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Veröffentlicht am 28.01.2024

Zwischen Leben und Tod

Das späte Leben
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Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – ...

Martin Brehm ist Mitte 70, verheiratet mit der mehr als 30 Jahren jüngeren Malerin Ulla und Vater des 6jährigen David, als er von seinem Arzt die schreckliche Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält – es bleiben ihm höchstens noch zwölf Wochen zu leben. Für ihn stürzt eine Welt ein, wollte er doch noch so viel mit seinem kleinen Sohn unternehmen. So bleibt ihm nur abzuwägen was noch zu tun ist, seine Gedanken zu ordnen und seinem Sohn einen langen Brief zu hinterlassen. Als er dann auch noch feststellen muss dass ihn seine Frau betrügt, gilt es in sich zu gehen, sich mit dem Schicksal abzufinden und mit allem zu versöhnen …

Der Autor Bernhard Schlink wurde 1944 in Bielefeld geboren, wuchs in Heidelberg auf, studierte in Heidelberg und Berlin Jura, promovierte 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. und habilitierte sich 1981 in Freiburg/Brsg. zum Professor für Öffentliches Recht. Er lehrte an den Universitäten in Bonn, Frankfurt/Main und Berlin und war von 1987 bis 2006 Richter am Verfassungsgerichtshof. Seinen Erfolg als Schriftsteller hatte er ab 1987. Inzwischen veröffentlichte er einige Sachbücher und vierzehn Romane, für die er zahlreise Auszeichnungen und Preise erhielt. Schlink ist Mitglied der SPD und lebt heute in New York und in Berlin.

„Das späte Leben“ (2023) ist ein Roman, der tief unter die Haut geht. Wie fühlt man sich mit dem Wissen um den nahen Tod und dazu der Erkenntnis, dass man vom Partner betrogen wird? Trotz seines schlichten und eher nüchternen Schreibstils schafft es der Autor wunderbar, uns die Gefühle und Gedanken des alten Mannes zu seinem baldigen Tod und seine Sorge um die Zukunft seines Sohnes und seiner Ehefrau zu vermitteln. Er dramatisiert nichts, beschönigt nichts, lässt einfach die Gefühle und Empfindungen fließen, die ständig zwischen Hilflosigkeit und der Suche nach einem Sinn schwanken. Die Geschichte beginnt recht behutsam, mit der verrinnenden Zeit jedoch steigt die Spannung, um dann sanft in einem offenen Ende auszuklingen.

Fazit: Ein bewegendes Buch über das Leben und den Tod, der unweigerlich dazu gehört – nachdenklich, aber nicht traurig. Meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 10.01.2024

Geschichten aus einer Kleinstadt in Kentucky

Irgendwann wird es gut
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„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. ...

„Irgendwann wird es gut“ ist nicht, wie vom Autor Jeoy Goebel gewohnt, ein Roman, sondern eine Ansammlung von zehn tragisch-komischen, nachdenklichen Kurzgeschichten, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. Alles spielt sich in derselben Kleinstadt und etwa zur selben Zeit ab. Es gibt einige Überschneidungen zwischen den Storys, doch die Hauptfigur ist jedes Mal eine andere. Das Thema Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Geschichten. Die Protagonisten haben psychische Probleme, sind auf der Suche nach einem Partner, wünschen sich generell Kontakt zu anderen Personen, sind jedoch emotional nicht dazu in der Lage. Erfreulich ist, dass die einzelnen Erzählungen alle, im Gegensatz zu vielen anderen Kurzgeschichten, einen eindeutigen Abschluss haben und man somit nicht lange über das Ende grübeln muss.

Fazit: Ideales Buch für Leser/innen die gerne innerhalb kurzer Zeit in sich abgeschlossene Geschichten lesen.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Wenn die Stille zu laut wird …

Die Wand
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Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar ...

