Verlust- und Versagensängste.
The Girl of her DreamsDie Grundgeschichte der Braut, die sich nicht traut, fand ich reizvoll, daher habe ich das Buch angefordert. Letztlich behandelte der Text realistische Probleme unrealstisch überzeichnet. Besonders die ...
Die Grundgeschichte der Braut, die sich nicht traut, fand ich reizvoll, daher habe ich das Buch angefordert. Letztlich behandelte der Text realistische Probleme unrealstisch überzeichnet. Besonders die Hauptfigur war mir nicht sympatisch.
Worum geht es?
Lizzie ist mit Leib und Seele Empfangs-Frau und Mädchen-für-Alles in einem Fitnesstudio. Als sie Freund und Kollege James bittet, mit ihm zur Hochzeit der Schwester Cara zu kommen, nimmt das Unheil, seinen Lauf. Denn die Braut flieht. Und Lizzie mag sie ein bisschen mehr, als sie geplant hatte.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Der Text lebt von der Hauptfigur: Lizzie hat ein toxisches Verhältnis zur alkoholkranken Mutter, im Gegensatz dazu James, Cara und, als das personifizierte Böse, Mutter Stella. Der Familie neidet sie das Geld.
Lizzie bezieht alles, was passiert, auf sich und geht davon aus, dass sie wegen ihrer Armut verachtet wird. Das hat mich genervt. Ihre Gegenspielerin Cara, die sogar die Konflikte mit ihr ohne Vorwürfe und mit viel Verständnis löst, geht immer wieder auf sie zu, aber egal, was Cara mach, Lizzie interpretiert das so, dass es in ihr Selbstbild von der ausgenutzten, wertlosen Frau passt. Als Cara sie auf dem Höhepunkt fragt, "Du würdest mich nie ... ausnutzen?", interpretiert Lizzie das als Vorwurf, obwohl die Frage ja schon andeutete, dass es nicht wahr ist.
Außerdem tut Lizzie, wenn sie Figuren nicht von sich stößt, um jeden Preis gefallen, sie opfert sich für andere auf - wahrscheinlich aus Schuldgefühl gegenüber ihrer Mutter. Auch das ist ein Aspekt, der im Buch nicht aufgearbeitet wird.
274 Seiten mit einer so selbstgerechten Figur zu verbringen, das war anstrengend. Hinzu kommt, dass das Buch, bis auf dem Konflikt mit der Mutter als Nebenschauplatz, keine Ablenkungen bietet. Das Problem der Mutter verläuft am Ende im Sande, wir erfahren nicht, wie sich Lizzie genau von ihr löst. Außerdem lesen wir nur Lizzies Ich-Perspektive, was das Gefühl von Frust in mir verstärkte.
Dadurch gerät auch die Handlung in den Hintergrund, sodass ich stellenweise vergessen habe, worum es ging. Denn wichtig war ja, dass sich Lizzie benachteiligt fühlte.
Auch die Armut Lizzies wirkte auf mich irgendwie schwer greifbar, auch wenn sie ständig erwähnt wird. Lizzie hat eigentlich kein Geld, gibt es aber trotzdem für Dinge aus, wenn es notwendig ist. Ich habe sie nie in Armut leben sehen.
Dazu Matriarchin Stella und Schoßhündchen aka Ehemann George. Die beiden waren mir einfach zu klischeehaft.
Gut gefallen hat mir das Drumherum: Lizzies Leidenschaft für das Fitnessstudio war gut dargestellt, für mich war es die richtige Informations-Menge. Ihre Vorliebe für Horrorfilme war witzig.
Der Schreibstil tut sein Übriges: Er ist metaphernreich und frech, auch wenn's für mich manchmal zuviel war. Die Dynamik war toll. Trotzdem werde ich gern andere Bücher der Autorin lesen.
Explizit wird es im Buch nicht; es gibt ein paar erotische Szenen, dort wird aber eher mit Andeutungen gearbeitet. Und Schlüsselbeinen.
Was mich ein bisschen gestört hat, war das Cover. Es wurde von der Original-Ausgabe übernommen und ist nett gestaltet. Aber die rechte Figur (Lizzie) wirkt perspektivisch komisch. Leidet hat man das englisch Wortspiel "Love at first set" ("Set" ist eine Einheit von Übungen, die wiederholt wird) nicht ins Deutsche übertragen und sich für einen austauschbaren, englisch Titel entschieden.
Fazit
Wer die Konstellation und die klischeehafte Figurenzeichnung mag, wird hier seine Freude finden. Die Konflikte sind gut angelegt, aber nur mäßig ausgeführt. Dafür glänzen Schreibstil und Setting. Für mich als Text ein Flop, aber ich sehe in der Autorin Potential.