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Veröffentlicht am 31.01.2024

Großartige Erzählkunst!

Mohawk
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MOHAWK
Richard Russo

Gleich im ersten Kapitel tauchen wir ein, in das kleine Städtchen Mohawk, Upstate New York, das seinen Aufstieg damals durch die Lederindustrie erfuhr. Doch die golden Zeiten sind ...

MOHAWK
Richard Russo

Gleich im ersten Kapitel tauchen wir ein, in das kleine Städtchen Mohawk, Upstate New York, das seinen Aufstieg damals durch die Lederindustrie erfuhr. Doch die golden Zeiten sind vorbei. Das Städtchen befindet sich auf dem absteigen Ast und macht, wenn überhaupt, nur noch Schlagzeilen, weil die Krebsrate um ein vielfaches höher ist, als woanders. Doch die Gerberindustrie weigert sich Verantwortung zu übernehmen.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Stadtbewohner und deren Leben. Wir lernen unter anderen Anne und ihren Sohn kennen. Anne ist schon lange in den Mann ihrer Cousine verliebt, diese nimmt aber die Wünsche ihrer Mutter wichtiger, als die des Ehemanns.
Harry, Besitzer des Mohawk Grills, hat seit Wild Bills Unfall ein Auge auf ihn. Dallas, der Ex-Mann von Anne, spielt auch eine große Rolle, aber was er und viele andere Personen miteinander zu tun haben, müsst ihr leider selber herausfinden.

Ja, der eine mag jetzt denken, so richtig spannend hört sich das nicht an … Ja und Nein, denn wer einen Krimi sucht, der ist bei Russo sicherlich falsch (obwohl es einige Verbrechen und Tote geben wird), doch Russo ist ein Meister der Erzählkunst: Minutiös, facettenreich und mit viel Feingefühl baut er seine Geschichte auf und verwebt sie ganz langsam zu einem grossen Ganzen.

Ich habe das Buch unglaublich gerne gelesen und war ganz traurig, als ich das Städtchen Mohawk und all seine Bewohner nach 490 Seiten verlassen musste.
Von mir gibt es eine Riesen Leseempfehlung - ein großartiges Buch, welches übrigens sein allererstes aus 1986 ist und erst jetzt aus dem Englischen von Monika Töpfer übersetzt wurde.
4½ / 5

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  • Erzählstil
Veröffentlicht am 29.01.2024

Großartig!

GOTT
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Was passiert, wenn ein 78-jähriger Mann nach dem Tode seiner Frau nicht mehr leben möchte? Der Mann ist weder krank noch depressiv, sondern einfach lebensmüde - er hat keine Freude mehr an seinem Leben.
Soll ...

Was passiert, wenn ein 78-jähriger Mann nach dem Tode seiner Frau nicht mehr leben möchte? Der Mann ist weder krank noch depressiv, sondern einfach lebensmüde - er hat keine Freude mehr an seinem Leben.
Soll ein Arzt ihm dabei helfen und ihm ein Medikament, das ihn tötet, verschreiben? Oder soll der Arzt das ablehnen und damit riskieren, dass der Mann vom Balkon springt? Dieses birgt wiederum die Gefahr, dass der Suizid misslingt und der Patient paralysiert zurückbleibt.
Darf man selbst über sein Leben bestimmen?

GOTT
Ferdinand von Schirach
Ein Theaterstück

Der Ethikrat kommt zusammen und soll klären, ob Herr Gärtner mithilfe seiner Ärztin Suizid begehen darf.
Anwesend ist die Ärztin des Betroffenen, sein Rechtsanwalt, eine Rechtssachverständige sowie ein medizinischer und ein theologischer Sachverständiger.
Argumente dafür und dagegen werden aufgeführt, am Ende soll das Publikum entscheiden, ob Herr Gärtner das Medikament bekommt oder nicht.

Wie immer lässt Ferdinand von Schirach mich zum Fähnchen im Wind werden. In dem einen Moment denke ich: „Na klar darf er über sein Leben entscheiden!“ Doch in der nächsten Sekunde kippe ich schon wieder um, genau in dem Moment, wo eine Frau sterben will, weil sie vor sechs Jahren, mit 25, bei einem Unfall ein Kind totgefahren hat. Sie konnte nichts dafür. „Alle haben mir verziehen, aber ich selbst kann mir nicht verzeihen.“ (S. 106) Nein, natürlich darf diese Frau sich nicht umbringen!
Ferdinand von Schirach ist ein Meister der Erzählkunst, man wird in die Geschichte eingesogen und kann sich dem sensiblen und hochemotionalen Thema nicht entziehen.
Ein wunderbares Buch zum Diskutieren, hervorragend auch für die Oberstufe im Ethikunterricht geeignet.
Ein schmales Buch, das schnell gelesen ist und lange nachwirken wird.

