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Veröffentlicht am 08.03.2024

Erwachsenwerden und Klarkommen in Episoden

Klarkommen
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Bruchstückhaft, in mal sehr knappen, mal längeren Episoden gibt die Ich-Erzählerin in Klarkommen Einblicke in ihr Aufwachsen in einer Kleinstadt und später dem Studium in einer Großstadt, beides gemeinsam ...

Bruchstückhaft, in mal sehr knappen, mal längeren Episoden gibt die Ich-Erzählerin in Klarkommen Einblicke in ihr Aufwachsen in einer Kleinstadt und später dem Studium in einer Großstadt, beides gemeinsam mit ihren Freunden Munia und Leon. Die Erzählung von Ilona Hartmann lebt dabei vom Kontrast dieser beiden Welten und das Austarieren dieser innerhalb der Ich-Erzählerin.

Aus einer Welt in der Scheidungskind zu sein als Normalität gilt, es 40 Minuten mit dem Zug in die nächst größere Stadt dauert und das Auto so als Öffner eines neuen Möglichkeitsraums gilt, kommt sie in die lang ersehnte goldene Zukunft in der Großstadt, nur um dann festzustellen, dass diese in der Vorstellung viel goldener war als in der Realität, die ersehnte Selbstständigkeit plötzlich zur Erkenntnis führt, dass tatsächlich alles Geld kostet und auch das Studium ohne Vorbilder aus der eigenen Familie andere Herausforderungen bereithält.

Das Episodenhafte im Stil beschreibt so auch ein Lebensgefühl des Erwachsenwerdens in dem wir uns ausprobieren, Erfahrungen sammeln, scheitern, Erfolge und Erkenntnisse feiern und so erst Stück für Stück herausfinden wer wir eigentlich sein wollen.

Was den Roman greifbar macht, ist weniger eine konsequente Ausarbeitung der Figuren, sondern der sehr pointierte, authentische Stil in dem er erzählt wird. Es sind oft vermeintliche Belanglosigkeiten von denen berichtet wird, und doch fängt die Autorin so eine eigentümliche Stimmung ein, die die Protagonist:innen prägt. Das Gefühl eines Dazwischen, nie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, etwas zu verpassen, fehl am Platz zu sein - in der Kleinstadt wie der Großstadt und auch als Arbeiterkind an der Universität.

Ab und zu fehlte mir jedoch die Tiefe, die sich durch das Episodenhafte nicht einstellen wollte, vielleicht auch gar nicht soll. Trotzdem regt der Roman zum Nachdenken an, über das eigene Aufwachsen, die aufregende Zeit des ersten Auszugs, eine Zeit in der alles möglich scheint und trotzdem manchmal scheinbar nichts passiert, und auch wie Herkunft uns prägt. Dank des authentischen, manchmal fast rotzigen Stils im positivsten Sinne hat mich Ilona Hartmann zudem mehr als einmal zum Schmunzeln gebracht. Klarkommen ist ein kurzweiliger zeitgenössischer Roman für zwischendurch, den ich gern empfehle.

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Kurzweiliger britischer Cosy Crime Krimi zum Miträtseln

Das Mörderarchiv
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Annie Adams, bisher etwas glücklose Krimiautorin staunt nicht schlecht, als sie sich plötzlich mitten in einer echten Mordermittlung befindet. Ihre wohlhabende Großtante Frances hat sie überraschend als ...

Annie Adams, bisher etwas glücklose Krimiautorin staunt nicht schlecht, als sie sich plötzlich mitten in einer echten Mordermittlung befindet. Ihre wohlhabende Großtante Frances hat sie überraschend als Erbin eingesetzt. Doch bevor es zu einem Treffen der beiden kommt, wird Tante Frances tot aufgefunden. Zuvor hat sie eine Anweisung im Testament hinterlassen: wer ihren Mord aufgeklärt, soll Alleinerbe werden.

Eine mysteriöse Jahrmarkts-Weissagung aus Frances Jugend durchzieht die Geschichte. Tante Frances hat daraufhin 60 Jahre in einem eigenen Archiv Akten über zahlreiche Bewohner des Ortes und Familienmitglieder angelegt, um die Weissagung zu entschlüsseln und ihrem eigenen Mörder zuvor zu kommen.

Es kommen zahlreiche Verdächtige ins Bild von denen jede:r ein Motiv zu haben scheint. Klassisch sind die Hinweise und Verwirrungen, so enthält beispielsweise die Weissagung einen Vogel, während zwei Figuren der Geschichte Nachnamen mit Vogelbezug haben.

Genau genommen werden zwei Morde im Roman behandelt. Zum einen der von Tante Frances, zum anderen das 60 Jahre zurückliegende Verschwinden ihrer Freundin Emily. Emily Sparrow, Jugendfreundin von Frances und Rose, als Mädchen-Trio, ist mysteriös verschwunden. Hat der Mord an Frances mit Emilys Verschwinden zu tun?

Die Mordermittlung begleiten wir aus Annies Perspektive, die immer wieder mit Rückblicken in die Zeit um Emilys Verschwinden vor 60 Jahren ergänzt wird. Geschickt verwebt die Autorin die Perspektive Frances‘ in ihrem alten Tagebuch mit der Gegenwart und entwirft so ein kurzweiliges Krimierlebnis zum Miträtseln.

Im Mittelteil verliert sich die Geschichte ein wenig zwischen all den Verdächtigen, nimmt zum Ende jedoch wieder Fahrt auf.

Ich habe diese britische Cosy-Crime-Geschichte sehr genossen, sie hätte nach meinem Geschmack jedoch noch etwas mehr Tempo und Humor haben können.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Eine Tochter, eine Mutter, eine gemeinsame Reise und die Frage, was Herkunft mit uns macht

Kalt genug für Schnee
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Die namenlose Ich-Erzählerin hat mit ihrer Mutter eine gemeinsame Reise nach und durch Japan geplant. Bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass die Beziehung besonders ist, keine Innigkeit, die ...

Die namenlose Ich-Erzählerin hat mit ihrer Mutter eine gemeinsame Reise nach und durch Japan geplant. Bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass die Beziehung besonders ist, keine Innigkeit, die uns begegnet, stattdessen eine seltsame Distanz, die aus den Zeilen spricht. Während der Reise begleiten wir die Tochter nicht nur bei ihren Gedanken über die Beziehung zu ihrer Mutter, sondern daraus abgeleitet viel grundsätzlicheren Fragen darüber was Herkunft mit uns macht, wie wir uns abgrenzen, was wir uns aneignen.

Immer wieder werden dabei auch Klassengrenzen aufgezeigt, die feinen Unterschiede im Habitus, die die Autorin an ihrer Mutter vor dem Hintergrund ihrer Lebenserfahrung, aber auch bei sich selbst herausarbeitet.

Dafür findet die Autorin immer wieder treffende Bilder und Beispiele, wie etwa, wenn sie Bildung als Form einer Fremdsprache herausarbeitet, deren Zugang sich bestimmte Klassen hart erarbeiten müssen, während andere diese mit einer Selbstverständlichkeit über Erziehung und Sozialisation internalisieren.

Die Sprache der Autorin ist von einer Zärtlichkeit durchzogen, obgleich die Reflexion oft fast sachlich anmutet.

Etwas schwer zugänglich fand ich die in einander fließenden Wechsel zwischen Gegenwart und Erinnerungen der Autorin. Hier hätte ich mir stilistisch oder vielleicht auch lediglich im Textlayout eine andere Umsetzung gewünscht.

Kalt genug für Schnee ist eine zärtliche Erzählung einer Mutter/Tochter Beziehung, zwischen Aneignung und Abgrenzung, über Herkunft, Prägung, Klassenaufstieg und Habitus. Jessica Au werde ich mir als Autorin auf jeden Fall merken und gespannt auf weitere Werke von ihr blicken.

