Von Margaret Rogerson habe ich bereits Der Rabenprinz gelesen. Ein leichtes Jugendbuch, dass jetzt kein Highlight war, aber trotzdem Spaß gemacht hat. Mit ähnlichen Erwartungen nahm ich mir nun auch dieses ...
Von Margaret Rogerson habe ich bereits Der Rabenprinz gelesen. Ein leichtes Jugendbuch, dass jetzt kein Highlight war, aber trotzdem Spaß gemacht hat. Mit ähnlichen Erwartungen nahm ich mir nun auch dieses Werk der Autorin vor und wurde nicht enttäuscht.
Ein Leben voller Bücher – Bücher voller Leben
Zu Beginn des Buches lernen wir Elisabeth und ihr Leben in der riesigen Bibliothek voller magischer Bücher kennen. Entschlossen und klug wie sie war, war mir Elisabeth gleich sympathisch und ihre spürbare Liebe zu den Büchern, selbst wenn sie in ihrer Welt gefährlich sind, hat mein Bookie-Herz natürlich auch berührt. Ganz besonders gefallen haben mir in diesen ersten und auch den späteren Kapitel Rogersons Beschreibungen der Grimoires. Wie jedes Buch seinen eigenen Charakter hat, seine eigenen Macken und Ticks war sehr unterhaltsam und es hat mir ungemein Spaß gemacht die Vielfalt der lebenden Bücher zu erkunden. Tatsächlich hätte ich liebend gerne noch mehr von ihnen kennengelernt, denn sie waren wirklich mein Highlight in dem Buch.
Das restliche Worldbuilding empfand ich als ok. An einigen Stellen, grade auch im Magiesystem hätte es ruhig ausführlicher und detaillierter sein können, aber es reicht aus, damit der Eindruck einer individuellen Welt entsteht und was für die Geschichte wirklich wichtig ist, wird auch ausreichend beleuchtet. Mehr Details hätten e s aber einfach noch lebendiger gemacht.
Sicheres Terrain
Was die Handlung angeht, so sehe ich im Stil her viele Parallelen zum Rabenprinzen. Wir haben wieder sehr typische Elemente der YA-Fantasy wie den geheimnisvoll, düsteren Magie, mit tragischer Vergangenheit als Love Interest, Gefangennahme und Flucht der Protagonistin, Nahtod des Loveinterest etc. Alles nicht schlecht, aber auch nicht wirklich kreativ. Was ein bisschen Schade ist, denn die Autorin hat einige wirklich schöne Ideen, die sich durchaus für so manche Überraschung eignen würde, wenn man sie weiter ausgebaut hätte, doch ich habe beim Lesen manchmal das Gefühl, dass ihr der Mut fehlt aus diesen Ansätzen wirklich schockierende Plottwists oder kontroverse Handlungen zu machen. Sie bleibt lieber auf dem sicheren
Terrain der locker-leichten Unterhaltung.
Nun sollte herausragende Kreativität kein alleiniger Standard für ein gutes Buch sein (es zeichnet lediglich die exzellenten Bücher aus), Margaret Rogerson mag sich zwar (erneut) hauptsächlich an bekannten Kniffs und Tricks der YA-Literatur bedienen, dafür schreibt sie einnehmend und unterhaltsam. Die Story in Der dunkelste aller Zauber ist rund, das Erzähltempo zügig, ohne zu übereilt zu sein und die Liebesgeschichte wurde geschickt dosiert. Sie ergänzt die Handlung, ohne sich in den Vordergrund zu drängen oder übermäßig kitschig zu wirken. Das alles führt dazu, dass ich Der dunkelste aller Zauber zügig und mit Freude gelesen habe. Für mich ein Buch zum Entspannen und Herunterkommen, das ich gerne gelesen habe.
