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Veröffentlicht am 25.01.2024

Eine ausdrucksstarke Romanze

Idol - Gib mir dein Herz
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Nach dem ersten Teil "Idol - Gib mir die Welt", in dem wir für kurze Zeit Teil der verrückten, düsteren, lockenden Rock-Welt der Band Kill John werden und die Kraft des Rhythmus´, die Dynamik der Massen ...

Nach dem ersten Teil "Idol - Gib mir die Welt", in dem wir für kurze Zeit Teil der verrückten, düsteren, lockenden Rock-Welt der Band Kill John werden und die Kraft des Rhythmus´, die Dynamik der Massen und allgemein die Macht der Musik, die Leidenschaft, die Harmonie, spüren dürfen, war mir klar, dass ich auch mit dem zweiten Teil wieder in dieses Universum zurückkehren will. Und dieser Teil hat, was dem ersten Teil ein bisschen gefehlt hat: ein durchgängiger roter Faden. Anstatt von riesigen Zeitsprünge ist alles recht kompakt zusammen gehalten und wir dürfen dabei zusehen, wie sich zwischen den beiden Protagonisten eine Anziehungskraft entwickelt, die auch beim Leser spürbar wird und dem ein oder anderen amüsanten Wortgefecht beiwohnen. Da keiner der beiden Protagonisten ein Musiker ist, fällt die schön poetische und kraftvolle Darstellung der Musik leider weg und es geht stattdessen mehr um den großen Organisationsaufwand und das viele Personal hinter einer Band.

Das Cover ist in Farbgebung und Formatierung dem ersten Teil angepasst, hat aber meiner Meinung nach eine ganz andere Ausstrahlung. Um es mal vorsichtig zu formulieren: das ist eines dieser Bücher, bei denen ich das Cover in einer U-Bahn sehr gerne verdecken würde, da es doch sehr eindeutig verrät, worum es geht. Während das Cover von Band 1 noch bunt, schillernd, glamourös und sexy war, dabei aber nicht viel verraten hat und wir nur einen dunklen Umriss im hellen Durcheinander aus Nebel, Scheinwerferlicht und Schattenspielen gesehen haben, finde ich das Motiv, der Typ im Anzug hier irgendwie billig. Ich mag es absolut nicht, wenn mir Bilder die Vorstellung eines Charakters verderben. Ich finde alles am Cover schreit: erotischer Milliardärroman - was es streng genommen auch ist, aber da kann man sich im New Adult Genre schon etwas Gehobeneres ausdenken finde ich )

Erster Satz: "Kennen Sie diese Leute, die einfach immer Glück zu haben scheinen?"

Auch wenn Sophie Darling eigentlich nicht zu diesen Leuten gehört, denen immer alles zufliegt, wird sie auf ihrem Flug nach London in die erste Klasse versetzt. Was ihr aber zuerst wie eine Chance auf einen gemütlichen Flug erscheint, wird bald vernichtet, als sie ihren Sitznachbar kennenlernt: einen steinreichen, verklemmten Charmebolze (ironisch gemeint) mit Flugangst. Mit ihrer fröhlichen extrovertierten Art nimmt sie sich kein Blatt vor den Mund und beschließt, dem attraktiven aber eiskalten Mann gehörig auf die Nerven zu gehen. Dass der Sonnenschein ihr zukünftiger Chef und Manager der Band Kill John ist, ahnt sie noch nicht, genauso wenig, wie dass die beiden lange noch nicht fertig miteinander sind...

„Ich sitze neben der Frau fest, die offenbar an einem unheilbaren Fall von verbalem Durchfall leidet.“
„Sagt der Mann mit sozialer Verstopfung.“
Er erstarrt und reißt die Augen auf. Und dann entfährt ihm ein unterdrücktes Schnauben, das sich in ein ersticktes Lachen verwandelt. "Herrgott." Er zwickt sich in den Nasenrücken und ringt um Fassung. "Ich bin verflucht." Ich lächle. "Schon gut." Ich tätschle seinen Unterarm. "In etwa sieben Stunden wird alles vorbei sein."

