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Veröffentlicht am 12.06.2024

David Grann - Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei

Der Untergang der "Wager"
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David Grann - Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei
(C. Bertelsmann Verlag)

- Zeitzeugenbericht eines albtraumhaft strapaziösen Himmelfahrtskommandos und eines ...

David Grann - Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei
(C. Bertelsmann Verlag)

- Zeitzeugenbericht eines albtraumhaft strapaziösen Himmelfahrtskommandos und eines Prozesses vor dem Kriegsgericht -

Wir schreiben das Jahr 1741, als ein vollkommen heruntergekommenes und zusammengezimmertes Boot mit 30 Mann Besatzung, in einer Bucht an der Südostküste Brasiliens anlandet. Bei den völlig entkräfteten, verwahrlosten und dem Tode naher Männer, handelt es sich um den kläglichen Rest einer Besatzung von 250 Mann, die am 23. August 1740 von Portsmouth, Großbritannien in See stachen. Ihr Auftrag lautete, eine mit Gold und anderen Kostbarkeiten beladene Galeere der königlich spanischen Armada zu entern und zu plündern. Am südlichsten Zipfel Südamerikas, am Kap Hoorn geriet die 1734 (eigentlich als Handelsschiff) gebaute Wager in einen heftigen Sturm, in deren weiteren Verlauf sie am 14. Mai 1741 um ein Haar sank und die Überlebenden für Monate auf eine unbewohnte Insel vor der Küste Patagoniens verbannte. Aus Wrackteilen der Wager bauten sich die Männer ein Boot, in dem sich 81 der Übriggebliebenen auf den beschwerlichen Weg machten, bewohntes Land zu erreichen. Die dreieinhalb Monate andauernde Fahrt besiegelte den Tod weiterer 50 Männer. Der Rest trotzte starken Winden, schwerem Seegang, Eisstürmen und Erdbeben, bis 30 von ihnen tatsächlich das brasilianische Festland erreichten. Als sechs Monate später drei weitere Männer in noch schlimmeren Zustand, in einer Art selbst zusammengeschusterten Einbaum mit zusammengeflicktem Segel, an der Küste Chiles angespült wurden, erhoben diese später, zurückgekehrt in ihrer englischen Heimat, schwere Vorwürfe gegenüber ihren übrigen Schiffsgefährten. Sie seien keine Helden, sondern Meuterer und Mörder. In den folgenden Auseinandersetzungen wurde klar, wie sehr die gestrandeten Männer der Wager auf der nach ihr benannten Insel leiden mussten. Kälte und Hunger zwang die ehemalige Besatzung, die sich provisorische Siedlungen errichteten, zu Plünderungen, Kämpfen, Mord und Kannibalismus. Für ein Land, das sich die Verbreitung der Zivilisation auch in den letzten Winkel dieser Welt auf die Fahnen geschrieben hatte, waren diese kriminellen Exzesse natürlich eine Schmach. Die Betroffenen trugen also gut daran, sich genau zu überlegen wie und vor allem was sie berichteten.

Für seinen exzellent recherchierten Zeitzeugenbericht "Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei" hat der 1967 geborene US-Amerikaner David Grann jahrelang die unterschiedlichsten Manuskripte, Zeitungsartikel, Aufzeichnungen der verschiedenen Besatzungsmitglieder, Log- und Tagebücher, persönliche Briefe, Mitschriften, Konstruktionspläne, Gerichtsakten, Aufzeichnungen der Admiralität und der Regierung, sowie diverse historische Berichte zusammengetragen und selbige studiert. Sogar eine dreiwöchige Reise nach Westpatagonien hat der Journalist, Redakteur des New Yorker und Autor Grann unternommen, die ihn selbstredend auch nach Wager Island verschlug. Dabei hat Grann, der gerne mal als regelrecht besessen bezeichnet wird, eine ausgezeichnete und informative historische Geschichte rund um die Vorbereitungen auf und um den Krieg zwischen der britischen und der spanischen Krone zusammengetragen. Diese trägt er mit der Euphorie und Haltung eines Zeitzeugen vor und bindet sie ansatzweise in die damalige Ausdrucksweise ein. Auf geradezu enthusiastische Weise bringt uns David Grann somit seine Einschätzungen über die Wager und das karge Leben an Bord näher, geht dabei aber auch immer wieder auf allgemeine Anekdoten der Schifffahrt ein. Lediglich die zahlreichen Anmerkungen innerhalb seines Textes sind eher störend als hilfreich, dienen allerdings auch eher zum Nachweis und zur Untermauerung seiner Aussagen, als zur Aufklärung oder Unterhaltung seiner Leserschaft.

Während das britische Empire, im Oktober 1739, Spanien den Krieg erklärte, um deren Vorherrschaft im Pazifikküste Südamerikas bis zu den Philippinen zu unterbinden, wartete der stämmige Schotte David Cheap, seines Zeichens Oberleutnant auf der Centurion auf deren Instandsetzung. Sie war Teil eines Geschwaders aus mehreren Kriegsschiffen, plus der beiden Tender Anna und Industry, die von dem als ehrlich und ehrenhaft geltenden Kommodore George Anson befehligt wurden. Doch die Monate in denen Cheap zur Untätigkeit verdammt war zogen ins Land, denn die Beplankung der Centurion war wurmstichig, die Segel zerfressen und der Fockmast durchlöchert. Sie lief bereits bei ihrer Ausfahrt aus der Themse auf Grund. Bei den anderen fünf Schiffen des Geschwaders, der nicht ganz 40 Meter messenden Wager, der Gloucester, der Pearl, der Severn und der Trial sah es hinsichtlich der Schäden nicht viel besser aus. So klagte Dandy Kidd, der 56 Jahre alte Kapitän der Wager, sein Schiff sei instabil, ja sogar eine Fehlkonstruktion. Keine wirklich guten Voraussetzungen für ihren Auftrag, Schiffe der Spanier auszurauben und zu versenken. Die schon vor ihrem Beginn zum Scheitern verurteilte Mission stand also unter keinem guten Stern. Bevor es überhaupt losgehen konnte, kam es zu Zwangsrekrutierungen, da sich keine freiwilligen Besatzungsmitglieder finden ließen. Und da es zu dieser Zeit keine Wehrpflicht im Lande gab, wurden alsbald drastische Maßnahmen herangezogen, um Seeleute zu gewinnen. Kriminelle wurden zwangsverpflichtet, ausgediente Seefahrer wieder in Dienst gestellt, Invaliden an Bord gebracht und jeder, der nur nach Seefahrt aussah, entführt und verschleppt. Es waren die Elenden unter den Elenden. So kam es zu Ausbrüchen von Krankheiten und etliche Seeleute türmten bevor es überhaupt losging.