Fazit:
Der dunkelste aller Zauber ist ein ähnliches Buch, wie auch Der Rabenprinz von Margaret Rogerson. Nicht vom Inhalt, sondern vom Stil und der Art her. Es sind locker-leichte Jugendbücher, die das Rad nicht neu erfinden, aber sympathische Protagonisten, ein paar schöne Ideen und eine runde Story haben. Kurzweiliges Lesevergnügen für zwischendurch.
Dieses Buch habe ich in einem Buddyread gelesen. Für uns beide war es das erste Buch von Kevin Hearne. Die Druiden Reihe kannten wir zwar vom Namen her, noch keine von uns hat sie zuvor gelesen, sodass ...
Dieses Buch habe ich in einem Buddyread gelesen. Für uns beide war es das erste Buch von Kevin Hearne. Die Druiden Reihe kannten wir zwar vom Namen her, noch keine von uns hat sie zuvor gelesen, sodass Hearne für uns beide ein unbeschriebenes Blatt war und wir einfach drauflos lasen.
Im Bann der irischen Götter und die Macht der Siegel
Wir befinden uns in Glasgow der Gegenwart. Al MacBharrais ist ein sogenannter Siegelagent. Seine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die vielen vielen magischen Wesen uns den diversen Pantheons der Welt sich an den Vertrag halten, den sie vor Jahrhunderten mit der Menschheit geschlossen haben. Dazu gehören vor allem Regeln, wann wer die Menschenwelt betreten darf und wie lange und zu welchem Zweck sie bleiben dürfen, ein bisschen wie eine magische Einwanderungsbehörde und als Al dann auf einen Fall von Feenschmuggel trifft, ist auch noch sein Spürsinn gefragt.
Da dies wie gesagt mein erstes Buch von Hearne ist, tauchte ich völlig ahnungslos in dieses Serienuniversum ein und kann euch gleich versichern: Es ist nicht nötig zuerst die Druiden Reihe lesen zu müssen. Tinte & Siege spielt zwar nach der Druiden Reihe und dessen Protagonist hat auch einen kurzen “Gastauftritt”, doch für das Verständnis von Handlung und Universum sind keine Vorkenntnisse nötig und alles Wichtige an Hintergründe zu dem Magiesystem und der Welt werden während der Handlung vermittelt, was schön ist, da ich sowohl die Siegelmagie, als auch den Weltenentwurf mit den verschiedenen Mythologien und Pantheons sehr gelungen fand. Ein klitzekleines bisschen schade fand ich es nur, dass zwar andere Pantheons erwähnt werden, für die Handlung dann aber doch nur die irischen Fabelwesen relevant waren, aber das ist reine Geschmackssache und es werden auch hier und da Hinweise gestreut, dass wir in Band zwei vielleicht auch andere Wesen antreffen werden.
Eine bunte Truppe voller witziger und eigenwilliger Figuren
Was haben ein Siegelagent mit Computerstimme, ein fluchender Hobgoblin und Gladys, die schon viel Scheiße gesehen hat, gemein? Sie alle kommen in Tinte & Siegel vor! Wenn dieses Buch eine Stärke hat, dann sind das die abgedrehten und schrulligen Figuren. Da ist natürliche erstmal Al selbst. Er ist schon über 60, was mich ziemlich überraschte, aber auch begeisterte, sind solch ältere Protagonisten normalerweise im Fantasygenre kaum zu finden. Durch das Alter hat er auch schon ein gewisses Maß an Lebenserfahrung und – weisheit und lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, wodurch ich ihn sehr angenehm als Protagonisten empfand. Da ihn ein Fluch daran hindert, mit anderen Leuten direkt zu sprechen, kommuniziert er mit einer Sprachapp auf seinem Handy, was auf der einen Seite sehr faszinierend war und vielleicht auch ein Bewusstsein in der Leserschaft für Menschen, die auf anderen Wegen als verbale Sprache kommunizieren schafft, auf der anderen Seite aber auch zu einigen sehr amüsanten Situationen führte.
