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Veröffentlicht am 02.02.2024

Hinkemädchen

Sturmmädchen
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In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem ...

In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem Vater und ihren Brüdern aufwächst, fühlt sich zum Frauenbund der Nationalsozialisten hingezogen, Margot gerät alsbald in den Strom der Judenverfolgung und auch Elli steht aufgrund ihrer Gehbehinderung auf der Beobachtungsliste der Nazis. Das Hinkemädchen, wie Elli hinter vorgehaltener Hand genannt wird, sieht es als ihre Pflicht, Margot und ihrer jüdischen Familie zu helfen, ebenso, wie das Handwerk der Hebamme und der Heilkräuterkunde von ihrer Mutter Alma zu erlernen. Die Gefahren, jüdischen Verfolgten zu helfen, werden jedoch von Tag zu Tag größer, selbst die frühere Freundin Käthe steht nun aufseiten des Feindes.

Aus dem Blickwinkel Ellis schildert Lilly Bernstein eine erschütternde Zeit, sorgfältige Recherchen in der Natur der Eifel und in entsprechenden Archiven lassen die Jahre 1938 – 1940 lebendig werden mit all ihren Grausamkeiten einerseits und großer Hoffnung andererseits. Behutsam wählt sie ihre Worte, um den wahren Begebenheiten gerecht zu werden, welche diesen fiktiven Roman leider auf ein sehr realistisches Fundament stellen - im interessanten Nachwort erfährt der Leser ein wenig mehr darüber. Sehr eindrücklich erzählt Bernstein, wie bislang gern gesehene Dorfbewohner plötzlich geschnitten werden, wie nach dem Dominoprinzip mitgegrölt wird bei Judenbeschimpfungen, wie sich immer mehr Menschen abwenden und nicht mehr beim „Judenpack“ einkaufen, obwohl sie das jahrelang zur höchsten Zufriedenheit getan haben. Von schlimmen Details über die „Aufbewahrung“ in Judenhäusern ist hier zu lesen, wobei man sich das wahre Ausmaß der tatsächlichen Zustände wohl kaum wirklich ausmalen kann. Aber auch über innige Freundschaft und Standhaftigkeit dürfen wir mehr erfahren, obwohl Misstrauen und Argwohn stets zunehmen, schließlich darf man in diesen Tagen niemandem vertrauen.

Spannende Schicksale, aufregende Wendungen und berührende Szenen lassen den Leser Kapitel um Kapitel verschlingen, ich habe das Buch mehr oder weniger in einem Schwung gelesen und spüre meine Emotionen noch Achterbahn fahren. Schön, dass es dieses traurige und zugleich aber auch hoffnungsvolle Buch gibt, sodass diese Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Schicksalsjahre nach dem Krieg

Die Straße des Glücks
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Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als ...

Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als Katharina kaum noch Hoffnung auf ein Wiedersehen hat, kehrt Frank unversehrt zurück und ehelicht seine Verlobte. Katharinas Glück weicht jedoch recht schnell einer inneren Leere, denn als verheiratete Frau vermisst sie ihren Beruf als Schneiderin und Modezeichnerin, Heim und Garten erfüllen sie nicht wie erhofft.

Schon der Prolog dieses wunderbaren Buches eröffnet dem Leser den flüssigen und sehr angenehm zu lesenden Schreibstil von Bettina Pecha – melodisch und bildreich erschafft sie lebendige Szenen und wirft eine Reihe an Fragen auf. Der gelungenen Eröffnung folgt eine berührende Geschichte, die in ihrer Chronologie immer wieder Rückblenden enthält auf Ausschnitte während des Krieges, auch wenn sich der überwiegende Handlungsverlauf in den Jahren des Wirtschaftswunders abspielt. Insbesondere die rechtliche Situation einer verheirateten Frau zur damaligen Zeit lässt uns heute die Haare zu Berge stehen, war deren Berufstätigkeit doch an das Einverständnis des Ehemannes gebunden, ebenso wie das Erlangen eines Führerscheins. Die gesellschaftlichen Konventionen sahen die Mutter am Herd vor, die hübsch gekleidete Gattin als Aufputz an der Seite ihres Mannes. Unzufrieden mit dieser Konstellation, zeigt Katharina Mut und Stärke, aber ob das für entscheidende Veränderungen reicht?