Es sollte ein schönes Wochenende mit Cousine Luise und deren Ehemann Hugo werden, welche die ungenannte Erzählerin in ihr Jagdhaus in den Bergen eingeladen haben. Am Abend der Ankunft sucht das Ehepaar noch eine im Tal gelegene Gaststätte auf, während die Frau alleine mit Hund Luchs zurückbleibt. Als das Paar am nächsten Morgen noch nicht zurück ist geht die Erzählerin mit dem Hund los, um nachzusehen. Plötzlich stoßen die beiden an ein Hindernis. Eine unsichtbare Mauer hat sich über Nacht gebildet, auf deren anderer Seite alles Leben erstarrt zu sein scheint. Was ist passiert? Plötzlich ist sie allein in den Bergen, gefangen und isoliert von jeglicher Zivilisation, nur mit Hund Luchs als Begleiter. Zum Glück sind im Jagdhaus reichliche Vorräte vorhanden, die sie, bis die erhoffte Hilfe eintrifft, am Leben erhalten werden. Doch außer eine Kuh und einer verwilderten Katze, die ihr zulaufen, kommt niemand. So richtet sich die Frau nach und nach ein, versorgt die Tiere, geht auf die Jagd, sammelt die Früchte des Waldes, baut Kartoffeln und Bohnen an, hackt Holz und hält das Haus in Ordnung. So vergehen zwei Jahre, dann geschieht eines Tages etwas völlig Schockierendes. Im darauffolgenden Winter, dem dritten Winter ihrer Gefangenschaft, beginnt die Frau diesen Bericht zu schreiben. Sie schreibt bis das Papier ausgeht, ohne zu wissen, ob ihn irgendwann jemand lesen wird …

Marlen Haushofer, geb. 1920 in Frauenstein, gest. 1970 in Wien, war eine österreichische Schriftstellerin. „Die Wand“ (1963) ist der dritte, und auch erfolgreichste, Roman der damals 43jährigen Autorin. Die Geschichte wurde verfilmt und kam 2012 in die Kinos.

Es ist ein ruhiger, dennoch sehr ergreifender und intensiver Roman, den die Autorin vor über 60 Jahren geschrieben hat, und der auch heute noch aktuell ist. Eine namenlose Frau - allein mit sich selbst, ihren unaufhörlich schweifenden Gedanken ausgeliefert, nur beschäftigt mit ihren Tieren und der manchmal gnadenlosen Natur – sie offenbart uns den Sinn des Lebens und zeigt uns was wirklich wichtig ist. Der Schreibstil ist ruhig und harmonisch und betont dadurch das Außergewöhnliche der Situation. Die Autorin lässt die Protagonistin ihre Erlebnisse in Form eines Tagebuches niederschreiben, drei Jahre lang, bis ihr das Papier ausgeht, wodurch eine enge Vertrautheit und Intimität entsteht. Großartig beschrieben sind die Vorgänge in der Natur, der Wandel der Jahreszeiten und die Tierwelt in Wald und Gebirge. Trotz der meist bedrückenden Stimmung klingt die Geschichte versöhnlich aus – die Frau scheint sich mit ihrer Situation abgefunden zu haben und blickt optimistisch in die Zukunft.

Fazit: Ein ergreifender und zu Herzen gehender Roman mit offenem Ende, nachdenklich und lesenswert trotz überwiegend bedrückender Stimmung.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Das Auf und Ab im Leben des Jack Kerouac

Jack
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Sein Buch „On the road“ machte den US-Schriftsteller Jack Kerouac in den 1950er Jahren international bekannt und zum Idol einer Generation – jetzt ist er nur noch ein Wrack. Er hat sich in seinem Haus ...

Sein Buch „On the road“ machte den US-Schriftsteller Jack Kerouac in den 1950er Jahren international bekannt und zum Idol einer Generation – jetzt ist er nur noch ein Wrack. Er hat sich in seinem Haus in Florida verkrochen und säuft und kifft sich zu Tode. Er verkraftete seinen Ruhm nicht, den er auf Kosten seines Freundes Neal Cassady erlangte. Dann steht im Jahr 1968 plötzlich die junge ehrgeizige Literaturstudentin Jan Weintraub vor seiner Tür. Sie möchte als Erste eine Biografie über den einst gefeierten Schriftsteller schreiben. Kerouac lehnt zunächst ab, doch dann erklärt er sich bereit, aus seiner Vergangenheit zu berichten. Ab sofort ist Jan ständiger Gast in seinem Haus - das sollte Folgen haben …

Anthony McCarten wurde 1961 in New Plymouth/NZL geboren und ist ein neuseeländischer Schriftsteller, Dramatiker, Drehbuchautor und Filmproduzent. Er schrieb zahlreiche Romane, Theaterstücke, Drehbücher und Kurzgeschichten für die er mehrfach Auszeichnungen erhielt. Der Autor hat drei Kinder und pendelt abwechselnd zwischen Los Angeles, Wellington und London.

Aus Wikipedia: Jack Kerouac, geb. 1922 in Lowell/Massachusetts, gest. 1969 in Saint Petersburg/Florida, war ein US-amerikanischer Schriftsteller franko-kanadischer Herkunft und einer der wichtigsten Vertreter der Beat-Generation.

„Jack“ ist keine Biografie von Jack Korouac, sondern ein Roman, in den Einzelheiten aus dem Leben des Schriftstellers eingeflossen sind. McCarten bedient sich dabei der fiktiven Studentin Jan als angehende Biografin und schafft so einen klugen Gegenpol und ein Interessantes Miteinander zweier gegensätzlichen Charaktere, zwischen denen sich eine unglaubliche Spannung entwickelt. Nebenbei erfährt man vieles über die US-amerikanische Literatur der 1950er Jahre und über die damalige Beat-Generation. Das Buch liest sich sehr angenehm, der Schreibstil ist einfühlsam und trotz des ernsten Themas mit einem gewissen Humor durchsetzt. McCarten versteht es großartig, die Personen lebendig darzustellen. Sie sind so anschaulich beschrieben, dass man sie kennen lernt als wäre man selbst dabei. Einige unerwartete Wendungen erhöhen die Spannung und mit dem nicht vorhersehbaren Ende konnte mich der Autor angenehm überraschen.

Fazit: Eine tolle Geschichte, großartig erzählt, wie immer bei McCarten – meine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 05.01.2024

Freud und Leid liegen nah beieinander

Kontur eines Lebens
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Bisher kam die leicht demente über 80jährige Frieda, dank der fürsorglichen Hilfe ihres geliebten Mannes, ganz gut zurecht. Doch nun ist Louis ganz plötzlich verstorben und Frieda musste ins Pflegeheim ...

Bisher kam die leicht demente über 80jährige Frieda, dank der fürsorglichen Hilfe ihres geliebten Mannes, ganz gut zurecht. Doch nun ist Louis ganz plötzlich verstorben und Frieda musste ins Pflegeheim umsiedeln. Alles ist neu und ungewohnt. Zum ersten Mal hilft ihr nicht Louis morgens beim Duschen und Windelwechseln, sondern ein junger Pfleger. Plötzlich hat Frieda viel Zeit ihre Gedanken schweifen zu lassen, wenn sie alleine in ihrem Sessel am Fenster sitzt. Es kommen Erinnerungen über Ereignisse, die sie jahrzehntelang verdrängt und von denen selbst Louis nichts geahnt hatte. Es gab vor ihm schon einen Mann, Otto, der bereits verheiratet war, als sie ihn mit 21 Jahren kennen und lieben lernte. Von ihm wurde sie schwanger – eine Katastrophe und ein Albtraum für ein Fräulein in der damaligen Zeit. Von ihren Eltern wurde sie verstoßen, verlor ihre Arbeitsstelle und fand in einer zwielichtigen Absteige einen Unterschlupf, da kein Zimmervermieter eine schwangere unverheiratete Frau aufnehmen wollte. Als das Kind zur Welt kommt wird es ihr sofort weggenommen, sie darf nicht Mutter sein - und Otto war auch verschwunden. Das Leben ging weiter, sie lernte Louis kennen, heiratete ihn, bekam Sohn Tobias und vergrub ihren Schmerz tief im Innern. Erst jetzt im Pflegeheim beginnt sie allmählich, sich der Vergangenheit und dem widerfahrenem Leid zu stellen. Mit Hilfe von Pfleger Jamie und Sohn Tobias wagt sie die Suche nach dem, was sie einst verloren hat …

Jaap Robben, geb. 1984, ist ein niederländischer Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer, der seit 2004 publiziert. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet, die Romane verfilmt und in mittlerweile fünfzehn Sprachen übersetzt. Für seinen Roman „Birk“ (2015) erhielt er den niederländischen Buchhandelspreis und sein Roman „Summer Brother“ (2021) stand auf der Longlist des International Booker Prize. Der Autor lebt in Deutschland.

In „Kontur eines Lebens“ führt uns der Autor zurück in die 1960er Jahre, einer Zeit, in der noch ganz andere Moralvorstellungen herrschten. Er bedient sich dabei der Erinnerungen der im Pflegeheim untergebrachten Protagonistin und bewirkt somit, dass der Leser ihren Schmerz, ihre Demütigungen und das ihr zugefügte Leid äußerst intensiv erlebt. Unglaublich einfühlsam und rücksichtsvoll dringt Jaap Robben in die Gefühls- und Gedankenwelt der heute über 80jährigen, schon leicht dementen Frau ein. In einem wunderbar warmherzigen Ton erfahren wir, dass die Geburt eines Kindes zu der damaligen Zeit für eine unverheiratete Frau einer Tragödie gleichkam. Er scheut sich auch nicht, die Schattenseiten des Alters und der Heimunterbringung in klare Worte zu fassen. Friedas Scham, sich nackt und schutzlos von fremden Menschen pflegen zu lassen, fasst er in sehr sensible und taktvolle Worte. Ein ganz besonderer, wunderbar erzählter Roman, der unausgesprochene Empfindungen spürbar macht und noch lange nachwirken wird.

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