Eigentlich ist das ein total typisches, vorhersehbares Buch: ein Mann Typ "sexy, unglaublich gutaussehend, mächtig, reich und mit Problemen belastet" und eine Frau Typ "sehr hübsch, offenherzig, gewillt seine Mauern zu durchbrechen und natürlich mit noch mehr Problemen belastet" treffen sich und -booommm- Anziehungskraft, Intrigen und jede Menge Drama. Ja ich kenne dieses Erfolgskonzept und doch falle ich jedes Mal aufs Neue wieder darauf rein. Schon im ersten Kapitel war ich fasziniert von der Kombination aus "Sonnenschein" und "Plappermäulchen", wie sich die beiden bald nennen, die in witzigen Wortgefechten endet. Sophie trägt ihr Herz auf der Zunge und redet ohne Punkt und Komma und lockt Gabriel damit immer mehr aus seiner Reserve, was sehr amüsant mit anzusehen ist. Das ist eigentlich schon der ganze Inhalt des Buches. Die beiden treffen in vielen ähnlichen Szenen immer wieder aufeinander und werden mit ihrer Anziehungskraft konfrontiert während scheinbare Probleme im Weg zu ihrem Glück stehen. Mit den vielen Wiederholungen ähnlicher Szenen und manchen kleinen Logiklücken ist der Plot keineswegs ein Meisterwerk, trotzdem habe ich das Prickeln von Anfang an gespürt und konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Auch durch den stetigen Perspektivenwechsel und die vielen spannenden Nebencharaktere blieb die Geschichte immer spannend.

Sophie Darling ist neue Marketing-Beauftragte der Rockband Kill John, was anfangs für viele Konflikte sorgt. Denn sie ist ausgerechnet die Paparazza, die die Bilder geschossen hat, die Jax´ Selbstmordversuch öffentlich gemacht haben. In der Liebe hatte sie nie Glück und hat sich auf den neuen Job eigentlich nur eingelassen, um aus ihrem alten Umfeld entfliehen zu können. Auch wenn mir bei ihr ein wenig der Hintergrund gefehlt hat und mir ihre genaue Aufgabe und Wichtigkeit im Kill-John-Team nicht ganz klar geworden ist, ist sie mir mit ihrer offenen und ironischen Art ans Herz gewachsen.

"Ich schaue ihr in die Augen und verspüre erneut dieses seltsame Gefühl, wie ein Schlag direkt unter meine Rippen. Schmerz, Verbitterung, Reue, Zärtlichkeit, es ist eine Mischung aus all diesen Empfindungen, was es schwierig macht, sich für eine zu entscheiden. Ich will ihr sagen, dass es mir leid tut, dass ich sie verletzt habe. Ich will sie wegschicken, damit ich dieses Unbehagen nicht verspüren muss. Sie ist gefährlich, weil ich sie nicht kontrollieren kann. Und sie ist absolut schön, wie geschmolzenes Glas, das einen in Versuchung führt, es zu berühren, obwohl man weiß, dass man sich daran verbrennen wird."

Gabriel Scott ist eigentlich das genaue Gegenteil von Sophie: zwar super heiß und unverschämt attraktiv, aber leider auch ein griesgrämiger, introvertierter Eisklotz. Seitdem er seine Mutter verloren hat und auf der Straße gelandet war, versucht er niemanden an sich ranzulassen, was bei Sophie nur mäßig funktioniert. Auch wenn sein Charakter eigentlich innerhalb der Geschichte ganz gut funktioniert hat, fand ich seine Kampf-Vergangenheit ein wenig fragwürdig, genau wie seine 6 Häuser auf der ganzen Welt und die Tatsache dass er in so jungen Jahren schon eine so wichtige Stellung einnimmt. Vielleicht minimal unrealistisch... aber ich bin sowieso kein besonderer Fan des aktuellen Milliardärhypes. Da sind mir die altmodischen Prinz-Geschichten lieber - da kommt das Mädel zwar auch fast immer schlecht weg, das ist aber wenigstens auf das Alter der Geschichten zu schieben... Besonders ironisch fand ich eine Stelle, in der sich die Bandmitglieder über Geschichten über "Pythonschwänze" und "Muschiflüsterer" beschweren, wodurch die Frauen, die sie lesen total unrealistische Anforderungen bekommen, die echte Männer gar nicht erfüllen können - das hätte sich die Autorin ja mal selbst zu Herzen nehmen können, ich mein ja nur...