Doch nicht nur der Protagonist glänzt mit liebenswerter Andersartigkeit, auch die restlichen Charaktere sind individuell und kreativ ausgearbeitet und man hat das Gefühl, dass jede neue Figur auch tatsächlich Buch und Handlung bereichert, selbst wenn sie nur einen kurzen Auftritt hat.
Albern? Ja. Tiefes Niveau? Manchmal. Unterhaltsam? Definitiv!
Bei meinen bisherigen Beschreibungen vom Buch könnt ihr es euch vielleicht schon denken, dass das Buch eine lustige Note einschlägt. Zugegeben, es ist vielleicht nicht der anspruchsvollste Humor und manchmal etwas derb, ich fand es meistens trotzdem lustig. Manchmal darf es ruhig sowas Albernes, wie ein derb fluchender Hobgoblin oder die Verehrung eines Whisky/Käse Gottes sein. Zumal der Humor dafür sorgt, dass auch die ruhigeren Kapitel immer noch sehr unterhaltsam bleiben und es für mich so keine zähne Passagen im Buch gab.
Was mich dann noch ganz besonders gefreut hat, sind zahlreiche Anspielungen auf diverse Fandoms aus Film, Serie und Gaming, die das Nerdherz spätestens dann höher schlagen lässt, wenn eine Truppe von Tabletop Figuren die Retter des Tages sind. Es wird sogar Avatar erwähnt!! Avatar (nein nicht die blauen Viecher) der Herr der Elemente, eins meiner absoluten lifetime Fandoms. Ich bekam sofort Schnappatmung 😂
Bei all diesem Humor und den kreativen Plotideen und eigenwilligen Figuren war ich lediglich von der Auflösung des Feenschmuggels enttäuscht. Die Auflösung, wer wie und warum dahinter steckte, fand ich ziemlich banal und im Vergleich zum restlichen Buch auch recht einfallslos bez. einfach ausgelutscht, wenngleich der Showdown dann aber glücklicherweise wieder sehr unterhaltsam war.
Fazit:
Tinte & Siegel ein wirklich sehr unterhaltsames Buch, das mit einzigartigen Figuren, vielen kreativen Ideen und einem schlichten, aber einnehmenden Humor mir so einige amüsante Lesestunden beschert hat. Es wird bestimmt nicht mein letztes Buch von diesem Autor sein.
Nina Blazon ist eine Autorin, die ich schon seit Längerem gerne lese. Ascheherz, Faunblut, Der dunkle Kuss der Sterne, Rabenherz & Eismund und Der Winter der schwarzen Rosen konnten mich schon verzaubern. ...
Nina Blazon ist eine Autorin, die ich schon seit Längerem gerne lese. Ascheherz, Faunblut, Der dunkle Kuss der Sterne, Rabenherz & Eismund und Der Winter der schwarzen Rosen konnten mich schon verzaubern. Nun konnte ich ein weiteres Blazon Buch von meinem SUB befreien und war mehr als gespannt.
Eine Reise ins historische Serbien voller Aberglauben und Folklore
Mit Totenbraut verließ ich nun erstmals die fantastische Faunblutwelt von Nina Blazon und tauchte ein ins historische Serbien des 18. Jahrhunderts. Doch auch wenn wir dieses Mal keine fantastische, magische Welt haben, müssen wir auf Blazon Talent für Atmosphäre und Kreativität nicht verzichten, denn statt Magie und Zauberwesen, erweckt die Autorin eine kleine Dorfgemeinschaft anschaulich zum Leben. Ein Dorf irgendwo im Nirgendwo von Serbien, in dem die Leute stark von ihren Traditionen, Gebräuchen und Aberglauben geprägt sind. Es ist eine Zeit und ein Ort, der uns aus unserer modernen Sicht fast ebenso fantastisch vorkommt, wie die Faunblutwelt und den die Autorin mit demselben feinen Gespür für die richtigen Worte Leben einhaucht. Wie so oft, wenn ich Blazons Bücher lese, arbeitete mein Kopfkino auf vollen Touren und ich konnte mir sowohl das bedrückende, schroffe Anwesen der Vukovićs als auch das kleine Dorf im serbischen Grenzland lebhaft vorstellen.
