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Veröffentlicht am 07.04.2024

Pädagogischer Holzhammer

Anton und sein Gewissen
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Es ist Spielzeug-Tag im Kindergarten und Jette hat ein Feuerwehrauto mit Drehleiter dabei, zum Kurbeln! Wow, Anton staunt und würde auch gerne damit spielen. Doch er traut sich nicht zu fragen. Als Jette ...

Es ist Spielzeug-Tag im Kindergarten und Jette hat ein Feuerwehrauto mit Drehleiter dabei, zum Kurbeln! Wow, Anton staunt und würde auch gerne damit spielen. Doch er traut sich nicht zu fragen. Als Jette das Auto kurz alleine lässt, kann Anton nicht widerstehen und macht prompt die Kurbel kaputt. Voller Angst und Scham schleicht sich Anton davon, ohne Jette Bescheid zu geben... Doch plötzlich hört er eine Stimme in seinem Kopf- sein Gewissen klopft an und lässt ihm keine Ruhe.

Hmm hmm hmm. Mich konnte dieses Bilderbuch leider nicht überzeugen. Recht und Unrecht, Fehler machen, Perspektivwechsel und sich entschuldigen - dieses Bilderbuch nimmt große und wichtige Themen in den Blick. Mit einer "lebensnahen" Geschichte - Streit im Kindergarten - sollen Werte quasi durch die Blume vermittelt werden. Klappt hier meiner Meinung nach nicht, weil die Geschichte dazu viel zu plump und mit erhobenem Zeigefinger daher kommt. "Bitte entschuldige dich gefälligst und mach am besten keine Fehler!" ist kein nachhaltiger Weg, um kleinen Menschen Moralvorstellungen zu vermitteln. Mit Kindern über Recht und Unrecht zu sprechen, ist nicht immer leicht. Die moralische Entwicklung ist viel später abgeschlossen, als allgemein angenommen wird und die kindliche Hirnreife lässt oft nur schwer einen Perspektivwechsel in die Lage des Anderen zu. Meiner Überzeugung nach lernen Kinder am besten, indem sie uns Erwachsene sehr genau beobachten und nachahmen. Natürlich können auch Geschichten dabei helfen, Sachverhalte zu verinnerlichen. Dann wäre es jedoch schön, wenn der streng erhobene Zeigefinger eingeklappt wird und man Kinder und ihre Lebenswelten liebevoller und mit ein wenig mehr Humor aufgreift. Die Illustrationen sind zwar hübsch gemacht, verwirren aber am wichtigsten Punkt mehr, als dass sie helfen. Die Darstellung von Antons Gewissen sieht aus wie sein leicht durchscheinender Zwillingsbruder, wodurch sich immer "zwei Antons" im Raum befinden. Das ist gerade für kleinere Kinder (und damit für die angegebene Zielgruppe!) schwer zu begreifen. Von mir leider keine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Poetischer Schrecken ohne Mehrwert.

Zitronen
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Von einer unbeschwerten Kindheit kann August Drach nur träumen. Das verwunschene, leicht schiefe Haus am Ortsrand samt Apfelgarten lässt an laue Sommerabende und nackte Kinderfüße denken, an Winternachmittage ...


Von einer unbeschwerten Kindheit kann August Drach nur träumen. Das verwunschene, leicht schiefe Haus am Ortsrand samt Apfelgarten lässt an laue Sommerabende und nackte Kinderfüße denken, an Winternachmittage mit Kako und Büchern. Doch die Atmosphäre ist alles andere als heimelig, denn sein Vater demütigt und misshandelt August. Als dieser wenig später die Familie verlässt, kann August einen Sommer lang aufatmen - bevor seine Mutter ihn durch die Gabe unnötiger Medikamente schleichend vergiftet und damit an ihre "liebevolle" Fürsorge kettet. Lilly Drach leidet am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom und sonnt sich in der Bewunderung und Aufmerksamkeit, die sie durch die Pflege ihres "kranken" Kindes erhält. August ist noch zu klein, vertraut ihr blind, bis er als junger Erwachsener seine Dämonen nicht mehr abschütteln kann...

Düster ist das erste Wort, das mir zu diesem Roman in den Sinn kommt. Die gesamte Atmosphäre ist durchzogen von trüben, grauen Schleiern. Ein wenig goldgelbes Licht fällt hier und da zwischen die Seiten; brüchig und scharfkantig sind die kurzen Momente des Glücks, wie die Glasscherben auf dem Cover. Valerie Fritschs zarte, fast poetische Prosa steht in hartem Kontrast zum Inhalt des Romans. Ihr Schreibstil erinnert mich an Künstler*innen in den Fußgängerzonen großer Städte, die mit raschen Bleistiftstrichen das Porträt eines Menschen skizzieren und damit dessen Wesen zu Papier bringen können. Mit wenig Worten und starken Bildern charakterisiert sie Personen und Situationen, verweist auf deren Schwachstellen und Verletzlichkeiten.

Ein Plot, der sich einer seltenen Erkrankung widmet und eine bezaubernde Sprache - das hätte großartig werden können und doch hat mich der Roman nicht erreicht. War ich zu Beginn noch tief beeindruckt, so hat mich die Sprache ab dem ersten Drittel regelrecht erdrückt. Fritsch presst jede noch so banale Alltäglichkeit in einen Schraubstock aus Kunstfertigkeit: "...klobige Apparate, die sich an der Ewigkeit abarbeiteten, bis sie eines Tages schwarz wurden. Die Satellitenschüsseln wuchsen hundertfach aus den bröckelnden Fassaden der Häuserblöcke wie fremdartige Pflanzen, runde graue Blüten, die sich in den Himmel streckten und Signale direkt aus jener anderen Welt, der man irgendwann angehören wollte, empfingen." (S. 102 f.) Auf Dauer anstrengend und bemüht künstlich.

