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Veröffentlicht am 21.01.2024

Sehr gutes Buch

Unorthodox
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Das Buch zeigt uns viel ausführlicher die Welt der Satmarer, deren Glauben und tägliches Leben.
Die Ich-Erzählerin hat mich sofort in ihren Bann gezogen mit ihrer unfassbar interessanten Geschichte und ...

Das Buch zeigt uns viel ausführlicher die Welt der Satmarer, deren Glauben und tägliches Leben.
Die Ich-Erzählerin hat mich sofort in ihren Bann gezogen mit ihrer unfassbar interessanten Geschichte und der wunderbaren Sprache.
Mich interessiert alles, was mit jüdischem Leben und jüdischer Kultur zu tun hat seit Kindheit, und auch mit dem ultraorthodoxen Judentum hatte ich mich schon häufiger befasst. Einen solch dezidierten Einblick hatte ich allerdings noch nie zuvor erhalten.
Faszination, Erschrecken, Mitleid, Bewunderung, Verständnis, Kopfschütteln, Wut, Unglaube und vieles mehr kommt in mir hoch, wenn ich über die vielen, für uns teilweise bizarr wirkenden Regeln lese, denen sich - wie so oft - vor allem Mädchen und Frauen beugen müssen. Es öffnet sich eine extrem beschränkte, limitierte Welt, die ihre Bewohner in Unwissenheit hält, die Religion und Frömmigkeit mit tiefstem Aberglauben mixt und sich vom Rest der Welt völlig isoliert. Alte Männer bestimmen alles, Frauen sind von jeglicher Bildung abgeschnitten. Männer im Prinzip auch, aber die dürfen immerhin den Talmud studieren.
Die völlig anachronistischen und lebensfeindlichen Regeln, die uns in der heutigen Welt abstrus erscheinen, resultieren aus einer angstvollen und extremen Frömmigkeit, die wiederum darauf fußt, dass die Satmarer nichts so sehr fürchten wie Assimilation. Denn die Angleichung der Juden an Nichtjuden hat G-tt erzürnt und so die Shoa über die Juden gebracht.
Lebt man nun nach all den (teilweise selbst erdachten und jetzt eher sinnlosen) Regeln, bewahrt man sich vor einem neuen Holokaust.
Nachvollziehen kann ich das schon irgendwie, denn die Satmarer sind sämtlich Nachfahren der Shoa-Überlebenden.
Es ist auch eine Stärke der Autorin, dass man die frommen Leute nicht hassen oder gar verachten kann. Man sieht nicht auf sie herab und denkt: sind die blöd.
Man denkt eher: wie ist es, so zu leben?
Geben solche starren Regeln und so ein vorgezeichnetes Leben nicht auch viel Sicherheit und Geborgenheit?
Ganz sicher, aber nicht einer starken und von klein auf „andersartigen“ Frau wie der Autorin, die die Welt ihrer Vorfahren verlassen hat.
Was für ein mutiger Schritt.
Ich gönne ihr den Erfolg von Herzen.
Das Buch kann ich nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Bewegend

Anus Mundi
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Lesenswert für alle, die an der Geschichte von Auschwitz und des Dritten Reiches interessiert sind. Wer mehrere Berichte verschiedener Autoren über Auschwitz gelesen hat, findet überall Parallelen, bestätigen ...

Lesenswert für alle, die an der Geschichte von Auschwitz und des Dritten Reiches interessiert sind. Wer mehrere Berichte verschiedener Autoren über Auschwitz gelesen hat, findet überall Parallelen, bestätigen sich Aussagen anderer Betroffener, erfährt man weitere Details über Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten und kann gar nicht glauben, wie man mit allem überhaupt überleben, leben und zurechtkommen kann. Großen Respekt allen, die das Martyrium überlebt haben und für den Mut, als Zeitzeugen aufzutreten. Das Buch ist sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Sehr gutes Buch

Corpus Delicti
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Corpus Delicti: Ein Prozess von Juli Zeh ist ein fesselnder und gut geschriebener Roman, der den Leser von Anfang bis Ende in seinen Bann zieht.

Die Handlung dreht sich um eine junge Anwältin namens Maria, ...

Corpus Delicti: Ein Prozess von Juli Zeh ist ein fesselnder und gut geschriebener Roman, der den Leser von Anfang bis Ende in seinen Bann zieht.

Die Handlung dreht sich um eine junge Anwältin namens Maria, die sich mit einem komplexen Fall konfrontiert sieht, bei dem es um den Tod einer alten Frau geht. Maria muss gegen eine mächtige Regierung und eine intransparente Justiz ankämpfen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Das Buch ist gut recherchiert und bietet einen interessanten Einblick in das Rechtssystem und den Prozess eines Gerichtsfalls. Die Charaktere sind tiefgründig und authentisch dargestellt, was die Handlung noch spannender macht.

Der Schreibstil von Juli Zeh ist flüssig und leicht zu lesen, aber gleichzeitig auch komplex und anspruchsvoll. Die Geschichte ist gut durchdacht und bietet viele überraschende Wendungen, die den Leser bis zum Ende auf die Folter spannen.

