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Veröffentlicht am 03.02.2024

Irre spannend

Romeos Tod
1

Mona ist gerade aus der Haft entlassen worden, sie hat zehn Jahre eingesessen und nun will sie ihre Kinder – Leo und Lena – wiederfinden. In einem Zug, der nicht abfährt, trifft sie auf Dora. Kurzerhand ...

Mona ist gerade aus der Haft entlassen worden, sie hat zehn Jahre eingesessen und nun will sie ihre Kinder – Leo und Lena – wiederfinden. In einem Zug, der nicht abfährt, trifft sie auf Dora. Kurzerhand beschließen beide, sich ein Auto zu mieten. Mona vermutet ihre Kinder in Italien bei ihrem Ex-Mann, Dora will zu ihrem Sohn Jan, der den Hamlet gibt. Und so beschließt Mona, Dora zu begleiten, bevor es für sie in Richtung Italien weitergeht. Nach der gelungenen Vorstellung treffen Jan und Mona das erste Mal aufeinander, beide sind hin und weg, können von nun an nicht mehr voneinander lassen. „Ich war einmal mit einem italienischen Verbrecher verheiratet.“ Mona bleibt vorerst hier und beginnt, ihre Geschichte zu erzählen…

…und diese Geschichte hat es in sich. Häppchenweise breitet sie ihr Leben vor Jan aus, am Stück wäre dies schwer auszuhalten. Jan hört sich alles an, als sensibler Darsteller spielt er nicht, er lebt seine Rolle mit jeder Faser seines Seins. Er brilliert als Hamlet auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten und dazwischen will er Mona zur Seite stehen, sie bei ihrer Suche unterstützen.

Ich lese diese irre Geschichte und kann nicht glauben, was Mona alles erdulden musste. Ich bin hin- und hergerissen. Frage mich, ob dies alles wirklich so geschehen ist. Sie erzählt von Vincenzo, ihrem Ex-Mann und ihrer gemeinsamen Zeit, von ihrer Tat, die sie letztendlich ins Gefängnis brachte und blickt zurück auf ihre eigene Kindheit und ihre Mutter, bis es dann endlich weiter Richtung Italien geht, sie sich auf die Suche nach Vincenzo und den Kindern macht. Dabei wird sie nicht nur von Jan, sondern auch von seiner Mutter Dora unterstützt.

Es ist auch Jans Geschichte. Jan Jespik, der begnadete Theaterschauspieler, der sich als Genie sieht, stets dem Wahnsinn nahe. Ihn kann ich mir in seiner Genialität gut vorstellen, es soll sie ja wirklich geben, diese irren Typen.

Unterschwellig habe ich immer das Gefühl, dass an Monas Geschichte etwas nicht stimmt. Oder doch? Werde ich bewusst in die Irre geführt? Wobei dieses Irre, dieses Wahrhafte, in mehrfacher Hinsicht hier seine Daseinsberechtigung hat. Es sind schon irre Typen, Nähe zu ihnen will sich nicht einstellen und doch treibt es mich Seite um Seite weiter. Es ist ein irre spannendes Buch, wendungsreich und faszinierend, das mit einem Paukenschlag endet. Ein Wahnsinnsbuch, das gelesen werden will.

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Veröffentlicht am 01.02.2024

Perfekter Reihenabschluss

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4)
1

Die Kinderklinik Weißensee schließt mit diesem finalen vierten Band „Geteilte Träume“ seine Pforten. Alles begann 1911, an Marlenes sechstem Geburtstag. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester, isst Marlene ...

Die Kinderklinik Weißensee schließt mit diesem finalen vierten Band „Geteilte Träume“ seine Pforten. Alles begann 1911, an Marlenes sechstem Geburtstag. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester, isst Marlene ganz viel Streuselkuchen, als Mama sich zusammenkrümmt und stirbt. Seitdem ist viel geschehen, beide haben ihre Ausbildung in der Kinderklinik Weißensee gemacht und sind dieser treu geblieben – Marlene als spätere Ärztin und Emma als Pflegeleiterin.