David Grann beschreibt in seinem Werk ebenfalls die unterschiedlichen Besatzungsmitglieder, ihre Gepflogenheiten, ihre Eigenarten und ihre Herkunft, wobei die Unterteilung in Klassen an Bord längst nicht so viel Raum einnahm, wie an Land.

"Auf der Wager allerdings hatte sich eine außergewöhnlich hohe Zahl an widerspenstigen und streitlustigen Männern versammelt." Zitat S. 52

Während der Lektüre von David Granns intensiver Mischung aus Fakten und Erzählung, wird man sich der Gefahr, der Strapazen, der Schmerzen, der Sehnsucht nach der Familie, des Leids, der Krankheiten und des Todes, die während der großen Fahrt lauerten, gewahr. Wen das Fleckfieber, das von Läusen übertragen wurde oder der Skorbut nicht in die knochigen Arme des Sensenmanns führte, den erwarteten Stürme, Seeschlachten oder er wurde von dem albtraumhaft strapaziösen Himmelfahrtskommando, vom Hunger und dem kümmerlichen, entbehrungsreichen Leben in den Malstrom des Wahnsinns gezogen. In Granns Erzählung, die häufig aus der Sicht des britischen Seefahrers und Entdeckers John Byron verfasst ist, der seinerzeit als Fähnrich auf der Wager angeheuert wurde, schleichen sich schon mal weniger gängige Begriffe aus der Seefahrt ein.

Als das Geschwader Wochen später auf der brasilianischen Insel Santa Catarina ankam, um sich zu erholen und Proviant aufzunehmen, war bereits ein Gutteil der Besatzung Gevatter Tod zum Opfer gefallen, doch der gefährliche Part der Reise lag noch in weiter Ferne. Anhaltende Orkanböen, 30 Meter hohe Wellen und Wellentäler gespickt mit Eisbergen machten die 3.000 km entfernte Schiffspassage um Kap Hoorn zu einer der gefährlichsten Unterfangen der damaligen Seefahrt. Wenigen Seeleuten gelang zu jener Zeit die Umrundung des Kaps. Es war eine beschwerliche und verlustreiche Rundung, die letztlich zwar gelang, aber nur einige Wochen später zur Folge hatte, dass die Wager Schiffbruch erlitt, indem sie auf ein Riff auflief und sich nur wenige Überlebende auf die, später nach ihr benannte Wager Island in Westpatagonien flüchten konnten. Als die Vorräte immer knapper wurden, brachen sich Misstrauen, Aufsässigkeit, tumultartige Zustände, Wut, Verzweiflung, Streitereien, bis hin zu purer Anarchie Bahn, die nicht selten in Ungehorsam, Diebstahl, Verrohung, Meuterei, Mord und sogar Kannibalismus mündeten. Manche begannen gar zu halluzinieren und mit sich selbst zu sprechen. Behält man sich das beschriebene Ausmaß unter diesen Extrembedingungen und die Unfreiwilligkeit der Mission von Beginn an vor Augen, kann man den britischen Marineangehörigen ihr Verhalten eigentlich nicht zum Vorwurf machen. Doch genau das geschah zwischen Leere, Langeweile und Tristesse auf dem kargen Eiland bereits auf drastische, gar tödliche Weise. Doch, um vom Massengrab Wager Island fortzukommen, wollte ein Teil der Crew mit einem zusammengeschusterten Boot ca. 600 km nach Norden fahren (genauer gesagt nach Chiloé, um dort auf Commander Anson zu treffen), während es die restliche Besatzung vorzog 5.000 km zurückzufahren, um in Brasilien anzulanden. Beides waren absolut todesmutige Wagnisse. Tatsächlich schafften es 30 der 91 Überlebenden dreieinhalb Monate später in Brasilien anzulanden.

David Grann gibt einen höchst spannenden und lebensnahen Einblick in die damaligen Abläufe, dem sich wahrlich kein abenteuer- oder schifffahrtsbegeisterter Leser entziehen kann. Sein Augenzeugenbericht liest sich wie ein aufgebrachter Abenteuerroman. Mit Anekdoten aus der Seefahrt ausstaffiert, geht der Autor auf die Hintergründe und die Aufzeichnungen der Tagebücher ein, die so manch einem später vor dem Kriegsgericht zum Verhängnis zu werden drohten. Offensichtlich beschreibt Grann die Not, das Elend und die Verwahrlosung der gestrandeten Besatzung, die unter unmenschlichen Strapazen bis zur Selbstaufgabe kämpften, ziemlich detailgetreu. Der US-amerikanische Schriftsteller geht hierbei intensiv auf das brutale Siechtum ein und macht es so in Ansätzen erfahrbar oder zumindest nachvollziehbar. Das gilt allerdings nicht für das Militärgericht, das schon für Kleinigkeiten hohe Strafen vorsah, wenn sie auch selten Anwendung fanden.

„Die Kriegsartikel sahen auch für kleinere Vergehen wie das Einschlafen während der Wache die Todesstrafe vor, aber in der Praxis wurde oft davon abgewichen und eine weniger drastische Strafe ausgesprochen, wenn das Gericht es für vertretbar hielt.“ Zitat S. 330/331

Zurück in der englischen Heimat folgte, mit Beginn der Verhandlungen am 15. April 1746, ein denkbar kurzer Prozess mit erstaunlichem Ausgang. Auch auf Kommodore Anson, der ebenfalls schwere Verluste hatte hinnehmen müssen, geht Grann ein. George Anson konnte es nicht lassen und ließ sich sogar, trotz geschwächter und arg dezimierter Besatzung auf die unbarmherzigen Grausamkeiten kriegerischer Handlungen mit den Spaniern ein. Als die Centurion in England eintraf, wurden Anson und seine Crew mit Ruhm und Ehre überhäuft. Eine willkommene Ablenkung gegenüber der Schmach, den die Katastrophe um die Wager mit sich brachte.

Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio, die David Granns Vorgänger "Killers of the Flower Moon" erfolgreich verfilmten, haben sich auch die Rechte an David Granns neuestem Bestseller "The Wager" gesichert. Für mich wäre diese Adaption ohne Frage ein absolutes must-see!

(Janko)

https://www.davidgrann.com/
https://www.facebook.com/DavidGrannAuthor
https://www.instagram.com/davidgrann/

Brutalität/Gewalt: 45/100
Spannung: 70/100
Action: 43/100
Unterhaltung: 86/100
Anspruch: 47/100
Atmosphäre: 61/100
Emotion: 55/100
Humor: 05/100
Sex/Obszönität: 01/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Wertung: 83/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Altersempfehlung: ab 16 Jahren (aufgrund des historischen Verständnisses)

David Grann - Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei
C. Bertelsmann Verlag
Gesellschaft & Kultur
ISBN: 978-3-570-10546-7
432 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag (mit Karten und Farbbildteil)
Originaltitel: The Wager (2023)
Aus dem Englischen von Rudolf Mast
Erscheinungstermin: 24.04.2024
EUR 25,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-31863-5
Erscheinungstermin: 24.04.2024
EUR 19,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

ISBN Hörbuch Download (Ungekürzte Lesung mit Tobias Kluckert): 978-3-8445-5125-9
Erscheinungstermin: 22.04.2024
EUR 21,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Der Untergang der Wager - Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei" beim C. Bertelsmann Verlag: https://www.penguin.de/Buch/Der-Untergang-der-Wager/David-Grann/C-Bertelsmann/e626705.rhd

Leseprobe: https://www.penguin.de/leseprobe/Der-Untergang-der-Wager/leseprobe
9783570105467.pdf

Hörprobe: https://www.penguin.de/content/edition/audiofiles/1083126.mp3

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Alma Katsu - The Deep - Spuk auf der Titanic

The Deep - Spuk auf der Titanic
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Alma Katsu - The Deep - Spuk auf der Titanic
(Festa Verlag)

- atmosphärische Spuk- und Liebesgeschichte mit einer Essenz Gothic-Novel -

September 1916. Die 22-jährige Ausreißerin Annie Hebbley ist Insassin ...

Alma Katsu - The Deep - Spuk auf der Titanic
(Festa Verlag)

- atmosphärische Spuk- und Liebesgeschichte mit einer Essenz Gothic-Novel -

September 1916. Die 22-jährige Ausreißerin Annie Hebbley ist Insassin des Morninggate Asylum, in Byshore Mews, Liverpool, England. Dort ist sie auf ihren eigenen Wunsch untergebracht. Doch der Erste Weltkrieg tobt und die Betten für die Versehrten sind rar. Somit folgt sie auf Anraten des Leitenden Arztes Nigel Davenport, dem schriftlichen Aufruf ihrer Freundin Violet Jessop, auf der kürzlich zum Lazarettschiff umgerüsteten HMHS Britannic als Krankenpflegerin zu arbeiten. Die Britannic ist das Schwesterschiff der Titanic, auf der Annie und Violet, bis zu deren Untergang in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912, den sie beide glücklicherweise überlebten, bereits als Stewardessen gearbeitet hatten. Die Arbeit auf dem Hospitalschiff ist extrem. Mit nichts zu vergleichen. Annie muss sich erst an die jungen, verzweifelten Männer mit zerschossenen Gesichtern, amputierten Gliedmaßen und vom Senfgas verätzten Lungen gewöhnen. An Bord der Britannic lernt sie den Ersten Bordfunker Charlie Epping kennen. Er interessiert sich dafür, wie Annie den Untergang der Titanic überlebt hat und lässt sich von ihr berichten.

Nach dieser kurzen Einleitung springt die US-amerikanische Schriftstellerin Alma Katsu also vier Jahre zurück ins Jahr 1912 und somit zu den Geschehnissen auf der RMS Titanic, vor und während ihres Untergangs. Auf angenehme und wenig brutale Weise, vermischt sie Fakten mit Fiktion und nutzt dabei eine, der damaligen Zeit angemessene, aristokratisch angehauchte, aber leicht verdauliche Sprache. Dadurch erzeugt Alma Katsu eine angeregte und gemütliche Atmosphäre, mit einer Essenz Gothic-Novel. Auch die bildhaft ausgeführten Schilderungen der jeweiligen Schauplätze tragen dazu bei, dass ein emotionales und einfühlsames Gefühl des Behagens entsteht. Hier trifft die Stewardess der Ersten Klasse Annie Hebbley erstmals auf den jungen und attraktiven Mark Fletcher, seine Ehefrau Mrs. Caroline Fletcher, sowie seine wenige Monate alte Tochter Ondine. Annie fühlt Mark gegenüber eine anziehende Vertrautheit. Als würde sie ihn kennen. Daraus entbrennt eine unerbittliche Sehnsucht nach dem attraktiven, aber verheirateten Mann in Annie, die sich allmählich zu einer wahnhaften bis geisteskranken Obsession entwickelt. Eine merkwürdige, beinahe tödliche Anziehungskraft entwickelt auch Teddy, der Dienstjunge der First Class Reisenden John Jacob und Madeleine Astor, als er wie magisch vom Meer gerufen wird, auf die Reling der Titanic klettert und nur noch fallen will. Er wird in letzter Sekunde vom Pugilisten David "Dai" John Bowen von den Stahlstreben gepflückt.