Das sich dieser Ausflug ins 18. Jahrhundert so authentisch anfühlt, liegt auch an der hervorragenden Recherchearbeit der Autorin, die man von der ersten, bis zur letzten Seite an spürt. Insbesondere was die Gebräuche, die Auslebung des orthodoxen Glaubens und den Aberglauben der ländlichen Bevölkerung dieser Region und dieser Zeit angeht, merkt man, dass Nina Blazon sich intensiv damit beschäftigt hat. Sicherlich ist nicht alles zu hundert Prozent historisch korrekt, aber das erwartet man von einem Roman auch nicht. Die Autorin hat sich künstlerische Freiheiten rausgenommen, verfälscht aber nichts und schafft es so den/die Leser/in tief in diesen Schauplatz, dieses Dorf, dass erstarrt und gefangen von der Angst und dem Aberglauben ist, eindringen zu lassen. Dabei verknüpft sie geschickt ihre fiktive Geschichte, mit realen Überlieferungen und bezieht, wie man im Nachwort erfährt, sogar einen realen historischen Fall von unerklärlichen Todesfällen mit ein.
Das Ergebnis von all dem ist, dass sich Totenbraut wie eine Zeitreise liest und einen als Leser/in ziemlich schnell in den Bann schlägt und auch nicht mehr so schnell loslässt.
Vampirismus im 18. Jahrhundert
Kommen wir zur Handlung des Buches. Gleich vorweg: Wer eine temporeiche Erzählung sucht, in der dramatische Ereignisse Schlag auf Schlag kommen und in der in kurzer Zeit viel passiert, wird mit Totenbraut nicht glücklich werden. Auch Liebhaber von den typischen Vampirromanzen werden hier nicht fündig, denn Totenbraut ist weder besonders romantisch (es gibt zwar eine Liebesgeschichte, aber die ist zurückhaltender), noch temporeich. Stattdessen bekommen wir eine Story, die sich langsam entfaltet, von der man lange nicht weiß, wo sie hinführt und die ihren dramaturgischen Höhepunkt im Hintergrund aufbaut. Doch das heißt nicht, dass das Buch langweilig wäre, auch wenn ich zugeben muss, dass einzelne Szenen etwas gekürzt hätten werden können, mein einziger Kritikpunkt. Der Großteil der Spannung wird von den vielen Geheimnissen aufrecht gehalten, die das Landgut und seine Bewohner umringen. Wie ein Puzzle setzt sich das Gesamtbild für den/die Leser/in erst Stück für Stück zusammen, noch dazu kann der Plot mit einigen Wendungen noch überraschen, als man schon dachte hinter das Geheimnis gekommen zu sein.
Worum es bei all den Geheimnissen geht, verrät ja schon der Klapptext des Buches: Vampire. Doch reden wir hier von echten Blutsaugern oder sind sie nur Einbildung, eines angsteschüttelten Dorfes? Mit dieser Frage spielt die Autorin die gesamte Handlung über. Normalerweise ist das etwas, was ich gar nicht mag (Ich will echte übernatürliche Wesen und mich nicht ständig fragen müssen, ob sie real sind oder nicht), doch Nina Blazon webt ihre Geschichte aus Aberglauben und Realität, Mystik und Historie so geschickt, dass es mich bei diesem Buch ausnahmsweise mal überhaupt nicht gestört hat. Doch ob die Vampire Serbiens nun real sind oder nicht, verrate ich euch nicht, dass müsst ihr schon alleine herausfinden, nur so viel sei gesagt: bis zum Schluss des Buches sind beide Optionen durchaus plausible und möglich.
Fazit:
Nina Blazon bleibt eine meiner liebsten Autorinnen. Auch ohne Fantasywelt schafft sie es durch die Magie ihrer Worte und eine spürbar gründliche Recherche ihr Setting des historischen Serbiens lebendig und authentisch wirken zu lassen und erschafft eine Atmosphäre, die den/die Leser/in in ihren Bann zieht.