"Er lächelt. Er steht wie eine wunderschöne Statue in den Schatten und wirkt unantastbar. Wie ein Fels. Aber dieses Lächeln ist mein Verderben. Darin liegt die gesamte Freude der Menge. Es spiegelt meine Begeisterung und Aufregung wider. Er weiß, was ich empfinde. Er weiß es, weil er es unglaublicherweise ebenfalls empfindet. Mir wird klar, dass er diesen Teil seines Lebens liebt, er hat es nur noch nie gezeigt. Jetzt lässt er es mich sehen. Das ist der Mann hinter dem Vorhang."

Der Schreibstil ist mal wieder sehr flüssig und locker, was mir gut gefällt, an manchen Stellen waren mir die Formulierungen aber wieder viel zu derb (könnte vielleicht an der Übersetzung liegen). Auch der Witz und Humor, der den Umgang der Protagonisten Großteils prägt hat, trägt viel dazu bei, die Lesestimmung zu verbessern. In Zusammenspiel mit der sich leise entwickelnden Beziehung der Protagonisten hat die wilde Mischung aus Verführung, Anziehungskraft, Scheinwerferlicht, Musik, Sinnlichkeit, Reichtum neben den Schattenseiten der Berühmtheit wie Groupies, Drogen, Paparazzi, Abhängigkeit vom Plattenvertrag, die in schnellem Tempo immer wieder gegenüber gestellt werden, die mitreißende Wirkung des Romans ausgemacht. Sehr schön war auch wieder, nebenher etwas von der Band mitzubekommen und liebgewonnene Charaktere wiederzusehen. Die Band, die Musik und das ganze Feeling, das in Band 1 zu spüren war, sind hier leider ein wenig kurz gekommen. Aber im nächsten Band um Jax wird das vielleicht wieder anders sein...

„Irgendwo, über dem Atlantik, in zehntausend Metern Höhe, hat sie sich an mich geschmiegt und mein Herz hat beschlossen, ihren Duft, den Klang ihrer Stimme und das Gefühl ihrer Haut mit Geborgenheit gleichzusetzen.“

Das Ende empfand ich dann wieder als ein wenig überzogen, zuerst im negativen Sinne und dann im positiven. Wer es gelesen hat, weiß vielleicht was ich meine. Ich verstehe einfach nicht, warum es Autoren nicht einfach bei einem langsam auslaufenden Ende belassen können, wenn die Handlung nicht anderes hergibt. Aber stattdessen muss ein heftiger Drop inszeniert und danach ein riesiges Happy End mit Flughafenszene und Heiratsantrag inszeniert werden, seufz. Ich weiß gar nicht, warum ich dieses Genre überhaupt noch lese, wenn ich mich durchgängig darüber aufrege. Ah ja richtig, wegen des unglaublichen Unterhaltungswerts


Fazit:


Eine ausdrucksstarke Romanze, die vor allem durch den wilden Mix aus Verführung, Anziehungskraft, Scheinwerferlicht, Musik, Humor und Extravaganz besticht. Sehr unterhaltsam aber leider mit einigen Schwächen in der Konzeption - Freunde des Genres werden voll auf ihre Kosten kommen!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.01.2024

Eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie

Das Damengambit
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Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach ...

Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach wenigen Kapiteln habe ich bemerkt, dass die Serie nur ganz leichte Abweichungen der Handlung vorgenommen hat und ich deshalb bei beinahe jeder Szene sofort ein getreues Abbild aus der Serie vor Augen hatte. So bot der erneute Gang durch Beths Leben zwar nur wenige Überraschungen, ich wurde aber umso mehr zurück in die fesselnde Atmosphäre gesogen, die die Serie bereits aufgebaut hatte.