Band vier ist in der Nachkriegszeit angesiedelt. Ost und West driften auseinander, die politischen Verhältnisse richten auch innerhalb der Familien viel Schaden an. Berlin in den Jahren 1948/49 war die dieser Zeit in vier Sektoren geteilt. Die Kinderklinik Weißensee liegt in der sowjetischen Besatzungszone, Lissi und Emma leben hier, im Osten. Marlene und Max, der adeliger Abstammung ist und schon allein deshalb als Staatsfeind angesehen wird, müssen kurzerhand in den Westen fliehen. Nicht nur dadurch wird die Familie zerrissen, auch spielen konträre politische und gesellschaftliche Ansichten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

In der Kinderklinik sorgt neben der täglichen Arbeit der Ausbruch der Kinderlähmung für viel Sorgen und Leid. Mittendrin ist Lissi, Emmas Tochter und junge Assistenzärztin. Die Klinik wird mittlerweile von einem strammen Genossen geleitet, der Lissi nicht gerade wohlwollend gegenübersteht. Als dann der erste Verdacht einer Kinderlähmung aufkommt, sieht sich Lissi mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Auch sie musste gegen diese Krankheit ankämpfen, ihr kürzeres Bein erinnern sie an ihre Leidensgeschichte. Bei dem einen Verdachtsfall bleibt es nicht, immer mehr Kinder sind mit dem Poliovirus infiziert.

Der dritte Band dieser Reihe liegt schon eine ganze Weile zurück, ich habe mich aber schnell wieder akklimatisiert, habe mich in Weißensee mitsamt dem Klinikalltag bald wieder heimisch gefühlt. Lissi tritt ihre Stelle als Assistenzärztin an, jedoch kommt es anders als erwartet. Sie hat nicht nur mit Selbstzweifeln zu kämpfen, auch liegen Lügen und Intrigen, Liebe und Verrat, aber auch Freundschaft und unbedingter Zusammenhalt dicht beieinander. In diesen Nachkriegsjahren mangelt es an allen Ecken und Enden, selbst die in die Jahre gekommene Klinik ist marode.

Antonia Blum vermittelt diese Jahre sehr anschaulich, die über vier Bände lieb gewordenen Figuren haben die Jahrzehnte nicht unbeschadet überstanden, sie haben sich weiterentwickelt, sie haben gelebt, miteinander gelacht, sich zerstritten und versöhnt, mussten viel Leid ertragen und drohten daran zu zerbrechen. Sie agierten lebensnah, waren authentisch und so manches Mal auch unerbittlich. Und nun heißt es Abschied nehmen von ihnen allen, ich wünsche ihnen alles erdenklich Gute.

Die Geschichte einer Klinik vor dem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund über ein halbes Jahrhundert mit den einhergehenden Epidemien ist auserzählt, es war ein kurzweiliges Leseerlebnis, das ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 30.01.2024

Witzig, spritzig, ungewöhnlich

Das Mörderarchiv
1

„Willkommen in Castle Knoll, dem Dorf mit dem einzigen Mörderarchiv der Welt!“

Was soll das denn sein? Ein Mörderarchiv? Frances Adams hat es angelegt und ihr Leben lang erweitert, nachdem ihr eine Wahrsagerin ...

„Willkommen in Castle Knoll, dem Dorf mit dem einzigen Mörderarchiv der Welt!“

Was soll das denn sein? Ein Mörderarchiv? Frances Adams hat es angelegt und ihr Leben lang erweitert, nachdem ihr eine Wahrsagerin vor langer Zeit einen gewaltsamen Tod prophezeit hat. Und nicht genug damit, ihr Testament besagt, dass diejenige Person, die den Mord an ihr aufklärt, ihr alleiniger Erbe sein wird. Annie und Saxon, ihre Großnichte und ihr Stiefsohn, sind dafür benannt und nun gilt es, gegeneinander anzutreten. Ein beachtlicher Besitz winkt den beiden, aber nur einer wird Castle Knoll erben.

Vielleicht ist Annie ein klein wenig im Vorteil, da sie als angehende Krimiautorin so einiges wahrnimmt, was zunächst nicht verdächtig erscheinen mag. Andererseits ist Saxon als Rechtsmediziner schon von Berufs wegen prädestiniert, genauer hinzuschauen.