Als ich mit dem Lesen von diesem Buch begann, war ich voller Freude und Skepsis zugleich. Freude, weil der Klapptext eigentlich sehr vielversprechend und spannend klang. Skepsis, weil ich immer noch Gänsehaut ...
Als ich mit dem Lesen von diesem Buch begann, war ich voller Freude und Skepsis zugleich. Freude, weil der Klapptext eigentlich sehr vielversprechend und spannend klang. Skepsis, weil ich immer noch Gänsehaut von dem letzten, als feministisches Highlight gepriesenes Pandemiebuch (aka Die andere Hälfte der Welt oder auch mein Hassbuch 2022) hatte. Ich war also sehr gespannt. Hält dieses Buch, was es verspricht, oder erwartete mich das nächste Debakel?
Alle 11 Minuten wird weltweit eine Frau oder ein Mädchen von ihrem Partner oder ihrer Familie getötet (Quelle: Statistisches Bundesamt)
In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen Opfer von Gewalt (Quelle: ZDF Heute), jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal phyische und/oder sexuelle Gewalt, etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner (Quelle: BMFSFJ). Die Täter sind im Großteil der Fälle nicht etwa der Perverse, der nachts im Busch lauert, sondern Ehemänner, Partner, Expartner. In mitunter groß angelegten Kampagnen bringt man schon kleinen Mädchen bei, sich vor dem bösen Fremden zu schützen (Stichwort Stranger Danger), dabei liegt die größte Gefahr für Frauen und Mädchen meist im eigenen zu Hause. Das Perfide: Viele Täter geben sich nach Außen als liebevolle und fürsorgliche Familienmenschen aus. Sie manipulieren und beherrschen ihre Familie bis hin zur absoluten Kontrolle. Da nach außen hin diese Täter oft als nette, ja sogar häufig als in der Gemeinschaft hoch anerkannte Menschen angesehen wird, werden die Zustände hinter verschlossenen Türen nicht erkannt und für die Opfer wird es immer schwieriger aus diesem Käfig aus Gewalt auszubrechen, da sie a) immer weiter isoliert werden und b) man ihnen mitunter einfach nicht glaubt.
"Das ist unter Missbrauchstätern eine Standardtaktik. Sie bringen dich dazu, deiner eigenen Wahrnehmung zu misstrauen, überzeugen dich, dass du dich falsch erinnerst oder dir ohnehin niemand glauben würde. Sie wollen, dass du denkst, du wärst verrückt, irrational, hilflos. Sie isolieren dich vor jedem, der dir helfen könnte, bist du niemanden mehr hast, dem du dich anvertrauen kannst. Sie wollen dich zum Schweigen bringen."
(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.395f.)
Genau in solch einer Situation befindet sich auch Chelsea zu Beginn des Buches The Violence. Nach außen hin führt sie mit ihrem Mann David die “perfekte” Ehe, haben ein großes Haus, zwei Kinder und Chelsea gibt die perfekte Hausfrau. Doch David ist ein Trinker, aber auch wenn er nicht trinkt, tyrannisiert er seine Familie, beherrscht sie, kontrolliert sie, misshandelt sie. Er schlägt und würgt Chelsea und macht auch vor seiner ältesten Tochter Ella nicht Halt. Dazu kommt noch eine narzisstische und egoistische Mutter.