"The Deep - Spuk auf der Titanic" schwenkt zwischen den Geschehnissen des Jahres 1912 auf der Titanic und denen von 1916 auf dem Schwesterschiff Britannic hin und her. Das 560 Seiten starke, fiktionale Psychogramm ist in erster Linie auf die Studien der einzelnen Charaktere ausgelegt und hauptsächlich aus der Sicht von Annie Hebbley, Caroline Fletcher, aber auch weiterer Passagiere verfasst. Während die abergläubische und von einem gefährlichen Gemütsleiden geplagte Annie mit einer beschwingten, tagträumerischen Melancholie agiert, lässt sich Caroline ausgelaugt, verwirrt und von Kopfschmerzen geplagt, häufig vom Moment tragen. Als sich Caroline gemeinsam mit dem Millionär Benjamin Guggenheim, John Jacob Astor, dem angeblich reichsten Mann Amerikas, samt seiner Frau Madeleine Astor, sowie der Modeschöpferin Lady Lucille Duff-Gordon und ihrem Mann Cosmo einer Séance in W.T. Steads First Class Kabine anschließt, wird der Geist angerufen, der zuvor den Dienstjungen Teddy um ein Haar in die See gelockt hätte. Während dieser Geisterbeschwörung, die der bekannte britische Journalist, Redakteur und Spiritist W.T. Stead leitet, erleidet der junge Teddy in der Kabine der Astors einen epileptischen Anfall, dem er erliegt. Die sonderbaren Vorkommnisse häufen sich. Aus den irrationalen bis wahnhaften Gedanken, dem wirren Handeln, Passagieren im Drogenrausch, Okkultismus und übernatürlichen Geschehnissen, formt Alma Katsu eine charismatische Spukgeschichte, die auch leidenschaftliche Liebesgeschichte auf vielerlei Ebenen ist. Ich muss allerdings zugeben, dass der Mittelteil für meinen Geschmack zu aufgebauscht und daher etwas überladen rüberkommt.

"The Deep" birgt ein metaphysisches Flair aus übernatürlichen Geschehnissen, sowie einer mystischen, geheimnisvollen und übersinnlichen, gleichwohl aber auch leidenschaftlichen Romantik. Das erklärt vielleicht, warum der lebendig und nah gezeichnete Roman, mit erstaunlich wenig Action und Spannung auskommt. Die transzendente Erzählung lebt vielmehr von der sonderbaren atmosphärischen Tiefe, der eingehenden Charakterstudien der damaligen High Society und der nervösen Stimmung, die Alma Katsu unter den Passagieren heraufbeschwört. Als Annie Hebbley vier Jahre später auf der Britannic als Krankenschwester ihren Dienst verrichtet, wird ein bewusstloser Patient in den großen Behandlungssaal geschoben. In ihm erkennt Annie Mark Fletcher, der Annies Meinung nach, den Untergang der Titanic nicht überlebt haben kann. Doch wie ist das möglich, dass er ihr hier auf der HMHS (His Majesty's Hospital Ship) Britannic begegnet, wenn er doch eigentlich tot sein müsste? Und wie soll sie ihm weiterhin begegnen, nachdem er sie vehement abweist? Erneut steigert sich Annie in einen krankhaften Wahn, der sie beide in den psychischen, wie physischen Abgrund zu ziehen droht. Alma Katsu, die heute mit ihrem Mann, dem Musiker Bruce Katsu, sowie den beiden Hunden Nick und Ash in den Bergen von West Virginia lebt, hat mit "The Deep" eine seltsam faszinierende und sogartige Wirkung auf mich ausgeübt. Ein bisschen düsterer und draufgängerischer hätte ihr zweiter Roman im Festa Verlag aber dann doch gerne sein dürfen.

Edutainment-Facts:
Die 1887 bei Bahía Blanca, Argentinien geborene Krankenschwester Violet Constance Jessop ist eine real existierende Person, die bereits auf der Olympic (dem ersten von drei Schiffen der Olympic-Klasse) gearbeitet hat. Bereits hier war sie in ein Unglück verwickelt, als die Olympic am 20. September 1911 mit dem britischen Kreuzer Hawke zusammenstieß. Beide Schiffe wurden schwer beschädigt, sanken aber nicht. Sie überlebte ebenfalls den Untergang der Titanic in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912, auf der sie damals arbeitete. Die Überlebenskünstlerin entrann auch das dritte Mal dem Tod, als die Britannic am 21. November 1916 auf eine deutsche Seemine auflief und in der Folge verschiedener Nachlässigkeiten und Fehlverhalten der Besatzung, nur 58 Minuten nach der Explosion sank. Hierzu führten unter anderem die, gegen ausdrückliche Order, zur Lüftung offen stehenden Bullaugen, sowie fatalerweise auch ein Schichtwechsel, bei dem die Crew gegen die Vorschrift verstieß, die Schiffsschotts stets geschlossen zu halten. Violet Jessop saß in einem der beiden Rettungsbote, die verbotenerweise noch während des laufenden Motors der Britannic zu Wasser gelassen wurden. Hierbei gerieten die beiden Rettungsbote in die noch rotierende Schiffsschraube der Britannic und wurden dort zerschlagen. Violet konnte sich im letzten Moment durch einen beherzten Sprung ins Wasser retten und wurde von einem der anderen Rettungsbote aufgenommen. Erst Jahre später erfuhr Violet, dass sie sich bei dem Sprung ins Wasser, bei dem sie mit dem Kopf gegen den Kiel eines der Rettungsboote schlug, eine Schädelfraktur zugezogen hatte. Violet Constance Jessop heiratete in den späten 1920er Jahren, wurde aber kurze Zeit später wieder geschieden. Sie starb am 05. Mai 1971 an einer Herzinsuffizienz. Violet Constance Jessop wurde 83 Jahre alt.

Weitere vorkommende Personen, in Alma Katsus Roman "The Deep - Spuk auf der Titanic", wie der britische Journalist, Redakteur und Spiritist William Thomas Stead, der Immobilienmakler und Geschäftsmann Colonel John Jacob Astor IV, sowie seine 18-jährige schwangere Frau Madeleine, der Industriemagnat Benjamin Guggenheim und selbstverständlich der Kapitän der Titanic Captain Edward John Smith haben ebenfalls einen realen Hintergrund. Die Hauptprotagonistin Annie Hebbley ist allerdings frei erfunden.

