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Veröffentlicht am 29.01.2024

Leider kein passendes Manifest für mich

Frauen und Macht
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Das Buch „Frauen & Macht“ von Mary Beard wird an verschiedensten Stellen als „Manifest“ bezeichnet, im Klappentext als „ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt die Macht zu nehmen.“ Leider ...

Das Buch „Frauen & Macht“ von Mary Beard wird an verschiedensten Stellen als „Manifest“ bezeichnet, im Klappentext als „ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt die Macht zu nehmen.“ Leider kann ich heute, einen Tag nach dem internationalen Frauentag, dem Buch diese Zuschreibungen nicht attestieren.

Das Problem, warum die Stimmen von Frauen durch die Menschheitsgeschichte, von der Antike bis hinein in die Gegenwart, so schwer zu finden sind, ist Thema dieser Veröffentlichung. Wie vielen Leser:innen bekannt sein sollte, gibt es – so auch laut Beard – „in der westlichen Geschichte eine radikale – reale, kulturelle und imaginäre – Separierung der Frauen von der Macht.“ So weit, so schlimm. Beard rekapituliert nun in ihrem schmalen Büchlein, welches nur 90 Seiten inhaltlich relevanten Text beinhaltet und mit vielen Abbildungen bestückt ist, recht kurz angebunden, wie Frauen in ihrer Redefreiheit und Machtausübung bisher eingeschränkt wurden. Leider nennt sie zwar viele Beispiele, geht diesbezüglich jedoch seltenst in die Tiefe, sodass die Ausmaße der historisch untermauerten Paradigmen nicht wirklich zur Geltung kommen. Auch liest sich der Text (eventuelle auch aufgrund einer holprigen Übersetzung?) nicht flüssig. Hier scheint mir auch das Layout der Seiten eine Rolle zu spielen. Durch das kleine Format des Buches, die Schriftgröße usw. schaffen es im Schnitt nur acht Wörter auf eine Zeile. Schachtelsätze lassen sich so nur stockend lesen. Auch werden die dargelegten Gedanken auf fast jeder zweiten Seite von Abbildungen unterbrochen, die nicht in den Text eingefügt sind, sondern – unabhängig von deren Maße – immer eine ganze Seite blockieren. Mitunter passen infolgedessen die Abbildungen inklusive ausführlichen Abbildungsbeschreibungen entweder noch nicht oder nicht mehr zum Gelesenen. Das alles fördert den Lesefluss nicht gerade, sodass der nötige Schwung für ein mitreißendes Manifest verlorengeht und die Aussage hinter dem Text verpufft.

Im Nachwort der Autorin erfährt man dann erst, dass es sich bei diesem Buch um zwei verschriftlichte Vorträge der Autorin handelt, welche das erste und zweite (und damit schon letzte) Kapitel des Buches ergeben haben. Sie habe „der Versuchung widerstanden, drastische Veränderungen vorzunehmen, neue Themen einzuführen oder einige der Ideen, die hier nur angedeutet werden, ausführlicher darzulegen.“ Meines Erachtens hätten genau diese Ergänzungen dem Text durchaus sehr gut getan. Auch machen somit die vielen Abbildungen im Kontext von Vorträgen sehr viel mehr Sinn, da sie sicherlich während der Präsentation im Hintergrund in das Gesagte eingewoben worden sind.

Insgesamt kann ich mich den Worten des Lobes, die ich vor dieser Lektüre in anderen, inspirierenden Büchern („FRAUEN LITERATUR“ von Nicole Seifert und „Handbuch für Zeitreisende“ von Kathrin Passig und Aleks Scholz) über „Frauen & Macht“ gelesen habe und die mich dazu animierten mir die Primärliteratur zuzulegen, nicht anschließen.

Laut Wikipedia ist ein Manifest „eine öffentliche Erklärung von Zielen und Absichten, oftmals politischer Natur.“ Es seien „Sprechakte, die das Ziel hätten, die Welt zu verändern.“ Dieses Ziel hat die Autorin vielleicht auch bei Veröffentlichung im Sinn gehabt, meine Person hat sie damit aber nicht „leidenschaftlich aufrufen“ können. Sicherlich handelt es sich hier um ein geschichtswissenschaftlich solides, lesenswertes Werk für Interessierte. Hinter dem Ofen hervorlocken konnte es jedoch leider nicht so richtig.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Turnen auf dem Mond

Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah
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Die 36jährige Go Mani hat ihr gesamtes Leben in einem „Mondviertel“ Seouls verbracht. Nun könnte man denken, dass „Mondviertel“ für ein besonders exklusives Wohnerlebnis steht, leider ist dem nicht so. ...

