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Veröffentlicht am 29.01.2024

Über Begegnungen, die mehr sind als Spuren im Watt…

Südfall
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Dave, ein britischer Soldat landet nach einem Flugzeugabsturz im nordfriesischen Watt nicht weit von der Hallig Südfall. Was wird mit ihm geschehen? Wird er Hilfe erhalten, als britischer Soldat, dessen ...

Dave, ein britischer Soldat landet nach einem Flugzeugabsturz im nordfriesischen Watt nicht weit von der Hallig Südfall. Was wird mit ihm geschehen? Wird er Hilfe erhalten, als britischer Soldat, dessen Land Bomben auf Hamburg abgeworfen hat?

Vertrautheit entsteht zunächst in der Landschaft. Die Wattlandschaft in Nordfriesland ähnelt seiner Heimat an der britischen Küste. Ob dies ein gutes Zeichen ist?

Obwohl die Handlung im Sommer 1944 angesiedelt ist, spielt das Kriegsgeschehen als solches nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr wirft der Autor einen Blick auf die Alltäglichkeit und Herausforderungen des Lebens auch unabhängig des Kriegsgeschehens und wählt dafür diesen besonderen Landstrich an der Nordsee. Besonders nicht nur wegen der einzigartigen Wattlandschaft, sondern auch der Menschen, die sie bewohnen. Bereits seine erste Helferin überrascht Dave mit ihrer uneingeschränkten Hilfsbereitschaft und nicht zuletzt auch dem Risiko, dass sie damit für ihn eingeht. Dies wird, so viel darf verraten werden, nicht die letzte besondere Begegnung für Dave auf seinem Weg sein.

Denn diese durchziehen das Buch wie ein unsichtbarer Faden, Begegnungen zwischen Menschen. Es ist Dave der britische Soldat, der verunglückt ist, jedoch Dave der Mensch und Tierarzt, der einen Weg nach Hause sucht. Nach Hause darf hier sowohl geographisch, als auch im übertragenen Sinne nach seiner inneren Heimat verstanden werden. Und so sind es Begegnungen auf Augenhöhe die nicht nur Dave, sondern auch sein jeweiliges Gegenüber verändern.

Bereits mit Daves Geschichte wird deutlich, welche Dämonen und Schicksale jeden einzelnen Menschen auch jenseits von Krieg ereilen können. Daves Zerrissenheit und selbst erlebte Gefühllosigkeit erklärt sich nicht primär aus dem Krieg, sondern Verlusten in seiner Vergangenheit, die er bisher eher halbherzig überwunden hat. Auch die weiteren Protagonisten Paul, Anna, Cecilie und Simon hadern jede und jeder auf ihre Art mit der Vergangenheit und Gegenwart. Alle nicht nur aufgrund der Ereignisse, die sie erlebt haben, sondern auch einer gewissen Zartheit und Tiefe in ihrem Charakter, die so oft nicht in eine raue, oberflächliche Welt und gesellschaftliche Zwänge passen mag und sie so doch auf eine eigentümliche Art und Weise eint. Was die Charaktere im Buch ausmacht, ist daher für mich, dass wir sie von ihrer verletzlichen, und vielleicht auch wahrhaftigsten Seite kennenlernen.
Ich bin begeistert, wie der Autor es schafft, für die verschiedenen Figuren in Stil, Sprache und Gedanken ganz eigene Welten zu erschaffen. Es sind dabei nur Nuancen in Wortwahl, Stil und Struktur, die beim Lesen immer wieder in die Gedanken, Nöte und Freuden der jeweiligen Protagonisten eintauchen lassen und sich zugleich umstandslos aneinander folgen.

Die Sprache ist atmosphärisch dicht, kein Wort zu wenig, keines zu viel, und lädt ein auch all die Nuancen zwischen den Zeilen wahrzunehmen und auf sich wirken zu lassen.

Sehr gelungen fand ich die Beschreibungen und Parallelen der Wattlandschaft in Norddeutschland und Großbritannien.

Südfall ist so besonders, weil es aufzeigt, wie eine einzelne, vielleicht auch nur kurze Begegnung wichtige Denkanstöße geben kann, die einen selbst anders auf das eigene Leben blicken lassen und dieses damit auch verändern können.

Dave hinterlässt Spuren, nicht nur flüchtige Spuren im Watt, sondern in den Menschen, denen er begegnet. So mag es auch der Leserin mit Südfall ergehen. Ein Buch, das Spuren hinterlässt und zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Ein tolles Leselern- und Mitmachbuch für kleine Klimaschützer:innen

Wieso? Weshalb? Warum? Erstleser, Band 13: Umweltschutz
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Warum ist Umweltschutz wichtig? Warum Energie und Wasser sparen? Welche Rolle spielen Einkäufe? Welche Entscheidungen helfen der Umwelt? Diesen wichtigen Fragen widmet sich dieses tolle Buch und dies in ...