(Janko)

https://almakatsubooks.com
https://www.facebook.com/AlmaKatsuBooks/
https://www.instagram.com/almakatsu/

Brutalität/Gewalt: 25/100
Spannung: 38/100
Action: 32/100
Unterhaltung: 82/100
Anspruch: 31/100
Atmosphäre: 65/100
Emotion: 57/100
Humor: 09/100
Sex/Obszönität: 09/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Wertung: 75/100

https://www.lackoflies.com" target="_blank">https://www.lackoflies.com - Altersempfehlung: ab 14 Jahren (aufgrund der nicht allzu häufigen Brutalität und des einfachen Verständnisses)

Alma Katsu - The Deep - Spuk auf der Titanic
Festa Verlag
Horror/Thriller
Buchreihe: HORROR & THRILLER - Band 185
ISBN: 978-3-98676-114-1
560 Seiten
Paperback in der Festa-Lederoptik mit Umschlagklappen
Originaltitel: The Deep (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Heiner Eden
Erscheinungstermin: 11.04.2024
EUR 16,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN Ebook (ePup): 978-3-98676-115-8
Erscheinungstermin: 13.03.2024
EUR 5,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"The Deep - Spuk auf der Titanic" beim Festa Verlag: https://www.festa-verlag.de/the-deep-spuk-auf-der-titanic.html

Leseprobe: https://www.festa-verlag.de/mpattachment/file/download/id/705/

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.04.2024

- cineastisch aufgebauter Öko- und Edutainment-Thriller -

Blaues Gold
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Uwe Laub - Blaues Gold – Der Kampf ums Wasser beginnt
(Heyne Verlag)

- cineastisch aufgebauter Öko- und Edutainment-Thriller -

Dass sich der 1971 in Timișoara, Rumänien geborene, deutsche Schriftsteller ...

Uwe Laub - Blaues Gold – Der Kampf ums Wasser beginnt
(Heyne Verlag)

- cineastisch aufgebauter Öko- und Edutainment-Thriller -

Dass sich der 1971 in Timișoara, Rumänien geborene, deutsche Schriftsteller Uwe Laub, in seinen spannenden Thrillern gerne mit brandaktuellen Themen aus den Bereichen Klima, Ökologie, Wissenschaft, Umwelt, Ökonomie und Sozialwirtschaft befasst, dürfte jedem kundigen Leser hinlänglich bekannt sein. So verhält es sich auch bei seinem mittlerweile fünften Vollwerk "Blaues Gold – Der Kampf ums Wasser beginnt", das sich mit dem immer knapper werdenden Rohstoff Wasser, der wirtschaftlichen Ausbeutung dieser überlebenswichtigen Ressource und der gerechten Verteilung selbiger beschäftigt. Ein Thema, das uns alle angeht und das Uwe Laub mit subtilen Warnungen unterfüttert hat. Die visionären Erkenntnisse seiner akribischen Recherchen sind oftmals erschreckend nah an künftig eintretenden Ereignissen, sodass man ihm in den sozialen Medien schon orakelhafte Fähigkeiten zugeschrieben hat. Uwe Laub ist ein Garant dafür, seine wissenschaftlich interessierte Leserschaft unmittelbar in seinen Bann zu ziehen und direkt in seinen Plot hineinzusaugen.

August 2026, Europa ächzt unter der Hitze. Die Klimakatastrophe ist in vollem Gange. Dürren, brennende Wälder, brennende Moore, ausgetrocknete Flussbette. Der Grundwasserspiegel sinkt ab und Europa geht das Trinkwasser aus. Da kommt die Eröffnung der weltweit ersten Offshore-Förderplattform für Süßwasser "Greifswald" vor der deutschen Ostseeküste, mit viel Prominenz an Deck, gerade recht. Ein gefundenes, weil exorbitant lohnendes Fressen für den Milliardär, Gründer und CEO der Firma Sharpwater LLC, Ethan Holloway, der die Süßwasservorkommen vor sämtlichen rentablen Küstengebieten der Welt erschließen möchte. Die "Greifswald" macht dabei den Anfang. Sie ist der Prototyp für die künftig von tausenden von Menschen bewohnten Aqua Citys und ein Versprechen, die Menschheit für die nächsten 100 Jahre mit Trinkwasser zu versorgen. Die Behebung sämtlicher Wasserprobleme auf der Welt! Der Run auf die Vermarktung des Trinkwassers und letztlich auch auf das Monopol über die Trinkwasserversorgung hat begonnen. Und damit auch die finanzielle Gängelung der jeweils davon abhängigen Bevölkerung. Doch kurze Zeit, nachdem Sharpwaters Projektleiterin für die Erkundung der Wasserreservoire Leonie Vargas samt ihrer Kollegen in einem Hubschrauber auf der Greifswald abgesetzt werden, besetzt ein Trupp schwer bewaffneter Terroristen die Plattform, eröffnet das Feuer auf einige der Mitarbeiter und nimmt sämtliche Anwesende der "Greifswald" als Geiseln. Alle Kommunikationsmöglichkeiten nach draußen wurden von den Angreifern gekappt und ein Hilferuf oder gar eine Flucht scheint für sämtliche Beteiligte unmöglich. Sie alle sind Geiseln einer terroristischen Vereinigung, die sich als Wohltäter der gesamten Menschheit aufspielt. Ihre Forderung: Das geförderte Trinkwasser soll allen gehören. Eine altruistische Utopie, die sich bald als irreführender Vorwand herausstellen soll.