Gut recherchierte politische Hintergrundinformationen und Gespräche mit Zeitzeugen lassen dieses Buch zu einem wahren Lesevergnügen werden. Sämtliche Personen sind überaus authentisch gezeichnet und vermitteln ein recht realistisches Gefühl für die damalige Lebensweise. Nicht zuletzt spürt man die Lebendigkeit in der Geschichte durch Aenne Burda oder Konrad Adenauer. Pecha gelingt es mühelos, ihre Leser in die 1950er-Jahre zurückzuversetzen, in eine Zeit, die sich so stark von heute unterscheidet und einer verheirateten Frau so viel an Einschränkung aufbürdet. Ich finde diesen Roman ausgesprochen empfehlenswert und bin gespannt, wie es mit Katharina im folgenden Buch weitergeht.

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Veröffentlicht am 25.01.2024

Kupfer für Augsburgs Brunnen

Die Tochter des Lechflößers
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Als Lechflößer Hans Biechler Kupfer und Zinn den Lechfluss entlag nach Augsburg triften soll, ist nicht nur seine Tochter Ann-Kathrin, kurz Annka, mit von der Partie, sondern auch ein fremder Geselle, ...

Als Lechflößer Hans Biechler Kupfer und Zinn den Lechfluss entlag nach Augsburg triften soll, ist nicht nur seine Tochter Ann-Kathrin, kurz Annka, mit von der Partie, sondern auch ein fremder Geselle, der noch schnell vor der Abfahrt um Mitnahme bittet und auf eines der Flöße aufspringt. Die Metalle für das Dach der Fugger sollen jedoch nicht wie vereinbart ankommen. Nach etlichen Schwierigkeiten am Wasser wird Biechler in Augsburg in den Schuldturm gesteckt, weil er angeblich das wertvolle Kupfer für den Brunnenbau der Stadt verkauft hätte. Für Annka beginnen Tage voller Sorge um den Vater, den sie um (fast) jeden Preis wieder befreien will.

Beeindruckende Schilderungen und detailgetreue Einzelheiten über die anstrengende Tätigkeit der Flößer fesseln den Leser von Anbeginn dieses wunderbaren Romans. Lebendig und bestens vorstellbar werden Szenen aus dem Alltag der Männer dargestellt, Biechlers Tochter ist aber mindestens ebenso geschickt im Umgang mit reißendem Wasser und so manchem „Höllenritt“ wie die Alten. Später erzählt Autor Peter Dempf genauso ausführlich und sorgfältig recherchiert vom Gießverfahren für Bronze- und Messingfiguren. Eingebettet in einige historische Tatsachen rund um 1593 entwirft er eine fiktive Handlung, welche ebenso fesselnd wie flüssig zu lesen ist. Die Fahrt hält einige Aufregung für Annka bereit, wem sie nach der Verhaftung ihres Vaters noch vertrauen kann, ist ihr lange Zeit unklar. So darf man die mutige Frau begleiten und mit ihr zittern, welches Ende die Geschichte wohl nehmen wird.

Logische Abläufe und bestens beschriebene, nicht immer gleich durchschaubare Charaktere sorgen für spannende Lesestunden, gewissenhafte Recherche und die Details zur historischen Stadt Augsburg stellen diesen Roman auf ein optimales Fundament. Mich hat dieses Buch ausgezeichnet unterhalten, weshalb ich es gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Roza in Gefahr

Grenzfall – In den Tiefen der Schuld
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Diesmal ist es Kollegin Roza Szabo, welche in Gefahr gerät und von Chefinspektor Bernhard Krammer gesucht wird. Ihre Spur führt von Innsbruck an den bayrischen Walchensee, wodurch auch Oberkommissarin ...

