Platzhalter für Profilbild

Madamebiscuit15

Lesejury Profi
offline

Madamebiscuit15 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Madamebiscuit15 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2024

Kluge, erschütternde und lesenswerte Kurzgeschichten

Nachbarn
0

Es ist ein Band mit Kurzgeschichten, wobei die Autorin bereits mit 22 Jahren verstorbenen ist. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie nur vier dieser Storys, in einer Zeit, in der das für eine PoC nicht selbstverständlich ...

Es ist ein Band mit Kurzgeschichten, wobei die Autorin bereits mit 22 Jahren verstorbenen ist. Zu Lebzeiten veröffentlichte sie nur vier dieser Storys, in einer Zeit, in der das für eine PoC nicht selbstverständlich war. Denn ihr Tod liegt bereits fast 60 Jahre zurück, zu einer Zeit in der die Rassentrennung in USA immer noch zur Tagesordnung gehörte.

Nicht alle ihrer Geschichten befassen sich dabei vordergründig mit diesem Thema, wie „Vor der Dämmerung“, in der es um einen Restaurantbesuch junger Aktivist*innen geht. Aber im Kontext ist die Hautfarbe ihrer Figuren immer präsent. Die Autorin schreibt über Alltagssituationen:                
Ein Arztbesuch mit den Kindern,
ein Schüleraustausch in die Schweiz,
das erste Semester an der Universität,
oder über völlig überarbeitete, alleinerziehende Mütter und ihre Kinder

Dabei ist ihr Schreibstil klar und unaufgeregt. Durch ihre lakonische Schilderung der Situationen hält sie der Gesellschaft einen Spiegel vor und benötigt keine wörtliche Anklage um auf die herrschenden Missstände aufmerksam zu machen.

Viele der Geschichten haben mich sehr betroffen gemacht. Es ist beschämend, wie wir Menschen miteinander umgingen und es, leider, immer noch tun. Ein, zwei ließen mich geschockt zurück und wirklich keine einzige war dabei, mit der ich gar nichts anfangen konnte.

Literarisch ist diese Entdeckung ein ganz großer Gewinn und der frühe Tod von Diane Oliver ein großer Verlust. Ihre Geschichten sind mutig, ehrlich und ungeschönt. Sie zeigen einmal mehr, dass wir im Inneren alle gleich sind, mit denselben Nöten, Herausforderungen, Wünschen und Träumen, egal wie unsere Hülle aussieht. Aber wie viel schwerer vielen das Leben durch ihre Außenhaut gemacht wird.

Lest diesen Band und entdeckt diese großartige Stimme der Literatur.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.03.2024

Gelungener und tiefgehender Roman über Schwestern und Liebe

Hallo, du Schöne
0

Willkommen bei den Padavanos. Eine Familie, in der vor allem die vier Schwestern unzertrennlich erscheinen. Sie wirken wie ein vierblättriges Kleeblatt, jede individuell, aber nur zusammen sind sie wirklich ...

Willkommen bei den Padavanos. Eine Familie, in der vor allem die vier Schwestern unzertrennlich erscheinen. Sie wirken wie ein vierblättriges Kleeblatt, jede individuell, aber nur zusammen sind sie wirklich komplett. In diese Verbindung wird William Waters aufgenommen, als er Julia an der Universität kennenlernt und die beiden ein Paar werden. Dabei erfährt er das erste Mal in seinem Leben, was es heißt zu einer Familie dazuzugehören und angenommen zu werden.
 
Wer jetzt vermutet, dass dieser Familienroman sehr watteweich und kuschelig ist und wir bereits beim Happy End angekommen sind, wird eines Besseren belehrt.
Ann Napolitano hat hier einen gefühlvollen und tiefgehenden Roman über Geschwisterliebe, Familie und Beziehungen geschrieben. Sie zeigt ehrlich auf, dass selbst das stärkste Band zerreißen kann, wenn eine von beiden Parteien sich abwendet.
Die vier Schwestern sind dabei sehr unterschiedlich in ihren Verhaltensweisen und Charakteren, was die Autorin durch die wechselnde Erzählperspektiven noch anschaulicher verdeutlicht. Ihre Eltern sind im Roman schnell nur noch Randfiguren innerhalb der Handlung. Ihr Einfluss auf die Frauen allerdings ist tiefgreifend und durchgehend spürbar. Dass gerade der Vater so einen positiven und prägenden Einfluss auf seine Töchter hat, gefiel mir sehr gut. Denn häufig wird mehr die Mutter-Tochter-Beziehung analysiert.
 
Auch das Thema Depression beleuchtet Ann Napolitano sehr sensibel und nachvollziehbar, was ich als große Stärke dieses Romans empfunden habe. Sie stellt sowohl die Sicht der betroffenen Person dar, als auch die Auswirkungen für die Menschen im engen Umfeld.