Der abwechselnd mit seiner Frau in München und Fort Myers, Florida residierende Schriftsteller Uwe Laub, bringt seine empathische Sichtweise geschickt in seinem neuesten Climate-Fiction-Thriller "Blaues Gold" unter. Er findet dabei eine beinahe perfekte Mischung aus Realität und Fiktion, wären da nicht die klischeebehafteten Zufälle und Ungereimtheiten, die sich hin und wieder in seinen Roman eingeschlichen haben. Sieht man allerdings darüber hinweg, kann man sich über einen spannenden und cineastischen Aufbau seines Wissenschaftsthrillers freuen, der für vieles entschuldigt, jedoch gerne etwas mehr Action und dafür weniger Konjunktiv hätte vertragen können. Uwe Laub wirft in seinen verschiedenen Handlungssträngen und Zeitebenen, die immer klar strukturiert sind, unzählige Namen in den Raum, mit denen man jedoch gut klarkommt. Der komplexe Aufbau seines Klima-/Edutainment-Thrillers bietet fiktive, wie auch wissenschaftlich recherchierte Rückblicke in die Anbahnung der Zusammenarbeit zwischen dem, von der Masse als Philanthrop und Idealist wahrgenommen Milliardär Ethan Holloway und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Zentrums für Ozeanforschung GEOMAR, Leonie Vargas. Laubs nüchterne, schnörkellose Sprache, die in der Regel straight auf den Punkt kommt, ist dabei stets zugänglich gehalten und leicht zu verdauen. Lediglich eine etwas ausführlichere und "blumigere" Beschreibung des Lokalkolorits wäre wünschenswert gewesen.

Ein Krisenstab aus Regierungsmitgliedern, Bundespolizei, dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum GTAZ und GSG 9, unter der Leitung der 44-jährigen Anne Hagen wird eingerichtet. Operation AURORA hat begonnen. Als die Terroristen die laufende Wasserförderung einstellen, geht großen Teilen Berlins und Brandenburgs, das Wasser aus. Der deutsche Bestsellerautor Uwe Laub wirft hier und da erschreckende Anekdoten zum Nachdenken über unsere fragilen Systeme ein. Er zeigt dabei die Gefahren der Privatisierung der Wasserversorgung durch Großkonzerne auf. Während die Menschen allmählich am Verzweifeln sind, kommt es auf und um die "Greifswald" zu mehreren tödlichen Zwischenfällen. Nicht zuletzt hierdurch erhöht sich der Druck auf das Einsatzteam enorm. Der Pharma-Unternehmer und ehemalige Börsenhändler Uwe Laub gibt immer wieder Einblick in die Kommunikation und Verfahrensweise des Krisenstabs, wodurch "Blaues Gold", in gewisser Weise auch ein wenig Richtung Politthriller schielt. Wer sich für die wirtschaftlichen, technischen, physikalischen und biologischen Aspekte und Hintergründe der Wasserwirtschaft, verpackt in einen rasanten Spannungsroman interessiert, kommt mit dem 480 Seiten starken Klima-Thriller "Blaues Gold" und Uwe Laubs interessantem Nachwort, voll auf seine Kosten.

(Janko)

https://uwelaub.de
https://www.facebook.com/uwelaubautor
https://www.instagram.com/uwelaub

Brutalität/Gewalt: 51/100
Spannung: 71/100
Action: 60/100
Unterhaltung: 79/100
Anspruch: 36/100
Atmosphäre: 57/100
Emotion: 40/100
Humor: 05/100
Sex/Obszönität: 07/100

LACK OF LIES - Wertung: 79/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahren (aufgrund der allgemeinen Thematik und der Kausalitäten)

Uwe Laub - Blaues Gold – Der Kampf ums Wasser beginnt
Heyne Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-453-42845-4
480 Seiten
Paperback, Klappenbroschur
Erscheinungstermin: 13.03.2024
EUR 16,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-31073-8
Erscheinungstermin: 13.03.2024
EUR 12,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

ISBN: Hörbuch Download (Ungekürzte Lesung mit Achim Buch; Laufzeit: 12h): 978-3-8445-5106-8
Erscheinungstermin: 11.03.2024
EUR 25,95 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Blaues Gold – Der Kampf ums Wasser beginnt" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Blaues-Gold/Uwe-Laub/Heyne/e617318.rhd

Leseprobe: https://www.penguin.de/leseprobe/Blaues-Gold/leseprobe
9783453428454.pdf

Die beiden Trailer zum Buch checkt ihr hier: https://youtu.be/4QjypwyXP2o und hier: https://youtu.be/hmAI0_NyEyo

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.01.2024

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

Die Schuld
0

Samuel W. Gailey - Die Schuld
(Polar Verlag)

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

North-Carolina, im Jahre 2005. Als die Eltern der 15-jährigen leidenschaftlichen ...

Samuel W. Gailey - Die Schuld
(Polar Verlag)

- aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel mit melancholischen Zwischentönen -

North-Carolina, im Jahre 2005. Als die Eltern der 15-jährigen leidenschaftlichen Schwimmerin Alice O’Farrell das Haus verlassen um ihren 20. Hochzeitstag zu feiern, ist die Jugendliche mit ihrem vierjährigen Bruder Jason allein zu Hause. Gerade als Alice mit dem Entfernen seiner Nagellackschmierereien in ihrem Zimmer beschäftigt ist, beschließt der kleine unbeaufsichtigte Racker, eine Runde im Wäschetrockner zu drehen. Dass das nicht gut gehen kann, versteht sich von selbst. Mit dem Resultat, dass Alice die längste Zeit einen Bruder hatte. Szenenwechsel. Sechs Jahre später. Aufgrund ihrer Schuldgefühle von zu Hause abgehauen und zur Alkoholikerin avanciert, ist von Alices einstmaliger, aufstrebender Tragfähigkeit nicht viel mehr übrig geblieben, als ein psychisches und physisches Wrack. Sie arbeitet als Barkeeperin im Frisky Pony, einem Striplokal in Harrisburg. Schon viel zu lange. Zeit weiterzuziehen. Die Umwelt erfolgreich ausgeblendet, die Gefühle unterdrückt, den Kater vom alltäglichen Besäufnis kategorisiert, startet sie in den Tag. Und mit ihr Terry Otis. Seines Zeichens Geschäftsführer des Frisky Pony. Zumindest war er das, bevor er neben Alice, nackt im Bett seines Trailers, in seiner eigenen Kotze erstickte. Als sie die Tasche mit dem Bargeld und den illegalen Substanzen neben ihm entdeckt, beschließt sie kurzerhand die Cops zu rufen. Doch diejenigen, die kurz darauf an die Tür des Wohnwagens klopfen, sind keine Cops. Eigentlich das glatte Gegenteil. Jetzt steckt Alice in Schwierigkeiten. Doch aus dieser Affäre kann sie sich erfolgreich herauswinden. Als anschließend tatsächlich die Cops anklopfen, ist das Massaker perfekt und Alice längst auf der Flucht. Samt einer Tasche voller Bargeld, die immer wieder Begehrlichkeiten hervorruft.

