Mehrmals in der Woche besucht sie eine Einrichtung für Blinde, in der ihr beigebracht wird, ein Leben als Blinde zu bewältigen: Im Dunkeln zu kochen, die Kaffeemaschine zu füllen, die Kleidung für den nächsten Tag herauszusuchen, sich zu schminken, ohne zu schauen Enthaarungswachs und Hygieneartikel zu benutzen. „Das sind wichtige Dinge, es geht schließlich darum, eine Frau zu bleiben.“ (S. 141) Sie lernt auch, die Braille-Schrift zu lesen.
Livia weist alle, die sich ihr nähern wollen, brüsk zurück: Daniele, der ihr täglich die Hausaufgaben bringt und ihr immer, wenn sie aufgrund ihrer schwindenden Sehkraft, Hilfe braucht, diese anbietet, Schulfreundinnen und eine Lehrerin und sogar ihren Tutor Emilio in der Einrichtung für Blinde.
„Meine Kräfte konzentrierten sich darauf, all das zu bewahren, was mir verloren ging. Ich fühlte mich entsetzlich weit weg von den Leuten in meinem Alter, die Erfahrungen machten, Dinge zum ersten Mal taten, Zeit hatten, etwas aufzubauen. Mein Leben hingegen schien gnadenlos auf den Verlust zuzurasen.“ (S. 134)
Natürlich hatte ich großes Mitgefühl mit Livia, ein Leben in völliger Dunkelheit muss furchtbar sein. Die Autorin hat Livias Umgang mit ihrer Erkrankung authentisch beschrieben. Was meiner Meinung nach fehlt, ist ein Nachwort. Ist Livias Geschichte fiktiv oder an einen realen Fall angelehnt? Woher kennt sich die Autorin so gut mit Erblindung und Einrichtungen für Blinde aus? Dass Livia in Rom lebt, wird kaum ersichtlich, ihre Geschichte hätte auch in Deutschland spielen können. Ich weiß, dass viele diesen Coming of Age-Roman sehr gern gelesen haben, von mir bekommt er drei Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere