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Madame_Lilli-Marleen

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Veröffentlicht am 10.05.2019

Amüsant aber auch tragisch

Der Zopf meiner Großmutter
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Max kommt aus Russland. Er wandert mit seinen Großeltern nach Deutschland aus. Im Flüchtlingsheim angekommen, beginnt seine Großmutter gleich gegen alles und jeden zu wettern. Sie ist eindeutig das Familienoberhaupt. ...

Max kommt aus Russland. Er wandert mit seinen Großeltern nach Deutschland aus. Im Flüchtlingsheim angekommen, beginnt seine Großmutter gleich gegen alles und jeden zu wettern. Sie ist eindeutig das Familienoberhaupt. Der Großvater ist ruhig und ordnet sich seiner Frau unter. Der kleine Max ist anscheinend ihr ein und alles. Allerdings scheut sie sich nicht, ihn vor allen anderen Leuchten bloß zu stellen, da sie ihn für minderbemittelt und chronisch krank hält. Er ist jedoch ein normales Kind. Und dann passiert es: Großvater verliebt sich und die Großmutter bekommt von allem zunächst nicht mit.

Der flotte Schreibstil der Autorin trägt ein förmlich durch die schönen kurzen Kapitel. Das Buch liest sich dadurch sehr flüssig. Es ist sehr amüsant geschrieben und man muss oft über die resolute Großmutter schmunzeln. Teilweise ist es aber auch sehr schockierend, wie sie mit ihrem Enkel und auch mit ihrem Mann umgeht. Warum sie so zu den beiden ist, klärt sich erst am Ende des Buches aus. So kann man die ganze Zeit spekulieren, was eigentlich mit Max seinen Eltern geschehen ist.

Ich fand das Buch sehr gut. Die Familie schließt man mit jedem Kapitel mehr ins Herz.

Veröffentlicht am 03.07.2024

Gut beobachtet

Das Mißverständnis
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Yves und Denise treffen sich in der Sommerfrische am Atlantik. Es ist in den 1920er Jahren. Denise ist verheiratet und Yves plagen die Dämonen des vergangenen Krieges. Sie ist reich er ist verarmt. Aber ...

Yves und Denise treffen sich in der Sommerfrische am Atlantik. Es ist in den 1920er Jahren. Denise ist verheiratet und Yves plagen die Dämonen des vergangenen Krieges. Sie ist reich er ist verarmt. Aber es ist Sommer, es ist Urlaub und die beiden verlieben sich ineinander. Zurück aus dem Urlaub versuchen sie Ihre Beziehung auch in Paris aufrechtzuerhalten. Doch die unterschiedliche Lebensweise und die unterschiedlichen Erwartungen stellen ihre Liebe vor eine große Herausforderung.

Iréne Némirovsky kann wirklich ausgezeichnet beobachten. und diese Gabe macht das Buch sehr lesenswert. Sie ist außerdem in der Lage, dass man sich sehr gut in die beiden Figuren einfühlen kann. Mir ist Yves deutlich sympathischer.

Mit dem Hintergrundwissen um das Schicksal dieser einfühlsamen Autorin, welche 1942 in Auschwitz verstarb, hat mich das Buch schon sehr bewegt.

Es ist ein tolles Zeitdokument und wunderbar übersetzt von Susanne Röckel.

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Geschichte hinter der Geschichte

Die Entflammten
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"Was meinst du, ist es mit Familien nicht so wie mit der Kunst, immer will sich die neue Generation von der alten abheben und absondern und sie stürzen und baut gerade deshalb auf ihr auf?"

Jo van Gogh-Bogner ...

"Was meinst du, ist es mit Familien nicht so wie mit der Kunst, immer will sich die neue Generation von der alten abheben und absondern und sie stürzen und baut gerade deshalb auf ihr auf?"

Jo van Gogh-Bogner ist die Schwägern von Vincent van Gogh. Nach dem frühen Tod ihres Ehemanns will sie sein Anliegen fortsetzen und den damals noch unbekannten Maler berühmt machen. Wie wir wissen, ist ihr das auch gelungen.
Über hundert Jahre später begibt sich Gina auf die Spurensuche und entdeckt dabei viel über sich, ihre Familie und Jo.

Der Roman von Simone Meier ist in zwei Zeitebenen aufgebaut, die langsam miteinander zu verschmelzen scheinen. Das Leben von Jo wird sehr anschaulich und einfühlsam beschrieben. Der Autorin gelingt es auf anhieb, dass man die junge Frau ins Herze schließt und Anteil an ihrem Schicksal nimmt. Auch das Leben von Gina und ihrem Vater wird unter die Lupe genommen. Mir persönlich hat aber der historische Teil ein klein wenig besser gefallen, weil ich das Leben von Theo und Vincent sehr interessant finde. Trotzdem verbindet der Roman die Zeitebenen sehr gut miteinander und gibt einen guten Einblick hinter die Kulissen. Familiengeschichte ist nicht immer einfach und manchmal muss man sie aufarbeiten um damit seinen Frieden schließen zu können. Das macht dieses Buch sehr deutlich.

Ich finde es ist eine sehr interessante und aufschlussreiche Lektüre.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Der intime Blick auf eine deutsche Stadt

Unsereins
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Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser ...

Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser Zeit wirkt ein großer Schriftsteller in Lübeck: Thomas Mann. In seinen Romanfiguren bei den Buddenbrooks, meint sich die bürgerliche Familie Lindhorst wiederzuerkennen und fühlt sich schließlich einen latenten Antisemitismus ausgesetzt.

Die Sprache von Inger - Maria Mahlke ist einfach phantastisch detailgetreu, verliert sich aber nicht. Die verschiedenen Figuren breiten ihr Innenleben vor einen aus, ohne das sie viel sagen müssen. Das Buch ist im Präsens geschrieben, was einen das Geschehen sehr intensiv erleben lässt. Sehr gut finde ich, dass am Anfang eine Auflistung der handelnden Figuren erfolgt, so kann man hier immer mal wieder nachschlagen.

Das einzige Manko für mich war, dass ich die Buddenbrooks nicht gelesen habe und mir wahrscheinlich so einige kluge Verbindungen entgangen sind.

Aber auch ohne dem Wissen konnte ich in die bürgerliche Welt um 1900 eintauchen, die sich wie ein Panorama vor einen entfaltet.

Das Buch ist keine einfache Lektüre, aber wenn man sich ganz darauf einlässt, kann es ein richtiges Lesevergnügen werden.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Wo liegt die Wahrheit?

Das Philosophenschiff
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Frau Professor Anouk Perlemann - Jakob, Architektin, lädt zu ihrem 100. Geburtstag einen Schriftsteller ein. Diesen bittet sie, ihr Leben als Roman zu erzählen. Sie wächst in St. Petersburg auf. Mit 14 ...

Frau Professor Anouk Perlemann - Jakob, Architektin, lädt zu ihrem 100. Geburtstag einen Schriftsteller ein. Diesen bittet sie, ihr Leben als Roman zu erzählen. Sie wächst in St. Petersburg auf. Mit 14 Jahren wird sie mit ihren Eltern und anderen Intellektuellen auf Lenins Befehl ins Exil geschickt. Dazu geht sie an Bord eines sogenannten "Philosophenschiffes". Doch das Schiff stoppt auf einmal mitten im Meer und ein unerwarteter Passagier geht an Bord. Lenin selbst.

Das Buch hat sich sehr gut gelesen. Die betagte Dame füttert den Schriftsteller nämlich immer nur mit kleinen Häppchen aus ihrer Lebensgeschichte. So wartet man mit ihm, wie die Geschichte am nächsten Tag wohl weiter geht und dadurch wird ein konstanter Spannungsbogen erzeugt. Die Schrecken, die sie als Mädchen erlebt hat und nun zum ersten Mal jemanden anvertraut, lässt einen schon manchmal den Atem stocken.

"Rückblickend war das große Grauen nur ein Anfang, ein zögerndes Tasten."

Was mich an dem Buch etwas gestört hat war, dass ich irgendwann nicht mehr so ganz wusste, ob man der alten Dame alles wirklich so glauben kann. Aber das war wahrscheinlich auch so beabsichtigt.

"Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser."

Im Großen und Ganzen fand ich die Lektüre sehr spannend und teilweise auch erschüttern. Ein klein wenig mehr konnte ich auch mein Geschichtswissen wieder komplettieren.

Eine Leseemfehlung für Freunde von Biografien und Romanen mit historischem Bezug.

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