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Ein tolles Mitmach- und Lesebuch

Ist doch Isy!, Band 2: Von Lampenfieber, leckeren Rezepten und meinem Lieblingssong (Wunderschön gestaltetes Kinderbuch mit einer spannenden Geschichte und vielen DIY-Anleitungen)
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In Ist doch Isy, erzählt die 12-jährige Isy aus ihrem Alltag, der mit den recht typischen, deshalb jedoch nicht weniger unterhaltsamen Herausforderungen in diesem Alter gepflastert ist. Im Mittelpunkt ...

In Ist doch Isy, erzählt die 12-jährige Isy aus ihrem Alltag, der mit den recht typischen, deshalb jedoch nicht weniger unterhaltsamen Herausforderungen in diesem Alter gepflastert ist. Im Mittelpunkt steht ein Schulfest, für das die kreative Isy natürlich direkt gefühlte 1000 Ideen hat. Und ein paar davon teilt sie natürlich nicht nur mit ihren Klassenkamerad:innen, sondern auch gern Schritt für Schritt mit ihren Leser:innen.

Hier liegt für mich auch direkt die eigentliche Stärke des Buchs. Die vielen Bastel- und Koch- bzw. Backanleitungen sind super geeignet, um den Alltag oder auch Feiern mit Ideen zu bereichern und für kurzweilige Bastelzeit- und Backzeit zu sorgen. Batik-Shirt, Wimpelkette, Glücksbringer aus Korken, verschiedene Karten, aber auch leckere Rezepte wie ein Brotaufstrich aus getrockneten Tomaten, Bananenkuchen, Humus oder Erdnusskekse finden sich in der vielfältigen Auswahl des Buchs und sind jeweils in Isys Geschichte integriert.

Die Geschichte als solches ist altersgerecht erzählt, allerdings im recht stereotypen Stil und Inhalt. BFFs, Schulprobleme und die Herausforderungen in der Deutung von Textnachrichten, verlegte Sachen, Aufregung vor Auftritten sind die wenig originellen, jedoch nicht untypischen Herausforderungen in der Altersklasse. Was ich ein bisschen vermisse sind tatsächlich substanziellere Themen, die gerade in der neu heranwachsenden Generation Alpha und der auslaufenden Generation Z, an die sich das Buch altersmäßig adressiert, relevanter werden. Positiv ist in dem Kontext allerdings, dass fast alle DIYs nachhaltig sind und vorhandene Ressourcen schonend weiterverwenden.

Geeignet ist das Buch aus meiner Sicht insgesamt weniger für echte Leseratten, sondern eher als kreatives DIY Buch mit einer kurzweiligen Story drumherum. Die Mischung aus Rezepten und DIYs mit einer Geschichte um Isy ist genau richtig für die oft kurze Aufmerksamkeitsspanne in den frühen und verfrühten Teenagerjahren (ca. 10 bis 13 Jahre) und um Phasen von Langeweile mit produktiven Ideen zu füllen.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Ein einfühlsamer, moderner (Familien-)Roman über Zugehörigkeit in einer komplexen Welt

Weiße Wolken
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Leukonychia punctata - oder auch weiße Wolken. So nennt man die weißen Flecken auf den Fingernägeln. Dachte man lange dies wäre ein Ausdruck von Nährstoffmangel, geht man mittlerweile davon aus, ...