Schreibstil
: Walter Tevis schreibt sehr nüchtern und beinahe emotionslos, sodass sich dieser Roman mehr wie eine Aneinanderreihung von Geschehnissen wirkt als eine lebendige Erzählung. In Kombination mit den häufig seitenweisen Schachbeschreibungen, über die ich als Laiin nur grob hinweggelesen habe, hätte mich die Geschichte also eigentlich nicht besonders fesseln sollen. Allerdings entwickelt die Geschichte egal ob im Buch oder in der Serie durch subtile Andeutungen und raffinierte Zeitsprünge dennoch eine Sogwirkung, die selbst nicht-Schach-Fans mitfiebern lässt. Die Besessenheit der Figur mit diesem Spiel, die Herangehensweise des Lernens, das Spielen im Kopf und die Rolle als Rettungsanker in einem ansonsten von derben Rückschlägen geprägten Leben hat mich inhaltlich an Stefan Zweigs "Schachnovelle" erinnert, welche mich damals beim Lesen ebenfalls sehr fasziniert hat. Dabei erzählt der Roman genau wie die Serie trotz des Settings in den 60er Jahren eine feministische und moderne Geschichte einer Frau, die sich trotz schlechter Startvoraussetzungen, Kindheitstraumata und Substanzabhängigkeit an die Spitze einer männerdominierten Domäne kämpft. Dennoch merkt man am Umgang mit einigen Themen sowie vereinzelten Formulierungen, dass der Roman bereits 1983 veröffentlicht wurde. Denn hin und wieder scheinen klassische Rollenbilder und internalisierter Rassismus leicht durch und zusätzlich gibt es eine fragwürdige Szene, die scheinbar ohne Grund zu Beginn auftaucht und nie aufgearbeitet wird, welche in einer Neuveröffentlichung wohl nicht vorkommen würde und auch in der Serie gestrichen wurde.

Figuren
: In der Serie habe ich bereits sehr großen Gefallen an der Hauptfigur Beth Harmon gefunden, die erstklassig von Anya Taylor-Joy verkörpert wird. Die Darstellerin vermochte es nuanciert die Höhen und Tiefen in der Entwicklung und Erfolgsgeschichte ihrer Figur darzustellen und Beth zu einer komplexen Figur mit einer faszinierenden Mischung aus Verletzlichkeit, Intelligenz und Ehrgeiz zu machen. Auch im Roman werden die vielen Facetten von Beths Charakter großartig gegenübergestellt: die Dämonen der Figur, die sich in Alkohol- und Drogensucht äußern und dem Rausch des Sieges einen bitteren Beigeschmack verleihen, der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn und zuletzt die Beziehungen zu den Nebenfiguren, die das langsame Erwachsenwerden der Figur begleiten. Allerdings hat mir hier an einigen Stellen etwas Tiefe gefehlt, da der Autor mit seiner nüchternen Erzählweise über viele emotional schwierige Szenen in Beths Leben ziemlich schnell hinweggeht. Beths Emotionen und Gedanken bei tiefen Einschnitten in ihrem Leben wurden für mich in der Serie deutlicher als im Roman, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob die Geschichte auf mich einen ebenso großen Eindruck hinterlassen hätte, wenn ich die Serie zuvor nicht bereits gesehen hätte. So konnte ich gedanklich Leerstellen mit meiner Erinnerung aus der Serie füllen und die Geschichte trotzdem vollends genießen.


Die Zitate


“It's an entire world of just 64 squares. I feel safe in it. I can control it; I can dominate it. And it's predictable. So, if I get hurt, I only have myself to blame.”

“She was alone, and she liked it. It was the way she had learned everything important in her life.”

“My experience has taught me that what you know isn’t always important.” “What is important?”
“Living and growing,” Mrs. Wheatley said with finality. “Living your life.”

“And what did being women have to do with it? She was better than any male player in America. She remembered the Life interviewer and the questions about her being a woman in a man's world. To hell with her; it wouldn't be a man's world when she finished with it.”


Das Urteil:


"Das Damengambit" ist eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie über den Werdegang des fiktiven Schachgenies Beth Harmon, dessen nüchterner Schreibstil man allerdings mögen muss. Fans der Serie werden hier voll auf ihre Kosten kommen, andere könnten sich womöglich am nicht ganz zeitgemäßen Umgang mit einzelnen Themen sowie fehlender Tiefe in ausgewählten Szenen stören. Für mich handelt es sich hier also um einen der wenigen Fällen, in dem die Verfilmung tatsächlich besser gelungen ist als die Buchvorlage!

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie

Das Damengambit
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Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach ...

Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach wenigen Kapiteln habe ich bemerkt, dass die Serie nur ganz leichte Abweichungen der Handlung vorgenommen hat und ich deshalb bei beinahe jeder Szene sofort ein getreues Abbild aus der Serie vor Augen hatte. So bot der erneute Gang durch Beths Leben zwar nur wenige Überraschungen, ich wurde aber umso mehr zurück in die fesselnde Atmosphäre gesogen, die die Serie bereits aufgebaut hatte.

Schreibstil
: Walter Tevis schreibt sehr nüchtern und beinahe emotionslos, sodass sich dieser Roman mehr wie eine Aneinanderreihung von Geschehnissen wirkt als eine lebendige Erzählung. In Kombination mit den häufig seitenweisen Schachbeschreibungen, über die ich als Laiin nur grob hinweggelesen habe, hätte mich die Geschichte also eigentlich nicht besonders fesseln sollen. Allerdings entwickelt die Geschichte egal ob im Buch oder in der Serie durch subtile Andeutungen und raffinierte Zeitsprünge dennoch eine Sogwirkung, die selbst nicht-Schach-Fans mitfiebern lässt. Die Besessenheit der Figur mit diesem Spiel, die Herangehensweise des Lernens, das Spielen im Kopf und die Rolle als Rettungsanker in einem ansonsten von derben Rückschlägen geprägten Leben hat mich inhaltlich an Stefan Zweigs "Schachnovelle" erinnert, welche mich damals beim Lesen ebenfalls sehr fasziniert hat. Dabei erzählt der Roman genau wie die Serie trotz des Settings in den 60er Jahren eine feministische und moderne Geschichte einer Frau, die sich trotz schlechter Startvoraussetzungen, Kindheitstraumata und Substanzabhängigkeit an die Spitze einer männerdominierten Domäne kämpft. Dennoch merkt man am Umgang mit einigen Themen sowie vereinzelten Formulierungen, dass der Roman bereits 1983 veröffentlicht wurde. Denn hin und wieder scheinen klassische Rollenbilder und internalisierter Rassismus leicht durch und zusätzlich gibt es eine fragwürdige Szene, die scheinbar ohne Grund zu Beginn auftaucht und nie aufgearbeitet wird, welche in einer Neuveröffentlichung wohl nicht vorkommen würde und auch in der Serie gestrichen wurde.

Figuren
: In der Serie habe ich bereits sehr großen Gefallen an der Hauptfigur Beth Harmon gefunden, die erstklassig von Anya Taylor-Joy verkörpert wird. Die Darstellerin vermochte es nuanciert die Höhen und Tiefen in der Entwicklung und Erfolgsgeschichte ihrer Figur darzustellen und Beth zu einer komplexen Figur mit einer faszinierenden Mischung aus Verletzlichkeit, Intelligenz und Ehrgeiz zu machen. Auch im Roman werden die vielen Facetten von Beths Charakter großartig gegenübergestellt: die Dämonen der Figur, die sich in Alkohol- und Drogensucht äußern und dem Rausch des Sieges einen bitteren Beigeschmack verleihen, der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn und zuletzt die Beziehungen zu den Nebenfiguren, die das langsame Erwachsenwerden der Figur begleiten. Allerdings hat mir hier an einigen Stellen etwas Tiefe gefehlt, da der Autor mit seiner nüchternen Erzählweise über viele emotional schwierige Szenen in Beths Leben ziemlich schnell hinweggeht. Beths Emotionen und Gedanken bei tiefen Einschnitten in ihrem Leben wurden für mich in der Serie deutlicher als im Roman, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob die Geschichte auf mich einen ebenso großen Eindruck hinterlassen hätte, wenn ich die Serie zuvor nicht bereits gesehen hätte. So konnte ich gedanklich Leerstellen mit meiner Erinnerung aus der Serie füllen und die Geschichte trotzdem vollends genießen.


