Herausragende Kurzgeschichten über Rassismus
NachbarnDiane Olivers (1943-1966) vierzehn Kurzgeschichten fühlen sich wie ganze Geschichten an, die viel Größer sind, als ihr kurzer Umfang es vermuten lässt. Sie porträtiert literarisch bemerkenswert und mit ...
Diane Olivers (1943-1966) vierzehn Kurzgeschichten fühlen sich wie ganze Geschichten an, die viel Größer sind, als ihr kurzer Umfang es vermuten lässt. Sie porträtiert literarisch bemerkenswert und mit feiner Beobachtungsgabe die 50er und 60er Jahre in Amerika, geprägt von Rassismus und Ausgrenzung, erschreckend realistisch und bedrückend aktuell. Es ist ein großes Geschenk, dass die Autorin nun die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient, nachdem sie viel zu früh verstorben ist.
Die erste und titelgebende Kurzgeschichte "Nachbarn" erzählt aus der Perspektive der großen Schwester, wie die Familie damit umgeht, dass der Jüngste, als einziges schwarzes Kind auf eine Schule für Weiße geht. Dieser dialogreiche Kurztext veranschaulicht den persönlichen Umgang mit Rassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung auf sozialer Ebene und zeigt eine Dimension von vielen in diesem Buch, die mit Ungewissheit, Angst und Verzweiflung einhergehen.
Dieses Buch hat die Kraft die eigene Weltsicht zu erschüttern. Ich lese sehr gern Kurzgeschichten, aber "Nachbarn" kann man auch lesen, wenn man Kurzgeschichten sonst meidet. Man fühlt sich schnell ein und erlebt eine Wandelbarkeit der Texte in Wort und Schrift, die beeindruckt. Die Figuren sind vielschichtig und werden sehr einfühlsam gezeichnet.
Wie geht man mit so viel Hass, Anfeindung und Ablehnung um und was macht das mit einem? Das zeigt u.a. Winifred, die in "Die Kammer im ersten Stock“ als einzige Schwarze an der Uni Rassismus erfährt und gesundheitlich darunter leidet. Dahinter steht eine persönliche und politische Frage, die nachdenklich macht. Absolute Leseempfehlung für diese Kurzgeschichten-Sammlung.