Sobald wir August als jungen Erwachsenen treffen, zerfasert leider auch der Inhalt. Fritsch eröffnet einige völlig unnötige Nebenschauplätze und -figuren, wie eine Leichenhalle, in der August eine Weile arbeitet oder dessen Nachbarn mit ihren Lebensgeschichten. Dabei spart sie nicht mit makabren und teils gewaltvollen Details, die sie jedoch nicht ins eigentliche Geschehen einordnet. Kaum Kontext, keine Aufarbeitung. Hier wären einige Triggerwarnungen sinnvoll.

Ich hatte völlig andere Erwartungen an den Roman. Erhofft habe ich mir eine sensible Auseinandersetzung mit der tabuisierten Erkrankung der Mutter und der gestörten Mutter-Sohn-Beziehung. Stattdessen bekomme ich eine Geschichte, die ich so schon gefühlt tausendfach gelesen und gehört habe: Junger Mann mit schwieriger Kindheit, körperlich und psychisch schwer misshandelt, wird selbst zum Täter. Ähnlich wie dessen Eltern, die ebenfalls eine schwere Kindheit hatten und so weiter. Das ist Psychologie nach dem Baukasten-Prinzip, das eröffnet keine neuen Blickwinkel.

Valerie Fritsch ist ohne Frage eine Sprachkünstlerin, die mit Worten malen kann. Viele ihrer Bilder haben sich mir eingebrannt, weil sie so treffsicher sind. Dennoch war mir der Roman im Gesamten gleichzeitig zu viel und zu wenig. Poetischer Schrecken ohne Mehrwert. Leider keine Empfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Blaukaltes, tiefes Grauen.

In blaukalter Tiefe
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Treffen sich zwei Paare auf einer luxuriösen Segelyacht, um gemeinsam den hart erarbeiteten und dringend nötigen Jahresurlaub zu verbringen. Befreundet sind sie nicht, eher hierarchisch angeordnet. Denn ...

Treffen sich zwei Paare auf einer luxuriösen Segelyacht, um gemeinsam den hart erarbeiteten und dringend nötigen Jahresurlaub zu verbringen. Befreundet sind sie nicht, eher hierarchisch angeordnet. Denn Andreas, ein hohes Tier in der Anwaltsszene, hat sein Nachwuchstalent Daniel auf einen Segeltörn eingeladen. Irgendwie muss man sich ja besser kennenlernen, wenn man(n!) einen neuen Juniorpartner in die Kanzlei aufnehmen will. Andreas Frau Caroline und Daniels Freundin Tanja dürfen natürlich nicht fehlen, schließlich sehen sich die Paare vor lauter Arbeit im Alltag kaum. Der mysteriöse Skipper Eric wurde samt seiner hübschen Segelyacht von Andreas für diesen bezaubernden Urlaub engagiert. Da Andreas den gesamten Trip bezahlt, darf er sich auch wie das Alpha-Männchen der Gruppe aufführen, logisch. Achja, der Name der Yacht ist übrigens "Querelle" - das ist Französisch und bedeutet "Streit", zwinker zwinker.

Dies ist die Ausgangslage des Romans (nach ca. einer halben Stunde Hörbuch-Hören) und meine linke Augenbraue wanderte schon leicht kritisch in die Höhe. Der Klappentext klingt definitiv einladender und hat mich leider hinterlistig in diese literarische Sackgasse geführt.

Nach dem ersten Drittel des Romans begann dann mein linkes Auge wild zu zucken. Toxische Männlichkeit und Übergriffigkeit, verwöhntes Geplänkel und die ganzen möchtegern-spannenden Andeutungen gingen mir hier schon gehörig auf die Nerven. Doch es wird leider nicht besser. Niemand von diesen fünf erwachsenen (!) Menschen verhält sich dementsprechend. Das allein ist erstmal nicht unglaubwürdig. Aber von psychologisch fein ausgearbeiteten Charakteren kann keine Rede sein. Alle haben mysteriöse Geheimnisse oder angedeutete Probleme in der Vergangenheit, weswegen sie in der Gegenwart mit einem angeknacksten Ego zu kämpfen haben. Da hat die Autorin einfach nur schnell in die Klischeekiste gegriffen, ohne weitere Mühe in eine stimmige Ausarbeitung ihrer Chataktere zu investieren. Die mitgelieferten "psychologischen" Erklärungen der Verhaltensweisen und Wendungen an Bord waren absolut unrealistisch und haarsträubend.

Auch der Schreibstil konnte mich nicht überzeugen. Einfacher Satzbau, viele Wiederholungen, gut geeignet zum raschen (Über-)Lesen. Bei Szenen, die körperliches Verlangen oder Lust ausdrücken sollten, wurde es dann einfach nur plump. Wenn es beispielsweise Caroline "zwischen den Beinen zieht", wenn sie an Eric denkt oder ihn sieht... Das ist zum Fremdschämen. Und ja - es wird viel im Kreis herum begehrt, geflirtet und gegrabscht. Schließlich wird ganz viel mit den Motiven Eifersucht, Rache und unerwidertes Begehren gearbeitet.

Leider überspannt die Autorin mit ihrer Geschichte so einiges - die Glaubwürdigkeit, die Protagonisten und vor allem meine Nerven. Dabei bleibt der eigentliche Spannungsbogen auf der Strecke - denn der angedeutete große Knall verpufft zu einer lauwarmen Brise und der Roman endet unbefriedigend.

Ein psychologisch feines Kammerspiel? Für mich eher Besenkammer, Licht aus und Hackebeil.

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