Die 36jährige Go Mani hat ihr gesamtes Leben in einem „Mondviertel“ Seouls verbracht. Nun könnte man denken, dass „Mondviertel“ für ein besonders exklusives Wohnerlebnis steht, leider ist dem nicht so. Es handelt sich hierbei um Viertel mit kleinen, ärmlichen Häuschen auf steilen Hügeln am Rande von Seoul, die durch die Höhenmeter „dem Mond nahe“ sind. Diese „Nähe zum Mond“ bedeutet aber im Umkehrschluss eine Distanz zum Seouler Stadtkern mit seinem Fortschritt und Wohlstand. So wächst Mani in Armut bei ihren Eltern auf, mit denen sie mit Ende Dreißig immer noch zusammen im verfallenen Elternhaus lebt. Sie gilt (vielleicht nicht nur) für südkoreanische Verhältnisse als gescheiterte Existenz. Aus dem Wunsch einer Karriere als Turnerin ist nicht geworden, nach zehn Jahren Anstellung in einer Firma als „Tippse für alles“ wird sie gefeuert, sie ist weiterhin unverheiratet und das Elternhaus soll abgerissen werden, um der fortschreitenden seouler Stadtentwicklung Platz zu machen.

An diesem Punkt setzt der Roman von Cho Nam-Joo (Autorin von „Kim Jiyoung, geboren 1982“) ein und erzählt aus der Ich-Perspektive von Mani mithilfe ihren Erinnerungen in Form von Rückblenden deren bisherigen Lebensweg und weiteres Fortkommen. Durch konventionelles Erzählen versucht uns der Roman mit solidem Erzählstil die Geschichte dieser Frau näher zu bringen. Nun ist es aber so, dass ich eher unbeteiligt diesen Roman gelesen habe, die Charaktere blieben mir immer ein bisschen fern und kamen mir eben nicht nahe, jedenfalls nicht im Sinne von Sympathien. Denn der Umgang untereinander ist über weite Strecken sehr herzlos. So wird die Mutter von Mani von ihr als eine Frau beschrieben, die in früher Kindheitsjahren eine Entwicklungsverzögerung hatte und bis zum heutigen Tage geistig eingeschränkt ist. Das wird nicht so vorsichtig formuliert, wie ich dies gerade getan habe, sondern leider eher abfällig und wenig liebevoll. So erscheint mir auch die Personenzeichnung der Mutter inkonsistent. Wird zunächst beschrieben, dass es eine merkliche Entwicklungsverzögerung mit kognitiven wie auch emotionalen Einschränkungen gibt, heißt es nach einem Zusammenbruch der Mutter bei einem für sie überfordernden Elterntreffen in der Schule „Auch die Lehrerin musste gewusst haben, meine Mutter war vollkommen gesund, aber ich schämte mich für sie.“ Die Mutter wird aber eindeutig als nicht gesund im Buch beschrieben. An anderer Stelle geht es um die schlechte finanzielle Situation der Familie, die im Winter nur selten heizt und mitunter wenig Essen auf dem Tisch hat. Mani soll auf eine Schule mit Turnabteilung gehen, die Eltern verzweifeln über die finanzielle Belastung einer Privatschule, der Vater bekommt einen Herzinfarkt, aber im gleichen Absatz heißt es, ohne zu erläutern, wo denn nun das Geld für die Privatschule hergekommen ist: „Das (der Herzinfarkt) hätte wirklich böse enden können. In die neue Schule ging ich aber trotzdem wie geplant.“ So relativ plump werden Fakten häufig einfach proklamiert in diesem Roman. Cho Nam-Joo geht größtenteils nach dem Prinzip „Tell, don‘t show“, statt andersherum, vor. Keine Frage, dabei bekommt man einige Einblicke in die südkoreanische Gesellschaft, vor allem eben in die unterste Schicht dieser, lernt einiges zur Stadtentwicklung Seouls in den 1980er, 90er, 00er Jahren, aber packen konnte mich die Geschichte dadurch nicht so richtig.