Diese ersten 200 Seiten im Buch sind daher emotional schwer zu ertragen. Beim Lesen empfand ich Wut, Hass und Zorn, denn ich weiß ganz genau, dass die Autorin hier nicht im Geringsten übertreibt, sondern dass es solchen Abschaum wie David wirklich gibt. Hunderte, Tausende Davids, die tagtäglich ihre Frauen und Partnerinnen misshandeln. Das erste Drittel des Buches war daher eine Achterbahnfahrt der negativen Gefühle für mich, wobei ich betonen möchte, dass das für mich kein Kritikpunkt ist, im Gegenteil. Ein Buch, das mich emotional so abholt, in der ein oder anderen Weise macht immer etwas richtig. Aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt, daher erzähle ich euch davon, denn abgesehen von der emotionalen Belastung, ist die Autorin auch nicht allzu zimperlich bei der Darstellung von physischer Gewalt und ja ein Hund stirbt und es wird auch genauer geschildert wie, da das ein Wendepunkt der Handlung ist. Es ist eine kurze einmalige Szene, wer aber mit dem Tod von Tieren bez. der Schilderung von dessen Tötung gar nicht konfrontiert werden möchte, sei hiermit gewarnt.
Der Weg in die Freiheit
Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem Chelsea das Violence Virus nutzen kann, um sich und ihre Töchter zumindest vorübergehend aus dem Griff ihres Ehemannes zu befreien, und ab hier beginnt der Kampf zurück zu sich selbst und in die Freiheit und das nicht nur für sie, sondern auch für ihre Tochter Ella und ihre Mutter Patricia, sodass wir in diesem Buch miterleben, wie drei Generationen von Frauen sich aus der Spirale von männlicher Macht und Gewalt zu befreien versuchen.
Die Schilderung dieses Prozesses ist die große Stärke des Buches. In einem emotionalen Vorwort berichtet die Autorin Delilah S. Dawson, dass sie selbst ein Opfer häuslicher Gewalt war und dass The Violence auch eine Form der Aufarbeitung ist. Man merkt deutlich, dass die Autorin ihre eigenen Erlebnisse verarbeitet, sowohl die Gewalt, als auch die Therapie und Heilung danach, wodurch sie die emotionalen Aspekte dieser Entwicklung sehr authentisch wiedergibt. Die Beschreibungen der Gewalt und ihrer Auswirkungen auf die Opfer sind erschreckend realistisch, aber auch einfühlsam dargestellt. Dadurch wird dem Leser bewusst, wie tiefgreifend und langanhaltend die Spuren von häuslicher Gewalt sein können.
“Ist okay. Es ist nicht deine Schuld.”
Chelsea lässt den Kopf hängen. “Es ist meine Schuld. Ich habe es zugelassen.”
[…] Es ist nicht deine Schuld. Es ist etwas, das dir zugestoßen ist, nicht etwas, das du verursacht hast. Das wäre, als würdest du sagen, du hast zugelassen, dass ein Fels auf dich runtergestürzt ist. Du hast nicht darum gebeten. Wenn Missbrauchstäter ihre Spielzüge ankündigen würden, gäbe es keine Opfer. […] Du bist nicht schwach. Du musst dich selbst nicht kleinmachen. Du darfst Gefühle haben. Du darfst wütend sein. Du darfst Platz für dich beanspruchen. Du darfst irrational und laut und hässlich sein. Du musst dich selbst nicht beschneiden. Nie wieder."
(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.396.)
Besonders beeindruckend ist der authentische Entwicklungsprozess der Hauptcharaktere. Es ist inspirierend zu beobachten, wie sie ihre Ängste und Traumata überwinden und allmählich wieder zu sich selbst finden. Diese Entwicklung ist glaubwürdig und gut durchdacht, was dem Leser ermöglicht, sich mit den Charakteren zu identifizieren und mit ihnen mitzufühlen. Es ist ermutigend zu sehen, wie sie Stärke und Mut finden, um sich aus der Gewaltspirale zu befreien.
"Mach dich niemals kleiner, nur um jemanden zu gefallen, der sich groß fühlen will."
(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.355.)
Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat ist, dass das Buch zwar in Form von David und seine Kumpanen zeigt, wie Frauen unterdrückt und misshandelt werden, das Buch aber auch positive Männerfiguren hat. In vielen Büchern, die sich Feminismus auf die Fahne geschrieben haben, geht es nur darum, wie schlecht und böse die Männer sind (hust Die andere Hälfte der Welt), aber das hat mit Feminismus dann nicht mehr viel zu tun. Die Autorin vermittelt hingegen die wichtige Botschaft, dass Feminismus nicht bedeutet, dass alle Männer schlecht sind. Indem sie Charaktere einführt, die als Unterstützung und Hilfe für die Opfer auftreten und das ganz ohne Retter in weißer Rüstung Klischee, sondern als Unterstützer und Zuhörer, unterstreicht sie die Bedeutung von Solidarität und gegenseitigem Respekt zwischen den Geschlechtern. Das fand ich große Klasse.
War da nicht noch etwas mit einem Virus?
Doch “Moment”, denkt ihr euch jetzt vielleicht, “Du hast uns jetzt schon so viel über das Thema häusliche Gewalt im Buch erzählt, aber gab es da nicht noch eine Pandemie und ein Virus, dass alle in Killermaschinen verwandelt?” Ähm ja, die gibt es und immer wieder spielt die Pandemie auch eine wichtige Rolle in dem Buch, aber ganz ehrlich? Mit minimalen Änderungen hätte die gesamte Geschichte auch ohne das Virus funktioniert. The Violence ist in erster Linie ein Buch, dass das Thema häusliche Gewalt aufarbeitet, und das macht es auch sehr gut, als apokalyptischer Endzeitroman überzeugt es hingegen weniger, denn dafür erscheint das Virus zu unausgereift bez. die ganze Pandemie rückt nie so richtig in den Fokus und bekommt dementsprechend auch kaum Hintergrundinfos, sodass das Violence Virus stets nur ein Nebendarsteller bleibt. Da ich gänzlich ohne Erwartungen an das Buch herangegangen bin, hat mich dieser Aspekt weniger gestört, aber wer Lust auf einen richtigen Endzeitroman hat, neugierig auf das Virus ist und wie die Pandemie sich auf die Gesellschaft auswirkt, oder einfach die Welt brennen sehen will, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden.
Dazu kommen durch die mangelnde Ausarbeitung des Virus auch einige Logikfehler und hin und wieder sind Dinge ziemlich überzogen dargestellt. Aber auch hier muss ich sagen, dass mich die Emotionalität des Buches gnädig gestimmt hat. Ich kann euch keine genaue Begründung liefern, aber was mich bei anderen Romanen an unrealistischem Verhalten und Löchern ohne Informationen auf die Palme gebracht hätte, hat mich bei The Violence nicht so gestört. Ja manches ist unrealistisch bis albern, trotzdem hat es für mich persönlich funktioniert und ich habe das Buch wirklich gerne gelesen und denke auch, dass es bei mir noch eine ganze Weile nachhallen wird.
Fazit:
The Violence ist ein Buch, dass einen vor allem emotional mitnimmt. Es ist eines jener Bücher, die dich erst auf die Palme bringen und Wunden in dein Herz reißen, um dann fein säuberlich ein wohltuendes Pflaster draufzupacken. Als Manko sind einige Logikfehler, Überzeichnungen und die Tatsache, dass das Virus und die Pandemie nur Hintergrund sind, zu nennen, was ich aber in diesem Fall nicht ganz so eng sah, da mir das Buch nach Beenden einfach ein gutes Gefühl gegeben hat.
Schon seit einiger Zeit lese ich immer wieder gerne die Bücher von Christina Henry, daher weckte auch Der Geisterbaum wieder sofort mein Interesse. Umso mehr, weil wir hier zum ersten Mal keine Geschichte ...
Schon seit einiger Zeit lese ich immer wieder gerne die Bücher von Christina Henry, daher weckte auch Der Geisterbaum wieder sofort mein Interesse. Umso mehr, weil wir hier zum ersten Mal keine Geschichte in Anlehnung an eine bekannte Legende/Märchen haben, sondern ein Henry Original und ich war gespannt, wie die Autorin diese Freiheit nutzen würde.