Am Ende bleibt die Frage: Darf man Gott spielen?
5/ 5

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Großartig!

Die Frau in Hitlers Badewanne
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DIE FRAU IN HITLERS BADEWANNE
Serena Dandini

Wer ist die Frau, die sich am 30. April 1945 auf dem Prinzregentenplatz 16 nackt in die Badewanne von Adolf Hitler setzt und sich von David Scherman fotografieren ...

DIE FRAU IN HITLERS BADEWANNE
Serena Dandini

Wer ist die Frau, die sich am 30. April 1945 auf dem Prinzregentenplatz 16 nackt in die Badewanne von Adolf Hitler setzt und sich von David Scherman fotografieren lässt, während sich zur gleichen Zeit Adolf Hitler mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Eva Braun im Bunker erschießt?

Ihr Name ist Lee (Elizabeth) Miller, Fotomodell, Kriegsfotografin, Fotojournalistin und ehemalige Muse von Pablo Picasso. Sie war eine der ersten Amerikaner:innen, die das KZ Dachau befreiten, und sie dokumentierte alles, während sich die männlichen Soldaten neben ihr übergaben.
Aber wie kommt eine Frau dazu, so nah an der Front zu agieren und zu fotografieren?
Beginnen wir also am Anfang:

Elizabeth Miller wurde 1907 in Poughkeepsie, New York, geboren.
Früh lernte sie ein Modell zu sein, ihr Vater fotografierte sie oft (ausnahmslos nackt, woran keiner jäh Anstoß nahm). Er lehrte sie, welchen Gesichtsausdruck sie aufsetzen und an was sie dabei denken sollte.
Doch ihre unbeschwerte Kindheit hatte im Alter von acht Jahren einen Einbruch, als ein Freund der Familie „Li-Li“ Elizabeth missbrauchte. Ihr Vater Theodore konnte sich diesen Fehler, seine Tochter unbeaufsichtigt gelassen zu haben, nie verzeihen und fortan war er nachsichtig in der Erziehung und ließ ihr vieles durchgehen.

Zwölf Jahre später lief sie per Zufall Condé Nast in die Arme. Er war der Mann, der die kleine Wochenzeitung „Vogue“ in eine Modezeitschrift der Upperclass verwandelte. So schmückte „Lee“ Elizabeth wenige Monate später das Cover dieser Zeitung.
Aber das Modellleben genügte ihr nicht. Sie wollte diejenige sein, die die Fotos machte. „Ich möchte lieber Fotos machen, als ein Foto zu sein“, hat Lee stolz erklärt. (S. 70). Und so zieht sie kurzerhand nach Paris, um bei Man Ray in die Lehre zu gehen.
Wie ihr Weg nun aber genau von Frankreich bis nach Dachau verlief, wie sie zur Lady Penrose wurde und am Ende in Hitlers Badewanne badete, müsst ihr selber herausfinden.

Ohne Frage war Lee ihrer Zeit weit voraus, „ein ungebundener Geist“ (S. 76), eine Vertreterin der Emanzipation und eine Frau, die sich langweilte, wenn Männer ihr zu Füssen lagen.
Auch wenn ich vom Titel her (ich bin ein Cover-Käufer) mit einem völlig anderen Buch gerechnet habe, so hat mich Lee stark beeindruckt. Ihr „Unternehmungsgeist“ (S. 128) und ihre Ambitionen hätten für mehrere Leben gereicht.
Das Buch liest sich zügig, auch wenn es mir an wenigen Stellen zu minutiös war, konnte ich den Inhalt und die Sprache der Autorin in vollen Zügen genießen.

Fazit:
Eine Biografie in einem Romanformat, wo ich mir des Öfteren Bilder von den besprochenen Fotos gewünscht hätte.
Klare Leseempfehlung von mir.
5-/ 5

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Veröffentlicht am 16.01.2024

Grossartig!

Marschlande
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MARSCHLANDE
Jarka Kubsova

1570:
Abelke Bleken hat den prächtigen Hof und das Hufnerhaus mitten im Marschlande an der Elbe von ihren Eltern geerbt. Das Reet am Dach ist ohne Fehler, das Eichenfachwerk ...