Sprachlich mutet außerdem etwas merkwürdig die zwischenzeitlich kurz auftretende lapidare Umgangssprache. An Stellen der direkten Rede, an denen gezeigt werden soll, dass die sprechende Person eben Umgangssprache spricht, ist das verständlich. Aber im Rahmen der Rückblicke, die und Mani aus ihrer nun Ende Dreißigjährigen Sicht erzählt, wirkt dies vollkommen unpassend, zumal wir wissen, dass sie mittlerweile das College besucht hat, also einen höheren Bildungsweg und Bürotätigkeiten nachgegangen ist. So kommt es wie Sätzen, die wie dieser hier endet: „Der eigenen Not durch Gesetzesvorstöße, Gesetzesumgehung und Tugendlosigkeit entgehen zu wollen, ist normal, den Dornenweg brav und ehrbar beschreiten zu wollen, ist bescheuert.“ oder „Ich sprang auf und zog meine Hose und Unterhose herunter. Ein dunkelbrauner Fleck. Scheiße. Da hatte ich dem beschissenen Gezanke nun also einen Schlusspunkt gesetzt, indem ich mir selbst in die Hose geschissen hatte.“ oder es ist von „beschissenen Schließfächern“ die Rede, etc. Die Übersetzung des vorliegenden Romans stammt von Jan Henrik Dirks, der nach Ki-Hyang Lee (die kongenial „Kim Jiyoung, geboren 1982“ übersetzte) und Inwon Park (Übers. von „Miss Kim weiß Bescheid“) nun schon der dritte Übersetzer ins Deutsche von Cho Nam-Joo Texten ist. Bei drei deutschsprachigen Übersetzungen insgesamt. Ob es nun an der Übersetzung liegt, oder am Originaltext kann ich nicht beurteilen, nur sind mir solche Formulierungen aus den beiden anderen genannten Veröffentlichungen nicht bekannt. Positiv anzumerken ist erstmalig das Nutzen von Fußnoten, die gewisse südkoreanische Begriffe im Anhang erklären. Leider sind diese ab und an obsolet. Steht zum Beispiel im Text (frei zitiert) „wie eine Braut trug ich folgende Kleidungsstücke…“ wird dazu im Anhang erklärt „Traditionelles Erscheinungsbild der koreanischen Braut bei einer Hochzeit“. Das ergibt sich dann durchaus schon aus dem Originaltext heraus. An anderer Stelle fehlt eine genaue Erläuterung, die man sich zum tieferen Verständnis gewünscht hätte.

Inhaltlich bietet der vorliegende Roman als neue Facette sicherlich das Thema der Stadtentwicklung Seouls und der damit einhergehenden Verdrängung der ärmeren, einheimischen Bevölkerung im Rahmen des rasanten Fortschritts Seoul in den letzten Jahrzehnten. Bezüglich der vielen Beispiele an konservativen, mitunter misogynen, südkoreanischen Konventionen hat meines Erachtens „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“ nicht viel Neues zu bieten. Dies kann auch am Veröffentlichungszeitpunkt des Originaltextes liegen und an dem, was wir mittlerweile an Texten aus Südkorea hier in Deutschland lesen konnten. Denn wichtig ist anzumerken: Der Originaltext stammt, wie auch „Kim Jiyoung, geboren 1982“ aus dem Jahre 2016! Nachdem mit „Miss Kim weiß Bescheid“, im Original 2021 erschienen (Dtl. 2022), eine aktuelle Kurzgeschichtensammlung veröffentlicht wurde, greift bei „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“ der Verlag auf einen alten Text zurück. Und im direkten Vergleich, kann dieser Roman einfach nicht mit der Innovation und erzählerischen Raffinesse (wir erinnern uns an die Erzählperspektive!) mithalten. Sicherlich hat diese deutschsprachige Erstveröffentlichung auch ein Existenzrecht, keine Frage, ich wüsste aber im Zweifel, welches Buch der Autorin ich Interessierten empfehlen würde...

Somit stellt „Wo ich wohne, ist der Mond ganz nah“ einen guten Roman dar, den man lesen kann, aber nicht muss, wenn man schon zwei, drei südkoreanische Romane mit ähnlichen Themenfeldern gelesen hat. Gestalterisch passt er auf jeden Fall sehr schön in die eigene Sammlung der Cho Nam-Joo Romane.

3/5 Sterne

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Un roman solide

Roman d’amour
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Der häufig in höchsten Tönen gelobte Roman von Sylvie Schenk „Roman d‘amour“ über das Wesen und die Tücken des Verliebtseins kann durchaus mit seiner ineinander verwobenen, verschachtelten Geschichte teilweise ...

Der häufig in höchsten Tönen gelobte Roman von Sylvie Schenk „Roman d‘amour“ über das Wesen und die Tücken des Verliebtseins kann durchaus mit seiner ineinander verwobenen, verschachtelten Geschichte teilweise fesseln, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck.

