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Veröffentlicht am 04.02.2024

Großartig!

Ein Garten offenbart sich
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Was passiert mit einem Garten, wenn man den Rasen nicht mehr mäht, wenn man kein Unkraut mehr jätet, wenn man kranke Bäume nicht mehr fällt?

In Kartrin de Vries' Garten lässt sich beobachten, welche ...

Was passiert mit einem Garten, wenn man den Rasen nicht mehr mäht, wenn man kein Unkraut mehr jätet, wenn man kranke Bäume nicht mehr fällt?

In Kartrin de Vries' Garten lässt sich beobachten, welche Auswirkungen es auf die Natur hat, wenn der Mensch sich zurücknimmt, wenn er auf Rasenmäher, Laubbläser, Gifte, Steine und Plastikplanen verzichtet.

Es ist faszinierend zu erfahren, wie im Garten der Autorin durch das wenige Eingreifen ein Ökosystem entsteht, in dem sich wilde Pflanzenarten und selten gewordene Insekten niederlassen. Doch nicht nur das, es werden Symbiosen eingegangen, Pflanzen ergänzen sich gegenseitig, bieten einander beispielsweise Schatten oder sorgen für genügend Feuchtigkeit.

Die Autorin macht dabei im Laufe des Buches selbst eine Entwicklung durch. Sie nimmt immer mehr Details in ihrem Garten wahr, schaut immer genauer hin. Die "Verwilderung" wird für sie immer natürlicher. Auch ihre eigene Rolle in diesem neuen System nimmt sie dabei klarer wahr.

"Es gelingt mir immer besser, langsam durch diese erweiterte Welt zu gehen und zu schauen, mich nicht mehr ganz so wichtig zu nehmen."

Eine der für mich eindrücklichsten Erkenntnisse der Autorin war, dass sie versteht, dass es in einem Garten nicht um Schnelligkeit oder Wachstum gehen darf. Dass es ganz egal ist, wie groß die Ernte ausfällt. Dass, wie ihr Sohn ihr erklärt, sie nicht eine Fabrik betreibt, sondern es mit einem lebendigen Organismus zu tun hat.

"Ein Garten offenbart sich" ist ein Buch, dass der Idee des "gepflegten" (man könnte auch sagen: spießigen, toten, biologisch wertlosen) Gartens etwas entgegensetzt. Es ist dabei nicht nur inhaltlich überzeugend, sondern auch stilistisch. Für mich ein in jeder Hinsicht rundes und bereicherndes Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Verrufene Tiere
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Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Diese Frage stellt Stephan Wunsch in seinem Buch "Verrufene Tiere" und erzählt davon, wie unsere Wahrnehmung und vor allem auch unsere Ängste vor bestimmten Tieren durch ...

Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Diese Frage stellt Stephan Wunsch in seinem Buch "Verrufene Tiere" und erzählt davon, wie unsere Wahrnehmung und vor allem auch unsere Ängste vor bestimmten Tieren durch Medien und Populärkultur sowie durch die Vermenschlichung und Übertragung von Tugend- und Wertvorstellungen beeinflusst werden.

Ein gutes Beispiel ist der Hai, dessen Bild im letzten Jahrhundert stark durch Filme wie Spielbergs "Der weiße Hai" und durch Massenhysterien beeinflusst worden ist. Das genau Gegenteil dazu bildet der Delfin, den wir nicht zuletzt dank "Flipper" als liebenswürdig, verspielt und edel wahrnehmen.

Edelkeit ist sowieso ein Wert, den wir von Tieren erwarten. Spinnen mögen wir beispielsweise deshalb nicht, weil wir sie als hinterhältig und unaufrichtig wahrnehmen. Und auch Wespen gegenüber sind wir skeptisch, weil sie u.a. nicht unsere Ideale von Mutterschaft erfüllen.

Wenn wir also den Eindruck haben, dass Tiere unseren Tugenden nicht entsprechen, sinken sie in unserem Ansehen. Ein besonders einprägsames Beispiel sind Aasfresser, wie der Geier. Ebenso Hyänen, die in Gruppen sogar Löwen töten können, außerdem alles andere als süß aussehen und deshalb keine Chance haben, sich aus ihrer Verrufenheit zu befreien.

Stephan Wunsch gelingt es auf fesselnde Weise, natur-, kultur und literaturwissenschaftliche Aspekte miteinander zu verbinden und dadurch unsere Ängste zu erklären. Das Buch war für mich eine Art erfrischender Realitätscheck. Nicht zuletzt dadurch, dass die menschliche Scheinheiligkeit immer wieder enttarnt wird. Mit dem Hai lässt es sich wohl am besten auf den Punkt bringen: Sein "wahllosen Verschlingen" fordert jedes Jahr 10 Todesopfer. Menschen töten Haie millionenfach.

"Verrufene Tiere" von Stephan Wunsch, erschienen bei @matthesundseitzberlin: Unbedingt lesen! 🕷️🦅🐍🦇

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Verrufene Tiere
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Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Diese Frage stellt Stephan Wunsch in seinem Buch "Verrufene Tiere" und erzählt davon, wie unsere Wahrnehmung und vor allem auch unsere Ängste vor bestimmten Tieren durch ...

Was prägt unsere Sicht auf Tiere?

Diese Frage stellt Stephan Wunsch in seinem Buch "Verrufene Tiere" und erzählt davon, wie unsere Wahrnehmung und vor allem auch unsere Ängste vor bestimmten Tieren durch Medien und Populärkultur sowie durch die Vermenschlichung und Übertragung von Tugend- und Wertvorstellungen beeinflusst werden.

Ein gutes Beispiel ist der Hai, dessen Bild im letzten Jahrhundert stark durch Filme wie Spielbergs "Der weiße Hai" und durch Massenhysterien beeinflusst worden ist. Das genau Gegenteil dazu bildet der Delfin, den wir nicht zuletzt dank "Flipper" als liebenswürdig, verspielt und edel wahrnehmen.

Edelkeit ist sowieso ein Wert, den wir von Tieren erwarten. Spinnen mögen wir beispielsweise deshalb nicht, weil wir sie als hinterhältig und unaufrichtig wahrnehmen. Und auch Wespen gegenüber sind wir skeptisch, weil sie u.a. nicht unsere Ideale von Mutterschaft erfüllen.

Wenn wir also den Eindruck haben, dass Tiere unseren Tugenden nicht entsprechen, sinken sie in unserem Ansehen. Ein besonders einprägsames Beispiel sind Aasfresser, wie der Geier. Ebenso Hyänen, die in Gruppen sogar Löwen töten können, außerdem alles andere als süß aussehen und deshalb keine Chance haben, sich aus ihrer Verrufenheit zu befreien.

Stephan Wunsch gelingt es auf fesselnde Weise, natur-, kultur und literaturwissenschaftliche Aspekte miteinander zu verbinden und dadurch unsere Ängste zu erklären. Das Buch war für mich eine Art erfrischender Realitätscheck. Nicht zuletzt dadurch, dass die menschliche Scheinheiligkeit immer wieder enttarnt wird. Mit dem Hai lässt es sich wohl am besten auf den Punkt bringen: Sein "wahllosen Verschlingen" fordert jedes Jahr 10 Todesopfer. Menschen töten Haie millionenfach.

"Verrufene Tiere" von Stephan Wunsch, erschienen bei @matthesundseitzberlin: Unbedingt lesen! 🕷️🦅🐍🦇

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Toller Band

Wirres Haar
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Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert ...

Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert und die alle Gedichte dieser Ausgabe im japanischen Original, in lateinischer Umschrift und in der deutschen Übersetzung von Eduard Klopfenstein beinhaltet.

Vieles von dem, was ich schon bei der Lektüre der Essays empfunden hatte, ist mir auch jetzt wieder durch den Kopf gegangen. Es ist unheimlich beeindruckend, wie progressiv Yosano Akiko schreibt, wie kraftvoll, selbstbewusst und im Grunde zeitlos das ist, was sie erzählt.

Die Themen und Motive sind bei einer Anthologie, die 399 Tanka umfasst, natürlich vielfältig. Schönheit, Vergänglichkeit, Farben und Jahreszeiten spielen ebenso eine Rolle wie die Freiheit und der Drang einer jungen Frau, aus ihrem Leben auszubrechen. Hier ein Beispiel:

"Du siehst und berührst nicht
meine zarte Haut unter der
das heiße Blut pocht
Bist du nicht einsam? Du!
Schulmeister des rechten Wegs"

Das ungestüme jugendliche Temperament spricht immer wieder aus den Zeilen. Und man kann sich vorstellen, dass es in der damaligen japanischen Gesellschaft sicher das Potential hatte, anzuecken. Gleichzeitig blitzt in manchen Tanka, wie dem folgenden, ein Humor zwischen den Zeilen hervor, eine Art Augenzwinkern, das mir die Dichterin unheimlich sympathisch gemacht hat:

"Ich bin verwirrt
So viele ähnliche Gesichter
gleichen dem Geliebten
Ihr macht euch einen Spaß
mit mir ihr Liebesgötter"

Ich empfehle diesen Band, das steht ganz außer Frage! Aber ich empfehle vor allem auch den Anhang und das Nachwort von Eduard Klopfenstein. Denn erst mit den Informationen aus dem Anhang lassen sich viele der Tanka richtig einordnen und verstehen.

Last but not least: Lieber @manesse.verlag, diese Übersetzung ist so eine großartige Leistung! Sollte da die Nennung des Übersetzers (und in diesem Fall ja auch Herausgebers) auf dem Cover nicht ganz selbstverständlich sein?

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Toller Band

Wirres Haar
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Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert ...

Im letzten Jahr hat der Manesse Verlag bereits Yosano Akikos Essays herausgebracht. Nun sind endlich auch ihre Tanka erschienen! Und zwar in einer Ausgabe, die sich an der Originalanthologie von 1901 orientiert und die alle Gedichte dieser Ausgabe im japanischen Original, in lateinischer Umschrift und in der deutschen Übersetzung von Eduard Klopfenstein beinhaltet.

Vieles von dem, was ich schon bei der Lektüre der Essays empfunden hatte, ist mir auch jetzt wieder durch den Kopf gegangen. Es ist unheimlich beeindruckend, wie progressiv Yosano Akiko schreibt, wie kraftvoll, selbstbewusst und im Grunde zeitlos das ist, was sie erzählt.

Die Themen und Motive sind bei einer Anthologie, die 399 Tanka umfasst, natürlich vielfältig. Schönheit, Vergänglichkeit, Farben und Jahreszeiten spielen ebenso eine Rolle wie die Freiheit und der Drang einer jungen Frau, aus ihrem Leben auszubrechen. Hier ein Beispiel:

"Du siehst und berührst nicht
meine zarte Haut unter der
das heiße Blut pocht
Bist du nicht einsam? Du!
Schulmeister des rechten Wegs"

Das ungestüme jugendliche Temperament spricht immer wieder aus den Zeilen. Und man kann sich vorstellen, dass es in der damaligen japanischen Gesellschaft sicher das Potential hatte, anzuecken. Gleichzeitig blitzt in manchen Tanka, wie dem folgenden, ein Humor zwischen den Zeilen hervor, eine Art Augenzwinkern, das mir die Dichterin unheimlich sympathisch gemacht hat:

"Ich bin verwirrt
So viele ähnliche Gesichter
gleichen dem Geliebten
Ihr macht euch einen Spaß
mit mir ihr Liebesgötter"

Ich empfehle diesen Band, das steht ganz außer Frage! Aber ich empfehle vor allem auch den Anhang und das Nachwort von Eduard Klopfenstein. Denn erst mit den Informationen aus dem Anhang lassen sich viele der Tanka richtig einordnen und verstehen.

Last but not least: Lieber @manesse.verlag, diese Übersetzung ist so eine großartige Leistung! Sollte da die Nennung des Übersetzers (und in diesem Fall ja auch Herausgebers) auf dem Cover nicht ganz selbstverständlich sein?

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