Warum ist Umweltschutz wichtig? Warum Energie und Wasser sparen? Welche Rolle spielen Einkäufe? Welche Entscheidungen helfen der Umwelt? Diesen wichtigen Fragen widmet sich dieses tolle Buch und dies in sehr kindgerechter und animierender Weise.

Jedes Kapitel schließt mit einem zweiseitigen Leserätselteil. In den verschiedenen kurzweiligen Aufgaben werden thematisch und inhaltlich die Begriffe des Kapitels noch einmal aufgegriffen. Zur Illustration werden immer wieder gelungene Zeichnungen und Fotografien großzügig ergänzt und komplettieren so das Lese- und Lernerlebnis. Im Mittelteil gibt es noch ein Klebespiel mit passenden Stickern. Der Lernerfolg kann schließlich ganz am Ende mit einem kleinen Quiz überprüft werden, noch spielerischer gelingt dies mit dem beigefügten Leselotto, kleinen Karten mit thematisch passenden Beschreibungen für zentrale Begriffe, wie beispielsweise Gletscher und deren Abbildung.

Sehr besonders finde ich, dass selbst komplizierte Zusammenhänge, wie etwa die Bedeutung von Bäumen bei der Umwandlung von Kohlendioxid in Sauerstoff, kindgerecht, verständlich und in leichter Sprache, ergänzt mit passenden Illustrationen erklärt werden.

Erwähnenswert und als sehr gelungen ist mir auch das Schlusskapitel aufgefallen, wenn es um konkrete Maßnahmen und Selbstwirksamkeit beim Umweltschutz geht. Ganz praktische Maßnahmen zum Umweltschutz, wie Mülltrennung, umweltfreundliche Ernährung etc. ergänzen auch bereits die anderen Kapitel. So lernen schon junge Kinder, wie sie mit ihrem Handeln aber auch ihrer Stimme etwas verändern und politische Entscheidungen beeinflussen können. Damit wird das Buch nicht nur zum Leselern- und Umweltschutzbuch, sondern vermittelt quasi nebenbei auch demokratische Grundwerte und so wichtiges Engagementbewusstsein und Selbstwirksamkeit.

Insgesamt ein wunderbares Lern- und Mitmachbuch für kleine Klimaschützer:innen!

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Veröffentlicht am 16.01.2024

Ein Blick auf die Anfänge des Südtiroler Tourismus und die starken Frauen dahinter

Fräulein bitte zahlen
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Südtirol - ein Sehnsuchtsort für viele Urlauber:innen! Doch was wissen wir wirklich über die bewegenden Geschichten der Menschen dahinter, die rasante Entwicklung von der Landwirtschaft zum Tourismus als ...

Südtirol - ein Sehnsuchtsort für viele Urlauber:innen! Doch was wissen wir wirklich über die bewegenden Geschichten der Menschen dahinter, die rasante Entwicklung von der Landwirtschaft zum Tourismus als großem Wirtschaftszweig? Dieses wundervolle Büchlein gibt einen Einblick in den Lebensweg von sechs Südtirolerinnen, geboren zwischen 1941 und 1968, und ihren Weg in und Erfahrungen im Tourismus in Südtirol.

Besonders interessant finde ich, dass explizit Frauengeschichten gewählt wurden, denn oft sind es gerade Frauen, die die Familien und Betriebe mit ihrer beeindruckenden Energie und Schaffenskraft mit am Laufen halten, während sie gesellschaftlich nicht selten wenig Anerkennung dafür erfahren. Neben den sehr verschiedenen Wegen in den Tourismus, risikoreichen Investitionen, den ersten Zimmern mit fließend Wasser und Freundschaften mit Gästen, kommen natürlich auch lustige Anekdoten zum Vorschein, wie der vom vermeintlichen Kardinal zu Köln.

An allen Frauen im Buch beeindruckt mich ihre Energie, Freude und unglaubliche Resilienz, mit der sie nicht nur mit einem Lächeln und tiefster Zufriedenheit ihren arbeitsreichen Alltag gestalten, sondern ebenso auch tiefe Lebenskrisen und Schicksalsschläge innerhalb der Familien meistern.

Ich habe auch die anderen Bücher der Reihe gelesen und kann diese ebenso wie das vorliegende Büchlein uneingeschränkt und unbedingt empfehlen! In jedem Sinne ist dies ein geschichtlich informatives und, mit Blick auf die dargestellten Frauen, inspirierendes Leseerlebnis!

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Lenin und das junge Mädchen

Das Philosophenschiff
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Philosophenschiffe - so wurden die Schiffe genannt, mit denen russische Intellektuelle, vom Regime verbannt, um die 1920er ins Exil verbracht wurden. Auf einem solchen Schiff war auch Anouk Perlemann-Jacob, ...

Philosophenschiffe - so wurden die Schiffe genannt, mit denen russische Intellektuelle, vom Regime verbannt, um die 1920er ins Exil verbracht wurden. Auf einem solchen Schiff war auch Anouk Perlemann-Jacob, als 14 Jährige gemeinsam mit ihren Eltern verbannt aus ihrer Heimat Sankt Petersburg. Als 100 jährige durchaus amüsante und etwas schrullige doch nicht minder resolute Greisin erzählt die weltbekannte ehemalige Architektin nun dem Autor von dieser bisher beschwiegenen Etappe ihres Lebens.

Der Roman entfaltet sich als Interview zwischen dem Autor und Anouk Perlemann-Jacob, die ersteren zunächst zum Festakt anlässlich ihres Geburtstages laden lässt und ihn im Anschluss als Bewahrer nicht nur der Erfahrungen auf dem Philosophenschiff sondern auch zahlreicher Inneneinsichten und Anekdoten aus dem Russland Anfang des vergangenen Jahrhunderts, auserkoren hat. Was wir dort lesen ist nicht immer erbaulich, oft schrecklich, und doch ein wichtiges Stück Geschichte, dass uns nun in Romanform näher gebracht wird. Insbesondere die staatliche Willkür, verbreitete Armut, Gewalt und permanente Unsicherheit in der sich die Protagonistin mit ihrer Familie bewegt hat, sind durch die Struktur und Erzählweise zurückhaltend und damit noch eindringlicher beschrieben. Wie und warum ausgerechnet Lenin persönlich auf das Schiff kommt, gilt es bei der Lektüre zu entdecken.

Mir gefällt das Spiel mit Wahrheit und Lüge, das Köhlmeier mit dem Leser treibt. Auf verschiedenen Ebenen durchzieht die Dichotomie immer wieder die Erzählung, sei es in Perlemann-Jacobs Erinnerungen oder mit Blick auf den Autor, dem man glaubt, wenn er lügt und an dem man zweifelt, wenn er die Wahrheit sagt - und genau deshalb habe Anouk Perlemann-Jacob ihn auserwählt. Wahr oder nicht, das Philosophenschiff ist eine kurzweilige Lektüre, die lange nachhallt und dazu einlädt sich näher mit dieser Epoche der Geschichte zu beschäftigen.

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Eine Identitätssuche zwischen Deutschland und Diyarbakir, zwischen Trauma und Neuanfang…

Zweistromland
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Wie leben beschwiegene Traumata in Familien fort, nehmen die Zwischenräume menschlicher Beziehungen ein und prägen so auch nachfolgende Generationen? Wie sehr beeinflusst was die Eltern waren und sind, ...

Wie leben beschwiegene Traumata in Familien fort, nehmen die Zwischenräume menschlicher Beziehungen ein und prägen so auch nachfolgende Generationen? Wie sehr beeinflusst was die Eltern waren und sind, die Identität ihrer Kinder? Wie findet man zu sich selbst durch Traumata und Schweigen der Kindheit?

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Gesichte um Dilan, Kind kurdischer Eltern, geboren und aufgewachsen in Norddeutschland. Kurdisch, die Muttersprache ihrer Eltern, umgibt seit jeher ein Geheimnis, ihr selbst hat man es nie beigebracht. Doch Sprache ist Weltzugang. Welche Geschichte und Vergangenheit wird mit der Sprache und durch sie verborgen? Und was hat das alles mit Dilan zu tun?

Dilans Geschichte wird in drei Teilen, als Erwachsene und werdende Mutter in der Türkei, als Kind und Jugendliche in Norddeutschland und wieder als Erwachsene auf Spurensuche in Diyarbakir, erzählt. Die Handlung setzt sich dabei bruchstückhaft zusammen, erschließt sich im Hintergrund allmählich und steht damit auch sinnbildlich für Dilans Geschichte und Identität selbst.

Besonders begeistert hat mich wie die Autorin Worte für die Zwischentöne menschlicher Beziehungen und des Sich-Verhaltens und in Beziehung- Setzens zur Umwelt findet. Das Bedürfnis nach Ruhe und Mit-Sich-Selbst sein, sich über eine Konversation zu freuen, weil man den Moment des Alleinseins danach so genießt.

Das politische Thema im Hintergrund ist das Schicksal Kurdistans und seines Volkes, der die Erzählung ein Gesicht gibt und so auch einlädt mehr darüber zu erfahren.

Zweistromland ist eine leise Erzählung mit präzisen Beschreibungen der Zwischenmenschlichkeit und Identitätsfindung auf dem Weg in die Vergangenheit um sich selbst besser zu verstehen und für einen Neuanfang zu finden.

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