Die Zitate


“It's an entire world of just 64 squares. I feel safe in it. I can control it; I can dominate it. And it's predictable. So, if I get hurt, I only have myself to blame.”

“She was alone, and she liked it. It was the way she had learned everything important in her life.”

“My experience has taught me that what you know isn’t always important.” “What is important?”
“Living and growing,” Mrs. Wheatley said with finality. “Living your life.”

“And what did being women have to do with it? She was better than any male player in America. She remembered the Life interviewer and the questions about her being a woman in a man's world. To hell with her; it wouldn't be a man's world when she finished with it.”


Das Urteil:


"Das Damengambit" ist eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie über den Werdegang des fiktiven Schachgenies Beth Harmon, dessen nüchterner Schreibstil man allerdings mögen muss. Fans der Serie werden hier voll auf ihre Kosten kommen, andere könnten sich womöglich am nicht ganz zeitgemäßen Umgang mit einzelnen Themen sowie fehlender Tiefe in ausgewählten Szenen stören. Für mich handelt es sich hier also um einen der wenigen Fällen, in dem die Verfilmung tatsächlich besser gelungen ist als die Buchvorlage!

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie

Das Damengambit
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Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach ...

Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach wenigen Kapiteln habe ich bemerkt, dass die Serie nur ganz leichte Abweichungen der Handlung vorgenommen hat und ich deshalb bei beinahe jeder Szene sofort ein getreues Abbild aus der Serie vor Augen hatte. So bot der erneute Gang durch Beths Leben zwar nur wenige Überraschungen, ich wurde aber umso mehr zurück in die fesselnde Atmosphäre gesogen, die die Serie bereits aufgebaut hatte.

Schreibstil
: Walter Tevis schreibt sehr nüchtern und beinahe emotionslos, sodass sich dieser Roman mehr wie eine Aneinanderreihung von Geschehnissen wirkt als eine lebendige Erzählung. In Kombination mit den häufig seitenweisen Schachbeschreibungen, über die ich als Laiin nur grob hinweggelesen habe, hätte mich die Geschichte also eigentlich nicht besonders fesseln sollen. Allerdings entwickelt die Geschichte egal ob im Buch oder in der Serie durch subtile Andeutungen und raffinierte Zeitsprünge dennoch eine Sogwirkung, die selbst nicht-Schach-Fans mitfiebern lässt. Die Besessenheit der Figur mit diesem Spiel, die Herangehensweise des Lernens, das Spielen im Kopf und die Rolle als Rettungsanker in einem ansonsten von derben Rückschlägen geprägten Leben hat mich inhaltlich an Stefan Zweigs "Schachnovelle" erinnert, welche mich damals beim Lesen ebenfalls sehr fasziniert hat. Dabei erzählt der Roman genau wie die Serie trotz des Settings in den 60er Jahren eine feministische und moderne Geschichte einer Frau, die sich trotz schlechter Startvoraussetzungen, Kindheitstraumata und Substanzabhängigkeit an die Spitze einer männerdominierten Domäne kämpft. Dennoch merkt man am Umgang mit einigen Themen sowie vereinzelten Formulierungen, dass der Roman bereits 1983 veröffentlicht wurde. Denn hin und wieder scheinen klassische Rollenbilder und internalisierter Rassismus leicht durch und zusätzlich gibt es eine fragwürdige Szene, die scheinbar ohne Grund zu Beginn auftaucht und nie aufgearbeitet wird, welche in einer Neuveröffentlichung wohl nicht vorkommen würde und auch in der Serie gestrichen wurde.

