Ließ mich hin und hergerissen zurück
Betrug ist tatsächlich mein erster Roman der gefeierten Autorin Zadie Smith und ich war sehr neugierig, wie sie diesen historischen Gerichtsfall erzählen würde. Ich bin sowohl inhaltlich als auch bezüglich ...
Betrug ist tatsächlich mein erster Roman der gefeierten Autorin Zadie Smith und ich war sehr neugierig, wie sie diesen historischen Gerichtsfall erzählen würde. Ich bin sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Autorin also völlig unbedacht an die Geschichte herangegangen.
Erzählt wird in angenehm kurzen, episodenhaften Kapiteln hauptsächlich aus der Sicht von Mrs. Eliza Touchet, die Haushälterin des bekannten Schriftstellers William Ainsworth. Durch ihre Augen erhält man Einblicke in das alltägliche Leben dieses Schriftstellers sowie in das damalige Leben in England und dessen Verwerfungen. Dabei lässt Eliza bereits nach einigen Seiten tief blicken. Hinter der Fassade der Bürgerlichkeit verbergen sich einige Abgründe. Ich war sehr oft hin- und hergerissen, ob ich die Charaktere mag oder nicht.
Die Handlung springt wie flüchtige Gedanken in Vergangenheit und Gegenwart, was zwischendurch zu Verwirrung führen kann. Man muss sich konzentrieren, um der Handlung zu folgen - die Autorin schafft es aber, dabei insgesamt den roten Faden nicht zu verlieren.
Vor allem Eliza ließ mich immer öfter zwiegespalten zurück, was die Autorin aber sicherlich beabsichtigt hat. Denn sie ist ein außergewöhnlicher, unangepasster Charakter, der geradlinig und mit klarem Verstand seine Umgebung seziert.
So versucht Eliza auch den Fall um den vermeintlichen Tichborne-Erben aufzudröseln und der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Die Autorin verwebt so geschickt eine Geschichte in der Geschichte und gibt Einblicke in das Leben auf den Kolonien, allem voran Jamaika. Dabei verwendet sie auch einiges an historisch verbürgtem Material und webt dieses in die Handlung ein. Als Leser habe ich mich dabei ertappt, wie ich selbst versucht habe, der Geschichte des vermeintlichen Tichborne-Erben etwas abzugewinnen, vermochte sie doch auch die Massen der ärmeren Bevölkerung zu begeistern.
Neben dem Tichborne-Fall als Aufhänger spricht die Autorin somit viele Themen an und legt sie unter das Brennglas von Elizas Erzählungen. Themen wie Gender, die heterosexuelle Norm, Prüderie, Rassismus, die Folgen des Kolonialismus und viele weitere werden stilistisch sicher in ihre Gedanken verpackt und subtil an den Leser herangetragen. Ein Buch, das mich zum einen wegen seiner Umsetzung beeindrucken konnte, zum anderen hat es mich inhaltlich dann aber doch etwas verhungern lassen. Vielleicht, weil ich unbewusst doch etwas anderes erwartet hatte. Es wird sicherlich dennoch viele Leser für sich gewinnen können.