Leukonychia punctata - oder auch weiße Wolken. So nennt man die weißen Flecken auf den Fingernägeln. Dachte man lange dies wäre ein Ausdruck von Nährstoffmangel, geht man mittlerweile davon aus, dass es sich dabei um Mikroverletzungen handelt. Was hat das mit dem Roman zu tun? Erstaunlich viel! Denn auch in weiße Wolken geht es um Verletzungen, Erschütterungen, Einwirkungen, die ein Gesellschaftssystem und andere Menschen auf jede:n Einzelne:n ausüben. Und darum, wie wir dabei uns selbst, unsere Identität bilden und zu wem oder was wir in einer immer komplexeren Welt Zugehörigkeit empfinden. Letztlich ist es die Gesellschaft, auch ihre Zwänge und Machtstrukturen, ebenso wie die Menschen in unserem Umfeld, die uns formen und einwirken auf unser Leben.

Dieses doch sehr abstrakte Konstrukt vermittelt uns Yandé Seck in einem kurzweiligen, jedoch nicht weniger tiefgründigen, modernen Familienroman. Im Mittelpunkt zwei Schwestern, Dieo Mitte 30, angehende Psychoanalytikerin, Mutter von drei Kindern und in einer Beziehung mit Simon. Ihre Schwester Zazie ist Ende 20, Pädagogin, Masterabsolventin mit Job im Jugendbereich und mit einem untrüglichen Radar für jede Nuance einer Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe. Beide sind bei ihrer deutschen Mutter, selbst Psychoanalytikerin aufgewachsen, der Vater stammt ursprünglich aus dem Senegal, ein Freigeist und Nietzschefan, der oft abwesend war.

Die Geschichte wird abwechselnd aus den Perspektiven von Dieo, Zazie und Simon erzählt. Denn alle drei hadern auf ihre Art mit sich selbst, ihrem Lebensweg und ihrer Position in der Gesellschaft.

Etwas schwer auszuhalten war für mich die Blase, in der sich alle Protagonist:innen bewegen. In einem Wort sind alle sehr „woke“, jede:r in seiner:ihrer eigenen Ausprägung.

Es wird sehr viel über Rassismus gesprochen und dabei erstaunlich wenig die eigenen Privilegien der Protagonist:innen aufgrund der sozialen Herkunft, allesamt aus gut situierten westdeutschen Akademikerhaushalten, reflektiert. Der Grad der Sensibilisierung für soziale Ungerechtigkeit manifestiert sich im Roman primär an den Merkmalen Hautfarbe und Geschlecht. Andere, ebenso wichtige gesellschaftliche Distinktionslinien, wie Bildung, Klasse etc. bleiben nahezu vollständig außen vor. Vor dem Hintergrund der intensiven Beschäftigung mit gesellschaftlichen Macht- und Diskriminierungsstrukturen bei den Protagonist:innen, verwundern diese blinden Flecken in der Reflexion.

Wirklich stark finde ich den Roman, wenn es um Zugehörigkeit und Identität geht. Was macht uns aus? Wo gehören wir hin? Welches sind die relevanten Merkmale, die zur Verbundenheit führen? Ist es das Aussehen? Die Herkunft? Die Klasse? Die Kultur? Die Familie? Hier zeigt die Autorin am Beispiel von Dieo und Zazie überraschende Antworten auf, die der komplexen Gegenwart gerecht werden.

Auch ein Hauptsymptom dieser Gegenwart arbeitet die Autorin immer wieder sehr gut heraus. Eine Welt, in der es nicht mehr um Inhalte geht, sondern nur noch um Darstellung. - „Es ging nicht mehr darum die Welt besser zu verstehen, sondern ihr einen Stempel aufzudrücken. Seinen inhaltsleeren, industrial-designten Stempel.“ -

Aber auch die Themen Frausein und Mutterschaft und im Gegenpol, Vaterschaft und (neue) Männlichkeit als eigene Herausforderung werden im Laufe des Roman behandelt, ebenso wie die nicht immer einfachen Beziehungen zu Müttern und Vätern.

Das klingt viel, jedoch wirkt der Roman nie überladen. Wie sich Dieo, Zazie und Simon in dieser Welt zurechtfinden, zweifeln, sich selbst finden, ihren Weg gehen und letztlich auch näher zueinander finden, ist in jedem Fall sehr lesenswert.

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