Eine Autorin schreibt 20 Jahre nach der größten Liebe ihres Lebens einen Roman, in welchem sie Anleihen aus ihrem eigenen Leben und der besagten Liebesgeschichte heranzieht. „Autofiktional“ würde man dies wohl derzeit bezeichnen. Nun wird sie zu einer Literaturpreisverleihung eingeladen und erklärt sich im Vorfeld zu einem Interview bereit. Der knapp 130 Seiten dünne Roman spielt nun während dieses Interviews, kehrt in Gedanken der Autorin Charlotte jedoch immer wieder in ihre eigene Vergangenheit und den Plot ihres Romans zurück. So verweben sich zunehmend die drei Erzählebenen und warten mit einem großen Finale auf.

Der Roman ist im Stil durchaus treffsicher von Schenk geschrieben. Geschickt führt sie von einem Erzählstrang zum nächsten und hält die verschiedenen Auswüchse der Verliebtheit und damit zusammenhängende Komplikationen fest. Und trotzdem konnte die Autorin mich nicht über den Lektürezeitraum hinaus an ihr Buch und dessen Themen fesseln. Ein solides Werk, welches sich aufmerksam aber doch insgesamt recht zügig lesen lässt.

Es handelt sich hier um einen solide konstruierten Roman, einfühlsam geschrieben, der jedoch auch schnell wieder in Vergessenheit gerät.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Geschichten von durchmischter Qualität

JAB
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Es ist schon merkwürdig, wenn ein Verlag den Kurzgeschichtenband eines südkoreanischen Autors mit der Ankündigung versieht: „Frei von direkter Gesellschaftskritik und unterschwelligen Botschaften“. Das ...

Es ist schon merkwürdig, wenn ein Verlag den Kurzgeschichtenband eines südkoreanischen Autors mit der Ankündigung versieht: „Frei von direkter Gesellschaftskritik und unterschwelligen Botschaften“. Das wirkt, als ob hier vorab tiefgestapelt werden soll, um etwaigen zu hohen Erwartungen vorzubeugen.

Und das, obwohl es in den Erzählungen von Un-Su Kim durchaus die ein oder andere kritische Andeutung zu entdecken gibt. Vor allem, wenn es um den Drill zum ambitionierten Lernen an Jungsschulen geht, um Vereinsamung und Selbstmord und vor allem um Spionageverdächtigungen zwischen Nord- und Südkorea inklusive Folterszenen. Denn all das kommt im Buch „JAB“ vor. Aber eben auch einiges, was im Bereich „Kleinkriminalität“ liegt und wenig Aussage mit sich zu bringen scheint. Wenn ein Sofa zum störenden Element in einer Wohnung wird oder sich Ganoven in einer Bar einer Mutprobe inklusive Finger abschneiden unterziehen.

So schwanken für mich inhaltlich die Geschichten stark in ihrer Aussagekraft und Intensität. Von einer Kurzgeschichte erwarte ich dann doch wenn schon keine Take-Home-Message, dann doch zumindest eine kleine Pointe am Schluss, einen Twist oder ähnliches. Dieses Kriterium kann nur ein Teil der vorliegenden Erzählungen erfüllen. Emotional angesprochen wurde ich nur selten, im Gedächtnis werden mir wohl nur ca. zwei der acht Geschichten bleiben. Das ist ein recht niedriger Schnitt.

Sprachlich verblüfft das Werk durch einen recht westlich wirkenden Schreibstil, den man aus kleinen Ganovengeschichten kennt. So wirkt die Atmosphäre auch stets ein bisschen wie in einem Low-Budget-Streifen, durchaus auch mal mit Stil, aber eben nicht sonderlich hochkarätig. Südkoreanische Idiome oder speziell zu dieser Region passende inhaltliche Charakteristika vermisst man fast ganz. Allein die Stellung der Frau in der südkoreanischen Gesellschaft und ihre Darstellung in den Geschichten könnte Eingang gefunden haben in das Buch. Überraschend verwirrend - und leider nicht durch eine erklärende Fußnote, ob es sich um eine Übersetzungsentscheidung handelt oder im Originaltext genauso vorkommt, kommentiert - sind typisch deutsche Bezeichnungen (eine Dreiergruppe will „Skat“ spielen, es kommen hypothetische Straßennamen wie „Uwe-Jürgens-Weg“ und „Roland-König-Straße“ vor). Vielleicht hat ja der Autor eine Verbindung zu Deutschland und diese Worte deshalb gezielt so gewählt, im Kontext der Texte machen diese Bezeichnungen jedoch wenig Sinn.