Figuren
: In der Serie habe ich bereits sehr großen Gefallen an der Hauptfigur Beth Harmon gefunden, die erstklassig von Anya Taylor-Joy verkörpert wird. Die Darstellerin vermochte es nuanciert die Höhen und Tiefen in der Entwicklung und Erfolgsgeschichte ihrer Figur darzustellen und Beth zu einer komplexen Figur mit einer faszinierenden Mischung aus Verletzlichkeit, Intelligenz und Ehrgeiz zu machen. Auch im Roman werden die vielen Facetten von Beths Charakter großartig gegenübergestellt: die Dämonen der Figur, die sich in Alkohol- und Drogensucht äußern und dem Rausch des Sieges einen bitteren Beigeschmack verleihen, der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn und zuletzt die Beziehungen zu den Nebenfiguren, die das langsame Erwachsenwerden der Figur begleiten. Allerdings hat mir hier an einigen Stellen etwas Tiefe gefehlt, da der Autor mit seiner nüchternen Erzählweise über viele emotional schwierige Szenen in Beths Leben ziemlich schnell hinweggeht. Beths Emotionen und Gedanken bei tiefen Einschnitten in ihrem Leben wurden für mich in der Serie deutlicher als im Roman, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob die Geschichte auf mich einen ebenso großen Eindruck hinterlassen hätte, wenn ich die Serie zuvor nicht bereits gesehen hätte. So konnte ich gedanklich Leerstellen mit meiner Erinnerung aus der Serie füllen und die Geschichte trotzdem vollends genießen.


Die Zitate


“It's an entire world of just 64 squares. I feel safe in it. I can control it; I can dominate it. And it's predictable. So, if I get hurt, I only have myself to blame.”

“She was alone, and she liked it. It was the way she had learned everything important in her life.”

“My experience has taught me that what you know isn’t always important.” “What is important?”
“Living and growing,” Mrs. Wheatley said with finality. “Living your life.”

“And what did being women have to do with it? She was better than any male player in America. She remembered the Life interviewer and the questions about her being a woman in a man's world. To hell with her; it wouldn't be a man's world when she finished with it.”


Das Urteil:


"Das Damengambit" ist eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie über den Werdegang des fiktiven Schachgenies Beth Harmon, dessen nüchterner Schreibstil man allerdings mögen muss. Fans der Serie werden hier voll auf ihre Kosten kommen, andere könnten sich womöglich am nicht ganz zeitgemäßen Umgang mit einzelnen Themen sowie fehlender Tiefe in ausgewählten Szenen stören. Für mich handelt es sich hier also um einen der wenigen Fällen, in dem die Verfilmung tatsächlich besser gelungen ist als die Buchvorlage!

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie

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Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach ...

Handlung: Nachdem ich letztes Jahr im Sommer die Netflix-Miniserie "The Queen´s Gambit" begeistert verschlungen habe, stand für mich fest, dass ich auch die Buchvorlage dringend lesen muss. Schon nach wenigen Kapiteln habe ich bemerkt, dass die Serie nur ganz leichte Abweichungen der Handlung vorgenommen hat und ich deshalb bei beinahe jeder Szene sofort ein getreues Abbild aus der Serie vor Augen hatte. So bot der erneute Gang durch Beths Leben zwar nur wenige Überraschungen, ich wurde aber umso mehr zurück in die fesselnde Atmosphäre gesogen, die die Serie bereits aufgebaut hatte.

Schreibstil
: Walter Tevis schreibt sehr nüchtern und beinahe emotionslos, sodass sich dieser Roman mehr wie eine Aneinanderreihung von Geschehnissen wirkt als eine lebendige Erzählung. In Kombination mit den häufig seitenweisen Schachbeschreibungen, über die ich als Laiin nur grob hinweggelesen habe, hätte mich die Geschichte also eigentlich nicht besonders fesseln sollen. Allerdings entwickelt die Geschichte egal ob im Buch oder in der Serie durch subtile Andeutungen und raffinierte Zeitsprünge dennoch eine Sogwirkung, die selbst nicht-Schach-Fans mitfiebern lässt. Die Besessenheit der Figur mit diesem Spiel, die Herangehensweise des Lernens, das Spielen im Kopf und die Rolle als Rettungsanker in einem ansonsten von derben Rückschlägen geprägten Leben hat mich inhaltlich an Stefan Zweigs "Schachnovelle" erinnert, welche mich damals beim Lesen ebenfalls sehr fasziniert hat. Dabei erzählt der Roman genau wie die Serie trotz des Settings in den 60er Jahren eine feministische und moderne Geschichte einer Frau, die sich trotz schlechter Startvoraussetzungen, Kindheitstraumata und Substanzabhängigkeit an die Spitze einer männerdominierten Domäne kämpft. Dennoch merkt man am Umgang mit einigen Themen sowie vereinzelten Formulierungen, dass der Roman bereits 1983 veröffentlicht wurde. Denn hin und wieder scheinen klassische Rollenbilder und internalisierter Rassismus leicht durch und zusätzlich gibt es eine fragwürdige Szene, die scheinbar ohne Grund zu Beginn auftaucht und nie aufgearbeitet wird, welche in einer Neuveröffentlichung wohl nicht vorkommen würde und auch in der Serie gestrichen wurde.

Figuren
: In der Serie habe ich bereits sehr großen Gefallen an der Hauptfigur Beth Harmon gefunden, die erstklassig von Anya Taylor-Joy verkörpert wird. Die Darstellerin vermochte es nuanciert die Höhen und Tiefen in der Entwicklung und Erfolgsgeschichte ihrer Figur darzustellen und Beth zu einer komplexen Figur mit einer faszinierenden Mischung aus Verletzlichkeit, Intelligenz und Ehrgeiz zu machen. Auch im Roman werden die vielen Facetten von Beths Charakter großartig gegenübergestellt: die Dämonen der Figur, die sich in Alkohol- und Drogensucht äußern und dem Rausch des Sieges einen bitteren Beigeschmack verleihen, der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn und zuletzt die Beziehungen zu den Nebenfiguren, die das langsame Erwachsenwerden der Figur begleiten. Allerdings hat mir hier an einigen Stellen etwas Tiefe gefehlt, da der Autor mit seiner nüchternen Erzählweise über viele emotional schwierige Szenen in Beths Leben ziemlich schnell hinweggeht. Beths Emotionen und Gedanken bei tiefen Einschnitten in ihrem Leben wurden für mich in der Serie deutlicher als im Roman, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob die Geschichte auf mich einen ebenso großen Eindruck hinterlassen hätte, wenn ich die Serie zuvor nicht bereits gesehen hätte. So konnte ich gedanklich Leerstellen mit meiner Erinnerung aus der Serie füllen und die Geschichte trotzdem vollends genießen.


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“It's an entire world of just 64 squares. I feel safe in it. I can control it; I can dominate it. And it's predictable. So, if I get hurt, I only have myself to blame.”

“She was alone, and she liked it. It was the way she had learned everything important in her life.”

“My experience has taught me that what you know isn’t always important.” “What is important?”
“Living and growing,” Mrs. Wheatley said with finality. “Living your life.”

“And what did being women have to do with it? She was better than any male player in America. She remembered the Life interviewer and the questions about her being a woman in a man's world. To hell with her; it wouldn't be a man's world when she finished with it.”


Das Urteil:


"Das Damengambit" ist eine facettenreiche und fesselnde Charakterstudie über den Werdegang des fiktiven Schachgenies Beth Harmon, dessen nüchterner Schreibstil man allerdings mögen muss. Fans der Serie werden hier voll auf ihre Kosten kommen, andere könnten sich womöglich am nicht ganz zeitgemäßen Umgang mit einzelnen Themen sowie fehlender Tiefe in ausgewählten Szenen stören. Für mich handelt es sich hier also um einen der wenigen Fällen, in dem die Verfilmung tatsächlich besser gelungen ist als die Buchvorlage!

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