Sprachlich hat mich diese Geschichte sehr für sich eingenommen. Die Autorin schreibt sehr feinfühlig und menschlich über ihre Protagonist*innen. So ist es für mich nicht überraschend, dass mir nicht alle Personen sympathisch waren, ich mit anderen aber sehr mitgefühlt habe. Immer wieder offenbarten sich mir fast poetische oder philosophische Satzperlen, die ich mehrmals gelesen habe.
 
„Es ist interessant, dich neu kennenzulernen, nachdem ich schon so lange Teil deines Lebens bin.“ S. 274
 
Wenn Ihr Lust auf einen unsentimentalen, aber berührenden Familienroman habt, der ehrlich Zerwürfnisse zwischen Menschen beschreibt, aber doch hoffnungsvoll bleibt, dann kann ich ihn Euch wirklich nur empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2024

Eine Geschichte über Elefanten und Mutterliebe

Die Spuren meiner Mutter
0

„Die Hoffnung ist ein Luftballon, immer nur einen Atemzug davon entfernt zu platzen.“ S. 395
Mein zweites Buch der Autorin und wieder hat sie mich mitgenommen in eine andere Welt. Sie kann unheimlich bewegende ...

„Die Hoffnung ist ein Luftballon, immer nur einen Atemzug davon entfernt zu platzen.“ S. 395
Mein zweites Buch der Autorin und wieder hat sie mich mitgenommen in eine andere Welt. Sie kann unheimlich bewegende und spannende Geschichten erzählen, die dabei noch richtig gut recherchiert sind. Das mag ich sehr bei ihr.
Dieses Mal geht es um die dreizehnjährige Jenna, die versucht ihre Mutter wiederzufinden, die vor 10 Jahren, nach einem tragischen Vorfall spurlos verschwand. Hilfe holt sie sich dabei von Privatdetektiv Virgil, ein erfolgloser, gegen seine Dämonen und Alkohol kämpfender, Privatdetektiv und dem Medium Serenity. Diese hat vor Jahren ihre Fähigkeit verloren und lügt somit ihren Kund:innen seitdem etwas vor. Jenna selbst ist absolut stur und unerschrocken, gleichzeitig unheimlich liebenswert.
Die Geschichte selbst wird abwechselnd aus einer der drei Perspektiven erzählt, womit es mir leichtfiel, mich in die Charaktere hineinzuversetzen. Zusätzlich werden immer wieder die Tagebucheinträge von Jennas Mutter Alice eingestreut, womit wir Lesenden erfahren, was vor ihrem Verschwinden wirklich passiert ist. Die Handlung entwickelt sich mit jedem Perspektivwechsel weiter und es werden immer mehr Zusammenhänge klar. Dabei baute sich für mich ein unerwarteter Spannungsbogen auf, so dass ich das Buch nur noch schwer aus der Hand legen konnte. Es gab immer wieder Wendungen mit denen ich nicht gerechnet hatte und so war ich fleißig am Vermutungen anstellen und musste gegen Ende feststellen, dass ich mit diesem Ergebnis nicht gerechnet hätte.
Froh war ich, dass der Roman nicht zu übersinnlich wurde, da hatte ich zu Beginn etwas Sorge.
Ein besonderer Gewinn für mich waren die Tagebuch-Kapitel, da es hier vor allem auch um die Erkenntnisse der Elefantenforscherin Alice ging. Jodi Picoult bringt uns dabei diese faszinierenden Tiere auf eine so berührende Weise nahe, dass ich mich mit einem großen Gefühl der Demut gegenüber den Elefanten zurückließ.
Jodi Picoult ist hier ein packender Roman gelungen, der das Thema Mutterliebe gekonnt in die Handlung mit einflicht und mir tolle Lesestunden beschert hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.02.2024

Frau-Sein und Familie in der heutigen Gesellschaft

Weiße Wolken
0

Mich hat die Geschicht sofort in die Welt der drei Protagonist*innen mitgenommen. Es geht um Dieo und Zazie, Töchter einer exzentrischen deutschen Mutter und eines philosophisch-denkenden senegalesischen ...