Something is odd in this town
Eine verschlafene amerikanische Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo, in der in den 80er Jahren so einiges Merkwürdiges vorgeht. Stranger Things lässt grüßen. So althergebracht das mysteriöse amerikanische Städtchen in der Horrorliteratur auch ist, lässt sich doch ohne Weiteres sagen, dass Christina Henry es meisterlich versteht, dieses klassische Setting für sich und ihr Buch zu nutzen und so ist wieder einmal die Stimmung die ganz große Stärke der Autorin. Die unterschwellige Angst, das nicht genau zu benennende Unheil, dass der Stadt droht und das Gefühl von Beunruhigung, weil trotz strahlendem Sonnenschein und spielenden Kinder irgendwas nicht zu stimmen scheint, bestimmen die Atmosphäre des Buches und schafft auch beim Leser/in ein beklemmendes Gefühl. Beklemmend genug, um darüber hinwegzutrösten, dass die Hintergründe, was in Smith Hollow vor sich geht, schon relativ früh enthüllt werden.
Zu dieser Stadt, die gefühlt de ganze Zeit den Atem anhält, passt auch Protagonistin Lauren, die in einem Alter ist, in dem sich vieles halb das eine, halb das andere anfühlt, in dem man Kind und Teenager zugleich ist und vieles im Umbruch scheint. So hat Lauren neben dem Bösen, das im Wald lauert, auch viel mit ganz gängigen Problemen ihres Alters zu kämpfen, was den Roman in vielerlei Hinsicht zu einem Coming-of-Age Roman macht. Dazu gehört auch eine keine Liebesstory, die meiner Meinung zwar nicht absolut störend war, es aber auch nicht gebraucht hätte.
Doch Coming-of-Age und Horror allein reichten der Autorin noch nicht. Nein Gesellschaftskritik sollte auch noch in den Roman und auch wenn ich die Absichten dahinter sehr begrüße, muss ich doch sagen, dass sich Henry hierbei übernommen hat. So geht es in einem Nebenhandlungsstrang um Rassismus, während ein anderer sich mit Slutshaming beschäftigt und die Haupthandlung wirft auch noch Fragen bezüglich des Kapitalismus und der Konsumgesellschaft auf. Das sind zu viele Themen auf einmal, die sich leider gegenseitig die Seiten wegnehmen und so alle nicht zu der Entfaltung kommen, die sie verdient und gebraucht hätten. Man hat beim Lesen das Gefühl, dass vieles nicht fertig ausgearbeitet ist, bez. wird aus Zeitmangel den rassistischen und misogynen Aussagen mancher Charaktere zu wenig entgegengesetzt, sodass Manches (ungewollt, wie ich doch denke) unangenehm kommentarlos im Raum bleibt, während die Handlung schon unterwegs zur nächsten Szene ist.
Wenn ich jetzt mein bisher geschriebenes so lese, hört sich das alles kritischer an, als ich es beim Lesen tatsächlich empfunden habe. Es sind Dinge, die mir aufgefallen sind und die verhinderten, dass das Buch mich vollends überzeugen konnte, dennoch kann ich sagen, dass ich trotzdem viel Spaß beim Lesen hatte. Durch die bereits erwähnte gelungene Atmosphäre, den abwechslungsreichen Charakteren (mit dem knuddligsten kleinen Bruder der Welt btw) und eine zwar nicht revolutionäre, aber solide Handlung konnte mich Der Geisterbaum gut unterhalten. Hätte ich halbe Punkte zu vergeben, wären es 4,5/6 geworden. So runde ich aber wohlwollend auf 5/6 auf (eigenes Blogbewertungssystem mit 6 möglichen Punkten).
Fazit:
Christina Henry schafft es immer wieder beklemmende und faszinierende Atmosphären zu erschaffen, so auch in Der Geisterbaum. Und auch wenn vieles an dem Buch nach klassischen Mustern verläuft und es wenig Neues zu bieten hat, kann ich nicht leugen, dass es mich insgesamt doch gut unterhalten hat und das ist doch die Hauptsache.