In Hami Nguyens Sachbuch "Das Ende der Unsichtbarkeit" geht es um anti-asiatischen Rassismus, der auch heutzutage immer noch in Deutschland präsent ist. Die Autorin ist selber in Vietnam zur Welt gekommen und ist gemeinsam mit ihrer Mutter im Alter von zwei Jahren nach Deutschland geflohen. Von Anfang an wurde es der Familie schwer gemacht. Ihr Vater war zuvor Vertragsarbeiter in der DDR. Nach dem Mauerfall drohte ihm und seinen Kolleginnen die Abschiebung. Jahrelang hatten sie in und auch für Deutschland gearbeitet, wurden dabei aber von der Dominanzgesellschaft abgeschirmt und sollten nach der Wiedervereinigung zurück in ihre Herkunftsländer. Dort waren sie zum Teil Jahrzehnte lang nicht mehr und hatten dort keine Zukunft.
Frau Nguyen beschreibt eindrücklich, wie schlimm dieser Zustand für ihre Familie war. Sie waren geduldet, aber mussten immer alle drei Monate zur Behörde, um diese Duldung zu verlängern und hatten stets die Hoffnung, eine dauerhafte Arbeitserlaubnis zu erhalten. Diese bekommt man meist nur, wenn man finanziell abgesichert ist, was aber nahezu unmöglich ist, wenn man nicht arbeiten darf.
Viele Jahre befand sich die Familie in einem Schwebezustand. Hami Nguyen hatte dadurch keine leichte Kindheit. Sie waren arm, mussten zunächst mit anderen Familien die Wohnung teilen und die ganze Situation war sehr belastend.
Eine einzelne Sachbearbeiterin hatte die ganze Macht, die Zukunft und das Leben der Nguyens zu beeinflussen. Immer war die Angst vorhanden, abgeschoben zu werden, wie es vielen anderen vietnamesischen Menschen ohne ersichtliche Gründe erging.
Diese Zeilen sind sehr bedrückend zu lesen. Die Autorin hatte eine Kindheit voller Sorgen. Erst in der Schule kam sie mit deutschen Kindern in Kontakt und erlebte dort zum ersten Mal, dass sie anders war bzw. sie anders wahrgenommen wurde. Durch Rassismuserfahrungen lernte sie, sich zu verstellen, um dazuzugehören und ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken.
In dem Buch geht es auch um die Hintergründe, warum überhaupt Vertragsarbeiterinnen und Bootsflüchtlinge nach Deutschland und in die DDR kamen. Dies war mir nahezu unbekannt, da dies in der Schule (wie so vieles wichtige) nicht behandelt wird. Auch die rassistischen Gewalttaten in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda werden erläutert, von denen in der Öffentlichkeit nicht genug berichtet wird.
Rassismus ist ein strukturelles Problem. Autoritätspersonen haben viel Macht, um über das Leben von Menschen zu entscheiden, die sich nicht wehren können. Dies zieht sich durch das Buch. Vor allem weiße Deutsche ohne Migrationshintergrund sind in Behörden oder haben die finanziellen Mittel, um Firmen zu gründen oder Mietshäuser zu erwerben. Rassifizierte Menschen haben es oft schwer, sich selber etwas aufzubauen, da ihnen immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Rassismus findet aber auch immer wieder im Alltag statt, oft ohne, dass es den Personen, die ihn ausüben, auffällt. Viele meinen es nicht böse und tun es aus Versehen, einfach weil sie so aufgewachsen sind. Spätestens in den letzten Jahren sollte man aber gelernt haben, dass man Betroffenen zuhört und ihre Kritik nicht einfach abtut. Man sollte überlegen, ob man Kritik auch einfach abwehren würde, wenn eine weiße Person sie äußern würde.
Anti-asiatischer Rassismus wird oft nicht ernst genommen. Asiatisch gelesene Menschen spricht man oft ab, dass sie solche Erfahrungen machen. Sie gelten als "angepasst". Diese "Angepasstsein" ist aber oft vorhanden, weil diese Personen sich verstellen müssen, um akzeptiert zu werden. Sie müssen ihre eigene Identität verbergen, was auch psychische Folgen haben kann. Asiatisch gelesene Menschen sind unsichtbar, weshalb der Titel das Buches sehr gut passt. Diese Unsichtbarkeit soll endlich ein Ende haben.
Das Buch handelt von Einsamkeit, Ausgrenzung, Identitätsverlust und zum Schluss von der Hoffnung, dass sich all dies ändert wird. Dieser Hoffnungsschimmer ist bitter nötig, denn "Das Ende der Unsichtbarkeit" ist bedrückend, schonungslos und bringt Sachen auf den Punkt, die die Dominanzgesellschaft oft immer noch nicht wahrhaben will. Aber sie müssen gesagt werden.
Hami Nguyen schafft es, das schwierige Thema klar verständlich zu erläutern. Anhand ihrer Familiengeschichte, (historischen) Ereignissen sowie kulturellen und gesellschaftlichen Vorkommnissen gelingt es ihr, anti-asiatischen Rassismus darzustellen und ihm die dringend benötigte Aufmerksamkeit zu geben.
Ich, die zur Dominanzgesellschaft gehört, habe vieles gelernt und ich habe viel Stoff zum Nachdenken bekommen. Dieses Buch kann man auf jeden Fall auch im Schulunterricht benutzen, denn auch in Schulen sind solch wichtige Themen leider noch viel zu wenig präsent.