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Veröffentlicht am 02.06.2024

Ida, die Ostsee und Wutklumpen im Bauch.

Windstärke 17
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Mit einem riesigen Wutklumpen im Bauch sitzt Ida im Zug. Sie ist Anfang 20, ihre Mutter hat Suizig begangen und sie weiß nicht wohin mit sich und diesen unfassbaren, alles verschlingenden Emotionen. Statt ...

Mit einem riesigen Wutklumpen im Bauch sitzt Ida im Zug. Sie ist Anfang 20, ihre Mutter hat Suizig begangen und sie weiß nicht wohin mit sich und diesen unfassbaren, alles verschlingenden Emotionen. Statt zu ihrer großen Schwester Tilda zu fahren, möchte sie nur weit, weit weg von allem. Und landet auf Rügen, bei Knut und Marianne. Und Leif.

Mit "22 Bahnen" hat Caroline Wahl 2023 mein Herz im Sturm erobert. Tilda, die große Schwester, die sich selbst zurück nimmt für die Familie und ihre kleine Schwester Ida beschützt vor der Suchterkrankung der Mutter. Die versucht, trotzdem ihren Weg zu finden. Als große Schwester konnte ich mich unglaublich gut mit Tilda identifizieren. "Windstärke 17" knüpft nun zart und mit demselben unverwechselbaren Wahl-Sound an dieses Herzensbuch an. Plötzlich ist da Ida, die nicht mehr ganz so kleine Schwester, deren Welt in Scherben liegt. Da ist Idas Wut und Trauer, weil sie sich von allen verlassen und verraten fühlt.

Mich hat die wütende Ida zu Beginn sehr vor den Kopf gestoßen. Ida ist stachelig, frech und absolut körperlich. Wut ist für sie ein Gefühl, dass sie spüren und ausleben muss. Sie schmeißt sich ins eiskalte Meer, sie schwimmt und rennt bis zur Erschöpfung, trotz Sturm und Wind und schreit sich im Wald die Seele aus dem Leib. Mit der Zeit jedoch konnte ich die Perspektive der kleinen Schwester, die sich so unendlich allein auf der Welt fühlt, immer besser verstehen und nachvollziehen. Caroline Wahl findet gleichzeitig so ehrlich verletzliche, wie heilsame Worte für die Ambivalenz von Schwesternbeziehungen und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Familie und Individuum. Wie findet man seinen Platz in der Welt? Wie schließt man Frieden mit seiner Vergangenheit? Ein klein wenig hat"Windstärke 17" im Hinblick auf das realistische Setting übertrieben (Knut und Marianne sind einfach zu gutherzig!), die Geschichte ist jedoch zu schön, um sich daran länger zu stören.

Caroline Wahl konnte mich mit ihrem zweiten Roman wieder sehr berühren. Ich liebe ihren Sound für Alltägliches und Zwischenmenschliches, ihren liebevollen Blick auf die kleinen, zerbrechlichen Welten ihrer Figuren und vor allem diese Dialoge. Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Lalelu, nur der Mann im Mond schaut zu...

Wieso? Weshalb? Warum? junior. Sonne, Mond und Sterne
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Lalelu,
Wieso, Weshalb, Warum? fragst du,
wo versteckt sich nachts die Sonne?
Wann geht der Mann im Mond zur Ruh?

Lalelu,
Sternenbilder kennst auch du,
nach dem Lesen dieses Buches,
und findest sie im ...

Lalelu,
Wieso, Weshalb, Warum? fragst du,
wo versteckt sich nachts die Sonne?
Wann geht der Mann im Mond zur Ruh?

Lalelu,
Sternenbilder kennst auch du,
nach dem Lesen dieses Buches,
und findest sie im Nu!

Lalelu,
Astronaut*in wirst auch du,
fliegst durch Nacht und Sternenhimmel,
machst schnell die Äuglein zu.

Lalelu,
von Planeten träumst auch du,
reist durch ferne Galaxien,
und lernst viel dazu.

Von uns gibt es kreative Begeisterung für dieses liebevoll inszenierte Hörspiel mit verständlichen Erklärungen.
Verschiedenste Bücherbände der Wieso? Weshalb? Warum?-Reihe gehören mittlerweile zu unseren Lieblingsbüchern und es ist so schön, meinen Sohn beim Entdecken und Staunen zu begleiten und mit ihm gemeinsam die Reihe immer weiter aufzustocken. Nun habe ich ganz frisch entdeckt, dass es auch Hörspiele zu den Büchern gibt - die mussten wir natürlich sofort testen!

Das Thema "Sonne, Mond und Sterne" wurde
angenehm in eine Unterhaltung zwischen dem Kind aus der Geschichte und einer Erzählerin verwoben. Es werden Fragen gestellt, kindgerechte Antworten gefunden und die doch sehr komplexen Themen anschaulich mit Beispielen erklärt. Untermalt wird alles mit thematisch passenden Liedern und Musik. Wirklich bezaubernd!

Leider habe ich gemerkt, dass mein 2-jähtiger Sohn noch zu klein für diese Art der Informationsaufnahme ist. In dem Alter stehen haptische Erfahrungen im Vordergrund (Bilder anschauen, kurze Texte, Klappen öffnen und entdecken), hier würde ich weiterhin explizit die Bücher der Wieso? Weshalb? Warum? -Reihe empfehlen. Die Hörspiele können meiner Meinung nach erst ab 3 Jahren richtig erfasst und verarbeitet werden.

Dennoch ist die Vertonung der Bücher eine bezaubernde und fabelhafte Idee, die darüber hinaus auch einen inklusiven Zugang zu den Themen der Reihe eröffnet

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Büchermenschen sind überall.

Büchermenschen
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Dieses Buch hat mich beim Stöbern in der Kinderbuch-Abteilung unserer Bücherei im Ort direkt angesprochen. Die farbenfrohe Gestaltung erinnerte mich an ein Wimmelbuch, in dem es immer viel zu entdecken ...

Dieses Buch hat mich beim Stöbern in der Kinderbuch-Abteilung unserer Bücherei im Ort direkt angesprochen. Die farbenfrohe Gestaltung erinnerte mich an ein Wimmelbuch, in dem es immer viel zu entdecken und - wie in diesem Fall - viel zu lernen gibt!

Beim Aufschlagen fällt einem gleich die unglaublich liebevolle Gestaltung des Buches auf. Kleine Pfeile, Hinweise und Zeichnungen sind gleich auf den Vorsatzseiten zu finden und erklären die Papierauswahl, die Bindetechnik, die Schriftart und den Coverschnitt. Danach geht es weiter mit jeweils 2 Doppelseiten für so ziemlich jede Berufssparte, die im Buchbereich tätig ist und mit dafür sorgt, dass wir ein fertiges Buch in Händen halten können. Vom Autor, über die Illustratorin, den Gestalter, die Vertreterin und und und. Ein wenig irritiert hat mich die Tatsache, dass den Übersetzer*innen kein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Sie werden zwar kurz erwähnt, aber diese äußerst wichtige Rolle (!) mal wieder ein wenig unter den Tisch gekehrt - schade! Sehr schön hingehen fand ich die Doppelseiten über Buchhandlungen und Bibliotheken als Treffpunkt für kleine und große Buchliebhaber und als Ort für Events rund ums Buch.

Insgesamt ein wirklich gelungenes und liebevoll gestaltetes Kindersachbuch, das auch Erwachsene begeistern kann!

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Chemie und Feminismus.

Eine Frage der Chemie
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Chemie und Feminismus in den 60ern, das hat mich sofort angesprochen! Das Buch war plötzlich in aller Munde und entgegen meiner sonstigen Abneigung zu sogenannten "Hype-Büchern" musste ich dieses hier ...

Chemie und Feminismus in den 60ern, das hat mich sofort angesprochen! Das Buch war plötzlich in aller Munde und entgegen meiner sonstigen Abneigung zu sogenannten "Hype-Büchern" musste ich dieses hier tatsächlich direkt lesen und ich habe es nicht bereut.

Elizabeth Zott ist eine wirklich taffe Frau! Wenn man sich die Strukturen der damaligen Zeit vor Augen führt, die im Roman auch schonungslos aufgezeigt werden, ist sie eine absolute Vorreiterin gewesen. Ihre Kraft und ihre Sturheit haben mich wirklich beeindruckt. Sie gibt keinen Millimeter nach und kämpft für das, was ihr wichtig ist.
Leider plätschert der Roman im Mittelteil ein wenig vor sich hin und verliert sich in zu vielen Nebenhandlungen und nicht ganz so relevanten Details. Mir persönlich waren auch einige Wendungen ein wenig zu dick aufgetragen und möchtegern-dramatisch. Das hätte die Handlung meiner Meinung nach nicht gebraucht um spannend zu sein. Elizabeths mutigen Werdegang zu verfolgen, war spannend und unterhaltsam genug.

Insgesamt ein hübscher Unterhaltungsroman mit Tiefe, einer taffen Protagonistin, schlagfertigen Dialogen und einer ordentlichen Prise Humor. Manchmal ist das alles, was man braucht!