Im amerikanischen Original bereits im Jahre 2019 unter dem Titel "The Guilt We Carry" erschien, geht "Die Schuld" von der Startzeile an straight forward. Das sarkastisch-humorige Sprachvermögen, dem sich der US-amerikanische Schriftsteller Samuel Gailey zu Beginn seines Zweitwerks bemächtigt, verfliegt im weiteren Verlauf der 312-seitigen Road Novel immer mehr, zugunsten eines weit tiefgründigeren und anspruchsvolleren erzählerischen Stils. Trotz melancholischer Zwischentöne trägt "Die Schuld" in der Darstellung der Charaktere oder der Gewaltszenen anfangs dick auf, dafür sorgt Gailey innerhalb seiner nervenaufreibenden, gleichwohl rasanten Dynamik aber auch für ordentlich Spannung und Action. Dabei wagt der Autor, der in einer Kleinstadt im Nordosten Pennsylvanias aufwuchs und heute auf der abgelegenen Orcas Island lebt, immer wieder emotionale Rückblicke in Alices herzzerreißende Vergangenheit, sowie in die Gedanken- und Gefühlswelt der Borderlinerin. Mitleid kommt mit der gebeutelten Alice auf und man beginnt mit ihr mitzufühlen. Enttäuscht von sich selbst, dem Leben an sich, ihrem Umfeld und ihren Mitmenschen im Allgemeinen, hat sie den Glauben an Freundschaft und Gerechtigkeit, in einem moralisch verkommenen Amerika in den Anfängen des 21. Jahrhunderts, schon früh verloren. Ihre ausgeprägte Alkoholsucht ist da nicht gerade förderlich. Nicht alle, der leicht skurril gehaltenen Akteure, meinen es schlecht mit ihr. So lernt Alice auf ihrer Flucht vor der Vergangenheit und den eigenen Dämonen, den großväterlichen Rattenfänger Elton oder die ebenfalls von zu Hause ausgerissene Delilah kennen, die sich ihr unaufgefordert anschließt.

Doch Alice, die aufgrund ihres Wesens, ständig mit ekelhaften Junkies, bemitleidenswerten Außenseitern und strohdoofen Hillbillys aneinander zu geraten scheint, zieht den Ärger nun mal an, wie die Scheiße Fliegen. Und da sie eine Menge Kohle mit sich herumträgt, die ihr nicht gehört, sitzt ihr alsbald der wortgewandte, kleinwüchsige und brutale Drogenboss Sinclair, samt seines proportional überdimensionierten "Mädchen für alles" krampfhaft im Nacken. Während sich Alice und ihre neu erworbene Freundin Delilah immer weiter in die Scheiße reiten, wird Sinclair auf der Suche nach seinem Geld regelrecht investigativ.

Von subtilem Heimweh und einer ungewissen Sehnsucht geplagt, ist Alices Leidensweg eine gewisse Selbstkasteiung. Die aufwühlend und raffiniert geplottete Road Novel "Die Schuld", die sich ausnimmt wie ein cinematischer Rausch, erinnert entfernt an den, im letzten Jahr verstorbenen Cormac McCarthy. Sie ist auch ein trauriges Psychogramm über Einsamkeit, Angst, Verletzbarkeit, Alkoholsucht, Mobbing, Hilflosigkeit, Missbrauch, Ausweglosigkeit, Rassismus, Schutzbedürftigkeit, Mord, Totschlag und letzten Endes natürlich auch über die jeweilige Schuld, die jeder einzelne als strafende Bürde mit sich trägt.

(Janko)

https://www.samuelwgailey.com/
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Brutalität/Gewalt: 67/100
Spannung: 73/100
Action: 71/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 50/100
Atmosphäre: 62/100
Emotion: 63/100
Humor: 09/100
Sex/Obszönität: 16/100

LACK OF LIES - Wertung: 83/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 16 Jahren (aufgrund der Kausalitäten und der relativ expliziten Gewalt)

Samuel W. Gailey - Die Schuld
Polar Verlag
Kriminalroman
ISBN: 978-3-948392-96-3
312 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Originaltitel: The Guilt We Carry (2019)
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf
Erscheinungstermin: 15.01.2024
EUR 26,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die Schuld" beim Polar Verlag: https://polar-verlag.de/my-product/samuel-w-gailey-die-schuld/

Leseprobe: https://polar-verlag.de/my-product/leseprobe-49/

Original Trailer zum Buch (english): https://youtu.be/1pib3NtCUMk

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Veröffentlicht am 15.01.2024

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Wonderland - Ein Albtraum
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Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
(Festa Verlag)

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Adirondack Mountains, im nordöstlichen Teil des US-Bundesstaates New York. Die 41-jährige Orla Moreau ...

Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
(Festa Verlag)

- Folk-/Psycho-Horror mit Mystery-Elementen -

Adirondack Mountains, im nordöstlichen Teil des US-Bundesstaates New York. Die 41-jährige Orla Moreau und ihr drei Jahre jüngerer Ehemann Shaw Bennett haben einen Hof fern ab jeglicher Zivilisation erworben, um gemeinsam mit ihren beiden Kindern Eleanor Queen und Tycho dem Stress und der Hektik ihres ehemaligen Wohnsitzes in Manhattan zu entgehen. Zwischen Bergen, Wäldern, Flüssen und Tälern wollen sie die Tage auskosten, die Ruhe und den Frieden mitten im Nirgendwo genießen und letztlich zu sich selbst finden. Die abenteuerlustige und lebensbejahende Familie, die mit den üblichen Problemen der modernen Gesellschaft hadert, richtet sich in ihrem Farmhaus und dem dazugehörigen Grundstück mitten im Wald, auf ein mehr oder minder entbehrungsreiches Leben ein. Und das wird es definitiv werden! Hinter ihrem Haus steht, wie ein Fels in der Brandung, eine große, über 500 Jahre alte Weymouth-Kiefer. Das riesige, alles überragende Ungetüm scheint sich als Muse in Shaws Gemüt zu schleichen. Der immergrüne Baum manifestiert sich in den Träumen des 38-jährigen Familienvaters, lässt ihn besser malen, ihn vitaler erscheinen und immer aufgeregter werden. Dementgegen brechen sich beklemmende, gar bedrohliche Empfindungen bei Orla und ihrer neunjährigen Tochter Bahn. Seltsame Vorkommnisse, Gerüche, die es nicht geben dürfte, undefinierbare Geräusche, schwer einzuordnende Gefühle, Halluzinationen, Trugbilder, plötzlich auftretende und sich genauso schnell wieder legende Wetterphänomene und eine frostklirrende, todbringende Kälte. Das alles wirkt sich äußerst verstörend auf die vierköpfige Familie aus.

Die lebensnah inszenierte Folk-/Psycho-Horror Story "Wonderland - Ein Albtraum", der US-Amerikanerin Zoje Stage, besitzt jede Menge Mystery-Elemente. Dabei jongliert die 1969 in Pittsburgh, Pennsylvania geborene Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Regisseurin hin und wieder mit der Sprache und taucht ihre leicht verständliche Syntax schon mal in Metaphern. Stage lässt neben der fabelhaft ausgeschmückten winterlichen Kulisse auch gerne beklemmende und bedrohliche Komponenten in ihren erzählerischen Stil einfließen. Sie skizziert ihre Charaktere ausgiebig und haucht ihnen gekonnt Leben und Emotionen ein. So verbreitet sich schnell ein cozy Feeling, das innerhalb seiner 496 Seiten immer wieder von unbehaglichen Momenten und schaurigen Illusionen durchdrungen wird. Der raffiniert geplottete Nervenkitzel, aus Familiengeschichte, Mystery-Horror und verstörenden Passagen, bleibt dabei permanent ereignisreich, fesselnd und mit kleineren Ausnahmen authentisch.

Die Moreau-Bennetts reagieren hypersensibel und sehen Dinge, die nicht da sein sollten. Immer wieder prasseln paranormale Empfindungen auf sie ein. Eine besitzergreifende, machtvolle Entität scheint mit ihnen kommunizieren zu wollen, aber diese vergeistigte Form der Kommunikation will nicht so recht in Gang kommen und fängt an völlig nach hinten loszugehen. Alsbald liegen die Nerven der Familie blank und sie verlieren deutlich an Bodenhaftung. Als Orla und Shaw tiefer in die Geschichte rund um ihren frisch erworbenen Grund eintauchen und darüber spekulieren, worum es sich dabei handeln könnte, wird es immer unheimlicher. Lebensbedrohliche Wetterkapriolen schlagen unbarmherzig zu und zwingen die vier im Haus zu bleiben. Die verkopfte Orla versinkt nahezu permanent in ihrer Gedankenwelt, die sich geradezu krankhaft neurotisch um ihrer aller Schicksal dreht. Während sie verzweifelt versucht, die Familienbande zusammenzuhalten, bricht ihr beinahe der Boden unter den Füßen weg, denn nicht nur Shaw verändert sich nachhaltig. Die Ereignisse überschlagen sich endgültig, als Orla, Shaw, Eleanor Queen und Tycho versuchen das Wesen zu überlisten und das Grundstück für immer zu verlassen. Mit fatalem Ausgang.

Die verwirrenden Geschehnisse im Umfeld des Hauses erinnerten mich in gewisser Weise an eine Mischung aus "Old Country" von Matt und Harrison Query, "The Ceremonies" von T.E.D. Klein und "Das Jahr der Hexen" von Alexis Henderson. Psychologische Komponenten spielen eine ebenso tragende Rolle, wie Phänomene aus schwarzer und weißer Magie. Zoje Stages 2020 im Original unter dem Titel "Wonderland" erschienener zweiter Roman ist für mein Empfinden jedoch einen Tacken zu verspielt. Die US-amerikanische Bestsellerautorin sinniert mir zu häufig und zu ausgiebig über dies und jenes. So hätte sie Orlas omnipräsente Gedankengänge bezüglich des "Wie", "Was" und "Warum" und das langatmige Geplauder rund um ihren Seelenzustand, deutlich abkürzen können. Dafür hätte sie ihren Plot gerne noch etwas düsterer, bedrohlicher und blutiger ausgestalten können. Dennoch muss man neidlos anerkennen, dass Mrs. Stage ihre interessanten und übernatürlichen Ideen zu einem starken Gesamtkonstrukt zusammensetzt. Dabei arbeitet die Autorin, die viele Jahre in Rochester im US-Bundesstaat New York gelebt hat, gerne mit Cliffhangern, die sie strategisch sinnvoll anbringt. Zoje Stage lebt heute wieder in ihrer Heimatstadt Pittsburgh.

(Janko)

https://zojestage.blogspot.com/
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https://www.instagram.com/zoje.stage_author/

Brutalität/Gewalt: 22/100
Spannung: 74/100
Action: 66/100
Unterhaltung: 82/100
Anspruch: 30/100
Atmosphäre: 62/100
Emotion: 63/100
Humor: 04/100
Sex/Obszönität: 02/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 78/100

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahren (aufgrund der allgemeinen Thematik und der, allerdings nicht allzu expliziten Gewaltszenen)

Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
Festa Verlag
Spukhausgeschichte
Buchreihe: Festa Must Read - Band 50
ISBN: 978-3-98676-093-9
496 Seiten
Hardcover in der Festa-Lederoptik, mit Leseband
Originaltitel: Wonderland (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Claudia Rapp
Erscheinungstermin: 06.12.2023
EUR 24,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN (eBook): 978-3-98676-094-6
Erscheinungstermin: 11.11.2023
EUR 7,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Wonderland - Ein Albtraum" beim Festa Verlag: https://www.festa-verlag.de/wonderland-ein-albtraum.html

Leseprobe: https://www.festa-verlag.de/mpattachment/file/download/id/682/

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