Insgesamt ist Corpus Delicti: Ein Prozess ein großartiger Roman, der Leser aller Genres ansprechen wird. Ich kann es jedem empfehlen, der eine fesselnde Geschichte mit tiefgründigen Charakteren und einem interessanten Einblick in das Rechtssystem sucht.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Sehr lesenswert

Der Osten: eine westdeutsche Erfindung
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In seiner 200-seitiges Wutrede zur systematischen und institutionellen Benachteiligung der ostdeutschen Gesellschaft spricht Oschmann zahlreiche Probleme und Gründe an, die zu bestimmten inhärenten politischen ...

In seiner 200-seitiges Wutrede zur systematischen und institutionellen Benachteiligung der ostdeutschen Gesellschaft spricht Oschmann zahlreiche Probleme und Gründe an, die zu bestimmten inhärenten politischen und gesellschaftlichen Strömungen in Ostdeutschland geführt haben. Er verteidigt diese dabei keineswegs, sondern ergründet sie und sieht dabei ein Versagen der eben überwiegend westdeutsch geprägten neueren (eigentlich bundes-)deutschen Geschichtsschreibung, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.
Er beleuchtet keine neuen Perspektiven, bündelt diese aber zusammenfassend. Der Verbot von Vermögensaufbau zu DDR-Zeiten, die geringe Wohneigentumsrate, unverhohlene und politisch akzeptierte Rückforderungen von Geflohenen, Ausgereisten und Erben aus dem Westen nach der Wende ohne Entschädigung, der systematische Ausverkauf der ostdeutschen Wirtschaft ( = mögliche Konkurrenz für westdeutsche Unternehmen) und damit verbundener Arbeitsplätze sowie die nachkriegszeitliche Abwanderung von Industrie gen Westen und ihr nahezu vollständiger Abbau zu Reparationszwecken gen Sowjetunion haben zu einem sondergleichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht geführt, dessen Früchte wir heute ernten.
Wenn die heutige Wirtschafts- und Politelite auch im Osten fast nur aus Westdeutschen besteht, dann haben die Ostdeutschen ein Repräsentationsproblem - mit Recht. Man stelle sich vor, Bayern würde von einem Rheinländer regiert - der Aufschrei wäre enorm. Aber die Ostdeutschen sollen sich fügen.
Wer nur ein bisschen Empathie besitzt, kann nachvollziehen, warum nach der Wende erst eine Politikverdrossenheit einsetzte, welche sich im Nachgang als gefundenes Fressen für - übrigens vor allem durch Westdeutsche aufgebaute und organisierte - rechtsextreme Parteien und Organisationen darstellte.
Oschmann vertritt diese Ansichten natürlich nicht, aber er sagt, dass man sich nicht wundern soll, wenn man Menschen so entwertet und behandelt.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Tolles Buch

Victory City
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Victory City ist der neueste Roman von Salman Rushdie, dem berühmten Booker-Preisträger und Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Das Buch ist von einem untergegangenen Hindu-Reich im 14. Jahrhundert inspiriert, ...

Victory City ist der neueste Roman von Salman Rushdie, dem berühmten Booker-Preisträger und Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Das Buch ist von einem untergegangenen Hindu-Reich im 14. Jahrhundert inspiriert, erzählt aber virtuos von unserer heutigen Welt: Warum läuft es so schief?1
Die Hauptfigur ist Pampa Kampana, eine neunjährige Waise, die von einer Göttin auserkoren wird, ihre menschliche Hülle und ihr Sprachrohr in die Welt zu sein. In ihrem Namen erschafft Pampa aus einer Handvoll Samen eine Stadt: Bisnaga - Victory City, das Wunder der Welt. Ihre große Aufgabe ist es, den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben. Aber die Schöpfungsgeschichte Bisnagas nimmt mehr und mehr ihren eigenen Lauf. Während die Jahre vergehen, Herrscher kommen und gehen, Schlachten gewonnen und verloren werden und sich Loyalitäten verschieben, ist das Leben von Pampa Kampana untrennbar mit dieser Stadt verbunden. Von ihrem Aufstieg zu einem Weltreich bis zu ihrem tragischen Fall.2
Rushdie verwebt in seinem Roman historische Fakten mit fantastischen Elementen, er spielt mit Sprache und Erzählformen, er reflektiert über Macht, Liebe und die Kraft des Erzählens. Er zeigt uns, wie wir durch Geschichten überleben, aber auch wie wir durch sie zerstört werden können. Er stellt uns die Frage, wie wir mit unserer eigenen Geschichte umgehen sollen: Sollen wir sie bewahren oder verändern? Sollen wir sie akzeptieren oder bekämpfen? Sollen wir sie erfinden oder entdecken?
Victory City ist ein eindrucksvoller Roman, der uns in eine andere Welt entführt, aber auch einen Spiegel vorhält. Es ist ein Buch voller Weisheit und Schönheit, aber auch voller Gewalt und Grausamkeit. Es ist ein Buch, das uns herausfordert und bereichert.

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