Mich hat die Geschicht sofort in die Welt der drei Protagonist*innen mitgenommen. Es geht um Dieo und Zazie, Töchter einer exzentrischen deutschen Mutter und eines philosophisch-denkenden senegalesischen Vaters. Die beiden Schwestern verkörpern dabei zwei gegensätzliche Positionen, wie sie sich und ihr Leben innerhalb unserer Gesellschaft sehen.
Dieo, als berufstätige Mutter und Ehefrau, hadert maßgeblich mit den klassischen Rollenerwartungen einer Frau gegenüber.
Ihre jüngere Schwester fokusiert sich auf den Kampf gegen den herrschenden Alltagsrassismus und die damit verbundenen Stereotypen.
Simon, Dieos Ehemann, ist ein sehr sympathischer Charakter und wunderbar emanzipiert. Was nicht heißt, dass es keine Schwierigkeiten innerhalb der Ehe gibt oder Simon den "perfekten Mann" verkörpert. Sondern es ist einfach ein realistisches Beispiel einer modernen Familie.

Die Autorin hat einen anspruchsvollen, aber gut lesbaren Schreibstil und einen treffsicheren Blick auf unsere Gesellschaft, allen voran hier auf das Bildungsbürgertum. Gerade deshalb hat mir der Roman sehr viel Spaß gemacht und mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

"Ja, Simon, du bist sozusagen intersektioal von sozialisatorisch bedingter Zerbrechlichkeit betroffen." S. 231

Gleichzeitig mochte ich die liebevolle Art, ihre Figuren zu beschreiben. Sie zeigt sie verletztlich und ungeschminkt, skizziert ein ehrliches Familienbild in den verschiedensten Facetten und auch die Liebe zwischen diesen Menschen bleibt immer spürbar.

Es ist eine Geschichte, die mich am Ende mit einem warmen Gefühl für diese große Familie zurücklässt. Sie zeigt, wie stark einen Menschen machen, die uns lieben, wenn wir sie lassen.

Ein Debüt, das ich sehr gerne weiterempfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.01.2024

Zwei Frauen, die für ihre Selbstbestimmung kämpfen

Marschlande
0

Es sind zwei Geschichten, zwei Frauen, denen wir in Jarka Kubsovas Roman hier folgen.

Zum einen Britta, deren Geschichte in der Jetztzeit spielt. Sie ist mit Mann und Kindern von Hamburg aus aufs Land ...

Es sind zwei Geschichten, zwei Frauen, denen wir in Jarka Kubsovas Roman hier folgen.

Zum einen Britta, deren Geschichte in der Jetztzeit spielt. Sie ist mit Mann und Kindern von Hamburg aus aufs Land gezogen. Dabei verkörpert sie eine typische Frau unserer modernen Gesellschaft. Sie kämpft mit traditionellen Rollenerwartungen, versucht ihre Ehe zu retten, für ihre Kinder da zu sein, ihren Platz am neuen Wohnort zu finden. Zeitgleich fällt ihr auf, wie wenig ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse noch zählen, oder gar überhaupt wahrgenommen werden. Ihre persönliche Entwicklung innerhalb der Handlung, ist dabei für mich glaubhaft und realistisch dargestellt. Es fiel mir leicht mich in Britta einzufühlen und gerade in Bezug auf ihre Tochter, mochte ich ihre Reaktion sehr.
Was nicht unerheblich zu ihrer Wandlung beiträgt, ist die „Bekanntschaft“ mit Albeke, die zweite Hauptfigur des Romans.

Albeke, ist eine junge, unverheiratete Bäuerin mit eigenem Hof in den Marschlanden im 16. Jahrhundert. Nachdem sie nicht bereit ist zu heiraten, aber gleichzeitig sehr erfolgreich in der Bewirtschaftung ihrer Ländereien ist, weckt das nicht nur den Unmut der restlichen Dorfbewohner. Nach einem verheerenden Unwetter kollidieren konservative Ansichten und Aberglaube der Bauern mit der fortschrittlichen und lebenstüchtigen Art und Weise von Albeke.

Die Autorin hat einen packenden Roman über zwei starke Frauen geschrieben, der mich sofort in seinen Bann zog. Ihr Ton ist dabei eher ruhig und sachlich, ohne nüchtern oder emotionslos zu wirken. Durch die abwechselnden Handlungsstränge konnte ich zumindest immer wieder kurz aus dem Geschehen auftauchen, was mir sonst - gerade bei Albeke -schwerfiel. Ihr Part hat mich auch noch mehr gefesselt und beschäftigt als der von Britta. Aber das liegt einfach auch an der Thematik.

Besonders gelungen fand ich die Parallelen der beiden Frauenschicksale. Auch wenn zwischen den beiden Geschichten rund 400 Jahre liegen, ähneln sich die Problemlagen der beiden Frauen doch sehr im Kern. Die Frage der Macht und des Machtmissbrauchs ist schließlich immer noch ein gravierendes Thema in unserer Gesellschaft.
Auch auf das Nachwort der Autorin möchte ich explizit hinweisen, das nochmal einiges an Sach- und Zusatzinformationen bereithält.

Ein gelungener Roman, den ich gerne weiterempfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere