Einen Tag nach dem anderen
„Das war damals die schönste Zeit meines Lebens.“ (S. 48) Vor 3 Jahren haben sich die Amerikanerin Zoe und der Brite Martin auf dem Jakobsweg kennengelernt und ineinander verliebt, sich danach aber trotzdem ...
„Das war damals die schönste Zeit meines Lebens.“ (S. 48) Vor 3 Jahren haben sich die Amerikanerin Zoe und der Brite Martin auf dem Jakobsweg kennengelernt und ineinander verliebt, sich danach aber trotzdem für getrennte Leben entschieden, weil keiner von ihnen seine Heimat verlassen wollte.
Jetzt treffen sie wieder aufeinander. Bei Zoes Freundin Camille wurde Multiple Sklerose festgestellt, darum will sie mit ihr den Assisiweg von Cluny nach Rom gehen, solange sie es noch kann. Martin will sie einen Teil der Strecke begleiten und seine Tochter Sarah, die gerade Semesterferien hat, schließt sich ihm spontan an.
Was als Trip zu zweit geplant war, wird schnell zu einer kleinen Gruppenreise, als auch noch Camilles Ex-Mann Gilbert und Bernhard mitkommen, den sie ebenfalls auf dem Jakobsweg kennengelernt haben.
Jeder von ihnen befindet sich gerade an einem Punkt im Leben, an dem er es noch mal ändern könnte. Zoes Karriere als Comic-Zeichnerin stagniert. Martin setzt für die Reise seinen Job aufs Spiel, an dem er aber auch nicht mehr so richtig hängt. Sarah ist nicht sicher, ob sie weiter Medizin studieren soll. Bernhard will vom Ingenieurs- zum BWL-Studium wechseln. Camille überlegt, was sie mit der Zeit anfangen soll, die ihr noch bleibt, und Gilbert liebt sie immer noch, fühlt sich für sie verantwortlich und hat seine Firma verkauft um nur für sie da sein zu können – obwohl sie ihn nicht darum gebeten hat.
Schnell wird klar, dass sie den Weg aus verschiedenen Gründen gehen. Camille ist Katholikin, pilgert um Buße zu tun und hofft auf eine Audienz beim Papst, die Vergebung einer großen Sünde und die Spontanheilung ihrer Krankheit – denn Wunder passieren immer wieder. Gilbert geht ihn wegen ihr und weil ihm sein Arzt mehr Bewegung verordnet hat. Zoe geht es um die Herausforderung an sich, 1.600 km in 47 Tagen. Zudem denkt sie, dass Camille es allein nicht schaffen würde und ihre Hilfe braucht. Und Martin hofft, Zoe diesmal überzeugen zu können, dass sie zu ihm zieht.
Das Buch lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Einerseits bekommt man einen sehr guten Eindruck, wie körperlich anstrengend und nervlich aufreibend das Pilgern ist, dass man dabei immer wieder an seine Grenzen stößt und sich jeden Tag entscheiden muss, wieder loszugehen, einen Tag nach dem anderen, ohne an morgen oder gar übermorgen zu denken. Anderseits ist die Handlung sehr problembeladen und aufgrund der vielen Personen zum Teil etwas unübersichtlich. Aber man bekommt auch einen tiefen Einblick in ihre jeweilige Gedanken- und Gefühlswelt und wird sich genau wie sie seiner Endlichkeit bewusst.
Außerdem merkt man, dass Graeme Simsion und Anne Buist den Weg selbst gegangen sind und aus Erfahrung sprechen, wenn die Herbergen und ihrer Betreiber beschreiben, die Schwierigkeiten, mit denen diese zu kämpfen haben.
Wie schon in „Zum Glück gibt es Umwege“ werden die Geschehnisse abwechselnd aus Zoes und Martins Sicht geschildert, so dass man unterschiedliche Sichtweisen auf das Geschehen bekommt. Zum besseren Verständnis würde ich übrigens empfehlen, das Buch vorher zu lesen.