So komme ich insgesamt zu der Einschätzung, dass die Erzählungen im Durchschnitt durchaus solide geschrieben sind, leider aber auch nicht allzu viel von ihnen im Gedächtnis bleiben wird. Eine gute Sammlung, mehr aber auch nicht.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Man sollte nicht zu viel erwarten

Origins
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Auf den ersten Blick richtig schön anzusehen ist diese Hardcover-Ausgabe der sechsteiligen Comic-Heft-Reihe „Origins“. Cross Cult hat mal wieder einen hochwertigen Sammelband geschaffen. Das Artwork - ...

Auf den ersten Blick richtig schön anzusehen ist diese Hardcover-Ausgabe der sechsteiligen Comic-Heft-Reihe „Origins“. Cross Cult hat mal wieder einen hochwertigen Sammelband geschaffen. Das Artwork - nicht nur des Covers – kann überzeugen, vieles andere an diesem Buch allerdings leider so gar nicht.

Der Plot von „Origins“ ist schnell erzählt: Die Menschheit gibt es seit rund 1000 Jahren schon nicht mehr auf der Erde, da eine von den Erfindern unerwartet ausufernde KI damals beschlossen hat, dass die Erde ohne Menschen besser dran ist. Es gibt aber noch einige verstreute Roboter alter Baureihen, die nicht zur KI gehören und seit Jahrhunderten darauf warten, endlich wieder den Menschen zu Diensten sein zu können. Eine Androidin (Chloe) erschafft aus der alten DNA ihres menschlichen Schöpfers einen neuen Menschen (David). Sie zieht ihn auf und er wird zum neuen Messias, der – Jesus gleich – die versklavten Roboter zu befreien und eventuell eine neue Menschheit zu erschaffen. Zwischendrin wird viel gekämpft und wieder geflüchtet und wieder gekämpft.

Ganz klar: Dieser Comic lebt von den Zeichnungen Jakub Rebelkas. Diese sind manchmal fein und detailreich, manchmal grob und ungeschliffen, und erzeugen eine großartige Atmosphäre für diese Geschichte. Beim Colorieren hat wohl Patricio Delpeche mitgeholfen. Zwei Leute für das Design, keine Frage alles top. Aber was die drei (!) Personen, die den Plot „geschaffen“ haben und die eine Person, die den Text geschrieben hat, hier auf die Welt losgelassen haben, ist nichts als 08/15-tausendmal-gelesen-Inhalt. Der Plot wird mit aller Macht vorangetrieben, da sind Charakterzeichnungen scheinbar nicht nur zweitrangig sondern vollkommen obsolet geworden. Die Figuren bleiben holzschnittartig und können in keinster Weise überzeugen. Die Dialoge sind mittelmäßig und meist wird nicht die Empfehlung befolgt: „Show, don‘t tell“ sondern das genaue Gegenteil scheinbar angestrebt. So werden wilde (übrigens vollkommen unzusammenhängend plötzlich eintretende) Actionszenen durch scheinbar ganz ruhige Chloe-erklärt-die-Welt-Kommentare aus dem Off begleitet. So etwas Merkwürdiges habe ich selten erlebt. Man hat das Gefühl, sowohl zu viel als auch zu wenig zur Geschichte und zu den Figuren zu erfahren. Begleitet wird die Messias-Geschichte unterschwellig stets durch (meine Vermutung) ständige Anleihen aus der Bibel. Da wird der Erlöser wiedergeboren, die „Israeliten“ (aka Roboter) aus der Versklavung in Ägypten geführt und eine unbefleckte Empfängnis gibt es dann auch noch. David sieht auch zunehmend optisch wie Jesus aus. Das ist alles viel zu überfrachtet für den massiv verkürzt erzählten Plot. Hier fehlt die erzählerische Balance in der Geschichte.

Zum Schluss kann man resümieren, dass das Buch wirklich schön anzuschauen ist, die Geschichte aber nicht nur nichts Neues bieten kann sondern auch noch unterdurchschnittlich gut erzählt wird. So rettet Jakub Rebelka dieses Buch, welches für mich bei 2,5 Sternen liegt, noch gerade so mit seiner sehr guten Illustrationsarbeit auf 3 Sterne. Man sollte also nicht zu viel erwarten. Ich empfehle hier eher zum Thema die „Descender“/ „Ascender“-Reihe. Wer diese Reihen schon kennt, sollte keinesfalls zu „Origins“ greifen. Nur vollkommene Neulinge auf dem Gebiet könnten „Origins“ noch etwas abgewinnen.

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