Diesmal ist es Kollegin Roza Szabo, welche in Gefahr gerät und von Chefinspektor Bernhard Krammer gesucht wird. Ihre Spur führt von Innsbruck an den bayrischen Walchensee, wodurch auch Oberkommissarin Alexa Jahn ins Spiel kommt.

Der bereits vierte Grenzfall schließt nahtlos an seinen Vorgänger an und auch wenn hier einige frühere Informationen zwecks Verständnis wiederholt werden, so empfehle ich doch das Lesen dieser Reihe von Beginn an. Anna Schneider steigert in diesem Band das Tempo, insbesondere die kursiv abgedruckten Gedanken einer anfangs unbekannten Person gehen unter die Haut. In einem gekonnten Mix aus Spannung und privatem Hin und Her zwischen Vater und Tochter unter den Ermittlern entsteht ein Sog, dem man sich kaum mehr entziehen kann. Scheint es anfangs nur um Roza zu gehen, so kommen im Laufe der Tage immer weitere Erkenntnisse hinzu, welche sogar über das Burgenland bis hin nach Ungarn weisen. Mit welch verzwickter Sache haben es Bernhard und Alexa diesmal zu tun?

Für den Leser jedenfalls bedeutet Band Numero Vier packende Lesestunden mit einem kniffligen und komplizierten Fall. Schön ist es immer wieder, bereits bekannten Figuren über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie unterschiedlich Alexa und ihr Vater an gewisse Fragestellungen herangehen und wie ähnlich sie einander dennoch sind. Obgleich der Zufall den Ermittlern in die Karten spielt, hat mich dieser Teil der Reihe „Grenzfall“ vollkommen überzeugt, ich freue mich bereits auf die Fortsetzung!

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Veröffentlicht am 20.01.2024

Fall Numero Eins

Retour
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Luc Verlain lebt als angesehener Commissaire in Paris, genießt seinen Ruf, gutes Essen, sein flottes Auto und nicht zuletzt die Frauen. Als sein Vater schwer erkrankt, lässt er sich zurück nach Bordeaux ...

Luc Verlain lebt als angesehener Commissaire in Paris, genießt seinen Ruf, gutes Essen, sein flottes Auto und nicht zuletzt die Frauen. Als sein Vater schwer erkrankt, lässt er sich zurück nach Bordeaux versetzen, seine Heimat am Atlantik. Aber statt dem erwarteten ruhigen Dienst bekommt er es dort sofort mit dem Mord an einem jungen Mädchen zu tun.

In leuchtenden Farben schildert Autor Alexander Oetker die Region Aquitaine, den rauen Atlantik, die beeindruckende Wanderdüne Dune du Pilat und den endlosen Seekiefernwald. Schnell verliert man sich zwischen den Seiten, die Lebensart im beschaulichen Dorf Lacanau-Océan ist nicht minder spannend als der Mordfall selber. Es braucht einige Reibereien, bis Luc seinen verdienten Platz im Team einnimmt, dass Kollegin Anouk heftig mit dem Neuen flirtet, ist auch keinen Moment lang zu übersehen. So entsteht aus einer hervorragenden Kulisse, durchaus eigenwilligen Figuren und einem logischen Ermittlungsfall ein wunderbarer Krimi, der den ersten Fall dieser bislang siebenteiligen Krimireihe darstellt.

Egal, ob in der passenden Reihenfolge, oder ein wenig durcheinander, Luc Verlain ist ein lebendiger Charakter, der für beste Unterhaltung sorgt und sich im Laufe der Zeit auch ganz ordentlich weiterentwickelt. Ich empfehle diese Serie jedenfalls sehr gerne weiter.