Im Gegensatz zu Saxon hat Annie Tante Frances nie kennengelernt und ist allein schon deswegen überrascht, dass sie eine dieser möglichen Erben sein wird. Ist es ein Glücksfall, dass Annie Francis durchaus brisante Aufzeichnungen findet? Jedenfalls teilt sie diesen Fund nicht mit Saxon, wer weiß, wie wertvoll die hier enthaltenen Notizen noch sein mögen.

Anne Düe hat mir als exzellente Hörbuchsprecherin dieses Mörderarchiv mitsamt der Mördersuche gut vermittelt, die Stimmungen und die einzelnen Charaktere sind sprachlich klar und gut dargeboten. Es waren unterhaltsame 10 Stunden und 6 Minuten, das ungekürzte Hör…

…Buch hat etliches ans Tageslicht befördert, was so gar nicht vorhersehbar war. Die locker-leichte Krimi-Komödie bietet so einiges an Überraschungen, Kristen Perrin hat den hierfür richtigen Ton getroffen. Es ist ein Konglomerat aus zuweilen schrulligen Charakteren, einer doch sehr ungewöhnlichen und vor allem einer weitgehend verborgenen Vergangenheit und einer Mördersuche geworden, die alles ist, nur nicht alltäglich. Gute Unterhaltung garantiert!

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Unbedingte Freundschaft in schrecklichen Zeiten

Sturmmädchen
1

Es ist ein herrlicher Frühlingstag, ein Sonntag im Mai des Jahres 1933 - die drei Freundinnen Elli, Margot und Käthe verbringen unbeschwerte Stunden am Perlenbach. Bald jedoch ist es vorbei mit ihren sorglosen ...

Es ist ein herrlicher Frühlingstag, ein Sonntag im Mai des Jahres 1933 - die drei Freundinnen Elli, Margot und Käthe verbringen unbeschwerte Stunden am Perlenbach. Bald jedoch ist es vorbei mit ihren sorglosen Tagen, die Nationalsozialisten bekommen immer mehr Zulauf. Für Margot und ihrer jüdischen Familie wird es zunehmend gefährlicher, auch wird Elli durch ihre Gehbehinderung kritisch beäugt und Käthe schließt sich den Braunhemden an, die einstige Mädchenfreundschaft droht zu zerbrechen.

Mit „Sturmmädchen“ führt Lilly Bernstein dann ins Jahr 1938, direkt hinein in eine Zeit, die wir hoffentlich nie wieder erleben müssen. Margot entstammt einer wohlhabenden Familie. Ihr einziges „Vergehen“ ist ihr Glaube. Die Juden müssen ausgerottet werden, wir wissen es alle und doch wissen wir viel zu wenig. Direkt aus den Judenhäusern wurden sie weiter in die Vernichtungslager deportiert, die Autorin gibt Einblicke in menschenverachtende Foltermethoden. Auch wenn im Buch alle Personen und Geschehnisse fiktiv sind, so beruht dieser gut recherchierte, im deutsch-belgischen Grenzgebiet angesiedelte Roman, doch auf wahren Begebenheiten.

Ellis Mutter Alma ist als Hebamme viel unterwegs, sie kennt hier alle Pfade, auch die uralten Schmugglerwege sind ihr wohl vertraut. Sie ist eine zupackende Frau, die vieles durchschaut, auch hält sie ihre beschützende Hand stets über ihre Tochter, deren rechtes Bein durch einen unglücklichen Sturz nicht gut mitwächst. So ist sie das Hinkemädchen, immer eine wenig abseits stehend, was sie aber nicht daran hindert, anderen zu helfen. Und Margot braucht ihre Unterstützung in Zeiten höchster Not, denn Käthe hat sich abgesondert, sie hat sich der NS-Frauenschaft angeschlossen. Auch hier, in diesen Reihen, spürt man nur zu deutlich, was aus einer Dorfgemeinschaft wird, welch Feindseligkeit den Andersdenkenden entgegengebracht wird, ganz zu schweigen vom Hass gegen das Judenpack. Neben den Verbrechen der strammen Nationalsozialisten und deren Mitläufern gibt es auch die anderen, die trotz aller Gefahren für ihr eigenes Leben ganz einfach helfen.