MARSCHLANDE
Jarka Kubsova

1570:
Abelke Bleken hat den prächtigen Hof und das Hufnerhaus mitten im Marschlande an der Elbe von ihren Eltern geerbt. Das Reet am Dach ist ohne Fehler, das Eichenfachwerk ist hell und gerade. Die Leute reden, dass der Hof für eine Frau ganz alleine viel zu groß sei, aber das Tratschen hinter ihrem Rücken ist sie gewohnt und kümmerte sie nicht. Es geht ihr gut - auch ohne Mann. Heiraten wollte sie nie, obwohl es an Angeboten nie gemangelt hatte, sie war einst die Schönste im Dorf, doch wie hätte sie sicher sein können, dass die Männer nicht nur den Hof wollten?
Und ja, genau das war ihr Problem. Die Männer wollten ihren Hof. Sie waren neidisch auf ihr Geschick und Können den Hof zu bewirtschaften. Die Frauen waren garstig, weil ihre Männer Abelke nachstellten.

Sich in der derben Bauern- und Männerwelt zu behaupten, war nicht einfach, oft wurde sie ungerecht behandelt.
Aber vielleicht hätte es funktioniert, wenn es nicht diese schreckliche Allerheiligenflut gegeben hätte, die Sturmflut, die alles zerstörte. Eventuell hätte sich das Leben von Abelke ganz anders entwickelt …

Heute:
Britta Stoever zieht mit ihrem Mann Phillipp und den gemeinsamen Kindern ins Marschlande vor Hamburg. Ein eigenes Haus mit viel Platz, das war Philipps Traum.
Doch weder Britta noch die Kinder fühlen sich wohl. Die Marschländer ignorieren die „Zugezogenen“.
Britta, promovierte Geologin mit nur einem kleinen Teilzeitjob, fühlt sich unterfordert, bis sie bei einem Spaziergang in einer Sackgasse auf einen Straßennamen trifft. Beim anschließenden Recherchieren findet sie heraus, dass die Straße nach Abelke Bleken benannt wurde, der Frau, die einst im Marschlande lebte und als Hexe verbrannt wurde.

Jarka Kubsova hat es ausgezeichnet verstanden Fiktion mit historischen Ereignisse zu verknüpfen. Abwechselnd lässt sie ihre zwei Protagonistinnen zu Worte kommen.
Auch wenn einige Klischees bedient wurden, so muss ich sagen, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte und es geliebt habe.
Was mir auch besonders gefiel, sind die vielen kleinen Hamburger Wörter, wie dumm Tüüg, Spökenkieker und Veddel, die mit der Generation meiner Urgroßmutter auszusterben drohen.

Fazit:
En grootoordig Book, dat ik bannig geern heff un jo unbedingt anraden wullt.
5/ 5

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Veröffentlicht am 29.12.2023

Großartig und fein!

Das späte Leben
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DAS SPÄTE LEBEN
Bernhard Schlink

Martin ist über 70 Jahre alt, als er die niederschmetternde Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält. Ihm bleiben nur wenige Wochen, um seine Sachen zu regeln. Aber was ...

DAS SPÄTE LEBEN
Bernhard Schlink

Martin ist über 70 Jahre alt, als er die niederschmetternde Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhält. Ihm bleiben nur wenige Wochen, um seine Sachen zu regeln. Aber was regelt man, wenn man nur noch ein paar Wochen ohne Schmerzen zu leben hat? Fährt man noch einmal in die Berge oder an den See oder räumt man seinen Keller auf?
Und dann gibt es ja auch noch den 6-jährigen Sohn David, dem er noch lange nicht alles beigebracht hat, was ein Sohn von einem Vater lernen sollte, und seine vierzig Jahre jüngere Frau Ulla. Wie wird ihre Zukunft ohne ihn aussehen? Was kann er jetzt noch veranlassen, um ihr eine sorglose Zukunft zu sichern?

Nein, Bernhard Schlicks neuester Roman ist kein Ratgeber für Sterbende oder Hinterbliebene. Vielmehr ist es ein einfühlsamer Roman über einen Menschen, der sich viele Gedanken im Leben macht und nichts dem Zufall überlassen will. Aber wie es im Leben so ist, kommt es doch anders, als man es geplant hat …

Einfühlsam, ausdrucksstark, emotional - einfach wieder ein typisch wundervoller Schlink.
Große Leseempfehlung.
5/ 5

Da ich das Buch abwechselnd mit dem Hörbuch gelesen und gehört habe, möchte ich nicht versäumen, den Sprecher des Hörbuchs, Ulrich Noethen, zu erwähnen. Er hat dem Buch eine großartige Stimme verliehen.

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