Das Hörbuch ist übrigens ganz fantastisch eingelesen von Luise Helm. Wer sich generell für den Roman interessiert, dem empfehle ich in diesem Fall dem Hörbuch den Vorzug zu geben!

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Ein Fels als Ausgangspunkt einer intensiven Zeitreise.

Der weiße Fels
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"An diesem Ort verliebte sich die Formlosigkeit zum ersten Mal in die Form. Und so, genau so wurde die Welt geboren, an jenem Ort und zu jener Zeit." (S. 199)

Ein Fels als Ursprung der Welt. Weiß, zerklüftet, ...

"An diesem Ort verliebte sich die Formlosigkeit zum ersten Mal in die Form. Und so, genau so wurde die Welt geboren, an jenem Ort und zu jener Zeit." (S. 199)

Ein Fels als Ursprung der Welt. Weiß, zerklüftet, mystisch steht er am Strand von San Blas, einem kleinen Fischerdorf an der Pazifikküste Mexikos. Laut den Legenden der indigenen Ethnie Wixárika, ist er als erste feste Form aus dem Meer gestiegen und gilt seit jeher als besonderer und heiliger Ort.
In Anna Hopes neuem Roman bildet er den Ausgangspunkt für eine intensive Zeitreise, die beinahe 250 Jahre und vier auf den ersten Blick unabhängige Handlungsstränge umfasst.

Eine reisende Schriftstellerin 2020, ein desillusionierter Musiker 1969, zwei verschleppte Schwestern aus dem Yoeme-Stamm 1907 und ein verwirrter Kapitänsleutnant 1775 - sie alle treffen zu unterschiedlichen Zeiten auf diesen mystischen Ort, im Gepäck ihre ganz eigenen Ängste und Sorgen, Hoffnungen und Träume. Der weiße Fels ist das verbindende Element zwischen den nur lose zusammenhängenden Geschichten. Ruhig und unbeeindruckt steht er inmitten der (Gefühls-)Stürme, die seit Jahrhunderten um ihn herum toben. Menschen kommen und gehen, bringen Dankesopfer, erbitten Vergebung oder Errettung, suchen Schutz und Ruhe vor der Welt. Wieviel Leid hat der Fels schon gesehen? Wieviele Leben gerettet?

Anna Hopes neuer Roman benötigt Zeit und Aufmerksamkeit, denn der komplexe Aufbau mit den vier Handlungssträngen und vielen historischen Details wirkt anfangs verwirrend und überfordernd. Es bedarf einer gewissen Ruhe und Ausdauer, um sich in die verschiedenen Figuren und Zeitebenen einzulesen und gegenbenenfalls historische Hintergründe zu recherchieren. Dennoch haben mich die vier Geschichten von Beginn an sehr berührt und gefesselt. Mit ihrem einfühlsamen und präzisen Schreibstil erschafft Hope lebendige Figuren und schafft Sprachbilder voller Schönheit und Eindrücklichkeit. Ihr ist ein kluger und reflektierte Roman gelungen, der zeitlose Fragen aufwirft und die Aufarbeitung schwieriger Themen wie koloniale Verbrechen, kulturelle Aneignung und Klimakatastrophen nicht scheut.

Ihre Herangehensweise über ein gemeinsames Element - den weißen Felsen - finde ich sehr gelungen. Der Fels spielt in jeder der vier Geschichten eine andere Rolle und zeigt sich aus einer anderen Perspektive. Als Projektionsfläche für verschiedene Interessen bietet er viel Interpretationsspielraum. Er verdeutlicht durch seinen Status als heiliger Ursprung, dass der Blick des Einzelnen auf die Welt von der jeweiligen Perspektive und von vielen weiteren Faktoren wie individuellen oder gesellschaftlichen Privilegien und letztendlich dem Zufall abhängt. Wo werden wir geboren? In einem Land das erobert oder das ausgebeutet wird? Und sind letztendlich diese Grenzen nicht fließend?

"Und sie [die Schriftstellerin]? Was will sie hier, wenn nicht ebenfalls schürfen? Sich am Rohmaterial der Geschichte bedienen und aus den Schmerzen, der Mühsal und den unvorstellbaren Verlusten eine Geschichte formen, die sich verkaufen lässt. Sie ist genauso korrupt wie alle anderen. Genauso ausbeuterisch wie jene, die vor dreihundert, vierhundert oder fünfhundert Jahren auf der Suche nach Gold an diesen Ort kamen." (S. 59)

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