Die Autorin spart nichts aus, sie zeigt einmal mehr deutlich auf, was aus einst friedlich zusammenlebenden Nachbarn und Freunden wird, wie schnell sich so mancher aufstacheln lässt. Obwohl ich schon vieles über diese Zeit gelesen habe, so habe ich hier von Foltermethoden erfahren, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ihre Protagonisten – ob gut oder böse gesinnt – sind lebendig und gut nachvollziehbar gezeichnet. Durch ihren so einnehmenden Schreibstil mochte ich das Buch gar nicht weglegen, ich musste einfach wissen, wie es Margot mitsamt ihrer Familie ergehen wird. Wie Elli, die ich sosehr ins Herz geschlossen habe, mit all dem zurechtkommen mag und auch, was Käthe zu ihrem Handeln letztendlich getrieben hat.

„Sturmmädchen“ erzählt von einer schrecklichen Zeit, geprägt von Menschenverachtung schlimmsten Ausmaßes, aber auch von unbedingter Freundschaft, von Liebe, voller Wärme und nie verlorener Mitmenschlichkeit. Es ist ein Buch, das ich nicht missen möchte, ein Buch, das lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 24.01.2024

Chani und die Welt der orthodoxen Juden

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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„Die Hoffnung der Chani Kaufman“ ist der Nachfolgeband der „Hochzeit der Chani Kaufman“. Die 19jährige Chani hat den angehenden Rabbiner Baruch Levy geheiratet und nun leben die zwei glücklich miteinander, ...

„Die Hoffnung der Chani Kaufman“ ist der Nachfolgeband der „Hochzeit der Chani Kaufman“. Die 19jährige Chani hat den angehenden Rabbiner Baruch Levy geheiratet und nun leben die zwei glücklich miteinander, denn Chani hat den Mann geheiratet, den sie auch wirklich liebt. Was beileibe nicht selbstverständlich ist, denn sie leben nach den Regeln des orthodoxen Judentums. Eine Ehe wird arrangiert, danach hat ein junges Ehepaar Kinder in die Welt zu setzen. Bei Chani und Baruch mag letzteres nicht klappen. Vor allem die Schwiegermutter sieht in Chani die Schuldige, sie schickt sie in eine Fruchtbarkeitsklinik und sucht im Verborgenen schon nach einer neuen Schwiegertochter.

Auch Rivka war eine religiöse Jüdin, sie ist mit Chaim verheiratet. Nachdem sie es nicht mehr aushält, verlässt sie ihren Mann. Ein folgenschwerer Schritt, denn die drei gemeinsamen Kinder bleiben bei ihrem Vater, der Kontakt bricht folgedessen ab. Lediglich mit Avromi, ihrem Ältesten, der in Jerusalem lebt, telefoniert sie ab und zu, ihre Tochter Michal lehnt die Mutter und ihr nichtjüdisches Leben von Grund auf ab und Michal ist es auch, die jeglichen Kontakt zu Moishe, dem Jüngsten, zur Mutter verhindert.

Die Erzählung spielt hauptsächlich in einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde in London. Eve Harris gibt tiefe Einblicke in diese für Frauen viel zu beengten Welt. Den Gesetzen der Tora – von Männern vorgegeben – haben sie sich zu unterwerfen. Die daraus folgenden Probleme für Chani und Rivka, deren Lebenswege sich voneinander doch sehr unterscheiden, haben letztendlich doch einen gemeinsamen Kern - beide sind der Intoleranz der jüdischen Gemeinschaft ausgesetzt.

Mit den Gegebenheiten dieser Religion bin ich so gar nicht vertraut und doch ist es der Autorin gelungen, dass ich in diese für mich so fremde Welt eintauchen konnte. Dabei hat sie mich sofort abgeholt, die Beschreibungen sowohl der religiösen Seite als auch die Charakterisierung der Figuren waren ein so kurzweiliger wie unterhaltsamer Einblick in eine strenge Gemeinschaft, bestehend aus Ritualen, Zwängen und festen Vorgaben. Und ganz zum Schluss bietet das Glossar den nötigen Durchblick durch all die Begrifflichkeiten. Kurz: Ein wunderbares, ein sehr lesenswertes Buch.

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